He will save you by breaking you

»Sagst du es jetzt oder wollen wir mit dem Gürtel weitermachen?« Meine Augen flattern, weil ich gegen das Gefühl der Ohnmacht kaum noch ankomme. James klopft mir gegen die Wange, damit ich nicht wegdrifte, und ich bilde mir ein, dass seine Hand etwas zu lang und etwas zu sanft auf ihr ruhen bleibt. Seine Fingerspitzen sollten sich nach allem, was er getan hat, nicht so heilsam auf meiner Haut anfühlen. Meine Lippen sollten sich nach diesem Blowjob nicht nach seinen Küssen sehnen. Sollten, sollten, sollten … Die Realität sieht jedoch anders aus. Ich würde in dieser Sekunde alles für einen tröstenden Kuss geben. Oder für ein paar simple Worte, die mir versichern, dass alles wieder gut wird.

Vernebelt blicke ich zu ihm auf, und als ich den flehenden Funken in seinen stechend grünen Augen sehe, gebe ich schließlich nach. Ich ertrage keinen weiteren Schlag, keine weitere Demütigung. Ich ertrage es nicht länger, ihn so zu sehen und nicht zu wissen, welche Seite in ihm gewinnen wird.

Die gute oder die abgrundtief böse …

»Es tut mir leid«, flüstere ich und merke, wie gebrochen ich bereits klinge. Sekunden später schlägt James mich erneut, dieses Mal wieder mit der flachen Hand. Mein Kopf schleudert zur Seite und ich schmecke das Salz meiner Tränen, die plötzlich überall sind. Sie rinnen wie Bäche über mein geschundenes Gesicht.

»Ich verstehe dich nicht, Ginger. Du musst schon lauter sprechen.« James umschlingt die Kette etwas fester mit seiner Faust, während ich mich auf dem Stuhl immer kleiner mache. Ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr und ich verabscheue, dass ich dieses Spiel anfangs so sehr genossen habe. Wann war der Punkt erreicht, als meine Lust in Angst umschlug? Ich erinnere mich nicht.

»Es tut mir leid«, wiederhole ich, immer noch leise wie ein Mäuschen, obwohl ich in den letzten Tagen so stark war. Vermutlich war es nur eine Frage der Zeit, bis das Kartenhaus in sich zusammenfallen würde. Der nächste Schlag gibt mir den Rest. Die Kette saust auf meine Brüste hinab und entfacht einen Schmerz, der überdimensional ist. Warum hört er nicht auf, mich zu schlagen, obwohl ich mich entschuldigt habe? Warum quält er mich so? Erneut jagt er die Kette auf meine Brust, dieses Mal direkt über mein Herz. Mein Herz, das er gerade regelrecht entzweibricht. Ich versuche die Antwort in seinen Augen abzulesen, aber dafür sehe ich nicht mehr scharf genug. Sterne tanzen in meinem Sichtfeld, die mich tiefer in die Schwärze der Nacht ziehen wollen. Dann packt James meinen Hals und drückt so fest zu, dass ich meinen Tod bereits fühlen kann. Ich sehe, wie er die Arme für mich öffnet, bereit dazu, seinen schwarzen Umhang über mich zu legen.

»Lauter!«, befiehlt James harsch und lockert den Druck um meine Kehle wieder. Seine warmen Finger ruhen jetzt wie ein schützender Schal an meinem Hals, und als sein Daumen kleine Kreise über meine brennende Haut zeichnet, sammle ich meine letzte Stärke, sehe zu ihm auf und schreie ihm die vier Worte mitten ins Gesicht.

»ES TUT MIR LEID!«

»Warum nicht gleich so?«, fragt er mit erhobenem Mundwinkel, aber ich kann hinter die Fassade blicken. Hinter seiner perfektionierten und wunderschönen Maske brodeln die Schuldgefühle. Und zu wissen, dass er sich hierfür sein Leben lang geißeln wird, befriedigt mich auf viel zu düstere Weise. Langsam löst er seine Hand von meiner Kehle, entfernt sich von mir und wirft einen Blick Richtung Kamera.

»Ich glaube, sie hat ihre Lektion gelernt.« Ohne mich ein weiteres Mal anzusehen, verlässt James den Raum. Und somit auch mich, obwohl ich es nicht ertrage, jetzt allein zu sein. Das Déjà-vu meines Lebens übermannt mich mit voller Wucht. Dieses Gefühl der Einsamkeit steigt in meinem Körper rasend schnell auf und flutet mein Herz, das immer noch im Galopp schlägt. Die Tür fällt lautstark ins Schloss, und als ich höre, dass James mich hier drin einschließt, springe ich vom Stuhl auf, schnappe mir mit zitternden Fingern sein Jackett, das er hier vergessen hat, und ziehe es mir über.

Zum einen, weil ich nicht will, dass mich die Leute hinter der Kamera weiterhin halb nackt sehen können, zum anderen, weil ich in dem Stück Stoff die Zuneigung suche, die James mir verwehrt hat. Sein Duft dringt in meine Nase und hüllt mich in diese friedliche Blase, in der mir niemand etwas anhaben kann. Ich träume mich fort. Weg von diesem dreckigen Keller, weg von diesen dreckigen Menschen. Ich streife mir die Schuhe ab, torkle zum Stuhl und ziehe die nackten Füße auf die Sitzfläche. Dann umschlinge ich meine Knie, vergrabe das Gesicht in meinem Schoß und wünsche mich weit weg.

Und ohne dass ich einen Einfluss darauf habe, befinde ich mich plötzlich wieder auf dieser wunderschönen Veranda am Black’s Beach. Ich spüre James’ warmen, schützenden Körper und die Meeresbrise auf meinem Gesicht, während wir gemeinsam in den Sonnenuntergang blicken, als wäre dieser Ort nur für uns bestimmt. Je länger ich in meiner Gedankenwelt verweile, desto ruhiger wird mein Körper und desto stärker verblassen meine Schmerzen. Sowohl die inneren als auch die äußeren.

Als ich meine Finger in den Stoff seines Jacketts grabe und Trost in diesem leblosen Kleidungsstück finde, weiß ich, dass es zu spät für mich ist. Weil es einen albernen, naiven Teil in mir gibt, der glaubt, dass er das Jackett absichtlich hiergelassen hat. Damit ich etwas von ihm bei mir habe, wenn ich zusammenbreche.

Silva hatte recht.

Ich habe mein Herz längst an meinen Entführer verloren … und er hat es soeben mit bloßen Händen zerquetscht.