Ring frei – Daum gegen Hoeneß
Am 20. Mai 1989 saßen sich Uli Hoeneß und Christoph Daum im »Aktuellen Sportstudio« gegenüber, kurz vor dem entscheidenden Spiel zwischen dem 1. FC Köln und Bayern München um die Meisterschaft. Der Moderator Bernd Heller erinnert sich:
»Die Konstellation war perfekt. Christoph Daum hatte den 1. FC Köln zu einem Bayern-Verfolger aufgebaut und saß den Münchnern im Kampf um die Meisterschaft im Nacken. Über die Saison hinweg hatte Daum einen ›Nimbus des Unbesiegbaren‹ aufgebaut, großen Ankündigungen waren auch meist Siege gefolgt. Im Vorfeld des Spiels gegen die Bayern griff Daum auch den Bayern-Trainer Jupp Heynckes an.
Daum und Heynckes im ›Aktuellen Sportstudio‹ versprach also ein Knüller zu werden. Ich wusste, dass Daum zusagen würde, und das tat er auch. Heynckes war schwieriger. Uli Hoeneß sträubte sich, ihn mit Daum in den Ring zu schicken, denn er ahnte wohl, dass Heynckes dem Kölner Trainer nicht gewachsen sein würde. Er hatte sich durch fehlende Reaktionen auf Daums verbale Attacken den Ruf einer Schlaftablette erarbeitet. Ich schlug Hoeneß vor, ebenfalls mitzukommen – um dann aber ein Gleichgewicht zu schaffen, sollte noch Udo Lattek dabei sein, der im Groll von den Bayern geschieden und damals Sportdirektor beim FC war. Er sagte ebenfalls zu, und wenige Tage vor der Sendung erhielt ich dann endlich auch das Okay von Hoeneß, als ich ihn von einer Telefonzelle am Aschaffenburger Bahnhof aus anrief.
Dann war es so weit. Wir hatten dafür gesorgt, dass die Streithähne vorab nicht aufeinandertrafen. Sie sollten erst in der Sendung spontan Dampf ablassen – und das taten sie. Es wurde heftiger als gedacht. Daum und Hoeneß gaben sich noch nicht einmal die Hand. In der Sendung ging es hin und her. Daum blieb dabei ziemlich gelassen, Hoeneß hingegen schwollen bei jeder Bemerkung Daums die Halsadern an – die beiden waren kurz davor, handgreiflich zu werden. Daum griff Hoeneß an, Hoeneß las im Gegenzug eine Beschimpfung aus der Zeitung vor, die Daum über ihn lanciert hatte: ›Nach dem Sieg gegen Inter Mailand ging es ihm für ein paar Stunden besser. Da war eine Gehirnwindung mehr durchblutet.‹ An einen Satz von Hoeneß kann ich mich noch genau erinnern, der sich auf die Studiodekoration bezog – es hingen einige Fußbälle in verschiedenen Höhen von der Decke. Er sagte zu Daum: ›Mein lieber Freund, das Ding, das da über dir hängt, das ist kein Heiligenschein, das ist noch immer ein Fußball.‹
Das Publikum ging spontan mit und sang ›Zieht den Bayern die Lederhosen aus‹. Hier sah man die Chance, dem hassgeliebten Bundesligaprimus eins auszuwischen – die Sympathien lagen trotz oder gerade wegen Daums heftigen verbalen Attacken gegen Heynckes und Hoeneß auf Seiten der Kölner. Nach der Sendung gingen die Kontrahenten direkt auseinander.
In der Montagskonferenz der Redaktion wurde mir vorgeworfen, die Kontrahenten zu sehr wüten gelassen zu haben. Die Sendung hatte den Charakter einer Nachmittags-Talkshow im Privatfernsehen, es wurden niedere Instinkte bedient – und das zu einer Zeit, als in den Öffentlich-Rechtlichen noch viel stärker auf Niveau geachtet wurde, auch im ›Aktuellen Sportstudio‹. Aber ich denke, es hat sich gelohnt. Die Bild-Zeitung war jedenfalls begeistert und verlieh mir und dem Redakteur direkt am Montag irgendeinen Preis – den wir aber nie sahen.
Fünf Tage später kam es dann zum Aufeinandertreffen der beiden Clubs. Bayern siegte in Köln mit 3:1 und entschied die Meisterschaft quasi für sich. Daums Nimbus der Unbesiegbarkeit war dahin.«
Mannis Kommentar
Am Ende, das hat Bernd Heller wahrscheinlich schon vergessen, wurde es noch verrückter: Das ZDF hatte eine Frau Kroll-Hermkes ins Studio gebeten, eine selbst ernannte Hellseherin aus München, die behauptete, von Fußball keinerlei Ahnung zu haben. Die üppige toupierte Dame sprach unter dem Gejohle der Zuschauer: »Meine Intuition sagt mir, dass Bayern München Deutscher Meister wird.«
Krawallfernsehen im biederen ZDF! Einzige, aber auch nicht ganz frische Erkenntnis der »Gesprächsrunde«: Die beteiligten Herren hatten sich wenig Schmeichelhaftes mitzuteilen. Die Fehde zwischen Daum und Hoeneß erreichte elf Jahre später bei Daums Drogenaffäre ihren nicht mehr ganz so lustigen Höhepunkt.
Dem »Aktuellen Sportstudio«, dem schon so oft Betulichkeit und ungesundes Harmoniestreben vorgeworfen worden war, schadete der spektakuläre Austausch von Beleidigungen nicht. Ganz im Gegenteil: Der Brachial-Disput war eine schöne PR-Aktion für den Dino unter den deutschen Fernseh-Sportmagazinen.
Das »Aktuelle Sportstudio« ging im August 1963 auf Sendung, einer der Moderatoren, Werner Schneider, erfand 1966 das Markenzeichen: die ZDF-Torwand, die seitdem bei keinem Kindergeburtstag und Pfarrgemeindefest fehlen darf. Sechsmal hat noch keiner der prominenten Gäste getroffen, 1974 versenkte Günther Netzer den Ball als erster fünfmal in einem der kreisrunden Löcher rechts unten oder links oben. Inka Grings und Rudi Völler sind zwei der vielen, die es ihm nachmachten. Franz Beckenbauer legte 1994 in Meisterfeier-Laune den Ball auf ein Weißbierglas – und traf ebenfalls.
Lang ist die Liste der »Sportstudio«-Moderatoren: »Big Wim« Thoelke und Harry Valérien in der Gründerzeit, später Dieter Kürten und Hans-Joachim Friedrichs, noch frisch in Erinnerung Günther Jauch und Johannes B. Kerner.
Spektakulär war das kurze Gastspiel der WDR-Frau Carmen Thomas 1973/74. Ihr hängt bis heute der Versprecher »Schalke 05« nach, wahrer Höhepunkt war aber der Samstagabend, an dem sie die frische Ausgabe der Bild am Sonntag mitbrachte, in der schon vorab ein Verriss ihrer Moderation erdichtet worden war. Hintergrund der Kampagne gegen Carmen Thomas sollen nicht die Vorbehalte wegen ihrer Geschlechtszugehörigkeit gewesen sein. Die konservativen Heckenschützen zielten in Wirklichkeit auf den ZDF-Sportchef Hajo Friedrichs; der setzte sich für einen kritischeren Umgang mit dem Sport ein und holte – als SPD-Mann – eine linke (!) Frau (!) in die Moderator(-innen)-Riege.
Mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem »Sportstudio«-Start sind weibliche Moderatorinnen schon lange keine Sensation mehr. Frauen wie Dunja Hayali und Katrin Müller-Hohenstein begleiten die Fußballfans souverän durch den Abend. Und die legendäre Torwand steht immer noch im Studio. Ein Ende ist nicht abzusehen. Ein Straßenfeger ist die Sendung allerdings schon lange nicht mehr; im Schnitt schalten etwas mehr als zwei Millionen den Fernseher ein, wenn die letzte Bundesliga-Sendung des Samstags startet.