Felix Magath

Ein Traumtor zum HSV-Titel

In Athen standen sich am 25. Mai 1983 im Finale des Europapokals der Landesmeister der Hamburger SV und Juventus Turin gegenüber. Bereits in der 9. Minute erzielte Felix Magath mit einem Linksschuss in den Winkel das 1:0. Dabei blieb es auch – der HSV schlug das Turiner Starensemble rund um Michel Platini und wurde Pokalsieger. Magath erinnert sich.

»Der Tag begann für uns auf einem Golfplatz. Nicht irgendein Tag – es war der Finaltag! Das Jahr 1983: Wir waren mitten im Kampf um die Meisterschaft, und auf einmal standen wir im großen Europapokalfinale der Landesmeister! An diesem 25. Mai 1983 hatten wir das zweite Mal (nach 1980) die Chance, uns den größten, den wichtigsten Club-Titel zu sichern. Und wir wollten ihn – unbedingt! Unser Gegner: Juventus Turin. Auch für Juve war es die zweite Chance auf den großen internationalen Erfolg, auf einen Sieg in der Königsklasse. Für beide Mannschaften war der Druck also unglaublich groß!

Und unsere letzte Trainingseinheit fand nun auf diesem Golfplatz bei Athen statt. Weniger als zwölf Stunden noch bis zum Spiel. In Deutschland Spitzenreiter, in Athen klarer Außenseiter. Wir hatten mit Spielern wie Manfred Kaltz und Horst Hrubesch durchaus eine leistungsstarke und erfolgreiche Mannschaft. Trotzdem kamen wir gegen die namhafte Besetzung der Italiener nicht an. Zum damaligen Kader gehörten insgesamt sieben Weltmeister von 1982, unter ihnen der WM-Torschützenkönig Paolo Rossi, Marco Tardelli und Dino Zoff.

Sechs Stunden noch bis zum Spiel. Wir waren wahnsinnig nervös. Das Olympiastadion war mit 73 500 Zuschauern ausverkauft – ich hatte das Gefühl, es seien nur Tifosi im weiten Rund. Die Italiener waren eindeutig in der Überzahl. Dennoch war alles möglich. Ich erwartete ein spannendes Finale und hatte natürlich den großen Wunsch, einen Treffer in diesem überaus wichtigen Spiel zu landen. So wie es mir auch 1977 im Pokalfinale der Pokalsieger gelungen war. Ein Wunschtraum zu diesem Zeitpunkt. Wir standen auf dem Rasen, 45 Minuten bis zum Spiel.

Dann ging es los. Michel Platini wurde durch enge Manndeckung von der ersten Minute an ausgeschaltet, so konnte ich im Mittelfeld völlig frei spielen. Und diesen Freiraum nutzte ich. Ich bekam den Ball, habe einen Schuss angetäuscht, bin dann an Marco Tardelli vorbeigegangen und habe aus 20 Metern von der linken Ecke des 16-Meter-Raums den Ball gut getroffen! Er schlug unhaltbar für Dino Zoff im langen oberen Eck ein. Man hat ihm im Nachhinein vorgehalten, mein Schuss wäre haltbar gewesen. Absoluter Quatsch! Den konnte er nicht parieren.

Das Spiel lief gerade erst seit acht Minuten. Die Stimmung an diesem Mittwochabend im Stadion war atemberaubend. Der frühe Treffer konnte uns einen Teil des Drucks nehmen. Trotzdem blieb die Partie für uns bis zum Schluss ein nervenzerreißendes Duell. Im Nachhinein kann ich sagen, dass ich zu keinem Zeitpunkt das Gefühl hatte, noch verlieren zu können. Abpfiff!

Der Sieg in Athen war der größte in der Vereinsgeschichte des HSV. Mein Treffer war einmalig, und dass er spielentscheidend wurde, macht ihn für mich zu einem der unvergesslichsten Erlebnisse meiner Karriere. Auch noch nach fast vier Jahrzehnten.«

Felix Magath – König von Europa

Mannis Kommentar

Noch heute gibt’s wahlweise feuchte oder strahlende Augen, wenn einer im Kreise von Holsten-beseelten HSV-Fans nur den Städtenamen Athen ausspricht. Und die Mannschaftsaufstellung haben sie alle noch drauf: Uli Stein, Manni Kaltz, Holger Hieronymus, Ditmar Jakobs, Bernd Wehmeyer, Wolfgang Rolff, Jürgen Groh, Jürgen Milewski, Felix Magath, Horst Hrubesch, Lars Bastrup und – eingewechselt – Thomas von Heesen. Keine Zaubertruppe, aber eine erfahrene, kompakte, disziplinierte Mannschaft, von der Plaudertasche Ernst Happel auf Kurs gehalten.

Goldene Zeiten sind es damals gewesen für den HaEsVau, Ende der Siebziger-, Anfang der Achtzigerjahre: Schon 1977, unter Kuno Klötzer, holten die Hamburger den Europacup der Pokalsieger (2:0 gegen Anderlecht), 1980 und 1982 sind sie noch zweimal im Europacup-Finale gewesen; in der Bundesliga wurden sie in dieser Phase dreimal Deutscher Meister, und ein ganzes Jahr lang, zwischen Januar 1982 und Januar 1983, 36 Spiele am Stück, wurde der HSV in der Liga nicht geschlagen.

Felix Magath war der Techniker, der Denker, sein Tor von Athen machte ihn zur HSV-Legende. Nicht nur an der Alster, sondern auch in Italien: Alle Juve-Hasser, und davon gibt es nicht wenige, lieben ihn bis auf den heutigen Tag; auf der Website antijuve.com wird er immer noch in der Rubrik »Idol« aufgeführt.

Später, in seinen wechselnden Rollen als Trainer und Manager, schwankte sein Image zwischen Bundeswehr-Schleifer und verschrobenem Kauz. Nach seiner Zeit bei Schalke 04 warfen viele Blau-Weiße ihm vor, als skrupelloser Diktator aufgetreten zu sein, dem es gelungen sei, einen beträchtlichen Teil der Mitarbeiter und Funktionsträger in kürzester Zeit gegen sich aufzubringen. Im privaten Gespräch wirkte er schon mal wie ein sanfter Ironiker, aber wahrscheinlich nur auf die, die nicht unter ihm arbeiten oder trainieren mussten.

Kaum zu toppen und von hohem Wahrheitsgehalt ist der unvergessene Spruch seines Frankfurter Spielers Jan-Aage Fjörtoft nach der Rettung vor dem Abstieg: »Ich weiß nicht, ob Magath auch die Titanic gerettet hätte, aber die Überlebenden wären topfit gewesen.«

Seit seinem Engagement bei den Bayern mit dem Doppel-Double streifte er seine Rolle als Retter aus höchster Not ab, der nach getaner Arbeit einen Fußtritt kriegt. In Wolfsburg reifte er zum erfolgreichen Mannschaftsarchitekten, der als radikaler Sanierer innerhalb von zwei Jahren den Deutschen Meister 2009 konstruierte. Höchst ungerecht wäre es, sein Wirken in der norddeutschen Tiefebene auf die VW-Millionen zu reduzieren, auch wenn sie fraglos sehr hilfreich waren.

Magath empfindet sich als Verteidiger des Fußballs vor einem überbordenden Kommerz, amerikanisierte Marketingkonzepte sind ihm zuwider, smarte Typen wie Bierhoff und Klinsmann waren immer seine natürlichen Feinde. Diese Herren würde er wohl am liebsten bis zur Brechgrenze mit Medizinbällen unterm Arm den legendären »Meisterhügel« auf dem Wolfsburger Trainingsgelände rauf und runter laufen lassen.

Mittlerweile hat Felix Magath das Rentenalter erreicht. Nach seinem Rauswurf bei Schalke im März 2011 gab er noch ein Comeback als Manager und Trainer in Wolfsburg, trainierte Fulham in der Premier League und versuchte sich in der chinesischen Liga. Neben der jungen Garde der Laptop-Trainer, die gerne mal über »flache Hierarchien« dozieren, wirkt der einstige »Quälix« wie der Vertreter einer ausgestorbenen Gattung, dessen Name in Trainer-Nachfolge-Diskussionen nur noch als schon abgenutzter Gag genannt wird.