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Und der Haifisch, der hat Zähne
Mischa läuft durch den gläsernen Tunnel und betrachtet die Fische, die über ihm schwimmen. Das bläuliche Licht lässt die Gesichter der Menschen ungesund erscheinen. Wie Wasserleichen. Wasserleichen, denkt Mischa. Ein Rochen segelt über ihn hinweg. Er betrachtet das Gesicht mit dem schnappenden Mund, die pulsierenden Kiemen. Schon komisch, dass es so ein Tier gibt, platt wie ein Pfannkuchen. Ein Hai zieht vorbei. Starre, kalte Augen, ein nach unten gebogenes Maul, das ihn grimmig und hinterhältig aussehen lässt. Haie, lautlose Killer, denkt Mischa. Irgendwie gefällt ihm das. So ein Hai, der grübelt nicht lange nach: richtig, falsch, gut, böse. Der will einfach nur fressen. Instinkt und purer Überlebenswille. Schnapp! Mischa will doch auch nur überleben, hat keine Lust, Bekanntschaft mit »Rosen-Kalles« Gartenschere zu machen oder von Bela, dem »Chirurgen«, verhackstückt zu werden. Dann doch lieber so.
Mischa verlässt das Aquarium und läuft zum Strand, zieht die Schuhe aus, genießt das Gefühl, barfuß durch den warmen Sand zu laufen. Am Wassersaum lässt er die Wellen an seinen Füßen lecken, krempelt die Hosenbeine auf und watet ein Stück in die kühle Nordsee hinein. Nachdem er ein bisschen am Wasser entlanggelaufen ist, sucht er sich ein freies Plätzchen, wo er sich in den Sand fallen lässt.
In der Stadt hat er sich vorhin ein Fischbrötchen gekauft. Das möchte er jetzt essen. Er holt die Tüte aus dem Rucksack, packt es aus und beißt hinein. Das schmeckt! Und dazu die Sonne, das Meer. Gar nicht so übel, so ein bezahlter Urlaub, denkt er. Wenn nur der Job nicht wäre. Der liegt ihm schon schwer im Magen. So etwas hat er noch nicht gemacht. Er hat mal zugeguckt, Schmiere gestanden. Hinterher hat er sich übergeben müssen. Für so was ist er nicht gemacht. Wenigstens wird die Sache nicht blutig, denkt er. Wird schon nicht so schlimm werden. Ist eigentlich ja schade drum, so ein junges Mädel, noch dazu so erfolgreich und hübsch. Die hätte er auch nicht von der Bettkante geschubst. Na ja, egal. Irgendwem hat die Kleine offenbar mächtig in die Suppe gespuckt, dass er sie aus dem Weg haben will. Geht ihn ja auch nichts an, er stellt keine Fragen. Und Dariusz hätte ihm auch keine beantwortet, wenn er sie denn gestellt hätte. Mit dem Auftraggeber hat er ohnehin keinen direkten Kontakt. Hat bestimmt gute Gründe.
Er weiß, was er wissen muss. Weiß, wie er sich Zutritt verschaffen kann, kennt die räumlichen Gegebenheiten und weiß, was genau er zu tun hat. Eigentlich ist es eine sichere Bank. Je schneller er die Sache hinter sich bringt, desto eher kann er Rocco die Kohle zurückzahlen, und alle seine Probleme werden sich in Wohlgefallen auflösen. Jetzt muss er nur noch warten. Warten, bis er das Okay bekommt.
In seiner Tasche klingelt das Handy. Mischa lässt das Brötchen zurück in die Tüte rutschen, legt sie ab und zieht das Telefon heraus. Er sieht aufs Display. Dariusz.
»Ja?«, meldet er sich. »Heute? Verstehe. Alles klar, exakt so, wie wir es besprochen haben. Nein, keine Sorge, du kannst dich auf mich verlassen. Sicher. Ich melde mich dann später, wenn alles erledigt ist.«
Mischa legt auf und steckt das Handy wieder in die Tasche. Showtime, denkt er.