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Das Blatt wendet sich
Siggi und Törtchen waren nach dem Spaziergang früh zu Bett gegangen, hatten noch ausgiebig miteinander gekuschelt und waren schließlich Arm in Arm eingeschlafen. Obwohl sich Siggi am Morgen angenehm ausgeruht und entspannt fühlte, kamen ihr keine neuen, zündenden Ideen, wie sie ihr Dilemma angehen konnte. Sie musste dringend mit Polina sprechen. Die wusste möglicherweise mehr und konnte eventuell die fehlenden Puzzleteilchen liefern, die sie brauchten, um die Polizei zu überzeugen, die Ermittlungen wieder aufzunehmen.
Den Vormittag verbrachte Siggi damit, zu Hause Ordnung zu schaffen und den Garten zu versorgen. Am Nachmittag schwang sie sich schließlich aufs Rad, um die restlichen Sachen in Lenkas Wohnzimmer zu verpacken, und holte dann neue Kartons, um auch die Aktenordner aus dem Büro zu verstauen. Gerade als sie damit beginnen wollte, hörte sie plötzlich die Terrassentür. Schritte, die wie die eines Mannes klangen, klackerten auf dem Fliesenboden. Siggi versuchte, leise zu atmen, doch ihr aufgeregt pochendes Herz sorgte dafür, dass der Atem stoßweise über ihre Lippen kam. Panisch suchte Siggi mit den Blicken den Raum nach einem geeigneten Versteck ab, aber es gab keines. Blieb nur noch die Möglichkeit, sich unter dem Schreibtisch zu verkriechen. Doch die gläserne Tischplatte würde sie nicht verbergen, wenn die Person, die sich offenbar der Treppe näherte, das Arbeitszimmer beträte. Dennoch kauerte sich Siggi unter den Schreibtisch und betete, dass der Eindringling möglicherweise nur an der geöffneten Tür vorbeilaufen und einen kurzen Blick ins Büro werfen würde.
Die Schritte kamen eindeutig die Treppe hinauf, durchquerten den Flur und hielten einen Moment inne. Mist, verfluchter! Siggi, die unter dem Tisch kauerte, konnte sehen, wie sich die Tür zum Arbeitszimmer öffnete. Ein Schreck durchfuhr sie, als sie den Eindringling erkannte. Was hatte das nun wieder zu bedeuten? War sie mit ihrer Theorie doch vollkommen auf dem falschen Dampfer gewesen? Ihr Herz wummerte, und sie überlegte krampfhaft, was sie tun konnte. Noch hatte Udo Karstens sie nicht entdeckt. Er stand mit dem Rücken zum Schreibtisch vor dem Regal und suchte mit dem Finger die Reihe der Ordner ab, blieb bei der Lücke hängen und fluchte, begann mit der Suche von vorn. Na klar! Er war gekommen, um die Beweise für seinen Betrug verschwinden zu lassen. Das konnte doch eigentlich nur bedeuten, dass sie mit ihrer ersten Theorie richtiggelegen hatte. Jetzt war guter Rat teuer. Gleich würde er sich umdrehen und sie entdecken. Ihre Zunge klebte am Gaumen, und Siggi kämpfte gegen einen plötzlichen Hustenreiz. Was würde Karstens mit ihr anstellen, wenn er sie entdeckte? Sie musste hier raus!
Siggi entschied, dass ihre einzige Chance darin bestand, das Überraschungsmoment auszunutzen. Vorsichtig kroch sie unter dem Schreibtisch hervor. Aus Leibeskräften schreiend sprang sie auf die Füße, stieß Karstens, der herumfuhr und ebenfalls einen Schrei ausstieß, mit aller Kraft vor die Brust und stürzte in den Flur hinaus. Offenbar hatte die Überrumpelungstaktik gewirkt, denn es dauerte eine Weile, bis Siggi Schritte hinter sich hörte. Sie hatte den oberen Treppenabsatz erreicht. Nur noch die Treppe hinunter, dann konnte sie aus der Haustür ins Freie laufen und Hilfe holen.
Atemlos rannte sie die Treppe hinunter, doch dann passierte es: Ihr Fuß rutschte ab, sie suchte vergeblich nach Halt und stürzte. Instinktiv riss sie die Arme hoch, um ihren Kopf zu schützen, und krümmte sich, sodass es ihr gelang, sich abzurollen. Dennoch war die Landung auf dem Fliesenboden unsanft und presste ihr die Luft aus den Lungen. Für einen Augenblick blieb sie keuchend liegen und hielt die Augen geschlossen. Als sie sie wieder öffnete, war Karstens bereits über ihr und starrte auf sie herab. Er beugte sich zu ihr herunter. Siggi kniff erneut die Augen zu und ging im Geiste alle Möglichkeiten durch, sich in ihrer Position zu wehren, doch der Schmerz des Treppensturzes raste noch immer durch ihre Glieder und ließ rasche Bewegungen beinahe unmöglich erscheinen. Verzweifelt fragte sich Siggi, was Karstens mit ihr vorhatte. Ob sie auch ihr Ende in der Badewanne finden würde? Das konnte sie unmöglich zulassen. Sie musste sich wehren! Doch schon berührte seine Hand sie an der Schulter.
»Um Gottes willen! Haben Sie sich verletzt? Was zum Teufel machen Sie hier? Ich habe mich zu Tode erschreckt.«
»Genau das könnte ich Sie auch fragen«, stieß Siggi todesmutig hervor, während sie sich mühsam in eine sitzende Position aufrichtete und ihre schmerzenden Glieder abtastete.
»Ich … äh … na ja, ich habe Unterlagen gesucht«, stammelte Karstens.
»Vermutlich den Ordner mit den Abrechnungen aus dem letzten Jahr, bei denen Sie ordentlich in die eigene Tasche gewirtschaftet haben, nicht wahr?«
Karstens sah perplex aus. »Sie … Sie wissen davon?«
»Allerdings. Und mein Freund und die Polizei auch! Es hat also keinen Sinn, mich umzubringen, so wie Sie Lenka umgebracht haben. Es wird sowieso herauskommen.«
»Sie umbring… Moment mal.« Karstens ging neben ihr in die Hocke und blickte sie noch verwirrter an. »Sie glauben, ich hätte … Natürlich! Für Sie muss es ja so aussehen. Aber ich versichere Ihnen …« Karstens reichte ihr die Hand. »Kommen Sie, ich helfe Ihnen auf, und wir sprechen in aller Ruhe. Es ist nicht so, wie es vielleicht aussehen mag.«
Siggi zögerte einen Moment und betrachtete Karstens argwöhnisch, doch etwas in seinem Blick ließ ihn vertrauenswürdig erscheinen. Schließlich ergriff Siggi die Hand und ließ sich aufhelfen.
»Sind Sie verletzt?«, fragte Karstens besorgt.
Siggi tastete sich noch einmal ab. »Nein, ich glaube nicht. Es war mehr der Schreck, und vielleicht habe ich ein paar Prellungen abbekommen. Gebrochen scheint jedenfalls nichts zu sein.«
»Ein Glück, es sah ziemlich gefährlich aus, wie Sie da die Treppe runtergekullert sind.«
»In einem anderen Leben war ich Stuntfrau.«
»Wirklich?«
»Quatsch, das war ein Scherz!« Siggi schüttelte den Kopf und musste lachen. Karstens fiel in ihr Lachen ein.
»Entschuldigung. Ich bin geistig nicht auf der Höhe, der Schreck hat mich nachhaltig verwirrt.«
»Na, und mich erst mal.« Siggi stemmte die Hände in die Hüften. »Und jetzt schießen Sie mal los, wie Sie ins Haus gekommen sind, was Sie überhaupt hier wollten und was es mit den frisierten Rechnungen auf sich hat.«
»Also, Sie müssen mir glauben, mit Lenkas Tod habe ich nichts zu tun. Ich war genauso schockiert wie Sie auch, als wir sie gefunden haben. Ich gebe zu, dass ich im vergangenen Jahr die Ausgaben ein bisschen zu meinen Gunsten manipuliert habe. Wissen Sie, ich bin Spieler und hatte einen üblen Rückfall. Ich habe ziemlich viel Geld verloren und Schulden bei miesen Typen gemacht. Ich musste das Geld schnell zurückzahlen.«
»Und da haben Sie Ihrer Klientin in die Tasche gegriffen, weil die sich für den Finanzkram nicht interessierte.«
»Richtig. Ich weiß, es war eine ganz miese Nummer, doch ich wollte das Geld nicht behalten. Ich hatte vor, es nach und nach zurückzuzahlen, indem ich mich umgekehrt zu Lenkas Gunsten ‘verrechne'.«
»Aber Lenka hat vor ihrem Tod herausgefunden, dat Sie se beschissen haben, oder etwa nicht?«
»Ja, sie rief mich an und sagte, sie habe Ungereimtheiten entdeckt. Sie wollte mit mir darüber sprechen. Und ich habe Panik bekommen.«
»Und da wollten Sie versuchen, Ihre Spuren zu verwischen. Genau, wie Sie heute hergekommen sind, um die Akte verschwinden zu lassen.«
»Ja, aber mit ihrem Tod habe ich nichts zu tun!«, betonte Karstens erneut. »Ich dachte, es war Selbstmord. Sie glauben wirklich, dass jemand sie umgebracht hat?«
Siggi nickte, und Karstens sah für einen Augenblick so aus, als hätte ihm jemand in den Magen geboxt.
»Ich hätte Lenka einfach reinen Wein einschenken sollen«, murmelte er.
»Aber dann wären Sie Ihren Job losgeworden, und Ihre Karriere wäre ruiniert gewesen«, folgerte Siggi.
»Gefeuert hätte sie mich garantiert, doch inzwischen denke ich, wenn ich ehrlich zu ihr gewesen und ihr einfach erklärt hätte, wie es dazu gekommen ist und dass ich vorhatte, ihr das Geld zurückzuzahlen, hätte sie die Geschichte für sich behalten.« Ein Ausdruck aufrichtigen Bedauerns war in Karstens' Gesicht getreten. »Lenka war ein toller Mensch, immer fair zu allen, auch wenn die es manchmal gar nicht verdient hatten. Es tut mir so leid, wie das alles gelaufen ist. Und ich schäme mich unglaublich vor der Familie. Deswegen wollte ich auch die Akte holen und alles bereinigen, bevor jemand die Unstimmigkeiten entdeckt. Spätestens wenn Polina und ihre Mutter die Erbschaftsangelegenheiten regeln, werden bestimmt alle Finanzen geprüft.«
»Und Ihre Trickserei betrifft wirklich nur das letzte Jahr?« Siggi war noch immer nicht restlos überzeugt.
»Nur das letzte Jahr, ich schwöre es.« Udo Karstens hob eine Hand. »Sie können sich selbst gern überzeugen, ansonsten habe ich immer alles sehr gewissenhaft abgerechnet. Aber jetzt verraten Sie mir mal, was Sie überhaupt hier machen und warum Sie von der Akte wussten.«
»Polina hat mich gebeten, bei der Haushaltsauflösung zu helfen und Kartons zu packen«, entgegnete Siggi. »Dabei habe ich den Ordner auf Lenkas Nachttisch gefunden und mal einen Blick hineingeworfen. Ich habe einen Schlüssel. Doch wie sind Sie denn ins Haus gekommen?«
Karstens räusperte sich. »Na ja, mir fiel ein, dass Lenka mir erzählt hatte, dass sie ein Hide-a-key im Garten versteckt hat.«
»Ein was?« Siggi runzelte die Stirn.
»Ein Hide-a-key. So ein Ding, das aussieht wie ein Stein. Auf der Unterseite hat es ein Fach, in das man einen Schlüssel stecken kann. Darin hatte sie einen Terrassenschlüssel versteckt, weil sie sich gleich am ersten Tag aus Versehen ausgeschlossen hatte. Man kann die Terrassentür nämlich von außen verschließen. Wenn man vergisst, den kleinen Pin im Türschloss hochzudrücken und die Tür zuzieht, bleibt sie verschlossen.«
Siggi riss die Augen auf. »Wie bitte? Es gab einen versteckten Schlüssel? Haben Sie das der Polizei gesagt?«
»Nein, es ist mir ja selbst eben erst wieder eingefallen, als ich überlegt habe, wie ich an den vermaledeiten Ordner komme.«
»Hm … Sie waren sicher nicht der Einzige, der von dem Ersatzschlüssel wusste«, mutmaßte Siggi. »Für jemanden, der das Versteck kannte, wäre es also ein Leichtes gewesen, über die Mauer zu klettern und die Terrassentür aufzuschließen.«
»Vermutlich. Ach, Sie meinen …?« Karstens riss die Augen auf, als er begriff, was sie andeutete. »Sie meinen, jemand kannte das Versteck, ist durch die Terrassentür ins Haus gekommen und hat Lenka umgebracht? Doch was ist mit den Tabletten?«
»Vielleicht hat er sie ihr irgendwie eingeflößt«, vermutete Siggi. »Bleibt aber immer noch das Problem mit der Alarmanlage. Er hätte den Code kennen müssen, um sie abzuschalten.«
»Alarmanlage?« Karstens sah überrascht aus. Dann schlug er sich vor die Stirn. »Natürlich. Puh! Da habe ich ja fast noch einmal Glück gehabt, dass Sie im Haus waren und die Anlage offenbar deaktiviert hatten.«
»Sie haben nicht an die Alarmanlage gedacht?« Siggi sah ihn ungläubig an.
»Nein. Das Ganze war eine spontane Idee, weil ich Panik hatte, dass alles herauskommt. Davon war nichts so wirklich gut überlegt.« Udo Karstens sah zerknirscht aus.
Siggi schüttelte den Kopf. »Am Mittwochmorgen war die Alarmanlage scharfgeschaltet. Sie hätte also anschlagen müssen, wenn jemand die Terrassentür geöffnet hätte.«
»Vielleicht nicht, wenn er die Tür mit einem Schlüssel öffnet?«, mutmaßte Karstens.
»Also, bei der Haustür muss man den Code eingeben, auch wenn man sie mit dem Schlüssel geöffnet hat. Ich weiß nicht, wie das bei der Terrassentür wäre.«
»Sie könnten es ausprobieren«, schlug Karstens vor.
»Und dann muss ich nachher den Polizeieinsatz bezahlen. Nein, danke«, lehnte Siggi ab. »Ich schätze, ich muss auf Polina warten. Die wird mehr darüber wissen, wie die Anlage funktioniert. Sie müsste jetzt schon auf dem Autozug sein. Sie hat mir heute Morgen noch eine Nachricht geschickt.«
»Glauben Sie, ich könnte möglicherweise mit ihr sprechen?«, fragte Udo Karstens, sichtbar bedrückt. »Sie haben vollkommen recht. Wenn die Sache mit der Unterschlagung bekannt wird, könnte mir das beruflich das Genick brechen. Aber wenn ich ihr alles erkläre und beweise, dass kein finanzieller Schaden entstanden ist, weil ich das Geld jetzt zurückzahlen kann, meinen Sie, Sie würde mir noch eine Chance geben?«
»Fragen Sie sie am besten selbst. Ich will sie ohnehin wegen der Alarmanlage anrufen.« Siggi nahm ihr Handy und wählte Polinas Nummer.
»Siggi? Nanu, ist etwas passiert?«
»Das kann man wohl so sagen.« In groben Zügen erklärte sie, was sich soeben zugetragen hatte.
»Dann hatte Lenka also doch recht«, murmelte Polina. »Sie hat mir gegenüber schon einmal erwähnt, dass Sie da einen Verdacht hatte. Sagen Sie Karstens, ich werde es mir überlegen. Er soll erst mal nach Hause gehen. Ich befasse mich später damit und rufe ihn an. Die Sache mit dem versteckten Schlüssel bereitet mir jetzt weit mehr Bauchschmerzen.«
»Verstehe, ich werde es ihm ausrichten. Wie lange werden Sie brauchen?«
»Ich bin in etwa zwanzig Minuten da, schätze ich.« Polina klang aufgewühlt. »Sie müssen mir alles haarklein erzählen. Und dann rufen wir am besten die Polizei.« Siggi konnte hören, dass Polinas Stimme zitterte. »Dann ist es wahr. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass da etwas nicht stimmt. Mir wollte nicht in den Kopf, dass Magda so etwas tun konnte. Jetzt ergibt das alles plötzlich Sinn. Bis gleich, Siggi.«
Als Karstens sich verabschiedet hatte, lief Siggi umher wie ein Tiger im Käfig und sah immer wieder auf die Uhr, deren großer Zeiger sich einfach nicht weiterbewegen wollte. Mit der neuen Information, dass es einen versteckten Schlüssel im Garten gegeben hatte, drehte sich die Situation. Wenn Lenka Karstens davon erzählt hatte, wusste möglicherweise auch von Gnietschfleth davon. Der hatte seine Frau zu den Smirnoff Brothers geschickt und war dann zu Lenka gefahren. Ihr das Schlafmittel einzuflößen war für ihn bestimmt nicht schwer gewesen. Möglicherweise hatte er es in einem anderen Getränk aufgelöst, die Spuren anschließend beseitigt und das Weinglas hingestellt. Eine Schwangere, die keine Skrupel hat, Wein zu trinken, nimmt bestimmt auch Tabletten. Eine Frau, die plant, sich umzubringen, muss auch nicht auf eine Schwangerschaft Rücksicht nehmen und kann die Tabletten mit Wein herunterspülen. Eine perfekte Inszenierung, die ihre Wirkung nicht verfehlt hatte. Alles hatte eindeutig nach Leichtsinn oder Lebensmüdigkeit ausgesehen.
Hatte er an der Wanne gewartet, bis sie langsam eingeschlafen war, und sie dann sanft unter Wasser gedrückt, bis sie aufhörte zu atmen? Der Gedanke jagte Siggi einen kalten Schauer über den Rücken. Er hatte alles so arrangiert, dass es nach Selbstmord aussah, dann hatte er das Haus durch die Terrassentür verlassen, sie hinter sich zugezogen und war über die Mauer verschwunden.
Siggi wusste nicht mehr, wo ihr der Kopf stand. Sie war schrecklich aufgeregt. Die Gedanken flatterten wie ein Schwarm aufgescheuchter Fledermäuse in ihrem Hirn herum. Irgendetwas störte sie an der Sache, aber sie kam einfach nicht darauf, was es war. Natürlich war da noch das Problem mit der Alarmanlage, doch das war es nicht. Da war noch etwas, das nicht passte. Möglich, dass von Gnietschfleth den Code gekannt hatte oder dass die Anlage nicht auslöste, wenn die Terrassentür regulär mit einem Schlüssel geöffnet wurde, aber wie hatte er sie anschließend wieder aktiviert, als er gegangen war?
Letzteres müsste doch der Hersteller beantworten können, fiel ihr ein. Da war dieser junge Mann mit dem Baseball-Käppi gewesen, an dem Tag, als sie hier ihren Job angetreten hatte. Der Name der Firma hatte auf dem Käppi und dem Overall gestanden, und er hatte ihn genannt. Siggi kramte in ihrem Gedächtnis. TelSecure! TelSecure , hatte da gestanden. Rasch zog sie das Handy heraus und gab den Namen in die Suchmaschine ein, doch es fand sich unter den angezeigten Einträgen keine Alarmanlagenfirma dieses Namens auf Sylt. Siggi durchsuchte die Gelben Seiten und das Telefonbuch. Dann rief sie Törtchen an.
»Da müsste es dann wenigstens einen Eintrag ins Handelsregister geben«, meinte der, nachdem Siggi ihm in knappen Worten geschildert hatte, was vorgefallen war. »Warte, ich hab hier gerade den Firmenlaptop offen, um die Auftragsbestätigung zu drucken. Ich guck eben nach.« Er tippte. »Nee, da ist nichts eingetragen.«
»Heilige Scheiße, Törtchen!«, rief Siggi.
»Wat denn?«
»Na, kapierst du nicht? Wenn es die Firma nicht gibt, hier aber ein Typ dieser Firma auftaucht, angeblich, um die Anlage zu überprüfen, und sich von Polina durchs Haus führen lässt …«
»Ach, du Kacke! Na klar! Mensch, Siggi! Dat sieht ja immer mehr so aus, als hätteste von Anfang an recht gehabt mit deinem komischen Gefühl.«
»Wie immer. Solltest du allmählich wissen«, entgegnete Siggi triumphierend. »Der hat sich in Ruhe umgeguckt und wusste genau, wie man rein- und rauskommt, ohne dat der Alarm losgeht. Bloß, wie hat er die Tür aufbekommen, ohne Spuren zu hinterlassen? Er konnte doch nichts von dem Schlüssel im Garten wissen.«
»Ja, was weiß denn ich, Siggi?! Ihr müsst dringend diesen Kommissar Dingens anrufen. Bei Mord hört der Spaß eindeutig auf. Ich will nich', datte dich irgendwie in Gefahr bringst, klar?«
»Sicher. Für wie bekloppt hältste mich denn? Ich geh kein Risiko ein, wenn ich nicht muss.«