Die Zeichen stehen auf Sturm
Erst als sie vor die Tür traten, bemerkte Siggi, dass es sich deutlich zugezogen hatte und ein kräftiger Wind aufgekommen war. »Das pustet aber ganz schön«, stellte sie fest.
»Ja, ich habe eben im Radio gehört, dass ein ziemliches Schietwetter angesagt ist«, erklärte Polina. »Ein Sturmtief, das uns am späteren Abend erreichen soll.«
»Dann sollten wir uns beeilen«, meinte Siggi. »Das wird bestimmt ungemütlich.«
»Ach was, das schaffen wir schon noch. Ich werde diesen Mistkerl zur Rede stellen, und dann kommt hoffentlich auch schon die Polizei dazu«, sagte Polina und startete den Mini.
Während sie in Richtung Kampen brausten, wurde es draußen immer finsterer. Regen peitschte gegen die Scheiben, und die Wischerblätter kämpften hektisch mit dem Wasser.
Am Haus der von Gnietschfleths angekommen, hielt Polina vor dem Tor. »Bleiben Sie noch sitzen, ich werde klingeln. Wir müssen ja nicht beide bis auf die Knochen nass werden.« Sie sprang aus dem Wagen, betätigte die Klingel und hastete zurück auf den Fahrersitz. Kurz darauf öffnete sich das Tor, und Polina lenkte den Wagen langsam die Einfahrt hinauf.
Gabriel von Gnietschfleth stand im Eingang und spähte ihnen entgegen. Polina parkte das Auto direkt vor der Tür, und Siggi und sie liefen in den Schutz des kleinen Vordachs.
»Frau Rybakova, sagten Sie?« Gabriel von Gnietschfleth sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. Dann wanderte sein Blick zu Siggi. »Und Sie sind doch die Dame, die diese Dildo-Partys veranstaltet.«
»Freundinnen-Partys«, murmelte Siggi, wurde jedoch von Polina übertönt, die einen Schritt auf den Politiker zumachte. »Richtig. Polina Rybakova. Die Schwester von Magdalena Rybakova, die Sie wohl kennen dürften.«
Siggi glaubte, Verunsicherung in von Gnietschfleths Blick aufflackern zu sehen. Er wirkte weniger selbstbewusst als bei seiner Begrüßung.
»Darf ich … darf ich fragen, warum Sie hier sind?«
»Das will ich Ihnen sagen. Die Polizei ist auch bereits auf dem Weg hierher.« Polina baute sich mit in die Seite gestemmten Händen vor ihm auf und sah ihm direkt ins Gesicht. »Sie hatten eine Affäre mit meiner Schwester! Aber dann wurde Sie schwanger und …«
»Lenka war schwanger?« Von Gnietschfleth sah ehrlich überrascht aus.
»Tun Sie nicht so, als hätten Sie das nicht gewusst! Sie war schwanger, und genau deswegen war Sie Ihnen im Weg, und Sie haben Sie umgebracht!«
»Papa? Wer schreit da so?«, ertönte eine helle Kinderstimme irgendwo im Haus, und Gabriel von Gnietschfleths Blick richtete sich flehentlich auf Polina und wanderte dann zu Siggi.
»Bitte, könnten wir das in aller Ruhe und etwas leiser besprechen?« Er nahm einen Schlüsselbund von einem Haken neben der Tür, trat hinaus unter das Vordach und zog die Tür hinter sich zu. »Es ist richtig. Ihre Schwester und ich hatten eine Beziehung. Wir haben uns auf einer Benefizgala kennengelernt, auf der sie aufgetreten ist. Zunächst war es nur eine nette Liebelei, aber es wurde immer ernsthafter zwischen uns. Sie kam regelmäßig hierher nach Sylt, und wir haben uns in einer Ferienwohnung getroffen, die ich für uns gemietet habe – nie bei mir oder bei ihr zu Hause. Ich habe Lenka geliebt. Ich habe sogar ernsthaft überlegt, mich scheiden zu lassen. Und … und sie war wirklich schwanger?«
Polina nickte. »Ich habe davon erst durch den Obduktionsbericht erfahren.«
Von Gnietschfleth massierte sich mit Daumen und Mittelfinger die Schläfen. »War … war das Kind von mir?«
»Tun Sie nicht, als wüssten Sie von nichts! Wir wissen, dass Sie jemanden beauftragt haben, der sich als Mitarbeiter der Alarmanlagenfirma ausgegeben hat und ausgekundschaftet hat, wie man unbemerkt ins Haus kommt. Sind Sie selbst hineingeschlichen, oder haben Sie jemanden vorgeschickt, weil Sie sich nicht selbst die Hände schmutzig machen wollten?«
Siggi beobachtete seinen Gesichtsausdruck, während er zuhörte. Tatsächlich musste sie zugeben, dass er so verwirrt dreinschaute, als hörte er diese Dinge zum allerersten Mal. Sie entschied sich, einen Testballon zu starten. »Wie viel haben Sie Szymszak gezahlt, damit er sie für Sie umbringt?«
Von Gnietschfleth hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als sie den Namen erwähnte. »Was soll ich gemacht haben? Sie sind ja wohl vollkommen übergeschnappt. Glauben Sie mir, Frau Rybakova, ich bin ebenso erschüttert über den Tod Ihrer Schwester wie Sie selbst. Ich habe Lenka geliebt. Aber hier aufzukreuzen und mir zu unterstellen, ich hätte irgendwelche Killer angeheuert, das geht wirklich zu weit! Ich gestehe, dass es ein Fehler war, mich auf eine Beziehung einzulassen, bevor ich für klare Verhältnisse gesorgt hatte. Aber was Sie machen … hier aufzutauchen und mich des Mordes zu bezichtigen – und das vor meinen Kindern. Das ist die Höhe. Verlassen Sie jetzt auf der Stelle das Gelände, oder ich rufe die Polizei!«
»Das wird nicht nötig sein. Die wird ohnehin bald hier sein«, erwiderte Polina kalt. »Kommen Sie, Siggi, wir warten unten an der Straße.«
Polina wendete den Mini, und sie rollten langsam die Einfahrt hinunter zur Straße, wo sie den Wagen unter dem Carport rechts neben dem Tor abstellte.
»Wissen Sie, was, Polina? Mir ist da etwas eingefallen.«
»Was denn?« Polina wandte sich ihr mit fragendem Blick zu.
»Na ja, mich hat an der Sache mit dem Schlüssel die ganze Zeit etwas gestört … Von Gnietschfleth oder ein Auftragskiller – wer auch immer an dem Abend ins Haus gekommen ist – kann nicht den Schlüssel aus diesem Heid-ä-dingens, diesem Schlüsselversteck, benutzt haben.«
»Ach, und wieso nicht?« Im schwachen Licht der Straßenlaterne konnte Siggi erkennen, dass Polina die Stirn krauszog.
»Na ja, wenn er gerade jemanden umgebracht hat, würde er sich wohl kaum die Mühe machen, den Schlüssel wieder fein säuberlich in das Ding zu friemeln und dat zurück ins Versteck zu legen. Kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen. Der hätte zugesehen, dat er Land gewinnt, und zwar schleunigst. Den Schlüssel hätte er anschließend ins Meer werfen können oder irgendwo in ein Gebüsch. Da wär doch nie einer drauf gekommen. Deshalb denke ich, er hatte einen eigenen Schlüssel zur Terrassentür. Glauben Sie, von Gnietschfleth hatte einen? Über die Terrasse muss er jedenfalls gekommen sein, sonst wäre er auf den Videobändern zu sehen gewesen.«
Polina sah aus, als dächte sie angestrengt nach. »Bestimmt hatte er einen. Muss er ja.«
»Aber er war doch angeblich nie bei ihr zu Hause. Das ging ja auch gar nicht, wäre viel zu gefährlich gewesen. Die hatten doch extra eine Ferienwohnung, wo se sich getroffen haben, hat er doch gerade gesagt«, überlegte Siggi laut. »Ich frag mich, woher hatte er den Schlüssel?«
»Wo die Polizisten bloß bleiben?«, fragte Polina und trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad herum. »Ich wette mit Ihnen, der Kommissar hat mich nicht ernstgenommen.« Noch immer heulte der Wind um das kleine Auto, und der Regen prasselte in dicken, schrägen Fäden vom Himmel.
»Vielleicht sollten wir noch einmal anrufen«, schlug Siggi vor.
»Ja, das wäre wohl das Beste. Könnten Sie mir mal meine Handtasche geben? Die müsste irgendwo bei Ihnen im Fußraum liegen.«
Siggi bückte sich und tastete nach der Tasche. Ein plötzlicher Schmerz durchzuckte sie. Kleine Lichtblitze flammten vor ihren Augen auf. Noch einmal spürte sie einen heftigen Schlag. Ihre Stirn prallte gegen das Armaturenbrett vor dem Beifahrersitz. Siggi hörte Polina noch entfernt mit jemandem sprechen, dann wurde alles schwarz.
Als sie wieder zu sich kam, hatte sie fürchterliche Kopfschmerzen. Sie fror und zitterte, die Kleidung klebte ihr nass am Körper. Es brauste und rauschte in ihrem Kopf, und ein metallischer Geschmack lag auf ihrer Zunge. Siggi versuchte, sich aufzurichten, musste aber feststellen, dass sie die Hände nicht bewegen konnte. Etwas schnitt ihr schmerzhaft in die Handgelenke. Gegen den Schwindel, die Übelkeit und diese rasenden Schmerzen setzte sich allmählich das Bewusstsein durch, dass das Rauschen und Brausen überhaupt nicht in ihrem Kopf stattfand, sondern irgendwo außerhalb ihres Gefängnisses. Es war zu dunkel, um viel zu erkennen. Sie schien sich jedoch in einer Art Raum zu befinden. Der Untergrund, auf dem sie lag, war hart, kalt und fühlte sich feucht an.
Als sich ihre Augen ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie eine Bewegung erkennen. Beine? Sie kniff die Augen zusammen. Ein Stück von ihr entfernt stand jemand. Oder waren es zwei Personen? Siggi versuchte krampfhaft, sich zu erinnern, wie sie hierhergekommen war. Da fiel ihr das Gespräch mit Polina ein, die Fahrt zu von Gnietschfleth, und dann … dann war da dieser heftige Schlag gewesen.
Konzentrier dich!, befahl Siggi sich. Du musst herausfinden, wo du bist, wer bei dir ist und was du tun kannst, um hier rauszukommen. Langsam wurde ihr klar, was das regelmäßige Rauschen zu bedeuten hatte: Wellenrauschen. Sie befand sich irgendwo am Meer.
Sie zwang ihren schmerzenden Kopf nachzudenken. Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war, dass sie sich gebückt hatte, um Polinas Tasche aufzuheben. Polina … Hatte die sie niedergeschlagen? Aber warum? Siggi konnte keinen klaren Gedanken fassen. Zu sehr lenkten Kälte und Schmerzen sie ab. Dann drang noch etwas anderes zu ihr durch. Stimmen. Da waren leise Stimmen. Mindestens zwei Personen unterhielten sich. Sie versuchte krampfhaft, sich zu konzentrieren, um zu verstehen, was sie sagten.
» … sie jeden Augenblick wieder zu sich kommen könnte.«
»Herrgott, ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte. Ich musste eben eine passende Gelegenheit abwarten und mir eine gute Ausrede einfallen lassen. Wie stellst du dir das überhaupt vor? So war das alles nicht geplant, Poli.«
»Wir haben von Anfang an gesagt, wir ziehen das gemeinsam durch, koste es, was es wolle. Mitgefangen, mitgehangen. Außerdem hätte ich sie allein wohl kaum tragen können.«
»Anfangs ging es ja auch nur um deine Schwester, diese Hure. Und außerdem sollte ich da die Drecksarbeit nicht selbst erledigen. Warum hast du sie überhaupt in die Sache reingezogen?«
Die zweite Stimme gehörte ganz klar einer Frau, erkannte Siggi. Einer Frau, die mit Polina sprach.
»Hab ich ja nicht. Woher sollte ich ahnen, dass sie anfängt herumzuschnüffeln? Die Polizei hätte den Fall zu den Akten gelegt, und es wäre bald Gras darüber gewachsen.«
»Richtig. So war es abgemacht. Jetzt, da Lenka endlich aus dem Weg ist, habe ich Gabi wieder ganz für mich allein. Und nun so was!«
Gabi? In Siggis Kopf rasten die Gedanken. Dann musste die andere Frau dort drüben Tatjana von Gnietschfleth sein.
»Es hat sich ja immer alles nur um sie gedreht. Was meinst du, wie es erst gewesen wäre, wenn das Balg auf der Welt gewesen wäre? Denk daran, es war das einzig Richtige, sie endlich von ihrem Sockel zu stoßen und uns von ihr zu befreien.«
Das war Polinas Stimme. Sie klang hart und eiskalt.
»Du hast recht. Wir konnten uns diese ständige Demütigung einfach nicht mehr bieten lassen. Aber was machen wir denn jetzt mit dieser neugierigen Putze?«
»Gar nichts. Die Flut wird das für uns erledigen«, erklärte Polina. »Wir haben Niedrigwasser. Wenn wir weg sind, läuft das Ganze hier nach und nach mit Wasser voll. Problem gelöst. Während des Sturms Unterschlupf gesucht, dumm gefallen und ertrunken. Tragisch.«
»Aber wie stellst du dir das vor? Sie werden doch die Fesseln finden und wissen, dass es kein Unfall war.«
»Deswegen wirst du sie jetzt auch durchtrennen.«
»Bist du verrückt? Und wenn diese Siggi das Bewusstsein wiedererlangt? Das ist viel zu riskant«, widersprach Tatjana.
»Dann werde ich ihr eben etwas geben, damit sie selig schläft. Das hat bei Magda doch auch ganz gut funktioniert. Die ist friedlich eingeschlummert, und unser Freund musste gar nicht mehr viel tun.«
»Ihre blöden Lavendelkapseln zu präparieren war wirklich genial, Poli, das muss ich dir lassen. Da merkt man gleich wieder, wer bei euch in der Familie die Intelligenz abbekommen hat.«
»Tja, das weiß aber niemand zu schätzen. Ein paar hübsche Titten in knappe Outfits gequetscht und nichtssagende, weichgespülte Retortenliedchen trällern, dann liegen sie dir zu Füßen. Menschen heilen, Leben retten, das kann ja jeder und ist schrecklich alltäglich! Aber egal. Wir sollten uns beeilen und diese winzige, unvorhergesehene Komplikation beseitigen. Sorgen wir dafür, dass sie liegen bleibt. Den Rest erledigt die Flut.«
»Dein Wort in Gottes Ohr. Ich dachte, wir hätten das Schlimmste schon hinter uns und ich könnte mich jetzt darauf konzentrieren, meine Ehe zu retten«, jammerte Tatjana. »Ich kann immer noch nicht fassen, dass Gabi mich und die Kinder für diese kleine Schlampe verlassen hätte.«
»Magda hat eben immer bekommen, was sie wollte. Und jetzt reiß dich zusammen! Es ist ja bald vorbei, und dann wird endlich alles gut. Komm, ich muss noch mal zum Auto. Meine Notfalltasche ist im Kofferraum, darin müsste sich ein geeignetes Mittel finden.« Schritte entfernten sich, und Siggi blieb allein zurück. Einen Augenblick überlegte sie, um Hilfe zu rufen, doch damit würde sie nur verraten, dass sie wieder bei Bewusstsein war. Und das Überraschungsmoment war im Augenblick alles, was sie hatte …
Ihr Herz galoppierte, ein säuerlicher Geschmack breitete sich in ihrem Mund aus, und ihr war schlagartig speiübel, als sie begriff, was sie da gehört hatte. Die beiden Frauen kannten sich offenbar und hatten gemeinsame Sache gemacht. Tatjana hatte von der Affäre ihres Mannes gewusst. Hatte sie es selbst herausgefunden, oder hatte Gabriel von Gnietschfleth ihr alles gestanden? Er hatte gesagt, er habe ernsthaft daran gedacht, sich scheiden zu lassen. Möglicherweise hatte er mit Tatjana darüber gesprochen, nicht ahnend, dass er damit Lenkas Todesurteil unterzeichnet hatte. Beide Frauen waren auf ihre eigene Weise rasend eifersüchtig auf Lenka gewesen und hatten sich von ihr gedemütigt gefühlt. Polina hatte hart gearbeitet und es weit gebracht, war mit ihren siebenunddreißig Jahren Chefärztin einer Klinik, und doch hatte ihre Schwester alle Aufmerksamkeit erfahren. Tatjana von Gnietschfleth fürchtete um ihre Ehe. Wahrscheinlich hatten die beiden Frauen sich auf Sylt kennengelernt, sich angefreundet und schnell entdeckt, dass sie eine Gemeinsamkeit hatten: ihren Hass und ihre grenzenlose Eifersucht auf Lenka. Vermutlich hatten sie sich immer mehr hineingesteigert, bis sie schließlich den perfiden Plan fassten, Lenka zu ermorden. Nein, ermorden zu lassen. Darin hatten sie die Lösung aller ihrer Probleme gesehen.
Jetzt wurde Siggi klar, was die Nummer dieses Szymszak zu bedeuten hatte. Tatjana, nicht Gabriel von Gnietschfleth hatte sie sich notiert. Ingeborg hatte erwähnt, dass Tatjana einige Nachtclubs in Hamburg betrieb. Hatte sie dadurch Kontakt zu Kiezgrößen bekommen? Möglich wäre das schon. Nach und nach fügten sich alle Puzzleteile zu einem Gesamtbild zusammen.
Als Siggi die Verbindung zu den von Gnietschfleths gezogen hatte, war sie für Polina zur Gefahr geworden. Begleitet von einer weiteren Welle der Panik rauschte die Erkenntnis über sie hinweg, dass Polina ihren Anruf bei Kommissar Christiansen nur vorgetäuscht hatte. Natürlich! Die Polizei war nie informiert worden, und niemand wusste, wo sie war. Niemand. Bis auf …
Ein Erinnerungsfetzen huschte durch Siggis Kopf. Vor der Abfahrt war sie auf der Toilette gewesen und hatte eine kurze Nachricht an Törtchen getippt. Wie lange mochte es her sein? Machte er sich inzwischen Sorgen, weil sie noch nicht zurück war? Suchte er sie vielleicht sogar?
Törtchen! Du bist jetzt meine einzige Hoffnung! Du musst mich finden!
Aber wo zur Hölle befand sie sich? Siggi rollte sich auf den Rücken, tastete den Untergrund mit den gefesselten Händen, so gut es ging, ab. Rau, kalt, hart und sandig. Es fühlte sich an wie Beton, darauf nasser Sand. Eine Erkenntnis durchzuckte sie, die sie bis ins Mark erschütterte.
Der Bunker!
Sie befand sich in dem Bunker, von dem Torsten in der Zeitung gelesen hatte. Verdammt! Wie sollte er sie hier finden? Panik schoss durch ihre Glieder wie ein elektrischer Strom. Siggi kämpfte gegen den Brechreiz, der sie würgte, versuchte verzweifelt, in Richtung Tür zu robben. Doch trotz größter Anstrengung kam sie kaum vorwärts. Ihr Körper schmerzte, und ihr fehlte einfach die Kraft. Wer weiß, wie lange sie hier schon durchnässt in der Kälte gelegen hatte? Jetzt konnte ihr nur noch ein Wunder helfen.
Du musst mich finden, Törtchen, du musst! Du musst!