MR MARSHALL (Staatsanwalt): Dr. Jacobs, könnten Sie bitte der Jury sagen, was Sie von Beruf sind?
DR . JACOBS : Ich bin als Berater tätig. Mein Spezialgebiet sind nicht-traditionelle Gruppen.
MARSHALL : Nicht-traditionelle Gruppen? Was ist darunter zu verstehen?
DR . JACOBS : Zum Beispiel Gangs, Sekten …
MARSHALL : Sekten. Also auch das, was man Okkultismus nennt?
DR . JACOBS : Das sind zwei verschiedene Dinge. Nicht alle Sekten praktizieren Okkultismus, das heißt, Teufelsanbetung.
MARSHALL : Aber Sie beschäftigten sich mit beidem.
DR . JACOBS : Ja, das tue ich.
MARSHALL : Sie haben sich verschiedene Gegenstände näher angesehen, die sich im Besitz von Mitchell Dyke befanden – ist das richtig?
DR . JACOBS : Das ist richtig.
MARSHALL : Es handelt sich dabei um das von Dyke selbst gestaltete Buch, bekannt als sein »Buch der Schatten«, eine Satanische Bibel, verfasst von einem Mr LaVey, eine Gürtelschnalle in Gestalt einer Schlange, ein Pentagramm-Halsband und das Bild eines Mannes, das in dem Buch entdeckt wurde.
DR . JACOBS : Aleister Crowley.
MARSHALL : Wie bitte?
DR . JACOBS : Das Bild zeigt Aleister Crowley. In der Wahrnehmung der Mainstream-Medien wahrscheinlich der berühmteste Okkultist.
MARSHALL : Und welche Auffassung vertritt Mr Crowley zum Thema Menschenopfer?
DR . JACOBS : Er hat dazu geschrieben: »Magier, die Einwände gegen die Verwendung von Blut haben, haben sich bemüht, es durch Weihrauch zu ersetzen. Doch das Blutopfer, wenngleich gefährlicher, ist ungleich wirksamer. Und für so gut wie alle Zwecke ist das Menschenopfer am besten.«
MARSHALL : Der Angeklagte trägt also das Bild eines Mannes mit sich herum, der Menschenopfer befürwortet?
DR . JACOBS : Das Foto zeigt Aleister Crowley, und die eben zitierten Worte stammen von ihm. Wenn das Bild dem Angeklagten gehört, lautet die Antwort also Ja.
MARSHALL : Und was ist mit diesem »Buch der Schatten«, das unter den Besitztümern des Angeklagten gefunden wurde? Was können Sie mir darüber sagen?
DR . JACOBS : Ein »Buch der Schatten « ist das individuell gestaltete Werk eines Einzelnen, der die Zauberei erlernen will. Es verzeichnet seinen Werdegang und seine Fortschritte in der Hexenkunst.«
MARSHALL : Und ist die Erstellung eines solchen »Buchs der Schatten« zwangsläufig ein Beweis für Satanismus und Okkultismus?
DR . JACOBS : Ganz und gar nicht. Solche Bücher werden oft von neuheidnischen Gruppen oder Anhängern der Wicca-Religion fertiggestellt und benutzt, und die hat nichts mit Satanismus zu tun. Es ist weiße Magie.
MARSHALL : Gut. Haben Sie irgendetwas in Mr Dykes »Buch der Schatten« entdeckt, wodurch es sich von dem eines weißen Hexers oder Wicca-Anhängers unterscheidet?
DR . JACOBS : Ja.
MARSHALL : Und worum handelt es sich dabei?
DR . JACOBS : Zunächst einmal ist das Siegel des Luzifer auf der Innenseite des Covers gezeichnet worden.
MARSHALL : Das was?
DR . JACOBS : Das Siegel des Luzifer. Das sind die beiden länglichen Dreiecke mit dem V-Zeichen darunter und den Kringeln am Ende.
MARSHALL : Dieses Zeichen hier?
DR . JACOBS : Ja, genau. Damit soll man in der Lage sein, Luzifer herbeizurufen.
MARSHALL : Und ich vermute, der durchschnittliche Wicca-Anhänger will nicht den Teufel beschwören.
DR . JACOBS : Nein, ganz und gar nicht.
MARSHALL : Gut. Wir haben in dem Buch also das Zeichen, mit dem man den Teufel beschwören kann. Sonst noch etwas?
DR . JACOBS : An verschiedenen Stellen gibt es Symbole für Chaosmagie – das ist Crowleys Symbolik. Das wären die kreisförmig angeordneten Pfeile. Und dann gibt es noch dieses schnörkelige Zeichen hier: Das ist das Symbol für Schwefel. Es repräsentiert Feuer und Schwefel.
MARSHALL : Und das ist nicht nur Ihre Meinung, nicht wahr, Dr. Jacobs? Das sind allgemein bekannte satanische Symbole? Wenn ich zehn andere Experten befragte, würden sie dasselbe sagen?
DR . JACOBS : Mit absoluter Sicherheit. Die Bedeutung dieser Symbole ist weithin anerkannt und im Grunde unstrittig. Sicher, in einem alchemistischen Kontext betrachtet hätte das Symbol für Schwefel natürlich keinen spezifischen Bezug zum Teufel. Und der Ziegenbock auf der Innenseite des rückwärtigen Covers würde beispielsweise auf der Zeichnung eines Bauernhofs nicht zu erhobenen Augenbrauen führen. Doch in diesem Kontext stellt das Bild eindeutig Baphomet dar.
MARSHALL : Entschuldigen Sie – Baphomet?
DR . JACOBS : Das »t« am Ende ist stumm. Der Name kommt aus dem Französischen. Man spricht es »Baa – fo – me« aus.
MARSHALL : Gut, danke. Also, wer ist Baphomet?
DR . JACOBS : Baphomet ist eine Gottheit, die von den Tempelrittern verehrt worden sein soll. Eine Darstellung von Eliphas Levi – der zufolge Baphomet ein Dämon mit Ziegenkopf und langen Hörnen ist – wurde von Anton LaVey und Aleister Crowley in ihrer Arbeit verwendet und schließlich irrtümlicherweise zu einem wichtigen Symbol für Satanismus umgedeutet. Letzteres liegt vielleicht daran, dass der griechische Gott Pan, der einem Ziegenbock ähnelt, oft für Darstellungen des Teufels herhalten musste.
MARSHALL : Und dieser Baphomet ist in Mitchell Dykes Notizbuch abgebildet?
DR . JACOBS : Ja.
MARSHALL : Er wollte also in die Fußstapfen berühmter Satanisten treten?
HARRIS (Verteidiger): Einspruch, Euer Ehren! Die Anklage kann unmöglich wissen, in welche Fußstapfen mein Mandant treten wollte, als er diese Bildchen zeichnete.
RICHTERIN : Stattgegeben. Streichen Sie diese Frage aus dem Protokoll!
MARSHALL : Entschuldigung, Euer Ehren! Dr. Jacobs, ist Ihnen bekannt, an welchem Datum das mutmaßliche Verbrechen stattfand?
DR . JACOBS : Ja, am 30. Juli.
MARSHALL : Und ist dieses Datum Ihres Wissens nach irgendwie bedeutsam?
DR . JACOBS : Nun, im okkultistischen Kalender herrschte am 29. Juli ein Blutmond. Die Woche, die am Montag, den 26. Juli begann, wird in diesem Kalender als Grand Climax bezeichnet.
MARSHALL : Und könnten Sie mir und der Jury erklären, was das bedeutet?
DR . JACOBS : Es finden blutige Sexualriten statt, bei denen sich Okkultisten Satan weihen und ihm Opfer darbringen.
MARSHALL : Blutige Sexualriten. Könnten Sie das genauer ausführen?
DR . JACOBS : Jeder Hexenzirkel begeht den Grand Climax auf seine Weise. Es ist jedoch eine Zeit für Opferungen, sexualmagische Praktiken und wüste Ausschweifungen. Eine Zeit, in der Chaos herrscht. Eine Zeit für Mord.
MARSHALL : Und diese mörderischen, blutdürstigen Riten finden in ebender Woche statt, in der der Angeklagte, der ein Buch voller satanischer Symbole bei sich trug, Seraphine Cunningham traf, mit ihr in den Wald ging und – nach eigenem Eingeständnis – Sex mit ihr hatte?
DR . JACOBS : Nach dem, was Sie mir gesagt haben, ja – die Daten stimmen perfekt überein.
MARSHALL : Vielen Dank, Dr. Jacobs! Keine weiteren Fragen.