Grau, teurer Freund, ist alle Theorie und grün des Lebens goldner Baum.

(J.W. von Goethe, Faust 1, Studierzimmer II, 20392040)

Das Leben ist immer größer als die Wissenschaft. Das gilt für die Theologie im Allgemeinen, aber es gilt insbesondere für die KonfessionskundeKonfessionskunde. Denn gerade auf dem Feld der gelebten ReligionReligion gibt es nichts, was es nicht gibt. Das ist uns vollkommen bewusst und es erstaunt uns nicht, dass das, was wir und alle Leserinnen und Leser mit und in den Kirchen erleben, nicht immer dem folgt, wie es die reine Lehre erwarten lässt.

Ein kleines Beispiel mag das verdeutlichen: Auf einer römisch-katholischen Hochzeit, die mit vielen evangelischen Freunden des Paares gefeiert wird, lädt der PriesterPriester im Traugottesdienst ganz selbstverständlich „alle Gäste“ zum AbendmahlAbendmahl ein. Nahezu die gesamte Hochzeitsgesellschaft nimmt daraufhin an einem römisch-katholisch gespendeten Abendmahl teil: neben Katholikinnen und Katholiken evangelisch-landeskirchliche und freikirchliche Christen, aus der Kirche Ausgetretene, sogar einige Atheisten, die den merkwürdigen kirchlichen Ritus „den beiden zuliebe“ über sich ergehen lassen. Die Mitverfasserin dieses Einführungsbandes, ihrer Konfession nach evangelisch-lutherisch, ist eine der wenigen, die sich nicht einreiht und danach während des Festes von einigen Gästen in die Diskussion verwickelt wird, warum sie gerade an einem solchen Tag, an dem „Gemeinschaft und Verbindungen gefeiert werden“, auf theologischen Unterschieden herumreitet und nicht an dem Abendmahl teilgenommen hat. Ihre Argumentation, dass sie sich ja neben einigen anderen Gründen auch an die Maßgabe des römisch-katholischen Kirchenrechts gehalten habe („Katholische Spender spenden die SakramenteSakrament erlaubt nur katholischen Gläubigen; ebenso empfangen diese die Sakramente erlaubt nur von katholischen Spendern.“ [can. 844 § 1 CIC]) wird mit Augenrollen abgetan. Die Braut und gleichzeitig enge Freundin der Abendmahlsverweigererin attestiert ihr lachend: „Ihr Protestanten müsst es aber auch so pingelig genau nehmen!“

Dieses Beispiel lässt konfessionelle Lebenswirklichkeit erkennen, die mit der Theorie von Kirchen so gut wie nichts mehr gemein hat.

Das „Grundwissen KonfessionskundeKonfessionskunde“ wählt einen theologischen ZugangZugangTheologisch zu seinem Fachgebiet und ermöglicht damit einen grundlegenden Zugriff auf seinen Gegenstand. In der Einleitung wird dieses Ordnungsprinzip näher erläutert. Ihm liegt die Beobachtung zugrunde, dass alle Konfessionen den Anspruch erheben, apostolisch zu sein, dies aber in ihrer Theologie, ihrer Struktur, ihrer Institution oder Ordnung unterschiedlich umsetzen.

Dieses Prinzip bildet ein Grundgerüst, das es erlaubt, die einzelnen Konfessionen relativ einfach zu klassifizieren. Der Leserin/dem Leser wird so eine erste Orientierung im Fachgebiet ermöglicht. Zudem werden Aufgabe und Gegenstand einer KonfessionskundeKonfessionskunde beschrieben und das ekklesiologische Grundproblem jeder Konfession verdeutlicht.

 

Im Anschluss skizziert das zweite Kapitel einen Überblick über die Ausdifferenzierung des ChristentumsAusdifferenzierung (des Christentums) in seiner Geschichte. Es entlastet damit die historische Darstellung der einzelnen Konfessionen und gibt Auskunft über die wichtigsten Entwicklungen der Kirchengeschichte, die verschiedene Konfessionen hervorbringen.

 

Die einzelnen Konfessionen werden in den folgenden Kapiteln vorgestellt. Jede Kirche wird in drei Perspektiven dargestellt, die je nach Kirche zuweilen voneinander im Detail abweichen können. Grundsätzlich wird zunächst gemäß dem theologischen Zugriff dieser KonfessionskundeKonfessionskunde die konkrete Realisierung der ApostolizitätApostolizitätRealisierung der Apostolizität der jeweiligen Kirche vorgeführt. Dies beinhaltet die der Umsetzung inhärenten theologischen Grundsatzentscheidungen. Diese erste Perspektive stellt damit im Ergebnis die wesentlichen dogmatischen Aussagen der jeweiligen Kirche dar.

Die zweite Perspektive skizziert die eigenständige, historische Entwicklung der Kirche und hilft dadurch, deren Eigenheit besser zu verstehen.

 

Im dritten Kapitel beschreiben wir zunächst die Kirchen, die darauf bestehen, dass ihre höchsten geistlichen Würdenträger in einer personellen Nachfolge der ApostelApostel stehen. Diese Auffassung teilt die römisch-katholische Kirche z.B. mit den orthodoxen und anglikanischen Kirchen.

 

Das vierte Kapitel stellt die Kirchen dar, die ihre ApostolizitätApostolizität in erster Linie durch ihre Treue zum apostolischen Zeugnis realisieren. Dort, wo das Prinzip „Allein die Schrift“ hervorgehoben und zum Kennzeichen der Kirche erklärt wird, gilt die Apostolizität als gegeben. Zu dieser evangelischen Konfessionsfamilie gehören neben den deutschen „Landeskirchen“ vor allem die im deutschen Kontext sogenannten „FreikirchenFreikirchen“, deren problematische Bezeichnung eigens thematisiert werden muss.

 

Das fünfte Kapitel widmet sich der Kirche (und ihrer Vorgängerin), die die ApostolizitätApostolizität der KircheKircheApostolizität der Kirche nur da vollgültig realisiert sieht, wo es lebende ApostelApostel gibt. Dieser Ansatz unterscheidet sich fundamental von den bisher behandelten Kirchen, sodass die Neuapostolische Kirche als eigener Typus von realisierter Apostolizität in den Blick genommen werden muss.

 

Das abschließende Kapitel beschäftigt sich mit den gegenwärtig heftig umstrittenen Themen zwischen und in den Konfessionen. Es gehört zum Erkenntnisgewinn dieser KonfessionskundeKonfessionskunde, dass sich nicht nur zwischen Konfessionen Diskussionen entspinnen, sondern immer mehr auch in den Konfessionen selbst. Die Trennlinien zwischen den Konfessionen verblassen im Alltag des gelebten Glaubens und neue Fronten und Gräben tun sich auf. Was dies für die Konfessionskunde bedeutet, wird zum Abschluss betrachtet.

 

Der Band enthält zudem einige Elemente, die die Lektüre erleichtern und zum Selbststudium anregen sollen: Mit Infokästen werden bestimmte Themen sowie

 

Ein Buch wie eine KonfessionskundeKonfessionskunde schreibt man zwar auch als Team letztlich allein am Schreibtisch, aber es entsteht aus einem permanenten Dialog. Es speist sich aus dem Gespräch mit Texten, deren Autoren schon vor langer Zeit verstorben sind, es lebt aber auch in einem hohen Maße vom Dialog mit lebenden Vertretern der unterschiedlichen Konfessionen und mit befreundeten Fachleuten.

Einige Kollegen haben verschiedene Teile und Entwürfe des Manuskripts in der Entstehungsphase gelesen und uns wertvolle Rückmeldungen gegeben (wobei wir für evtl. auftretende Fehler selbstverständlich allein verantwortlich sind). Für ihre kollegiale, freundliche Hilfe danken wir herzlich: ApostelApostel Volker Kühnle von der Neuapostolischen Kirche, PD Dr. Burkhard Neumann vom römisch-katholischen Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik, unseren ehemaligen Kolleg/innen Frau Annegret Lingenberg und Herrn Pfarrer i.R. Dr. Walter Fleischmann-Bisten M.A., dem Inhaber der Professur für Kirchen- und Religionsgeschichte des 1. Jahrtausends in Kiel Prof. Dr. Andreas Müller und FeG-Pastor Dr. Jochen Wagner.

 

Die Endfassung haben befreundete Pfarrer und Lehrer Korrektur gelesen: Volker Keller, Alfred Metzger und Wieland Schubing. Auch ihnen herzlichen Dank für diesen Einsatz!

Weiterhin danken wir Frau Corina Popp, M.A., die die Entstehung des Buches von Seiten des Verlags aus kompetent und freundlich unterstützt hat.

Schlussendlich gilt unser großer Dank unseren Frauen, die die Entstehung des Buches teils mit bodenständiger Nüchternheit, teils mit ungläubigem Staunen, aber immer mit wohlwollender Gelassenheit begleitet und manchmal ertragen haben.

 

Gisa Bauer / Paul Metzger

Karlsruhe / Ludwigshafen-Pfingstweide

am 31. Oktober 2019, dem Reformationstag