Das Große Morgenländische SchismaSchismaMorgenländischesMorgenländisches SchismaEine weitere Trennung grundsätzlicher Art vollzog sich in der Zeit des Mittelalters zwischen der östlichen und der westlichen Kirche. Diese Trennung, das Große Morgenländische SchismaSchismaMorgenländischesMorgenländisches Schisma, wird im Allgemeinen auf das Jahr 1054 datiert, bahnte sich aber mit einer schleichenden Entfremdung der östlichen und westlichen Kultursphäre, bedingt u.a. durch die sprachlichen Unterschiede, über mehrere Jahrhunderte hinweg an. Zusätzlich sorgte das wachsende kirchenpolitische Interesse des römischen Papstes an der Jurisdiktionsgewalt über die anderen Bischofssitze für Spannungen. Diese mündeten schließlich in den Ereignissen des Jahres 1054, als durch einen Legaten von Papst Leo IX.$Leo IX., Pontifikat 1049–1054, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 1049–1054) in einer Bannbulle die ExkommunikationExkommunikation über den damaligen PatriarchenPatriarch Michael I.$Michael I. (Kerularios), um 1000–1059, orthodoxer Patriarch von Konstantinopel (Kerularios; um 1000–1059) von Konstantinopel und weiterer oströmischer Kirchenführer verhängt wurde. Im Gegenzug wurde der römische Abgesandte von Michael I. exkommuniziert – bemerkenswerterweise nicht der Papst selbst – sowie der Name des römischen Papstes aus den Passagen der Fürbitte in der byzantinischen LiturgieLiturgie gestrichen. Die gegenseitige Exkommunikation wurde erst 1965 von Papst Paul VI.$Paul VI., Pontifikat 1963–1978, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 1963–1978) und dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras I.$Athenagoras I., 1886–1972, orthodoxer Patriarch von Konstantinopel (1886–1972, Patriarch: 1948–1972) offiziell zurückgenommen.
Das FilioqueFilioqueIn der päpstlichen Bulle von 1054 wurde den östlichen Kirchen u.a. unterstellt, das FilioqueFilioque (= ,und aus dem Sohn‘) aus dem GlaubensbekenntnisGlaubensbekenntnis gestrichen zu haben. Allerdings war dieses von der westlichen Kirche ohne Absprache mit der östlichen überhaupt erst in das BekenntnisBekenntnis eingefügt worden. Im griechischen Urtext des Nicäno-KonstantinopolitanumBekenntnisNicäno-Konstantinopolitanum, den das KonzilKonzil / Konziliarismus 381 festgelegt hatte, heißt es: „[Wir glauben] an den Heiligen GeistHeiliger Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater hervorgeht“. Der westkirchliche Zusatz zum Glaubensbekenntnis „[Wir glauben] an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht“ ist von den östlichen Kirchen nie bestätigt und anerkannt worden. Das Filioque sollte die gesamte Kirchengeschichte als das trennende Symbol von Ost- und Westkirche durchziehen.
Der KreuzzugKreuzzug gegen Konstantinopel 1204Zum endgültigen Bruch zwischen Ost- und Westkirche kam es durch den 4. KreuzzugKreuzzug 1204, als ein Kreuzfahrerheer aus französischen und venezianischen Rittern und Seefahrern, deren geplante Eroberung Ägyptens zu scheitern drohte, gegen das Verbot des Papstes den Kreuzzug nach Konstantinopel umlenkte. Die Tragweite dieses Ereignisses bestand darin, dass eine christliche Stadt von christlichen Rittern, die sich eigentlich der Verteidigung des Christentums gegen den Islam verschrieben hatten, geplündert und ihre Bewohner getötet oder grausam misshandelt wurden. Auch die christlichen Kirchen wurden von den Kreuzfahrern nicht verschont, kostbare Reliquien geraubt und Kirchengut gestohlen. Der byzantinische Kaiser wurde vertrieben und für einige Jahrzehnte herrschten an seiner Stelle Vasallen des Papstes und der Stadt Venedig über das byzantinische Reich. Die byzantinische Kultur entwickelte sich in dieser Zeit in mehreren kleinasiatischen Exilreichen neu. Mit dem 4. Kreuzzug war die Trennung zwischen Ost- und Westkirche nicht mehr nur ein theologisches oder kirchliches Phänomen, sondern eine für das Volk spürbare Realität.
UnierteUnion / Uniert Kirchen des OstensIn den folgenden Jahrhunderten kam es zu weiteren, für die Orthodoxie schmerzlichen Eingriffen der westlichen Kirche in ihre Kirchensituation. Im grundsätzlichen Bemühen der Römisch-katholischen Kirche, die altorientalischen und griechisch-orthodoxen Kirchen in die römische Jurisdiktion zurückzuführen, entstanden vor dem Hintergrund verschiedener kirchenpolitischer Konstellationen und politischer Ereignisse im Orient und in Ost- und Südosteuropa sogenannte unierteUnion / Uniert, d.h. griechisch-katholische, mit Rom verbundene Kirchen. Kennzeichen der unierten Kirchen ist, dass sie orthodox geprägt sind, die orthodoxe LiturgieLiturgie feiern und strukturiert sind wie orthodoxe Kirchen, bis hin zu dem Umstand, dass es bei ihnen verheiratete PriesterPriester gibt [→ Orthodoxe Kirche], dass sie aber der Jurisdiktion des Papstes unterstehen und als äußeres Kennzeichen das GlaubensbekenntnisGlaubensbekenntnis mit dem FilioqueFilioque beten.
Die Entstehung der unierten Kirchen führte zu einer Verdoppelung der Hierarchien: Zu nahezu jeder altorientalischen oder byzantinisch-orthodoxen Kirche existiert ein römisch-katholisches Pendant. So ist z.B. die römisch-katholische Entsprechung der → Heiligen Apostolischen Katholischen Assyrischen Kirche des Ostens die Chaldäisch-Syrische Kirche (auch: Chaldäisch-Katholische Kirche) des Ostens. Der → Armenischen Kirche entspricht die 1742 unierteUnion / Uniert Armenisch-Katholische Kirche. Das römisch-katholische Pendant der griechisch-orthodoxen Kirche von Alexandrien [→ Patriarchat von Alexandrien] und von Antiochien [→ Patriarchat von Antiochien] ebenso wie der orthodoxen Jerusalemer Kirche [→ Patriarchat von Jerusalem] ist die Melkitische Griechisch-Katholische Kirche, die sich in einem längeren Prozess im 17. Jahrhundert herausbildete und heute eine der größten Kirchen im Libanon darstellt.
Nur wenige römisch-katholische östliche Kirchen sind nicht als Re-Unionsbemühung Roms aus einer altorientalischen oder orthodoxen Kirche hervorgegangen. Die altorientalische römisch-katholische Maronitisch-Syrische Kirche [→ Syrische Orthodoxe Kirche von Antiochien und dem ganzen Osten], die im 7. Jahrhundert entstand und sich auf den Bischofssitz in Antiochien zurückführt, ist ein Beispiel für eine solche selbstständig gediehene römisch-katholische östliche Kirche.
Im 17. Jahrhundert trieb besonders das Wirken der Societas JesuSocietas Jesu, der ,Jesuiten‘, das römisch-katholische Bestreben voran, die Orthodoxie mit dem Katholizismus zusammenzuführen, im 19. und frühen 20. Jahrhundert waren es häufig nationalpolitische Interessen, die die Gründung unierter Kirchen forcierten. In den meisten osteuropäischen Ländern unter kommunistischer Herrschaft wurden die mit Rom unierten Kirchen im 20. Jahrhundert verboten und ihre Geistlichen und Mitglieder zur Konversion zur Orthodoxie gezwungen.
Im Hinblick auf Mitgliederzahlen sind diese Kirchen eher kleine Religionsgemeinschaften. Aber sie bilden bis heute ein Spannungsfeld im Verhältnis von Orthodoxie und römischen Katholizismus.