Die personelle apostolische SukzessionSukzessionApostolische SukzessionApostolizitätApostolische Sukzession

3.1 Die Römisch-katholische Kirche

Katholisch ist ein lateinisches bzw. griechisches Lehnwort und bedeutet ‚allgemein‘, ‚umfassend‘. In diesem Sinn versteht sich jede Kirche als katholisch. Der Mönch Vinzenz$Vinzenz von Lérins, gest. um 434/450, Mönch, Kirchenvater von Lérins (gest. um 434/450) formulierte im 5. Jahrhundert, was katholisch ist: „In eben jener katholischen Kirche selbst ist mit größter Sorgfalt dafür zu sorgen, dass wir halten, was überall, was immer, was von allen geglaubt wurde. Denn das ist wirklich und wahrhaft katholisch, was, wie der Name und Grund der Sache erklären, alle insgesamt umfasst.“

Dieses Selbstverständnis lebt in ganz besonderer Weise die Römisch-katholische Kirche. Der Zusatz römisch spezifiziert also die Bezeichnung katholisch und kennzeichnet eine Konfession, deren Selbstverständnis darin besteht, nicht eine Kirche neben anderen zu sein, sondern die Kirche. Henri Kardinal de Lubac SJ (18961991)$Lubac, Henri de, 1896–1991, römisch-katholischer Kardinal, Jesuit formulierte dazu:

Im Katholizismus eine ReligionReligion neben anderen, eine Lehre neben anderen zu sehen, hieße, sich über sein Wesen zu täuschen. Der Katholizismus ist die Religion. Er ist die Form, die die Menschheit annehmen soll, um endlich sie selbst zu werden. Er ist die einzige Wirklichkeit, die um zu sein, es nicht nötig hat, sich entgegenzusetzen. Die Kirche ist überall zu Hause, und jeder soll sich in der Kirche zu Hause fühlen können. (Lubac, 1970, 263).

Die Messe als Herz der KircheDie Römisch-katholische Kirche ist mit ca. 1,3 Milliarden Gläubigen die größte der Welt. Ihr Herz schlägt in der Feier der Messe. Das Feiern der LiturgieLiturgie bildet die Identität der Kirche. Sie verbindet Gläubige in der ganzen Welt zu einer Gemeinschaft. Überall auf der Welt finden sie in der Messe ihre Kirche vor. Die Einheitlichkeit der Liturgie entspricht dabei dem Bewusstsein der Gläubigen, einer Weltkirche anzugehören, die in und aus verschiedenen Ortskirchen besteht. Dieses Bewusstsein findet seinen deutlichsten Ausdruck im hierarchischen Aufbau der Kirche, an deren Spitze der BischofBischof von Rom steht. Der Papst ist das Zeichen der Einheit dieser Kirche. Innerhalb dieser Hierarchie und Einheit findet sich eine erstaunliche Vielfalt an Lebensformen und theologischen Strömungen, die dazu führen, dass

Dieser scheinbare Gegensatz wird von dem französischen Schriftsteller Georges Bernanos$Bernanos, Georges, 1888–1948, Schriftsteller (18881948) exemplarisch ausgedrückt:

Nichts scheint besser geregelt, strikter geordnet, hierarchisiert, angeglichen als das äußere Leben der Kirche. Aber ihr inneres Leben überbordet von unwahrscheinlichen Freiheiten, fast möchte man sagen, von göttlichen Extravaganzen des Heiligen Gottes. (Heyer, 1977, 495)

3.1.1 Die Realisierung der ApostolizitätApostolizitätRealisierung der Apostolizität: Theologische Grundlagen

Die Römisch-katholische Kirche versteht sich laut der Dogmatischen Konstitution „Lumen Gentium“ (LG) des II. Vatikanischen KonzilsKonzil / KonziliarismusII. Vatikanisches Konzil von 1964 als Volk Gottes, Leib Christi und Tempel des Heiligen GeistesHeiliger Geist. Sie sieht dabei eine Analogie zur Zwei-Naturen-LehreZwei-Naturen-Lehre Christi (LG 8) und bestimmt ihr Wesen als MysteriumMysterien, da sie „eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst“ (LG 8), bildet. Die Kirche versteht sich als ein Zeichen Gottes in der Welt, das die Verbindung der Glaubenden untereinander und mit Gott anzeigt und vermittelt. Sie ist darin – wieder analog gedacht – einem SakramentSakrament ähnlich. Allerdings lässt sie sich eher als Grundsakrament verstehen. In ihr findet sich die Fülle des Heils und die Fülle der Heilsmittel, der Sakramente im engeren Sinn. Die Kirche ist deshalb keine Kirche unter anderen, sondern Volk Gottes und der sichtbare Leib Christi, der in diese Welt hineinwächst (LG 3).

Die Notwendigkeit der KircheDie Kirche ist notwendig, um das Heilsangebot Gottes in die Welt zu tragen. Sie hat den Auftrag, das EvangeliumEvangelium zu verkünden, damit alle Menschen die Möglichkeit haben, sich ihr anzuschließen. Wer sich wissentlich und willentlich entschließt, ihr nicht angehören zu wollen, geht nach römisch-katholischem Verständnis verloren. Nur diejenigen, die „der Gemeinschaft der Kirche voll eingegliedert“ sind, die ihre „Heilsmittel annehmen und in ihrem sichtbaren Verband mit Christus, der sie durch den Papst und die Bischöfe leitet, verbunden sind“ (LG 14), können vollkommen darauf vertrauen, dass ihnen Heil zuteilwerden wird.

Die hohe Bedeutung der Kirche wird in dieser Bestimmung sichtbar. Die Kirche ist selbst Gegenstand des Glaubens. Darum ist auch ihre irdische Gestalt, ihre Organisation nicht beliebig. Sie ist die „mit hierarchischen Organen

Die Leitung der KircheDer bleibende Auftrag zur Leitung der Kirche wird realisiert, indem die ApostelApostel Nachfolger bestimmt haben bzw. die Kirche Nachfolger der Apostel erkannt und benannt hat. Die Kirche hat die volle ApostolizitätApostolizität bewahrt, weil sie sich historisch auf die Apostel Jesu zurückbezieht, die Jesus selbst zur Leitung seiner Kirche eingesetzt hat. Die Bischöfe sind Nachfolger der Apostel und achten auf den Verbleib der Kirche bei ihrem apostolischen Ursprung. Diese personelle apostolische SukzessionSukzessionApostolische SukzessionApostolizitätApostolische Sukzession garantiert die bleibende Botschaft des EvangeliumsEvangelium. Ebenso wichtig ist die Gemeinschaft der Bischöfe untereinander. Es ist nicht nur die ununterbrochene Kette von Handauflegungen, um die es hier geht, sondern vordringlich um die Aufnahme jedes BischofsBischof in die Gesamtheit des Episkopats.

Die Römisch-katholische Kirche ist ihrer Struktur nach eine bischöflich orientierte Kirche. Trotzdem haben auch die „Laien“ ihre Funktion in der Kirche. Als „Laie“ wird dabei jeder Gläubige verstanden, „mit Ausnahme der Glieder des Weihestandes und des in der Kirche anerkannten Ordensstandes.“ (LG 31) Die Laien sind dazu aufgerufen, „dafür zu wirken, dass der göttliche Heilsratschluss mehr und mehr alle Menschen aller Zeiten und überall auf der Erde erreiche.“ (LG 33)

Der Stand der Amtsträger, der KlerusKlerus, ist von den Laien qualitativ verschieden:

Der Amtspriester nämlich bildet kraft seiner heiligen Gewalt, die er innehat, das priesterliche Volk heran und leitet es; er vollzieht in der Person Christi das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzen Volkes Gott dar; die Gläubigen hingegen wirken kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mit und üben ihr Priestertum aus im Empfang der SakramenteSakrament, im Gebet, in der Danksagung, im Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige Liebe. (LG 10)

Die geistliche Ordnung der KircheDer BischofBischof steht an der Spitze des geistlichen Amtes, das in sich dreigeteilt ist. Durch Handauflegung und Gebet wird der Bischof bei seiner WeiheWeihe zum Dienst der Verkündigung, zur Verwaltung der SakramenteSakrament und der Leitung seiner Diözese berufen und in die personell verstandene apostolische SukzessionSukzessionApostolische SukzessionApostolizitätApostolische Sukzession eingegliedert. Weil er in seiner Person Christus in der Gemeinde verkörpert (LG 22), ist sein AmtAmt sakramentaler NaturNatur. Die Amtsübertragung wird dadurch selbst zum Sakrament (Weihe). „Die Bischöfe leiten die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte Christi durch Rat, Zuspruch, Beispiel, aber auch in AutoritätAutorität und heiliger Vollmacht.“ (LG 27) Sie sind demnach „aufgrund göttlicher Einsetzung an die Stelle der ApostelApostel als Hirten der Kirche getreten […]. Wer sie hört, hört Christus, und wer sie verachtet, verachtet Christus und ihn, der Christus gesandt hat.“ (LG 20) Aufgrund ihrer Einsetzung verlangen die Bischöfe von den Gläubigen Gehorsam: „Die Gläubigen aber müssen mit einem im Namen Christi vorgetragenen Spruch ihres Bischofs in Glaubens- und Sittensachen übereinkommen und ihm mit religiös gegründetem Gehorsam anhangen.“ (LG

Das AmtAmt des Priesters als zweite sakramentale Weihestufe entwickelte sich aus dem Presbyterium, das in der Alten Kirche den BischofBischof bei der Leitung einer größeren Ortskirche unterstützte. Der PriesterPriester wird vom Bischof geweiht und beauftragt. Er ist der Stellvertreter des Bischofs, wenn er den Hirtendienst in der Gemeinde am Ort wahrnimmt. Dazu heißt es in „Lumen Gentium“: „Die Priester haben zwar nicht die höchste Stufe der priesterlichen WeiheWeihe und hängen in der Ausübung ihrer Gewalt von den Bischöfen ab; dennoch sind sie mit ihnen in der priesterlichen Würde verbunden und kraft des Weihesakramentes nach dem Bilde Christi … zur Verkündigung der Frohbotschaft, zum Hirtendienst an den Gläubigen und zur Feier des GottesdienstesGottesdienst geweiht.“ (LG 28)

An dritter Stelle steht das AmtAmt des DiakonsDiakon, dessen WeiheWeihe die erste sakramentale Weihestufe bildet. Hier muss zwischen dem ständigen Diakonat und der zum Priesteramt führenden Weihestufe unterschieden werden, da der ständige Diakonat auch von verheirateten Männern ausgeübt werden kann, während die weiteren Weihestufen nur unverheirateten, zölibatär lebenden Männern vorbehalten sind. Der Diakon ist in erster Linie für karitative oder katechetische Aufgaben zuständig, kann aber auch liturgische Funktionen übernehmen. Die Diakone

dienen … dem Volke Gottes in der Diakonie der LiturgieLiturgie, des Wortes und der Liebestätigkeit in Gemeinschaft mit dem BischofBischof und seinem Presbyterium. Sache des DiakonsDiakon ist es, je nach Weisung der zuständigen AutoritätAutorität, feierlich die TaufeTaufe zu spenden, die EucharistieEucharistie zu verwahren und auszuteilen, der Eheschließung im Namen der Kirche zu assistieren und sie zu segnen, die Wegzehrung den Sterbenden zu überbringen, vor den Gläubigen die Heilige Schrift zu lesen, das Volk zu lehren und zu ermahnen, dem GottesdienstGottesdienst und dem Gebet der Gläubigen vorzustehen, Sakramentalien zu spenden und den Beerdigungsritus zu leiten. (LG 29)

Zusammenfassend zum Amtsverständnis stellte das II. Vaticanum fest:

Christus, den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat, hat durch seine ApostelApostel deren Nachfolger, die Bischöfe, seiner eigenen WeiheWeihe und Sendung teilhaftig gemacht. Diese wiederum haben die Aufgabe ihres Dienstamtes in mehrfacher Abstufung verschiedenen Trägern in der Kirche rechtmäßig weitergegeben. So wird das aus göttlicher Einsetzung kommende kirchliche Dienstamt in verschiedenen Ordnungen ausgeübt von jenen, die schon seit alters Bischöfe, PriesterPriester, DiakoneDiakon heißen. (LG 28)

Den Amtsträgern, dem „KlerusKlerus“, ist also das Hirtenamt Jesu verliehen. Weil der Hirte anstelle Christi handelt, z.B. im Rahmen der Eucharistiefeier „in persona Christi“, muss er Christus gleichgestaltet sein. Weil Christus selbst außerdem nur Männer in den Dienst berief, können nur Männer zu Amtsträgern berufen werden.

Beide Feststellungen – gewichtiger dürfte der zweite Gedanke sein – verbieten also grundsätzlich die WeiheWeihe von Frauen. Allerdings ist hier auch in der Römisch-katholischen Kirche die Diskussion noch nicht am Ende [→ FrauenordinationFrauenordination].

Der Papst als Garant und Zeichen der EinheitDie Bischöfe bilden in ihrer Ortskirche, in der Diözese oder in dem Bistum, Christus als Haupt der Kirche ab. Sowohl in diesen Ortskirchen als auch aus ihnen besteht die Römisch-katholische Kirche als Weltkirche, deren Oberhaupt wiederum der Papst, der BischofBischof von Rom, bildet. Er steht an der Spitze des Episkopats, der Gesamtheit der Bischöfe, die gemeinsam das Kollegium der ApostelApostel symbolisieren.

Das Kollegium oder die Körperschaft der Bischöfe hat aber nur AutoritätAutorität, wenn das Kollegium verstanden wird in Gemeinschaft mit dem BischofBischof von Rom, dem Nachfolger Petri, als seinem Haupt, und unbeschadet dessen primatialer Gewalt über alle Hirten und Gläubigen. Der Bischof von Rom hat nämlich kraft seines Amtes als Stellvertreter Christi und Hirt der ganzen Kirche volle, höchste und universale Gewalt über die Kirche und kann sie immer frei ausüben. (LG 22)

Da der Episkopat der Einheit der KircheKircheEinheit der Kirche dient, muss er diese Einheit in sich selbst abbilden. „Damit … der Episkopat selbst einer und ungeteilt sei, hat [Jesus ChristusJesus Christus] den heiligen Petrus an die Spitze der übrigen ApostelApostel gestellt und in ihm ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft eingesetzt.“ (LG 18) Auch hier zeigt sich der Analogiegedanke: Weil Christus als Person die Einheit der Kirche garantiert, muss auch in Analogie dazu eine Person (und nicht etwa ein Prinzip wie z.B. die Mehrheit der Bischöfe) die Einheit der Kirche sichern und repräsentieren. Diese historisch gewachsene Vorstellung wird dann mit biblischen Zitaten belegt. So werden Joh 21,15 und Mt 16,18 herangezogen, um die Bedeutung des Papstamtes zu belegen. Als Nachfolger des Petrus kann der Papst deshalb die AutoritätAutorität in der KircheAutoritätAutorität in der Kirche allein beanspruchen. Er ist „das immerwährende,

Bereits das I. Vatikanische KonzilKonzil / Konziliarismus stellte in seiner Dogmatischen Konstitution „Pastor Aeternus“ (PA) von 1870 klar, dass der römische Papst der Nachfolger des „heiligen Apostelfürsten Petrus“ sei und „wirklich der Stellvertreter Christi, das Haupt der ganzen Kirche, der Vater und Lehrer aller Christen“, dem von Christus durch Petrus die Vollmacht übergeben ist, „die gesamte Kirche zu weiden, zu regieren und zu leiten.“ (PA 10)

Die Vollmachten des PapstesUm seine Aufgabe als Garant der Einheit ausführen zu können, werden dem Papst zwei grundlegende Rechte zugesprochen:

Erstens besitzt er die höchste Rechtsgewalt in der Kirche, den Jurisdiktionsprimat. Dadurch kann er in die einzelnen Bistümer und die Befugnisse des Ortsbischofs eingreifen. Der Papst besitzt „über alle anderen Kirchen den Vorrang der ordentlichen Gewalt.“ (PA 11) Ihm gegenüber sind „die Gläubigen und die Hirten jeglichen Ritus und Ranges, und zwar sowohl einzeln wie in ihrer Gesamtheit, zu hierarchischer Unterordnung und zu wahrem Gehorsam verpflichtet.“ Das betrifft nicht nur „Fragen des Glaubens und des sittlichen Lebens“, sondern alles, „was zur Disziplin und zur Regierung der Kirche“ gehört (PA 11).

Zweitens kommt dem Papst in Fragen des Glaubens und der Moral Unfehlbarkeit (= Infallibilität) zu. Das bedeutet, wenn er

‚ex Cathedra‘ spricht, – das heißt, wenn er in Ausübung seines Amtes als Hirte und Lehrer aller Christen mit seiner höchsten Apostolischen AutoritätAutorität erklärt, dass eine Lehre, die den Glauben oder das sittliche Leben betrifft, von der ganzen Kirche gläubig festzuhalten ist, – dann besitzt er kraft des göttlichen Beistandes, der ihm im heiligen Petrus verheißen wurde, eben jene Unfehlbarkeit, mit der der göttliche Erlöser seine Kirche bei Entscheidungen in der Glaubens- und Sittenlehre ausgerüstet wissen wollte. Deshalb lassen solche Lehrentscheidungen des römischen Papstes keine Abänderung mehr zu, und zwar schon von sich aus, nicht erst infolge der Zustimmung der Kirche. (PA 21)

Die OffenbarungOffenbarung und das LehramtLehramtDie Dogmatische Konstitution „Dei Verbum“ (DV) des II. Vatikanischen KonzilsKonzil / KonziliarismusII. Vatikanisches Konzil von 1965 behandelt die Frage nach der OffenbarungOffenbarung. Die Offenbarung Gottes ist die Selbstmitteilung Gottes. Gott offenbart sich in Christus als die Liebe (DV 2). Christus ist deshalb der einzige und entscheidende Mittler zwischen Gott und den Menschen. Die Kirche bezieht sich aus diesem Grund immer auf Christus zurück und bleibt auf

Die persönliche Begegnung mit Gott, die durch die Kirche vermittelt wird, steht dabei im Vordergrund. Die Kirche bezeugt und vermittelt die OffenbarungOffenbarung Gottes in Jesus ChristusJesus Christus. In ihr begegnet Gott dem Menschen. Die BibelBibel enthält als „Heilige Schrift“ die Offenbarung Gottes. Sie ist wesentlicher Inhalt der kirchlichen Überlieferung und dient dieser gleichzeitig als Quelle der OffenbarungOffenbarungQuelle(n) der Offenbarung. Die Bibel ist das Zeugnis des von Gott berufenen Volkes, in dessen Raum, also in der Kirche, die Bibel zugleich Antwort auf Gottes Offenbarung wie auch Richtschnur der Kirche ist. Als geschriebenes Wort ist sie die Fortsetzung der mündlichen Predigt der ApostelApostel. Sie bildet die Grundlage und Orientierung der weitergehenden Verkündigungstätigkeit der Kirche. Zusammen mit der kirchlichen Überlieferung bildet sie das Wort Gottes, das der Kirche überlassen ist.

Das richtige Verständnis der Heiligen SchriftUm die Schrift richtig zu verstehen, muss man im römisch-katholischen Verständnis zunächst ihren inneren Zusammenhang beachten. Da das Heil des Menschen im Mittelpunkt der göttlichen OffenbarungOffenbarung steht, dient es auch als hermeneutisches Prinzip der Schriftauslegung. Die heilvolle Zuwendung Gottes zum Menschen gibt die Richtung der Auslegung jeder einzelnen Textstelle vor und führt zur „kanonischen Lektüre“, die alle Texte des Schriftkanons auf die Mitte des Christusgeschehens hin interpretiert. Deshalb bedarf das Schriftstudium letztlich des kirchlichen Kontextes, der den Rahmen des Verstehens setzt. Das KonzilKonzil / Konziliarismus erklärt dazu:

Da die Heilige Schrift in dem Geist gelesen und ausgelegt werden muß, in dem sie geschrieben wurde, erfordert die rechte Ermittlung des Sinnes der heiligen Texte, daß man mit nicht geringerer Sorgfalt auf den Inhalt und die Einheit der ganzen Schrift achtet, unter Berücksichtigung der lebendigen Überlieferung der Gesamtkirche und der Analogie des Glaubens. Aufgabe der Exegeten ist es, nach diesen Regeln auf eine tiefere Erfassung und Auslegung des Sinnes der Heiligen Schrift hinzuarbeiten, damit so gleichsam aufgrund wissenschaftlicher Vorarbeit das Urteil der Kirche reift. (DV 12)

Aufgabe aller Bibelausleger ist, die Vorarbeit für die Auslegung durch das LehramtLehramt zu leisten, dem allein die verbindliche Erklärung des geschriebenen oder überlieferten Wortes Gottes zusteht. Seine Vollmacht übt es im Namen Jesu Jesus Christus aus und dient dem Wort Gottes. Da es das Wort Gottes „aus göttlichem Auftrag und mit dem Beistand des Heiligen GeistesHeiliger Geist voll Ehrfurcht hört, heilig bewahrt und treu auslegt“ (DV 10) lehrt es nichts, was nicht überliefert ist. Die „Heilige Überlieferung, die Heilige Schrift und das Lehramt der Kirche“ sind gemäß des weisen Ratschlusses Gottes so miteinander verknüpft, „daß keines ohne die anderen besteht und daß alle zusammen, jedes auf seine Art, durch das Tun des einen Heiligen Geistes wirksam dem Heil der Seelen dienen.“ (DV 10)

Die Heilige Schrift und das LehramtLehramtDas LehramtLehramt nimmt für sich in Anspruch, die letztverbindliche Kompetenz und AutoritätAutorität zur Bibelauslegung zu besitzen. Gleichzeitig betont es, dass die BibelBibel nicht allein die Grundlage der Glaubenslehre sein könne, sondern der harmonischen Ergänzung durch die Überlieferung bedarf, die wiederum wesentlich vom Lehramt selbst nicht nur definiert, sondern auch produziert wird. Das Lehramt beugt sich zwar unter das Wort Gottes. Das allerdings wird nur durch das Lehramt selbst vorgelegt und soll als von Gott geoffenbart geglaubt werden. Dies ist nur in der Heiligen Kirche, d.h. der Römisch-katholischen Kirche, möglich. Zusammengefasst heißt das: „Alles, was die Art der Schrifterklärung betrifft, untersteht letztlich dem Urteil der Kirche, deren gottergebener Auftrag und Dienst es ist, das Wort Gottes zu bewahren und auszulegen.“ (DV 12)

Die Heilige Schrift ist zwar die einzige und oberste Instanz der Kirche, kann aber nur durch die Kirche selbst ausgelegt werden. Losgelöst von der kirchlichen Gemeinschaft kann die BibelBibel nicht richtig verstanden werden. Interpretationen, die nicht von der kirchlichen Lehre gedeckt werden, können deshalb nicht kritisch gegen die Kirche ins Feld geführt werden. Das KonzilKonzil / Konziliarismus von TrientKonzil / KonziliarismusKonzil von Trient verurteilte in diesem Sinne in seinem Dekret über die VulgataVulgata-Ausgabe der Bibel und die Auslegungsweise der Heiligen Schrift eine solche Vorgehensweise. Niemand solle es wagen, „auf eigene Klugheit gestützt in Fragen des Glaubens und der Sitten, soweit sie zum Gebäude christlicher Lehre gehören, die heilige Schrift nach den eigenen Ansichten zu verdrehen“. Besonders aber sei verboten, die Schrift „gegen jenen Sinn, den die heilige Mutter Kirche festgehalten hat und festhält […] oder auch gegen die einmütige Übereinstimmung der Väter auszulegen.“ Nur der Kirche obliege die Aufgabe, „über den wahren Sinn und die Auslegung der heiligen Schriften zu urteilen.“ (DH 1507) Damit wird im Grunde jede „private“ Bibellektüre verboten – was dann erst 1965 mit „Dei Verbum“ wieder aufgehoben wurde.

Die Geschichte der Kirche bildet ihre TraditionTradition. Die Überlieferung des EvangeliumsEvangelium in der Kirche und durch sie gehört deshalb konstitutiv zur OffenbarungOffenbarung

Als Garant für die richtige Überlieferung des EvangeliumsEvangelium gilt dabei die personell verstandene apostolische SukzessionSukzessionApostolische SukzessionApostolizitätApostolische Sukzession. Die TraditionTradition wird im Laufe der Zeit aus der Lebenspraxis und Lehre der Kirche gebildet und als Vertiefung der Schrift angesehen. Die Heilige Schrift ist „Gottes Rede“, die Überlieferung gibt das Wort Gottes weiter. Es liegt also auf der Linie des dynamischen Verständnisses von OffenbarungOffenbarung, dass das Wort Gottes durch seine Vermittlung an Tiefe gewinnt und das LehramtLehramt immer wieder neu auf das Wort hören kann. Die Kirche bekommt ihre Lehren nicht nur aus der Schrift allein, sondern auch im dynamischen Prozess der Überlieferung (DV 9).

Die Überlieferung der OffenbarungOffenbarungUm die OffenbarungOffenbarung Gottes sachgemäß zu überliefern, sind im römisch-katholischen Verständnis mehrere Faktoren nötig. Zunächst steht die gesamte Kirche, auch die Laien, in der Pflicht, durch den ihr verliehenen Glaubenssinn das EvangeliumEvangelium festzuhalten. In Gemeinschaft mit dem bischöflichen LehramtLehramt sollen die Laien durch ihr Hören und Sagen die Überlieferung der christlichen Botschaft pflegen und ausbreiten. Im Zweifelsfall spricht allerdings das Lehramt der Kirche. Dem BischofBischof als Nachfolger der ApostelApostel ist unmittelbar die Verantwortung aufgetragen, das Evangelium weiterzugeben und auszulegen, wobei die letztendliche Verantwortung beim Bischof von Rom liegt. Dass die Kirche durch ihn unfehlbar die Schrift aus- und Lehren vorlegen kann, verdankt sie dem Heiligen GeistHeiliger Geist. Durch ihn will Gott der Kirche beistehen und ihr ermöglichen, seinen Heilswillen für die Welt zu realisieren. Um potenzielle Unklarheiten der biblischen Botschaft zu vermeiden, ist die Kirche als göttliches Werkzeug mit der Gewissheit ausgerüstet, ihre Auslegung autoritativ verbreiten zu können. Heilswahrheiten können daher den Gläubigen zum Gehorsam vorgelegt werden. Daher ist die Unfehlbarkeit des Lehramtes in der römisch-katholischen Vorstellung keine Anmaßung, sondern logische Konsequenz der Gnadengabe Gottes an seine Kirche.

Die AutoritätAutorität des Lehramtes in Glaubens- und SittenlehreDas LehramtLehramt besitzt nicht nur weitreichende Vollmachten in Bezug auf die Glaubenslehre, sondern untrennbar damit verwoben auch der Morallehre. Es hat die Aufgabe, den Gläubigen eine sichere Orientierung für deren Handeln an die Hand zu geben. Das ist gegenwärtig allerdings umstritten.

im heutigen Kontext Gefahr […], verfälscht oder verneint zu werden. Es ist nämlich eine neue Situation gerade innerhalb der christlichen Gemeinschaft entstanden, die hinsichtlich der sittlichen Lehren der Kirche die Verbreitung vielfältiger Zweifel und Einwände menschlicher und psychologischer, sozialer und kultureller, religiöser und auch im eigentlichen Sinne theologischer Art erfahren hat. Es handelt sich nicht mehr um begrenzte und gelegentliche Einwände, sondern um eine globale und systematische Infragestellung der sittlichen Lehrüberlieferung aufgrund bestimmter anthropologischer und ethischer Auffassungen. Diese haben ihre Wurzel in dem mehr oder weniger verborgenen Einfluss von Denkströmungen, die schließlich die menschliche Freiheit der Verwurzelung in dem ihr wesentlichen und für sie bestimmenden Bezug zur Wahrheit beraubt. So wird die herkömmliche Lehre über das Naturgesetz, über die Universalität und bleibende Gültigkeit seiner Gebote abgelehnt; Teile der kirchlichen Moralverkündigung werden für schlechthin unannehmbar gehalten; man ist der Meinung, das LehramtLehramt dürfe sich in Moralfragen nur einmischen, um die ,Gewissen zu ermahnen‘ und ,Werte vorzulegen‘ nach denen dann ein jeder autonom die Entscheidungen und Entschlüsse seines Lebens inspirieren wird. (VS 4)

Das LehramtLehramt lehnt es entschieden als Irrtum ab, aus dem Glauben eigenständig moralische Urteile entwickeln zu können. Glaube und Moral hängen vielmehr eng zusammen, sodass das Lehramt auch für die Morallehre zuständig ist:

Verbreitet ist auch der Zweifel am engen und untrennbaren Zusammenhang zwischen Glaube und Moral, so als würde sich die Zugehörigkeit zur Kirche und deren innere Einheit allein durch den Glauben entscheiden, während man in Sachen Moral einen Pluralismus von Anschauungen und Verhaltensweisen dulden könnte, je nach Urteil des individuellen subjektiven Gewissens bzw. der Verschiedenheit der sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen. (VS 4)

3.1.2 Besonderheiten der historischen Entwicklung

Die Römisch-katholische Kirche führt sich wie andere Kirchen auch auf die Gründung durch Jesus ChristusJesus Christus selbst zurück. Ihre Entwicklung hängt in den ersten Jahrhunderten eng mit der allgemeinen Geschichte des europäischen Westens zusammen.

Der Beginn des PapsttumsPapsttumDie Vorstellung, dass der BischofBischof von Rom einen Vorrang gegenüber anderen Bischöfen hat, wurzelt in der Bedeutung der christlichen „Hauptstadtgemeinde“, die zwei ApostelApostel als ihre Säulen anführen konnte: Petrus und Paulus. Das Bewusstsein, eine besondere Gemeinde zu sein, zeigte sich bereits sehr früh. Der 1. Clemensbrief, ein um 100 verfasstes Schreiben der römischen Gemeinde nach Korinth, verdeutlicht, dass sich die römische Gemeinde bereits zu diesem Zeitpunkt als AutoritätAutorität anderer Gemeinden ansah und diesen ermahnende Ratschläge gab.

190 verlangte der römische BischofBischof Viktor$Viktor, Pontifikat 189–199, römischer Bischof (Pontifikat: 189199) im Zusammenhang mit der Frage, wann Ostern gefeiert wird, dass sich alle Gemeinden nach dem römischen Brauch richten müssten.

Die biblische BegründungIm 3. Jahrhundert verwies BischofBischof Stefan$Stefan, Pontifikat 254–257, römischer Bischof (Pontifikat: 254257) im Kontext eines Streites mit Cyprian$Cyprian von Karthago, gest. 258, Bischof, Kirchenvater von Karthago (gest. 258) auf Mt 16,18, um diesem seine besondere Machtfülle zu demonstrieren. Erst spät trat zur weltlichen und kirchlichen Bedeutung der Stadt Rom die biblische Begründung dafür hinzu. 382 machte Bischof Damasus$Damasus, Pontifikat 366–384, römischer Bischof (Pontifikat: 366384) den biblischen Beleg der „Schlüsselgewalt“ zur theologischen Basis des Primatsanspruches der römischen Bischöfe.

Das römische ErbrechtDer im römischen Erbrecht begegnende Gedanke eines Erblassers und Erbnehmers wurde in Bezug auf ein kirchliches AmtAmt in Anschlag gebracht. So konnte die Verheißung an Petrus auch auf römische Bischöfe übergehen, die sich als seine Erben verstanden.

BischofBischof Damasus$Damasus, Pontifikat 366–384, römischer Bischof behauptete mithilfe dieser Argumentation, dass nur er der rechtmäßige Erbe des Petrus sei und die petrinische Sukzessionslinie die Bindegewalt des Petrus nun an den römischen Bischof übermittelt habe. Als zweites Argument führte Innozenz I.$Innozenz I., Pontifikat 401–417, römischer Bischof (Pontifikat: 401417) ins Feld: Von Rom aus habe das EvangeliumEvangelium seinen Weg in die Welt gefunden und deshalb seien alle westlichen Gemeinden verpflichtet, der römischen LiturgieLiturgie zu folgen.

Profan römisches Recht, die Bedeutung der in Rom gestorbenen ApostelApostel und biblische Belege verbanden sich zu der Idee, dass Rom eine besondere Stellung in der Kirche einnehmen könne.

Zum Aufstieg des römischen Bischofes zum Papst – der Titel begann sich gegen Ende des 4. Jahrhunderts einzubürgern – trug wesentlich der Fall des Imperium

Augustin

Theologisch stand der Westen lange Zeit im Schatten der östlichen Kirche, von der er die wesentlichen Impulse für die ersten dogmatischen Festlegungen, z.B. der TrinitätslehreTrinitätTrinitätslehre, empfing. Neben Ambrosius von Mailand$Ambrosius von Mailand, 339–397, Bischof, Kirchenvater (339397) und Hieronymus$Hieronymus (Sophronius Eusebius), 347–420, Theologe, Kirchenvater (347420) war BischofBischof Augustin von Hippo$Augustin von Hippo, 354–430, Bischof, Kirchenvater (354430) der herausragende Theologe, der im Westen ein eigenständiges Konzept der Theologie entwarf und dabei der westlichen Kirche wesentliche Impulse gab. Als gebildeter Philosoph und Rhetor gelang es ihm, die frühe christliche Überlieferung mit der griechischen PhilosophiePhilosophie zu verbinden. Er nahm entscheidende Weichenstellungen hinsichtlich verschiedener theologischer Themen vor. Gegenüber den sogenannten donatistischen Positionen, die die Gültigkeit der SakramenteSakrament mit der Würde des Sakramentspenders verknüpften, argumentierte er, dass das Sakrament durch seinen Vollzug in der wahren Kirche gültig sei. Christus selbst handle im Sakrament, nicht der menschliche Spender. Die Wirkung der TaufeTaufe werde nicht durch den Taufenden bestimmt, sondern dadurch, dass sie in rechter Weise im Namen der Dreieinigkeit und auf sie hinausgeführt werde. In der späteren mittelalterlichen Scholastik wurde das als Wirksamkeit des Sakraments ex opere operato bezeichnet, da die Handlung selbst das Wesentliche sei.

Weiterhin behandelte Augustin das Verhältnis von Kirche und Staat, das im Westen eines der beherrschenden Themen der Kirchengeschichte werden sollte. In seiner Schrift „De civitate Dei“ („Vom Gottesstaat“), die er zwischen 413 und 426 verfasste, entwickelte er die Vorstellung eines Gottesstaates, der zum irdischen Staat in einem dauerhaften Gegensatz steht. Er sah in der Kirche das Reich Gottes, gegenüber dem der Staat die Aufgabe des Schutzes habe. Der Staat bewahrt nach Augustin die Kirche in Frieden und Freiheit und darf aufgrund seiner Funktion für sie nicht absolut gesetzt werden. Zwar ist er als Folge des menschlichen Sündenfalls und da er dem Chaos und Unrecht wehrt nötig, doch kommt ihm in göttlicher Hinsicht keine Qualität zu. Ebenso wie der Staat nicht absolut gesetzt werden kann, darf es auch die irdische Kirche nicht. Sie ist nicht das Reich Gottes. Innerhalb der Kirche ist keine perfekte Gesellschaft anzutreffen, sondern es muss zwischen Wölfen und Schafen unterschieden werden. Nur Gott allein kennt die Gläubigen der wahren Kirche. Die irdische Kirche aber ist ein Mischgebilde zwischen Gläubigen und Sündern. Mit diesem Thema griff Augustin die Frage auf, was Kirche in dieser Welt sein kann und wo ihre Grenzen liegen.

Erbsünde und GnadeGnadeDurch die Konfrontation mit dem britischen Mönch Pelagius$Pelagius, um 350/360-um 419, Prediger, Theologe, Laienmönch (um 350/360-um 419) [→ Anglikanische Gemeinschaft] erwuchs Augustin ein weiteres großes Thema.

Pelagius$Pelagius, um 350/360-um 419, Prediger, Theologe, Laienmönch war von dem moralisch zweifelhaften Lebensstil der römischen Bischöfe beunruhigt und hielt ihnen vor, billige GnadeGnade zu predigen und die Moral zu missachten. Ihm lag daran, die persönliche Schuld des Menschen aufzuweisen. Deshalb wandte er sich gegen die Annahme, dass es eine erbliche Übertragung der Sünde gebe, die an den Fortpflanzungsprozess gebunden sei. Sünde sei vielmehr eine freiwillige Nachahmung der Übertretung Adams, keine angeborene Schuld. Augustin argumentierte gegen diese Position und vertrat die Ansicht, dass in der NaturNatur des Menschen die Erbsünde angelegt wäre. Der Mensch sei von Geburt nur durch die Gnade Gottes fähig, das Gute zu tun. Die Gnade aber gewähre von Gott bestimmten Menschen den Weg zum Heil. Der Mensch bedürfe der Gnade Gottes unbedingt. Sie sei eine Kraft, die für ihn unwiderstehlich sei. Augustin betonte mit dieser Lehre, dass der Mensch von Anfang an auf Gottes Gnade angewiesen sei. Kein menschlicher Wille könne die Erlösung des Menschen unabhängig von Gott herbeiführen. Nur durch das Wirken des Geistes könne der Mensch seinen Willen auf ein moralisch gutes Leben ausrichten.

Der BischofBischof von Rom blieb in der Zeit der Völkerwanderung, des Zusammenbruchs des römischen Reichs und des Übergangs von der Antike zum Mittelalter eine Konstante. Als Papst versuchte er, seinen Primatsanspruch auf das ganze Reich auszudehnen.

Während die östliche TraditionTradition eine Harmonie, die SymphoniaSymphonia, zwischen Staat und Kirche herzustellen suchte [→ Orthodoxe Kirchen], kontrastrierte Papst Gelasius$Gelasius, Pontifikat 492–496, römischer Bischof, römisch-katholischer Papst I. (Pontifikat: 492496) die weltliche Macht durch die kirchliche und wies der kirchlichen eine größere Macht zu.

Der wichtigste Papst dieser Zeit war Gregor I. (der Große; Pontifikat: 590604)$Gregor I. (der Große), Pontifikat 590–604, römisch-katholischer Papst, der als Mönch Papst wurde und dem es gelang, das Ideal des Hirten seiner Gemeinde zu verkörpern. Er verlangte von den Klerikern, dass sie ihr Leben als christliches Vorbild führen sollten. Die Bischöfe rief er zur Solidarität untereinander auf. Für die Stadt Rom war er bedeutend, da er nach dem Untergang des Reichs mit sozialen Leistungen die Not der Bevölkerung zu lindern versuchte. Außerdem unternahm er vermehrt missionarische Anstrengungen, z.B. unter den Goten und den Angelsachsen.

Entfremdung zwischen Ost und WestIm Frühmittelalter verschlechterten sich die Beziehungen zwischen der West- und Ostkirche des Reichs. Der Einfluss Ostroms wurde schwächer und die Päpste begannen, sich mit großem Selbstbewusstsein in die Belange der östlichen Kirche einzumischen. So widersetzte sich Papst Gregor II. (Pontifikat: 715731)$Gregor II., Pontifikat 715–731, römisch-katholischer Papst den Steuerpflichten, die ihm vom oströmischen Kaiser auferlegt waren und widersprach ihm im Bilderstreit.

Er weihte den Angelsachsen Wynfreth$Bonifatius (Wynfreth), 653–755, Missionar, römisch-katholischer Bischof von Mainz und Utrecht (673755) zu BischofBischof Bonifatius und gab ihm missionarische Vollmachten in Mitteleuropa. Bonifatius war direkt dem Papst unterstellt und wurde zum Bischof geweiht, ohne dass er ein Bistum erhielt. Er erhielt vielmehr die Aufgabe, Volksstämme wie die Friesen oder die Hessen zu missionieren. Bonifatius ging rigoros gegen heidnische Götter vor und ließ z.B. 723 in der Nähe von Geismar im heutigen Hessen eine dem Gott Donar (Thor) geweihte Eiche, ein germanisches Heiligtum, fällen, um die Ohnmacht der germanischen Götter zu beweisen. 732 wurde Bonifatius zum ErzbischofBischofErzbischof erhoben und zum Legaten für Germanien bestellt. Der Missionar wurde damit zum Organisator einer neuen Kirchenprovinz. Er gründete Klöster und unterstellte sie der Mönchsregel Benedikts von Nursia$Benedikt von Nursia, 480–547, römisch-katholischer Ordensgründer (480547), der 529

Papst Gregor III. (Pontifikat: 731741)$Gregor III., Pontifikat 731–741, römisch-katholischer Papst wandte sich endgültig vom Osten ab und suchte weltliche Unterstützung bei Karl Martell$Karl Martell, um 690–741, fränkischer Hausmeier, Begründer der Dynastie der Karolinger (um 690741), dem karolingischen Hausmeier. Das PapsttumPapsttum wurde vom Frankenreich abhängig.

Die Zeit der KarolingerDas PapsttumPapsttum geriet im Mittelalter immer mehr in Auseinandersetzung mit den weltlichen Königen, da es neben seinen geistlichen Aufgaben auch politisch agierte.

Pippin III.$Pippin III., 714–768, fränkischer Hausmeier, König der Franken (714768), der Sohn Karl Martells, ließ sich von der römischen Kirche zum König krönen. Sein Königtum wurde damit eine Herrschaft von Gottes Gnaden (lat.: dei gratia). Die Würde des Königs wurde also nicht durch seine königliche Abstammung begründet, sondern das AmtAmt wurde verliehen. Aufgrund seines Selbstverständnisses als „unmittelbar zu Gott“ fühlte sich der König auch für die Kirche verantwortlich. Kirche und weltliche Herrschaft rückten eng zusammen.

Die Krönung Karls des Großen$Karl der Große, 747–814, König des Fränkischen Reichs, 800–814 römisch-deutscher Kaiser (747814), des bedeutendsten Herrschers der Karolinger, durch Papst Leo III.$Leo III., Pontifikat 795–816, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 795816) an Weihnachten 800 in Rom war deutlicher Ausdruck dieser engen Verbindung. Das neue Kaisertum war an Rom gebunden. Der Papst konnte die Kaiserwürde verleihen.

Darüber hinaus war die Absage an das oströmische Reich manifestiert. Der Papst hatte einen „eigenen“ Kaiser kreiert. Für Kaiser Karl$Karl der Große, 747–814, König des Fränkischen Reichs, 800–814 römisch-deutscher Kaiser war die Aufgaben- und Machtverteilung zwischen ihm und dem Papst eindeutig: Dem Kaiser oblag es, das Reich und die Kirche nach außen zu verteidigen und nach innen zu festigen. Der Papst wiederum hatte die Aufgabe, den Kaiser in seinen Aufgaben zu unterstützen.

Der KirchenstaatUm sich gegen den in Italien einfallenden Volksstamm der Langobarden zu schützen, bat Papst Stephan II.$Stephan II., Pontifikat 752–757, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 752757) 754 Pippin III.$Pippin III., 714–768, fränkischer Hausmeier, König der Franken (714768), Sohn Karl Martells, erster karolingischer König und Vater Karls des Großen, um Schutz. Pippin III. gewährte ihm seine Hilfe und versprach dem Papst die Rückgabe der von den Langobarden eroberten Gebiete. Diese Gebiete vermachte Pippin in der sogenannten Pippinischen Schenkung dem Papst und schuf damit die Grundlage des Kirchenstaates, dem weltlichen Hoheitsgebiet der Päpste. Der Papst verlieh Pippin mit dem Titel Patricius Romanorum die Herrschaft über dieses Gebiet.

Stephan II.$Stephan II., Pontifikat 752–757, römisch-katholischer Papst festigte die weltliche Macht über dieses Territorium, indem er ein Dokument vorlegte, das angeblich von Kaiser Konstantin$Konstantin (der Große), 270/288–337, 306–337 Kaiser des Römischen Reichs, seit 324 als Alleinherrscher (270/288337; Kaiser: 306337) stammte, aber gefälscht war: die Konstantinische Schenkung.

Dem Papst wurden im frühen 9. Jahrhundert kaiserliche Rechte übertragen, und die Bindung des Kaisertums an Rom erfuhr seine, wenn auch auf einer Fälschung beruhende Begründung. Der Papst konnte, wenn er es machtpolitisch durchzusetzen vermochte, das Recht beanspruchen, den Titel des Kaisers zu vergeben und auch wieder abzuerkennen. Dieser prinzipielle Anspruch mündete in den Investiturstreit des 11. und 12. Jahrhunderts.

Zunächst aber waren die Päpste gegenüber den Kaisern zu schwach, um ihren politischen Anspruch durchsetzen zu können. Kirche und PapsttumPapsttum erlebten Ende des 9. Jahrhunderts und im 10. Jahrhundert einen kirchenpolitischen wie moralischen Niedergang.

Die Cluniazensische Reform der Kirche910 wurde in Cluny in Burgund ein Benediktinerkloster gegründet, das von den Stiftern dadurch gegen die den Grundgedanken des ursprünglichen Christentums verwässernde weltliche Zugriffe geschützt wurde, indem es direkt dem Papst unterstellt wurde.

Das Kloster Cluny, das im 11. und 12. Jahrhundert im Mittelpunkt eines ganzen Klosterverbundes stand, entfaltete eine überragende Wirkung. Von ihm ging in der Zeit vom 10. bis 13. Jahrhundert eine der umfassendsten Reformen, die Cluniazensische Reform, aus, die auf den KlerusKlerus, auf das Kirchenvolk und schließlich auch auf das PapsttumPapsttum ausstrahlte.

Es begann sich das Bewusstsein durchzusetzen, dass auch das PapsttumPapsttum reformiert werden müsse. Der Kampf gegen den Verkauf von geistlichen ÄmternAmt, die Simonie, war dabei ein wichtiges Ziel.

Regelung der PapstwahlIn Rom hatte der Adel im frühen 11. Jahrhundert die Machtverhältnisse zu seinen Gunsten entschieden und hatte großen Einfluss auf den römischen Bischofssitz. Um den Streitigkeiten bei den Papstwahlen Herr zu werden, beschloss eine Lateransynode 1059 das Papstwahldekret „In nomine Domini“, das die bis heute gültige Regelung enthält, dass der römische BischofBischof nur von den Kardinälen gewählt werden darf. Dem übrigen Klerus und dem Volk wurde lediglich das Zustimmungsrecht eingeräumt und dem Kaiser ein Bestätigungsrecht.

Der InvestiturstreitUnter Papst Gregor VII. (Pontifikat: 10731085)$Gregor VII., Pontifikat 1073–1085, römisch-katholischer Papst flammte der Streit um die Investitur auf, d.h. um das Recht der ,Einkleidung‘ der Bischöfe mit den Insignien. Gregor VII., der als Mönch in Cluny gelebt hatte, lehnte jede Einmischung der weltlichen Gewalt in Kirchenbelange ab, wandte sich entschieden gegen die Nichtbeachtung des ZölibatsZölibat, bekämpfte die Simonie und betonte die normative Rolle Roms für die gesamte Christenheit. In Konflikt geriet Gregor VII. mit dem Salier Heinrich IV. (10501106; Kaiser 10841105)$Heinrich IV., 1050–1106, römisch-deutscher König, 1084–1105 römisch-deutscher Kaiser in der Frage, wer die letzte Entscheidungsgewalt bei der Einsetzung von Bischöfen habe: der Papst oder der Kaiser. Die Frage der Einsetzung von Bischöfen war deshalb so wichtig, weil die Bischöfe neben ihrem geistlichen AmtAmt auch die weltliche Macht im Reich innehatten. Wer Bischöfe einsetzte, hatte einen großen Einfluss über die Kirche hinaus. Die Lehre der zwei Gewalten, einer geistlichen und einer weltlichen, wie sie seit der Karolingerzeit bekannt war, wurde nun infrage gestellt.

Die deutschen Bischöfe schwankten in dem Streit zwischen der Treue gegenüber dem Kaiser und der Gehorsamsverpflichtung gegenüber dem Papst. 1076 forderten sie mit Heinrich an der Spitze auf dem Hoftag zu Worms Gregor VII.$Gregor VII., Pontifikat 1073–1085, römisch-katholischer Papst auf, das Papstamt aufzugeben. Daraufhin verhängte Gregor den Bann über Heinrich.

Da der Kaiser daraufhin von den Fürsten seines Reichs, auf deren Unterstützung er angewiesen war, mit einem Ultimatum unter Druck gesetzt wurde den Konflikt mit dem Papst beizulegen, entschloss sich Heinrich$Heinrich IV., 1050–1106, römisch-deutscher König, 1084–1105 römisch-deutscher Kaiser 1077 zum Bußgang nach Canossa, wohin sich Gregor zurückgezogen hatte. Der Papst löste daraufhin den Bann, um ihn nach verschiedenen Streitigkeiten um die kaiserliche Macht 1080 wieder in Kraft zu setzen. Allerdings hatte sich das Machtgefüge in der Zwischenzeit verändert, sodass Heinrich Gregor für abgesetzt erklären und einen neuen Papst zum Gegenpapst ausrufen konnte. Gregor konnte sich nicht durchsetzen und musste aus Rom fliehen.

Gleichwohl hinterließ er mit der Schrift „Dictatus Papae“ von 1075 ein eindrückliches Dokument für das päpstliche Selbstbewusstsein der Zeit. Der Lehr- und Jurisdiktionsprimat des römischen BischofsBischof wurden darin bereits vorformuliert und die Vorrangstellung der römischen Kirche deutlich unterstrichen.

Erst unter Papst Calixt II.$Calixt II., Pontifikat 1119–1124, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 11191124) erfolgte 1122 die Beilegung des Investiturstreits mit der Unterzeichnung des Wormser Konkordats. Darin wurde festgelegt, dass die Bischöfe durch das Domkapitel in Anwesenheit

Das IV. LaterankonzilKonzil / KonziliarismusIV. LaterankonzilDas IV. LaterankonzilKonzil / KonziliarismusIV. Laterankonzil von 1215 war das bedeutendste und folgenreichste KonzilKonzil / Konziliarismus des Mittelalters, da es wesentliche Glaubenselemente verbindlich verkündete. Beichte und Kommunion wurden vorgeschrieben, die TrinitätslehreTrinitätTrinitätslehre bestätigt und die Transsubstantiationslehre zum adäquaten Verständnismodell der EucharistieEucharistie erklärt. Die Lehre von der realen Wandlung von Brot und Wein dauerhaft in Blut und Leib Christi wurde manifestiert.

Darüber hinaus erließ Papst Innozenz III.$Innozenz III., Pontifikat 1198 bis 1216, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 1198 bis 1216) eine Fülle weiterer Canones, die das Leben der Kirche in Bezug auf die Kleriker und Laien prägten.

Thomas von Aquin$Thomas von Aquin, 1225–1274, Theologe, Dominikanermönch

Der Dominikaner Thomas von Aquin$Thomas von Aquin, 1225–1274, Theologe, Dominikanermönch (12251274) war einer der bedeutendsten Lehrer der katholischen Kirche und einer der wichtigsten Theologen des Mittelalters. In Anknüpfung an den griechischen Philosophen Aristoteles$Aristoteles, 384 v. Chr.-322 v. Chr., Philosoph, Wissenschaftsbegründer beschäftigte er sich mit dem Verhältnis von Glaube und Vernunft bzw. Theologie und PhilosophiePhilosophie. In seinen beiden Hauptwerken „Summa theologiae“ und „Summa contra gentiles“ unterschied er beide Disziplinen und grenzte sie klar voneinander ab, verband sie aber in einem gemeinsamen System. Während die Theologie das Verhältnis zu Gott thematisiert, untersucht die Philosophie nach Thomas, wie sich Dinge zu sich und in sich verhalten. Die Theologie erklärt die Welt von Gott, also ihrer ersten Ursache her. Die Philosophie befasst sich mit Ursache und Wirkung der Dinge. Der Erkenntnisweg der Theologie führt vom Schöpfer zur Schöpfung, der der Philosophie von der Schöpfung zum Schöpfer.

Die Frage nach dem Sein

Die Frage nach dem Sein führte Thomas zu der Frage nach dem höchsten Sein, das für ihn Gott war. Die Vernunft bestätigt in der Vorstellung von Thomas von Aquin$Thomas von Aquin, 1225–1274, Theologe, Dominikanermönch die OffenbarungOffenbarung Gottes, die wiederum die Vernunft in ihrem Erkenntnisdrang unterstützt. Ausgehend von der Betrachtung der NaturNatur kam er zu dem Schluss, dass Gott das absolute Sein selbst darstellt, das höchste Wesen, die erste Ursache, der erste Beweger der Welt.

Über die Systematisierung von Theologie und PhilosophiePhilosophie hinausgehend erarbeitete Thomas Überlegungen zur göttlichen GnadeGnade und ihrer Wirkung. Die Gnade Gottes führt die natürliche Erkenntnis über die menschlichen Möglichkeiten hinaus. Sie bewirkt, dass der Mensch eine Wirklichkeit über der natürlichen erkennt. Damit begründete Thomas den Unterschied zwischen NaturNatur und Gnade. Die Gnade rüstet den Menschen mit einem übernatürlichen Habitus aus, die Gnade „erhöht“ die geschöpfliche Natur des Menschen. Gott kommt dabei dem menschlichen Willen zur Erkenntnis unterstützend entgegen. In den SakramentenSakrament erlangt der Mensch ZugangZugang zur Gnade.

Eine heilige katholische und ebenso apostolische Kirche zu glauben und festzuhalten, werden wir auf Drängen des Glaubens gezwungen, und diese glauben wir fest und bekennen wir aufrichtig, außerhalb derer weder Heil noch Vergebung der Sünden ist. (DH 870)

Dieser Kirche gebühre der Vorrang vor allen anderen Machtansprüchen. Das geistliche Schwert stehe über dem weltlichen und dieses habe sich der Kirche nicht nur zu beugen, sondern ihr auch zu dienen:

Beide also sind in der Gewalt der Kirche, nämlich das geistliche Schwert und das materielle. Jedoch ist dieses für die Kirche, jenes aber von der Kirche zu handhaben. (DH 873)

Wenn also die irdische Gewalt abirrt, dann wird sie von der geistlichen Gewalt gerichtet werden; wenn aber eine niedrigere geistliche abirrt, dann von ihrer höheren; wenn aber die höchste, dann wird sie allein von Gott, nicht vom Menschen gerichtet werden können. (DH 873)

Konzentriert formuliert die Bulle diesen Machtanspruch in dem Satz:

Wir erklären, sagen und definieren nun aber, daß es für jedes menschliche Geschöpf unbedingt notwendig zum Heil ist, dem Römischen BischofBischof unterworfen zu sein. (DH 875)

Damit hatte das PapsttumPapsttum zumindest ideell den Zenit seiner Macht erreicht. Faktisch konnte Bonifatius$Bonifatius VIII., Pontifikat 1294–1303, römisch-katholischer Papst den französischen König mit der Bulle allerdings nicht in die Schranken weisen. Vielmehr demütigte Philipp IV.$Philipp IV., (der Schöne), 1268–1314, König von Frankreich, als Philipp I. König von Navarra den Papst 1303, indem er ihn in der päpstlichen Sommerresidenz in Anagni festnehmen ließ. Wenige Wochen danach starb Bonifatius.

1309 verlegte Papst Clemens V. (Pontifikat: 13051314)$Clemens V., Pontifikat 1305–1314, römisch-katholischer Papst, der ehemalige ErzbischofBischofErzbischof von Bordeaux, unter Einfluss der französischen Krone den Sitz der päpstlichen Kurie nach Avignon. In den folgenden Jahrzehnten wurde das PapsttumPapsttum zum Spielball der französischen Könige. Die babylonische Gefangenschaft der KircheBabylonische Gefangenschaft der Kirche, so die nachträgliche Bezeichnung in Anlehnung an das Exil Israels in Babylonien, endete erst 1377 mit der Rückverlegung der päpstlichen Residenz nach Rom durch Gregor XI. (Pontifikat: 13701378)$Gregor XI., Pontifikat 1370–1378, römisch-katholischer Papst.

Das Abendländische SchismaSchismaAbendländischesAbendländisches SchismaDie Epoche der babylonischen Gefangenschaft der Kirche hatte dem von Frankreich abhängigen PapsttumPapsttum schweren Schaden zugefügt. Die weiteren Papstwahlen waren vor diesem Hintergrund problematisch, geprägt von Interessenkonflikten und Machtkämpfen. Das Ergebnis wurde von der jeweils unterlegenen Seite meist angezweifelt. Papst Urban VI.$Urban VI., Pontifikat 1378–1389, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 13781389), der die Macht der französischen Kardinäle im Kardinalskollegium zu brechen versuchte, sah sich 1378 mit einem von eben den französischen Kardinälen erhobenen Gegenpapst konfrontiert. Damit war ein SchismaSchisma vollzogen. Der Gegenpapst residierte in Avignon, Urban VI. in Rom. Beide Päpste fanden Nachfolger im AmtAmt, sodass das Schisma aufrecht erhalten blieb, die Kirche zwei Päpste hatte und das westliche Christentum in zwei Lager geteilt wurde. Auf einem KonzilKonzil / Konziliarismus 1409 in Pisa versuchten die Konzilsteilnehmer das Problem zu lösen, indem sie die beiden zu der Zeit amtierenden Päpste für abgesetzt erklärten und einen neuen Papst wählten. Die anderen

Das KonzilKonzil / Konziliarismus von KonstanzKonzil / KonziliarismusKonzil von Konstanz1414 wurde das KonzilKonzil / Konziliarismus von KonstanzKonzil / KonziliarismusKonzil von Konstanz einberufen, das u.a. das bedeutende Dekret „Haec sancta“ verabschiedete, welches das Konzil zur gegenwärtigen Vertretung der Christenheit erklärte. Jeder, auch der Papst, schulde ihm Gehorsam. Der markante Satz dazu lautete:

Diese heilige SynodeSynodalitätSynode zu Konstanz […] erklärt erstens, daß sie, im Heiligen GeistHeiliger Geist rechtmäßig versammelt, ein allgemeines KonzilKonzil / Konziliarismus abhaltend und die irdische katholische Kirche repräsentierend ihre Vollmacht unmittelbar von Christus hat. Ihr ist ein jeder, welchen Standes und welcher Würde auch immer, sei es auch die päpstliche, in denjenigen Angelegenheiten zum Gehorsam verpflichtet, die sich auf den Glauben, auf die Ausrottung des besagten SchismasSchisma und die allgemeine Reform der Kirche Gottes an Haupt und Gliedern beziehen. (Dekret ,Haec sancta‘ 2001, 235)

Der sogenannte KonziliarismusKonzil / Konziliarismus war damit auf der Höhe seines Einflusses und ebnete den Weg für eine neue Papstwahl. 1417 wurde Martin V.$Martin V., Pontifikat 1417–1431, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 14171431) zum alleinigen Papst gewählt. Das Konzil beendete somit das Abendländische SchismaSchismaAbendländischesAbendländisches Schisma und ermöglichte dem PapsttumPapsttum die Rückkehr an die Macht.

Neue AufbrücheSignifikant für die Herausforderungen und Anfragen, mit denen sich die römische Kirche bald konfrontiert sehen sollte, war das Auftreten und Wirken von Jan Hus$Hus, Jan, 1370–1415, Theologe, Vorreformator in Böhmen [ Herrnhuter Brüdergemeine] und seine Forderungen nach weitreichenden Reformen in der Kirche. Noch war es möglich, Reformer wie Hus ebenso wie zuvor die Aufbrüche der KatharerKatharer oder → Waldenser zu unterdrücken. Hus wurde trotz der Zusicherung freien Geleits 1415 durch das KonzilKonzil / Konziliarismus verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Ein Jahrhundert später gelang das im Falle eines weiteren Reformers, des Wittenberger Theologen Martin Luther$Luther, Martin, 1483–1546, evangelischer Theologe, Reformator, Namensgeber der Lutheraner, nicht mehr [→ Evangelische Kirchen].

Spezifika in der Neuzeit

Das KonzilKonzil / Konziliarismus von TrientKonzil / KonziliarismusKonzil von Trient (Tridentinum)Auf die theologischen und ekklesiologischen Herausforderungen der Reformation reagierte die römische Kirche durch das KonzilKonzil / Konziliarismus von TrientKonzil / KonziliarismusKonzil von Trient, das in mehreren Tagungsphasen zwischen 1545 und 1563 stattfand und die katholische Identität in einer gegenwärtig noch prägenden Weise bestimmte. Die Bedeutung dieses Konzils für den heutigen

Die römische Kurie stand lange Zeit einem KonzilKonzil / Konziliarismus ablehnend gegenüber, da sie den Höhepunkt des Konziliarismus und dessen Implikationen für das PapsttumPapsttum noch deutlich vor Augen hatte. Allerdings war der Druck auf die gesamte Kirche durch die fortschreitende Reformation so hoch geworden, dass auch die Kirchenführung die Notwendigkeit eines Konzils und von Reformen einsah. Es war deutlich, dass sich die Kirche selbst reformieren musste, um sich in den Auseinandersetzungen mit den reformatorischen Ideen und Forderungen zu behaupten und der Ausbreitung des Protestantismus etwas entgegen setzen zu können. Auch das Papsttum musste sich neu finden und der ganzen Kirche eine zeitgemäße Form geben, denn durch die Reformation wurde der alten Reichskirche verdeutlicht, dass die katholische Kirche eine Kirche war, die im Wesentlichen durch das Papsttum repräsentiert wurde.

Ignatius von Loyola

Eine tragende Säule der katholischen Reformen wurde der spanische PriesterPriester Ignatius von Loyola (14911556)$Ignatius von Loyola, 1491–1556, römisch-katholischer Priester, Mitbegründer der Societas Jesu (Jesuiten), der 1540 den Jesuitenorden, die „Societas JesuSocietas Jesu“, gründete. Er verband das Bild des Frommen mit dem des Ritters und schuf damit einen Typ des Glaubenskämpfers, der in der Welt für den Papst und die katholische Sache stritt. Die Jesuiten wurden zur Mission ausgesandt und standen für eine unbedingte Erneuerung der Kirche ein. Sie etablierten das katholische Bildungswesen, dienten als Seelsorger und konnten große Erfolge bei der Rekatholisierung protestantischer Gebiete verzeichnen, z.B. in Polen. Ausgangspunkt der sogenannten Gegenreformation bildete das KonzilKonzil / Konziliarismus von TrientKonzil / KonziliarismusKonzil von Trient.

Theologische WeichenstellungenAuf dem KonzilKonzil / Konziliarismus wurden mehrere theologische Positionen der Scholastik zu DogmenDogma erhoben. Thomas von Aquin$Thomas von Aquin, 1225–1274, Theologe, Dominikanermönch wurde zum ersten Kirchenlehrer seit der Antike ernannt. Theologisch bearbeitete das Konzil die von der Reformation aufgeworfenen Fragen. Als Grundlage der Diskussionen wurde die VulgataVulgata zum authentischen Text der Bibel erklärt und der KanonKanon der Bibel endgültig festgelegt. Gegenüber der Reformation betonte das Konzil, dass nur die Kirche selbst die Bibel auslegen dürfe. So heißt es im Originaltext:

Außerdem beschließt es [das KonzilKonzil / Konziliarismus], um leichtfertige Geister zu zügeln, daß niemand wagen soll, auf eigene Klugheit gestützt in Fragen des Glaubens und der Sitten, soweit sie zum Gebäude christlicher Lehre gehören, die heilige Schrift nach den eigenen Ansichten zu verdrehen und diese selbe heilige Schrift gegen jenen Sinn, den die heilige Mutter Kirche festgehalten hat und festhält, deren Aufgabe es ist, über den wahren Sinn und die Auslegung der heiligen Schriften zu urteilen, oder auch gegen die einmütige Übereinstimmung der Väter auszulegen, auch wenn diese Auslegungen zu gar keiner Zeit für die Veröffentlichung bestimmt sein sollten. (DH 1507)

Damit immunisierte sich die Kirche gegen Auslegungen der Schrift, die gegen sie ins Feld geführt werden könnten.

Das KonzilKonzil / Konziliarismus erkannte im Hinblick auf die reformatorische RechtfertigungslehreRechtfertigung / Rechtfertigungslehre und ihrem Kerngedanken allein aus GnadeGnade an, dass die göttliche Gnade in Gestalt der Verkündigung des EvangeliumsEvangelium den rechtfertigenden Prozess in Gang setze. Allerdings habe der Mensch dieser zuzustimmen und wirke insofern an dem Heilsgeschehen mit. Allein aus Gnaden geschieht sie in katholischer Sicht nicht.

Auch der Glaube allein ist für die Heilsgewinnung nicht ausreichend. Nur innerhalb der Kirche und mit ihrer Hilfe kann Heil gewonnen werden. Kirche und SakramenteSakrament sind heilsnotwendige Institutionen. Die Siebenzahl der Sakramente und ihre Wirkung aufgrund des äußeren Vollzuges wurden festgeschrieben (ex opere operato).

Katholische IdentitätDas KonzilKonzil / Konziliarismus schuf eine einheitliche LiturgieLiturgie: das Missale RomanumMissale Romanum, den sogenannten Tridentinischen Ritus von 1570, eine gemeinsame Lehrgrundlage durch einen römischen Katechismus. Die Ämterhäufung im Bischofsamt wurde verboten. Die Gründung von Priesterseminaren zur besseren Ausbildung der Geistlichen wurde angeregt, das Ablasswesen reformiert und gegen die reformatorische Kritik die Heiligenverehrung verteidigt.

Aufgrund einer Vielzahl weiterer Dekrete schuf das KonzilKonzil / Konziliarismus die theologische Basis der Gegenreformation und gab der Kirche das nötige Selbstbewusstsein, um sich den neuen, reformatorischen Lehren nicht nur militärisch und politisch entgegenzustellen, sondern auch theologisch. Das Konzil von TrientKonzil / KonziliarismusKonzil von Trient bildete die Basis für die weltweite Mission der Kirche und definierte für lange Zeit die „katholische“ Identität.

Neben den Fragen nationaler Verankerungen des Katholizismus in Europa entwickelte sich im Zuge der Mission eine Fülle von Inkulturationen des Katholizismus auf der ganzen Welt. Die im 18. und 19. Jahrhundert entstandenen Vorstellungen des Katholischen prägten die Länder der südlichen Hemisphäre. Da diese die größten Wachstumsraten innerhalb der Weltkirche aufweisen, bestimmen sie auch gegenwärtig das Bild der gesamten katholischen Kirche.

Die Bedeutung des PapsttumsPapsttum als dem wichtigsten Bezugspunkt des Katholizismus nahm zu. Das kam nicht zuletzt in den DogmenDogma zum Ausdruck, die das I. Vatikanische KonzilKonzil / Konziliarismus 1869/70 verabschiedete. Das Papsttum wurde mit einer umfassenden geistlichen Machtfülle ausgestattet. Dadurch konnte es die Einbuße seiner weltlichen Macht angesichts der Bedrohung des Kirchenstaates durch die Einigung Italiens, der Gründung des italienischen Königshauses und der Eroberung Roms 1870 durch Giuseppe Garibaldi$Garibaldi, Giuseppe, 1807–1882, italienischer Guerillakämpfer, Nationalheld (18071882) kompensieren. Papst Pius IX.$Pius IX., Pontifikat 1846–1878, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 18461878) fühlte sich seit Verlust des Kirchenstaates 1870 als „Gefangener im Vatikan“.

Gleichzeitig brachte das 19. Jahrhundert eine Stärkung des PapsttumsPapsttum mit sich, da es in der Bedrängnis durch die politischen, sozialen und geistigen Umwälzungen zur Orientierung für viele Katholiken wurde. Es entstand der UltramontanismusUltramontanismus (lat.: ultra mons = ‚der Blick über die Alpen auf Rom‘).

Für das PapsttumPapsttum wurde der Kampf gegen den ModernismusModernismus, eine HäresieHäresie in den Augen der Kirche, zum Stellvertreterkrieg gegen eine Welt, die zunehmend ohne Kirche und Christentum auskam.

Bereits 1864 hatte Pius IX$Pius IX., Pontifikat 1846–1878, römisch-katholischer Papst., dem die politischen Freiheitsbestrebungen seiner Zeit fremd waren, in der Enzyklika „Quanta Cura“ Forderungen der modernen Gesellschaft, wie Religionsfreiheit oder die grundsätzliche Trennung von Kirche und Staat, verurteilt. Im „Syllabus errorum“ (1864) verurteilte der Papst weitere „Irrtümer“ der Moderne, wie Pantheismus und Rationalismus, Sozialismus, Freimaurerei, Protestantismus und Pressefreiheit oder die Aufwertung der

Mit dem Antimodernismus hatte Pius IX.$Pius IX., Pontifikat 1846–1878, römisch-katholischer Papst die Weichen für den Weg des Katholizismus in die Moderne gestellt, der erst im II. Vatikanischen KonzilKonzil / KonziliarismusII. Vatikanisches Konzil eine Neujustierung erfuhr.

Das I. Vatikanische KonzilKonzil / KonziliarismusDas 1869/70 einberufene I. Vatikanische KonzilKonzil / Konziliarismus sollte ebenfalls dem Abwehrkampf gegen die Moderne dienen. Begrüßt wurde es v.a. von den konservativenKonservativ Strömungen, die eine Bestätigung des Syllabus und eine Verstärkung des UltramontanismusUltramontanismus anstrebten. Die Mehrheit der rund 700 Teilnehmer des Konzils war für die Verabschiedung der Unfehlbarkeitslehre, die Ergebnis des Konzils wurde, und meinte, wenn der Papst „als Lehrer aller Christen“ ex cathedra eine Glaubensüberzeugung zum DogmaDogma erklärt, gilt diese als verbindlich und irrtumsfrei. Es können jedoch nur solche Glaubensüberzeugungen zum Dogma erklärt werden, die nicht im Widerspruch zur BibelBibel und zur apostolischen TraditionTradition stehen, wie sie in der katholischen Kirche geglaubt werden.

Antimodernismus1910 stärkte Papst Pius X.$Pius X., Pontifikat 1903–1914, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 19031914) die antimoderne Haltung der Kirche, indem er alle Geistliche auf den AntimodernisteneidAntimodernisteneid verpflichtete. Pius X. legte so Grundlinien katholischer Glaubenslehre fest: Jeder, der diesen Eid leistete, bekannte sich zur Wahrheit, wie sie die Kirche, konkret das päpstliche LehramtLehramt, festhält und überliefert. Die Irrtümer der Moderne standen für Pius X.$Pius X., Pontifikat 1903–1914, römisch-katholischer Papst ursächlich im Zusammenhang mit dem Aufkommen des Protestantismus. In der Enzyklika „Pascendi dominici gregis“ von 1907 hielt er fest: „Der Protestantismus war der erste Schritt; dann folgt der ModernismusModernismus; das Ende ist der Atheismus.“ (Neuner, 2009, 39)

Durch die Einführung dieses Eides wurden diejenigen katholischen Kräfte unterdrückt, die sich um einen Ausgleich mit der modernen Welt bemühten, was den Katholizismus in eine Erstarrung führte.

Im Zuge der Frontstellung gegen die Moderne unternahm die Kurie Anstrengungen zur innerkirchlichen Konsolidierung und widmete sich unter Papst Benedikt XV$Benedikt XV., Pontifikat 1914–1922, römisch-katholischer Papst. (Pontifikat: 19141922) der Vollendung und Inkraftsetzung des allgemeinen Kirchenrechts durch den Codex Iuris CanoniciCodex Iuris Canonici.

Die Lösung der römischen FrageUnter dem Pontifikat von Pius XI.$Pius XI., Pontifikat 1922 bis 1939, römisch-katholischer Papst 1922 bis 1939 konzentrierte sich die Kirche ganz auf ihre religiöse und moralische Kraft und verzichtete auf weltlichen Einfluss.

1929 erhielt sie durch die Lateranverträge mit dem faschistischen Italien unter Benito Mussolini$Mussolini, Benito, 1883–1945, italienischer faschistischer Diktator (18831945) den Kirchenstaat als 44 Hektar großes Gebiet im

Nicht unproblematisch war die Haltung des Vatikans während des Zweiten Weltkrieges. Die Frage, ob sich Papst Pius XII.$Pius XII., Pontifikat 1939–1958, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 19391958) genug für den Schutz verfolgter Juden eingesetzt habe, wird bis heute kontrovers diskutiert.

Das II. Vatikanische KonzilKonzil / KonziliarismusDie Ankündigung des II. Vatikanischen KonzilsKonzil / KonziliarismusII. Vatikanisches Konzil war eine Überraschung. Papst Johannes XXIII.$Johannes XXIII., Pontifikat 1958–1963, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 19581963) entschied sich dafür, ein KonzilKonzil / Konziliarismus einzuberufen, um den Dialog, den er anstrebte, sichtbar zu machen. Sein wichtigstes Ziel war die ‚Heutigwerdung‘ (ital.: Aggiornamento) der Kirche. Der Papst wollte die Fenster zur Welt öffnen und die Kirche in die Moderne führen. Darüber hinaus lag ihm die Förderung der Einheit aller Christen am Herzen.

Im Oktober 1962 wurde das KonzilKonzil / Konziliarismus eröffnet. Seine Beschlüsse bilden bis in die Gegenwart die wesentlichen Grundlagen der katholischen Glaubenslehre. Das Konzil legte die katholische EkklesiologieEkklesiologie dar und erstrebte die innere Erneuerung der Kirche, indem es z.B. die LiturgieLiturgie reformierte und den Laien mehr Raum einräumte. Es nahm das Gespräch mit der Moderne auf und wandte sich den getrennten Kirchen zu. Vor allem die vier Konstitutionen zur OffenbarungOffenbarung, zur Kirche, zur Liturgie, zur Kirche im Verhältnis zur Welt sind grundlegend. Auch die Dekrete zur Religionsfreiheit und zur ÖkumeneÖkumene spielten für das Außenverhältnis der Kirche eine wichtige Rolle.

Ein bedeutendes Ergebnis des KonzilsKonzil / Konziliarismus war die Rücknahme des Bannes von 1054, der das SchismaSchisma von Ost- und Westkirche symbolisierte. 1967 wurde der AntimodernisteneidAntimodernisteneid abgeschafft.

Mit dem II. Vatikanischen KonzilKonzil / KonziliarismusII. Vatikanisches Konzil legte die Römisch-katholische Kirche ihre Abwehrhaltung gegenüber anderen ReligionenReligion und Konfessionen ab, beendete die sogenannte nachtridentinische Epoche und legte die Basis dafür, wie sie sich heute darstellt.

3.1.3 Die wichtigsten Lebensvollzüge

Die meisten Menschen, die sich zur „katholischen“ Kirche zählen, gehören dem römischen (oder lateinischen) Ritus an, deshalb bezeichnet man den weitaus größten Teil dieser Kirche als „römisch-katholisch“. Sie haben ein

Der Papst übt sein AmtAmt frei aus, weil seine Entscheidungen keiner Zustimmung von dritter Seite bedürfen (CIC can. 333, § 3). Allerdings unterliegt er auch dem Kollegialitätsprinzip, d.h., dass er sein Amt in Gemeinschaft mit den anderen Bischöfen führen soll. Hier zeigt sich das katholische Prinzip des „sowohl als auch“. Soweit es möglich ist, versucht die katholische Kirche verschiedene Ansätze zu integrieren und nicht auszuschließen.

Ein Ökumenisches KonzilKonzil / KonziliarismusÖkumenisches Konzil der katholischen Kirche ist nach dem Papst die höchste Instanz der Kirche, kann aber nur zusammen mit dem Papst Entschlüsse fassen. Auch Bischofssynoden haben nur beratende Funktion.

Die WeltkircheDie Weltkirche wird von verschiedenen Behörden geleitet, die den Papst unterstützen. Ihre Gesamtheit wird als Römische Kurie bezeichnet. Sie nimmt die ihr vom Papst übertragenen Aufgaben und Rechte wahr (CIC can. 360). Die wichtigste Behörde ist das Staatssekretariat mit dem Kardinalstaatssekretär als Leiter.

Während die Mehrzahl der Gläubigen mit dem Vatikan und der Kurie wenig zu tun haben, vollziehen sich die einzelnen Lebensvollzüge vor Ort. Deshalb ist der BischofBischof, der der Diözese vorsteht, in der er lebt, die zentrale Gestalt einer Ortskirche. In der Ortskirche und aus den Ortskirchen besteht die Weltkirche (CIC can. 368).

Der BischofBischofDer BischofBischof hat das AmtAmt des Lehrens und Leitens. Als Stellvertreter kann ihm ein AuxiliarbischofBischofAuxiliarbischof (Weihbischof) (,Hilfsbischof‘, auch ,Weihbischof‘) zur Seite stehen, in größeren Bistümern auch mehrere. Alle Bischöfe werden vom Papst ernannt bzw. deren Wahl von ihm bestätigt und leisten ihm gegenüber einen Treueid (CIC can. 380). Die Bischöfe eines Staates oder einer vergleichbaren Organisation bilden eine Bischofskonferenz, um „gewisse pastorale Aufgaben für die Gläubigen ihres Gebietes nach Maßgabe des Rechts gemeinsam auszuüben.“ (CIC can. 447)

Die PfarreiDer Diözese als nächste organisatorische Einheit nachgeordnet ist die Pfarrei bzw. Pfarrgemeinde oder Kirchengemeinde. Dem Pfarrer ist die Seelsorge der Gemeinde anvertraut. Er steht der Messe vor, weil nur ein geweihter PriesterPriester die EucharistieEucharistie feiern kann. DiakoneDiakon wiederum helfen dem Pfarrer, die Gemeinde zu betreuen. Ihnen ist erlaubt, zu taufen, Wortgottesdienste zu halten, z.B. Trauungen oder Bestattungen, oder bei der Eucharistie zu helfen.

Während DiakoneDiakon geweiht werden, ist dies bei Pastoral- oder Gemeindereferenten nicht der Fall. Diese Funktion steht deshalb auch Frauen offen. Ihre einzelnen Aufgaben sind in verschiedenen Diözesen unterschiedlich gefasst, allerdings können sie aufgrund der fehlenden WeiheWeihe keine SakramenteSakrament spenden.

In den meisten Diözesen ist das Mitspracherecht der PriesterPriester und Laien durch verschiedene Gremien geregelt, z.B. Priesterrat, Seelsorgerat u.ä. Vor allem im wirtschaftlichen Leitungsbereich einer Gemeinde gibt es verschiedene ÄmterAmt, z.B. in einem Verwaltungsrat oder Kirchenvorstand, die Laien ausfüllen.

OrdenOrdenWichtige Impulse, die die katholische Kirche in ihrer geschichtlichen Entwicklung stark geformt haben, kommen aus dem Bereich der OrdenOrden. Sie sind ein wesentlicher Teil des römisch-katholischen Lebens und tragen durch ihre verschiedenen Ausrichtungen zur Vielfalt der Kirche bei.

Ein OrdenOrden ist durch das Leben in einer Gemeinschaft bestimmt, die sich durch Gelübde für Gott zum Dienst für die Kirche und für die Menschen verpflichtet hat. Ein Mensch, der sich einem Orden anschließt, lebt nach den evangelischen RätenEvangelische Räte (Armut, Keuschheit, Gehorsam). Sie prägen das gesamte Leben eines Ordens. Auch hier geht es gemäß dem katholischen „sowohl als auch“ um die Freiwilligkeit, dieses Leben zu wählen und um die Verbindlichkeit, dies dann auch konsequent umzusetzen.

Ihre Ursprünge haben die OrdenOrden in asketischen BewegungenBewegung(en) der Alten Kirche. Ihnen ging es zunächst um eine radikale Nachfolge Christi. Geprägt von wirkmächtigen Personen wie Benedikt von Nursia$Benedikt von Nursia, 480–547, römisch-katholischer Ordensgründer, der Klöster gründete und eine Ordensregel verfasste, entwickelten sich zwei verschiedene Arten von Orden. Aktive Orden sind in vielen gesellschaftlichen Bereichen karitativ oder missionarisch tätig. Kontemplative Orden hingegen leben in Abgeschiedenheit von der Welt und widmen sich der Gottesschau. Deshalb haben die

Neben den klassischen OrdenOrden finden sich gegenwärtig weitere geistliche BewegungenBewegung(en), die ganz verschiedene Formen des Zusammenlebens etablieren und sich verschiedenen Aufgaben widmen.

Das gottesdienstliche LebenDer GottesdienstGottesdienst ist das Herz der katholischen Kirche. Sie versteht sich als feiernde Kirche. Die LiturgieLiturgie ist nach der Konstitution über die Heilige Liturgie „Sacrosanctum Concilium“ (SC) „der Gipfel, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt.“ (SC 10) Sie ist „in vorzüglichem Sinn heilige Handlung, deren Wirksamkeit kein anderes Tun der Kirche an Rang und Maß erreicht.“ (SC 7) Sie ist der „Heiligungsdienst“ der Kirche, in ihr „vollzieht“ sich geradezu „das Werk unserer Erlösung.“ (SC 2)

Die Verkündigung des EvangeliumsEvangelium (martyria) ist deshalb die Grundlage allen kirchlichen Lebens. Aus ihr speist sich der diakonische Dienst (diakonia), das tätige Leben in der Welt.

Der Heiligungsdienst der LiturgieLiturgie ist dabei Vollzug des Priesteramtes Jesu ChristiJesus Christus. Christus selbst ist der eigentliche Liturg. Der PriesterPriester vollzieht an seiner Statt (,in persona‘) das Heilswerk, in ihm und damit in der Kirche begegnet Christus selbst. Deshalb „ist jede liturgische Feier Werk Christi, des Priesters, und seines Leibes, der die Kirche ist.“ (SC 7)

Im GottesdienstGottesdienst sind daher zwei Blickrichtungen zu unterscheiden. Gott handelt an den Gläubigen durch die Präsenz Christi im zelebrierenden PriesterPriester. Er heiligt die Gläubigen dadurch und stärkt sie für ihr Leben in der Welt. Auf der anderen Seite steht die Blickrichtung von unten nach oben. Die Gläubigen antworten in der LiturgieLiturgie auf die Heiligung Gottes und versichern ihre Hingabe als Dank auf das Handeln Gottes. Das ganze gottesdienstliche Leben kann daher als Eucharistia bezeichnet werden: als ‚Danksagung‘.

Die EucharistieEucharistieIn der Eucharistiefeier hat der Gläubige Anteil an dieser BewegungBewegung(en) des GottesdienstesGottesdienst. Es geht also nicht um ein Opfer, das immer wieder dargebracht werden muss, sondern um die Teilhabe am einmalig, aber immer gültig dargebrachten Opfer Christi.

LiturgieLiturgie ist für die katholische Kirche also theozentrisch gefasst und hat die Verherrlichung Gottes zum Ziel.

Als Werk Christi und des hierarchisch gegliederten Volkes Gottes ist die Feier der heiligen Messe für die Universalkirche und die Ortskirche wie auch für jeden einzelnen Gläubigen die Mitte des ganzen christlichen Lebens. […] Alle anderen heiligen Handlungen und alle Werke des christlichen Lebens stehen mit der Messe in Zusammenhang: Sie gehen aus ihr hervor und sind auf sie hingeordnet. (MR 16)

Wer nicht am sonntäglichen GottesdienstGottesdienst teilnimmt, begeht – laut dem Katechismus der Römisch-katholischen Kirche (KKK) „eine schwere Sünde“ (KKK 2181), da er die Kirchengemeinschaft schwächt.

SakramenteSakramentIn der Kirche „lebt und handelt Christus fortan in und mit seiner Kirche auf eine neue, für diese Zeit eigene Weise. Er handelt durch die SakramenteSakrament.“ (KKK 1076) Die Sakramente stellen den Höhepunkt des gottesdienstlichen Lebens dar. Christus und die Kirche verbinden sich hier ganz eng.

Weil Christus in den SakramentenSakrament handelt, sind sie aus sich selbst heraus wirksam: sie wirken ex opere operato. Selbst wenn der menschliche Spender unwürdig ist, kann Christus wirken, weil das Sakrament nur als Medium aufgefasst wird, durch das Christus selbst wirkt. Lediglich der Empfänger kann die Wirkung des Sakraments verhindern, wenn er sich dem Empfang der GnadeGnade verschließt (KKK 1128).

Die SakramenteSakrament sind von Christus eingesetzt. Seiner Kirche hat er die Vollmacht übertragen, sie zu feiern. Wie sie genau gefeiert werden, muss die Kirche festlegen. Ein Sakrament, das ohne die Kirche gefeiert wird, kann es deshalb nicht geben. Deshalb ist z.B. die Feier der EucharistieEucharistie an die Zugehörigkeit zur Kirche gebunden. Gemeinschaft im Sakrament setzt die Einheit der KircheKircheEinheit der Kirchengemeinschaft voraus.

Die katholische Kirche kennt sieben Heilszeichen. TaufeTaufe, Firmung und EucharistieEucharistie bilden gemeinsam die „SakramenteSakrament der christlichen Initiation“ (KKK 1212). Hier werden die Grundlagen des christlichen Lebens vermittelt und gespendet. Buße und Krankensalbung sind „Sakramente der Heilung“ (KKK 1421). PriesterweiheWeihePriesterweihe (Presbyterat) und Ehe sind „Sakramente des Dienstes für die Gemeinschaft“ (KKK 1534). Taufe und Eucharistie stehen dabei als sacramenta maiora den übrigen sacramenta minora gegenüber. Taufe, Firmung und Priesterweihe sind nicht wiederholbar, sie verleihen den character indelebilis (‚unauslöschliches Prägemal‘).

Die katholische Kirche kennt einen geordneten Heiligsprechungsprozess und eine Kongregation für die Heiligsprechung. Letztlich bestimmt der Papst über die Heiligsprechung. Wenn eine Heiligsprechung erfolgt, ist diese unwiderruflich, weil die Kirche „kraft stellvertretender göttlicher Gewalt“ handelt. In den Heiligen erkennt die Kirche, dass Menschen schon zu Lebzeiten die göttliche GnadeGnade verwirklichen können.

Die Kirche unterscheidet zwischen Seligen, die in ihrer Ortskirche verehrt werden dürfen, und Heiligen, die für die gesamte Kirche anrufbar sind. Um selig bzw. heilig gesprochen zu werden, muss ein Verstorbener zunächst aufgrund seines Lebens von Gläubigen verehrt werden. Um aber kirchenrechtlich anerkannt werden zu können, muss er ein bzw. zwei vom Vatikan anerkannte Wunder bewirkt haben. Ausnahmen sind Märtyrer, also Menschen, die für ihren Glauben gestorben sind. Diese müssen als Glaubenszeugen kein Wunder nachgewiesen bekommen.

Die besondere Verehrung von Maria, der Mutter Jesu, speist sich volkstümlich aus dem Wesen der Mutterschaft und theologisch aus der Überzeugung, dass Maria als Sinnbild für die Kirche an sich steht. Das DogmaDogma der Unbefleckten Empfängnis Mariens (1854) besagt, dass Maria als einziger Mensch neben Christus ohne Sünde war. Sie ist deshalb – so das Dogma der Leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel (1950) – als einziger Mensch bereits vollkommen erlöst. Deshalb kommt ihr besondere Verehrung als Fürsprecherin zu.

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