4. Kapitel
Elias
Kurz vor meinem Dienstschluss sehe ich noch bei unserem aktuellen Sorgenkind vorbei. Ein aufstrebendes Talent des ÖSV-Snowboard-Kaders. Er hat sich beim Training einen Kreuzbandriss zugezogen und muss nun wieder fit gemacht werden. Leider ist sein Ehrgeiz bei seiner Therapie nicht ganz so groß, wie dabei, jeder einzelnen Krankenschwester den Kopf zu verdrehen.
Was das angeht, hat er heute allerdings schlechte Karten, denn es ist Jonah, der ihm, während unser Patient in seinem Rollstuhl am Fenster sitzt, sein Abendessen serviert. Das ist mitunter einer der Gründe, warum ich hier bin, doch meine geheime Mission muss warten, erst mal wende ich mich an unser Snowboard-Ass, das mich mit leidender Miene begrüßt. »Elias. Sagen Sie Ihren Schlächtern gefälligst, sie sollen weniger brutal mit mir umgehen.«
Ich lächle neutral und werfe einen Blick auf seinen Therapieplan. »Tony ist gut. Machen Sie einfach, was er sagt, dann sind Sie im Handumdrehen wieder fit.«
»Fit wofür? Bis ich den Trainingsrückstand aufgeholt habe, ist die Konkurrenz schon über alle Berge.« Seine negative Einstellung gefällt mir nicht, doch inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Gerade bei Spitzensportlern ist so eine Verletzung natürlich eine persönliche Tragödie, aber meiner
bescheidenen Meinung nach wird es nicht besser, wenn man sich Tag und Nacht darüber beklagt.
»Ich sitze hier, während draußen das Leben weitergeht«, fährt unser Patient auch schon fort, in einem Tonfall, als wäre er gerade mit dem Urteil ›Lebenslänglich‹ eingebuchtet worden. »Ich kann kaum schlafen wegen der Schmerzen, aber die Schwestern …«, dabei wirft er einen abwertenden Blick auf Jonah, »… weigern sich, mir etwas zu geben.«
Das versteckte Augenrollen von Jonah zeigt mir, dass dies wohl schon die ganze Zeit so geht, was mir ein Schmunzeln entlockt. »Ich werde gleich noch mit Dr. Müller sprechen, inwieweit wir Ihre Dosis erhöhen können«, beeile ich mich um ein Entgegenkommen. So ein Benehmen wie das unseres kleinen Stars hier ist eher die Ausnahme. In der Regel sind die Athleten zielstrebige und sehr dankbare Patienten. »Morgen werde ich auch bei Ihrer Therapiestunde dabei sein. Ich zeige Ihnen ein paar Entspannungsübungen, die helfen zusätzlich beim Einschlafen.«
»Yoga als Schmerztherapie, oder wie?«
»So in der Art«, weiche ich aus, weil er mich mittlerweile wirklich ein wenig nervt, was auch darauf zurückzuführen ist, dass mein Tag einfach schon zu lange dauert. »Ich wünsche auf jeden Fall einen schönen Nachmittag, und wie gesagt, wegen der Schmerzmittel werde ich ein gutes Wort bei Dr. Müller einlegen.«
Er ringt sich ein »Danke« ab, bevor er sich wieder dem trübsinnigen Starren aus dem Fenster widmet.
Erneut drehen Jonahs Augen eine Runde, dann schenkt er mir ein Lächeln, grüßt ebenfalls und verlässt noch vor mir den Raum.
Moment mal
! Jetzt muss ich mich beeilen, sonst kann ich die eigentliche Mission, die mich hierhergeführt hat, getrost als
gescheitert ansehen. »Also, bis morgen«, schließe ich meinen Besuch daher eilig ab und eile Jonah hinterher.
Zum Glück ist er noch nicht weit gekommen. Er steht am Medikamentenwagen und ist auf seine Liste konzentriert. »Anstrengender Typ, oder?«, stelle ich fragend fest, nachdem ich neben ihn getreten bin.
»Ach, ich hör da gar nicht so hin.«
»Ich klär das mit seiner Medikation gleich noch mit Jan.«
»Danke.« Er lächelt. Die Müdigkeit, die vorhin bei seinem etwas verspäteten Dienstantritt seine Züge dominierte, hat sich in Luft aufgelöst. Das macht mir nur wieder mal deutlich, wie gutaussehend er ist. Was seine sexuelle Orientierung angeht, tappte ich anfangs völlig im Dunkeln, wobei mein Schwulenradar auch mehr schlecht als recht funktioniert. Erst seine vorsichtigen Flirtversuche führten mich auf die richtige Spur, und so brauchte es nur noch ein paar, im Aufenthaltsraum des Pflegepersonals verbrachte Pausen, um die offizielle Bestätigung zu erhalten. Im Grunde geht Jonah nämlich vollkommen offen mit seinem Schwulsein um, etwas, mit dem ich selbst ja immer noch ein wenig hadere. Nicht, dass ich es geheim halte, aber wissen muss es auch nicht jeder.
Jonahs gutes Aussehen ist jedoch genauso unerheblich wie seine sexuelle Orientierung. Denn ganz abgesehen davon, wie jung er ist, verrät mir sein Äußeres, dass er wohl zu der Fraktion Schwuler gehört, die ihr Heil im Spaß und der Abwechslung finden. Es sind nicht nur die Piercings, er ist außerdem immer perfekt gestylt, selbst wenn er, wie heute Morgen, offensichtlich unausgeschlafen ist. Solche Typen kenne ich leider zur Genüge. Das sind Männer, die die Pflichten des Alltags prinzipiell hinten anstellen und eher darauf bedacht sind, nur ja keine Party zu versäumen.
Dieser Gedanke bringt mich wieder zurück zu dem Grund, der mich hierhergeführt hat. Die Aufgabe von Helga, der
Oberschwester. Sie ist eine der wenigen in der Klinik, der gegenüber ich zugegeben habe, schwul zu sein, was wohl auch der Grund ist, warum sie mich damit betraut hat. Irgendwie hat sich die allgemeine Meinung, alle Schwule kennen
einander, wohl auch in ihrem Kopf festgesetzt. »Könntest du mir kurz bei etwas helfen?«, frage ich den jungen Pfleger also betont harmlos.
»Klar. Wobei?« Er sieht auf, und wieder einmal fasziniert mich die fesselnde Farbe seiner Augen. Es ist ein helles Blau, das ich irgendwie mit einer eisigen Bergquelle verbinde. Trotzdem wirkt sein Blick alles andere als kalt. Er zieht mich an, was man von seinen durchstochenen Ohren nicht sagen kann.
»Elias?«
Erst als ich meinen Namen in dieser fragenden Form höre, wird mir klar, dass ich doch prompt vergessen habe, weiterzusprechen. Was sieht er mich auch so intensiv an? Und warum steht sein blöder Augenbrauenring so ab? Mir zuckt es in den Fingern, ihn zu richten, was ich aber natürlich unterlasse. Stattdessen konzentriere ich mich wieder auf seine Augen beziehungsweise deren eigentümliche Farbe, die Kälte ausstrahlen würde, spiegelten sich nicht Traurigkeit und Schalk darin. Immer abwechselnd, so als würde Jonah selbst sich nicht entscheiden können, was in ihm überwiegt. »Ähm. Die Kaffeemaschine streikt mal wieder. Im Schwesternstützpunkt.« Ich deute mit dem Daumen über meine Schulter zurück, als wüsste er nicht, wo der liegt.
»Warum holst du dir nicht einen aus der Ärztelounge?«, erkundigt er sich. Ein guter Einwand, den ich nicht auf dem Schirm hatte, was mir ein nervöses Räuspern entlockt. »Ich hab Helga versprochen, dass ich mich darum kümmere«, behaupte ich.
»Was stimmt denn nicht mit der Maschine?« Er hat bereits die nächste Medikamentenbox in der Hand, was deutlich macht,
dass er eigentlich nicht vorhat, seine Nachmittagsrunde durch die Krankenzimmer zu unterbrechen.
»Da kommt kein Kaffee raus.« Eine blödere Ausrede fällt mir nicht ein.
»Okay.« Jetzt wächst sein Lächeln auf ein Grinsen an. »Ich geh dann später rüber und schau es mir an.«
»Aber …« Ich breche ab, suche nach einem neuen Argument. »Ich muss doch gleich los und ich hab versprochen, dass ich es noch vorher erledige.«
Nun zucken seine Mundwinkel wie wild. »Weil zu meiner Überraschungsparty auch Kaffee serviert werden soll?«, fragt er verschmitzt.
Nun bin ich es, der die Augen verdreht. »Du weißt es. Na großartig.«
»Ja. Aber ich find es einfach süß, wie du dich windest. Du bist übrigens echt mies im Lügen, Boss.«
»Du sollst mich nicht Boss …«, meckere ich prompt los, doch er unterbricht mich, indem er seine Mappe geräuschvoll zuschlägt.
»Okay. Dann gehen wir mal, und ich verspreche dir auch, dass ich ganz furchtbar überrascht tun werde.«
»Süß?« Jonahs Bezeichnung für mich wird mir erst bewusst, nachdem der Happy Birthday-Gesang der Kollegen verklungen ist.
Gehts noch? Ich bin vielleicht schwul, aber sicher nicht süß. Ärger steigt in mir auf, der jedoch – wie mir rasch klar wird – eher mir selbst gilt. Männer müssen männlich sein, dürfen keine Gefühle zeigen. Tun sie es doch, und ihre heterosexuelle Natur wurde nicht eindeutig bestätigt, kann man schnell den Stempel einer Tunte aufgedrückt bekommen. Das war kurz
gefasst lange Zeit meine Einstellung, die mich stets daran gehindert hat, meine Homosexualität außerhalb meiner vier Wände auszuleben.
Das hat sich geändert, vor einigen Monaten, denn da habe ich beschlossen, dieses Klischeedenken abzulegen. Besser gesagt, ich wurde geläutert, wenn auch auf eine absolut außergewöhnliche Weise und von einem Menschen, den ich anfangs so gar nicht in meinem Leben haben wollte und der nun nicht mehr daraus wegzudenken ist. Nick! Der Lebenspartner von Oliver, eines ehemaligen Schulkollegen von mir. Die beiden sind vor mittlerweile eineinhalb Jahren in Olivers und mein Heimatdorf gezogen. Genauer gesagt in das Berghotel seiner Tante, die nun endlich ihren wohlverdienten Ruhestand genießen darf.
Nick ist ein Unikat! Von seinen Lieben hat er den Beinamen Kuschelchaot bekommen, und der ist in seinem Leben auf jeden Fall Programm. Auch jetzt gerade sehe ich ihn regelrecht vor mir, wie er mir einen vorwurfsvollen Blick – natürlich inklusive Schmolllippe – schickt und den Kopf schüttelt.
»Hier!« Jonah steht plötzlich neben mir, in der Hand einen Teller mit einem Stück Torte, den er mir entgegenhält. »Und sorry, wenn ich vorhin zu weit gegangen bin.«
»Wann?«, frage ich, weil ich es wirklich nicht genau weiß, aber befürchte, er spielt auf das ›süß‹
an, was mich ja tatsächlich nachhaltig beschäftigt.
»Na, wegen der Überraschung, weil ich schon Bescheid wusste.«
»Ach so.« Zum Glück ist mir meine Erleichterung nicht anzuhören. »Woher wusstest du es denn?«
Er kommt ein wenig näher, senkt die Stimme. »Ich hab Helga vorhin mit der Torte gesehen, und nachdem ich der einzige Jonah bin, auch wenn man mich eigentlich mit h schreibt …«, er zwinkert, »… war es nicht schwer zu kombinieren.«
Ich luge hinüber auf das Backwerk, das mit dem verschnörkelten Schriftzug ›Alles Gute, lieber Jona‹
verziert ist. »Der Gedanke zählt«, flüstere ich zurück.
»Das stimmt. Und ich find’s auch wirklich mega. Wenigstens hat irgendjemand dran gedacht.« Nach diesen Worten schließt er kurz die Augen, zieht eine Grimasse, die meine Gedanken mit dem Wörtchen ›Fuck‹ unterlegen, und schüttelt leicht den Kopf. Wieder einmal hat die Traurigkeit seine entspannte Positivität abgelöst, jedoch nur ein oder zwei Sekunden.
»Ich sollte jetzt wohl fragen, wer nicht dran gedacht hat, aber irgendwie wirkst du, als wäre dir das eher herausgerutscht.« Ich versuche mich an einem Lächeln, während er die Augen verdreht.
»Ich spreche da nicht so gern drüber. Aber um es kurz und knapp zu sagen. Niemand hat an meinen Geburtstag gedacht. Außer euch. Aber das ist schon in Ordnung.«
Interessanterweise sieht er wirklich nicht enttäuscht oder verärgert aus, was ich ziemlich interessant finde. »Dann bin ich sehr froh, dass Helga es auf dem Schirm hatte«, sage ich leise, was ich überraschenderweise auch genauso meine. Was ist denn mit mir los? Ansonsten setze ich ja eher auf professionelle Distanz.
»Danke. Und noch mal sorry. Für heute Morgen und vorhin und überhaupt.« Er seufzt. »Aber ich arbeite gerne hier. Wirklich.«
Ich glaube ihm, was mich ein wenig überrascht. Plötzlich halte ich es für keine gute Idee mehr, mich hier aufzuhalten. Ich hab ihm gratuliert, also sollte ich einfach mein Stück Kuchen nehmen und gehen. Wir haben privat nichts miteinander zu tun, und genau so soll es auch bleiben. Dennoch ringe ich mir zumindest ein »Und du machst deine Sache auch sehr gut« ab. Das ist ja keine Lüge. Bis auf seine kleinen Aussetzer macht er einen erstklassigen Job. Die Patienten lieben ihn. Und die
Kollegen ebenfalls
, erzählt mir Nick in meinem Kopf, wo er plötzlich erneut aufgetaucht ist.
»Jonah?«, dringt es zu uns herüber, worauf wir den Blick auf die kleine Ansammlung von Krankenschwestern und Pflegern werfen, die schnatternd ihre Tortenstücke verspeisen. Eine winkende Hand verrät, woher der Ruf gekommen ist. Er stammt von Romana, einer sehr jungen Schwester, die schon lange einen Narren an unserem Geburtstagskind gefressen hat.
Jonah sieht mich wieder an, schenkt mir ein wunderschön offenes Lächeln. »Ich geh dann mal kurz rüber.«
»Klar!« Meine prompte Erwiderung soll ihm zeigen, wie wenig es mich tangiert, wo und mit wem er herumhängt. Natürlich, ich bin hier im Raum der – wenn man es so sagen möchte – Ranghöchste, und der Spaß geht meistens erst los, sobald der Chef gegangen ist. Trotzdem ärgere ich mich ein wenig darüber – dass ich eben selbst dachte, es wäre besser zu gehen, verdränge ich, ebenso wie das Gefühl der Enttäuschung, das mich erfüllt. »Ich sollte ohnehin gehen. Ich nehme meinen Kuchen einfach mit«, sage ich betont gleichgültig, als wäre ich wirklich froh, hier wegzukommen.
»Oh!« Jonahs Lächeln verrutscht. »Kein Ding. Wie du möchtest.«
Warum zur Hölle klingt er nun niedergeschlagen? Hätte er sich doch gerne weiter mit mir unterhalten. Wobei – es ist ja nicht so, als würden wir nie auch mal privat reden. Natürlich kommen dabei persönliche Dinge kaum zur Sprache, eher das Wetter oder mal ein Austausch darüber, was wir vom Skirennen am letzten Wochenende halten.
Interessanterweise möchte ich plötzlich doch nicht, dass er denkt, ich wäre nicht gerne hier, zum Glück fällt mir eine passende Ausrede ein, die eigentlich nur bedingt als solche zu werten ist. »Ich würde schon bleiben, aber ich bin ziemlich erledigt und muss noch bei Jan vorbeischauen.«
»Stimmt.« Ein Grinsen erobert sein Gesicht. Bilde ich mir das ein, oder ist er erleichtert? »Wegen der Medikamente für den Griesgram.«
Wir sehen uns an und für einen Moment bin ich mir sicher, er durchschaut mich. Womit ich meine, ihm ist klar, dass er mich nicht kalt lässt. Doch dann ist der Augenblick vorbei, und alles in mir drängt danach, abzuhauen.
»Schönen Abend, Elias«, sagt er, und wieder einmal geht mir die Art, wie er meinen Namen ausspricht, unter die Haut.
Es ist beinahe lächerlich, wie schwer es mir fällt, meinen Blick von ihm loszureißen. »Viel Spaß noch«, sage ich, rufe dann ein »Schönen Abend noch« zu den anderen hinüber und gehe oder besser gesagt flüchte regelrecht.
Vielleicht ist es ganz gut, heute mal wieder auszugehen, um auf andere Gedanken zu kommen?
Mein Heimweg führt mich am Mc Drive vorbei, weil ich zu faul bin, um mir etwas zu kochen. Wie immer bereue ich diesen Entschluss spätestens zwanzig Minuten, nachdem ich den letzten Bissen Burger hinuntergeschluckt habe. Ob ich wohl der Einzige bin, der nach diesem Fraß Sodbrennen bekommt?
Danach pflanze ich mich auf die Couch und schlafe natürlich prompt ein.
Als ich erwache, läuft nicht mehr der Film, den ich vorhin beim TV-Sender-Roulette ausgewählt habe, was bedeutet, dass ich mindestens zwei Stunden geschlafen haben muss. Da mein Biorhythmus für mich kein Geheimnis darstellt, ist mir klar, dass ich die restliche Nacht eher mit hin und her Wälzen verbringen werde, was mich wieder auf meine, vorhin kurz aufgeflammte Idee bringt. Warum nicht tatsächlich ausgehen?
Mein eigenes seltsames Verhalten Jonah gegenüber schwappt als unangenehme Erinnerung in mir hoch. Das könnte natürlich ein Grund sein, warum mir für den heutigen Abend jemand Bestimmter in den Sinn kommt. Denn es sollte jemand sein, der es schafft, diesen jungen, gepiercten Typ aus meinen Gedanken zu vertreiben.
Tobias, mein Ex-Freund, mit dem ich seit unserer Trennung eine lockere Freundschaft pflege, scheint mir dafür die beste Wahl zu sein. Er arbeitet in einer Bar, die heute auf jeden Fall geöffnet hat. Das Lokal gehört zu den Geheimtipps der schwulen Community, wird aber genauso von heterosexuellem Publikum besucht. Ein Blick auf meine Armbanduhr zeigt, dass es bereits kurz vor zweiundzwanzig Uhr ist, also schnappe ich mir sicherheitshalber mein Handy und schreibe ihm eine WhatsApp. Immerhin ist heute Sonntag, da kann es sein, dass er auch mal früher Schluss macht.
›Yep, hab Dienst. Komm vorbei. Ich freu mich‹, kommt recht rasch seine Antwort.
›Cool, bis dann‹, sende ich zurück und springe auf, um mich in Schale zu werfen.
Zuerst führt mich mein Weg allerdings ins Badezimmer, wo ich mich erst mal einer Dusche inklusive Intimrasur widme. Man weiß schließlich nie, was der Abend so bringt.
Danach mache ich mich, nackt und gut gelaunt vor mich hin pfeifend, auf den Weg in mein Ankleidezimmer. Natürlich ist dieser Begriff etwas zu hochgestochen, denn in Wahrheit handelt es sich einfach um einen leeren Raum, den ich, mangels besserer Optionen, als Gästezimmer nutze, wobei er im Moment eben meiner Kleidung als temporäre Unterkunft dient.
Der Umzug hier in diese Wohnung wurde praktisch gemeinsam mit der Anstellung in der Privatklinik eingeläutet. Sozusagen ein Sonderangebot: Job und Dachgeschoss-vier-Zimmer-Apartment meines Vorgängers à la ›Zwei zum Preis von
einem‹. Das Ganze passierte allerdings noch vor der Trennung von Tobias, und somit bevor ich erfahren durfte, dass zu mir zu ziehen so ziemlich das Letzte ist, was dieser geplant hat. Daher dient der Raum, der von mir als Arbeits- oder Rückzugszimmer für unsere erste gemeinsame Wohnung gedacht war, nun als übergroßer begehbarer Kleiderschrank inklusive Klappcouch. Auch etwas, was ich von meinem Freund Nick gelernt habe. Man kann aus allem einen Vorteil ziehen.