8. Kapitel
Elias
Tobias’ Hemd landet irgendwo auf dem Tresen, gleich darauf hat er mich erreicht, legt seine Hände seitlich an meinen Kopf und küsst mich. In mir drin explodiert irgendwas und ich schlinge meine Arme um ihn, umfasse seinen Hintern, an den sich eng das nasse Leder schmiegt.
»Ich will dich«, stöhnt Tobias in meinen Mund, und ich kann nur zustimmend brummen, bevor ich auch schon einen Ruck spüre, als er meinen Hosenbund packt und mich seitlich dreht, um mich gegen die Theke zu drücken.
In meiner Brust hämmert mein Herz, während mein Schwanz nach Freiheit jault. Tobias scheint ihn hören zu können, denn nur ein paar Sekunden später hat er meine Hose geöffnet. Leider hält die anfängliche Erleichterung nicht lange an – wer schon einmal versucht hat, sich eine klitschnasse Jeans auszuziehen, weiß, wovon ich rede. Es ist ein Kampf, bis der störrische Stoff weicht, doch endlich ist es geschafft.
Mit Schwung hebt Tobias mich hoch, ich umschlinge ihn mit Armen und Beinen. Wieder küssen wir uns. Herrlich leidenschaftlich – es macht uns atemlos und nur noch geiler. Tobias versucht, einhändig seine Hose nach unten zu schieben, und obwohl ich ihm helfen sollte, kann ich es nicht. Stattdessen streicheln meine Hände jeden Zentimeter seines Oberkörpers, als würde ich ihn zum ersten Mal berühren. Gleichzeitig ist es
heute irgendwie anders. Ich kann es nicht zuordnen – will es im Moment aber auch nicht.
Jetzt möchte ich genießen! Ihn genießen! Also streiche ich mit meinen Fingerspitzen über seine harten Muskeln, ertaste sie unter der angenehm warmen Haut. Ich muss sie einfach küssen, und nicht nur sie, denn mit einem Mal erfüllt mich ein unbändiges Verlangen.
Ihn ein Stück von mir schiebend, rutsche ich wieder vom Tresen und gehe in die Knie. Ein Ruck, so wie man es gerne mal in diesen Erotik- oder Pornofilmen darstellt, genügt leider nicht. Es ist nicht sexy, wie ich mich bemühe, Tobias aus seiner durchweichten Lederhose zu schälen, doch mein Verlangen nach ihm wird davon nicht geschmälert, und so heftig wie sein Atem geht, das seine ebenfalls nicht.
Endlich ist es geschafft, sein Schwanz ist frei, ich greife nach ihm, beuge mich vor und umschließe die Spitze mit meinem Mund. Sein Stöhnen dringt nur leise an meine Ohren, weil mein Pulsschlag alles andere zu übertönen scheint. So erregt war ich lange nicht – sich selbst auf der Couch einen von der Palme zu wedeln, ist eben nicht mal ein minimaler Ersatz für wahren, von mir aus auch harten Männersex!
Langsam, genüsslich lasse ich seine Länge tiefer in meinen Mund gleiten, massiere dabei die Wurzel und mit der anderen Hand seine Eier. Meine Zunge umspielt seine Eichel, tastet sich zu dem kleinen Bändchen vor, reizt es. Seine Finger haben ihren Weg in mein Haar gefunden, wo sie massierend versuchen, mir ihren Rhythmus aufzudrängen. Ich habe nichts dagegen, lasse mich führen.
»Elias«, haucht er atemlos, was mich mit Glück erfüllt. Ich will ihm guttun, ihn zur Ekstase bringen. Ich kann nicht erklären warum, im Moment erscheint mir jedoch nichts anderes wichtig.
Ihm anscheinend schon, denn obwohl er offensichtlich mein Tun genießt, zwingt er mich sanft, aber bestimmt auf Abstand.
Ich sehe irritiert zu ihm hoch, er atmet schwer, lächelt jedoch. »Ich will dich«, wiederholt er seine Worte von vorhin.
Ich nicke nur und lasse mir von ihm aufhelfen. Wir umarmen uns, küssen uns. Etwas zurückhaltender nun, um wieder ein wenig runterzukommen.
»Warte«, haucht Tobias schließlich gemeinsam mit einem Kuss auf meine Wange. Kälte kriecht über meine Haut, als er mich loslässt und für einen Moment verschwindet. Ich sehe ihm zu, wie er eine kleine Tasche aus einem der Schränke holt, darin kramt. Die Muskeln seines Arsches bewegen sich, heizen meine Gedanken wieder an, als wäre die kurze Schmuseauszeit nicht gewesen. Oh Gott, wie sehr ich ihn will. In mir spüren will. Fest und hart. Lange und zärtlich. Ein Blick auf meinen Schwanz zeigt mir, wie er zuckt, er ist nicht weniger geil als ich!
Tobias kommt zurück, eine kleine Tube und ein Kondompäckchen in der Hand. Ich muss lächeln, weil ihm einfach zu deutlich anzusehen ist, wie sehr er mich begehrt – ein überragendes Gefühl, das ich erst durch ihn schätzen gelernt habe. Der Wunsch nach Sex nur um des Vergnügens willen. Scheiß auf Liebe und Vernunft. Es ist so gut, zu genießen – ihn genießen, egal was danach kommt.
»Du bist so sexy«, erklärt er mir heiser. »Dein Körper, aber auch dein Blick. Einfach unwiderstehlich.« Seine Lippen fangen die meinen ein, ich schlinge einen Arm um seinen Hals, ziehe ihn näher, doch er lässt mich zu meinem Bedauern wieder los. »Dreh dich um«, bittet er heiser, was ich natürlich nur zu gerne tue.
Das leise Klicken höre ich, kann es aber erst zuordnen, als sich seine klitschigen Finger zwischen meine Backen stehlen. Sofort entkommt mir ein Stöhnen, meine Beine öffnen sich wie von selbst, geben ihm Platz. Über meinen Rücken schmusend bereitet er mich vor, mit genug Sorgfalt, aber auch deutlicher Ungeduld.
Ich selbst kann es ebenfalls kaum erwarten. »Mach schon«, fordere ich daher recht bald heiser, dabei stützte ich mich in weiser Voraussicht einhändig am Tresen ab.
»Okay!« Tobias klingt begeistert und weicht von mir zurück, jedoch nur, um sein bestes Stück in Latex zu hüllen. Danach legt er seine Hände an meine Hüfte, führt seinen Schwanz an mich heran und dringt in mich ein.
Der anfängliche Druck singt sein schmerzbehaftetes Lied, doch ich lasse mich darauf ein. Tobias bewegt sich langsam in mir, gibt mir Zeit, und schnell breitet sich die wohltuende Wärme aus, die alles andere vergessen macht. Seine Hand umschließt meinen Schwanz, pumpt ihn, gleichzeitig zieht er mich mit dem freien Arm jedem seiner Stöße entgegen.
Mein Stöhnen ist so laut – es wäre mir sicher peinlich, würde ich nicht vergessen haben, wie man denkt. Hilflos tastet meine Hand nach Halt, findet ihn an Tobias’ Oberschenkel, der sich unter meiner Handfläche an- und entspannt, im gleichen Takt, wie er mich fickt.
Meine Augen wollen zufallen, und kurz lasse ich ihnen ihren Willen. Leider gibt das Dunkel einem Bild Raum, das wenig mit dem Mann zu tun hat, der mir so großes Vergnügen bereitet. Hellblaue Augen sind es, die mich in Gedanken fesseln, und ein schlanker, aber muskulöser Körper, den ich mir mittlerweile viel zu oft ohne diese weißen Klinikklamotten vorgestellt habe, die er üblicherweise trägt. Wie er wohl tatsächlich aussieht? Nackt – ob es noch andere Stellen gibt, die gepierct sind?
»Elias«, stöhnt Tobias, klingt dabei ganz so, als würde er ahnen, dass ich mit meinen Gedanken nicht bei ihm bin. Vom schlechten Gewissen getrieben, zwinge ich meine Lider auseinander, verdränge das Bild in mir und versuche, nur bei ihm zu sein.
Sein keuchender Atem zeigt deutlich, wie sehr zumindest er das hier genießt.
Doch ich genieße auch, schelte mich selbst gedanklich für meine geistige Abwesenheit. Das hat er nicht verdient!
Schnell schaffe ich es, mich erneut auf ihn zu konzentrieren und mich von allen anderen Gedanken zu befreien. Das gibt der Ekstase in mir wieder genug Raum, sich auszubreiten. Meine Hand an seinem Oberschenkel wandert höher, so lasse ich ihn fühlen, wie fest ich ihn jetzt spüren möchte. Und er folgt meiner Aufforderung nur zu gerne.
Die nächsten Minuten hört alles andere auf zu existieren. Wir finden uns im leeren Raum der Lust, in dem neben uns keine Fragen, keine Gewissensbisse und keine scharfen Krankenpfleger Platz haben.
»So gut!«, höre ich ihn leise stöhnen, bin jedoch selbst nur in der Lage ihm innerlich zuzustimmen. Denn all meine Nerven vibrieren auf diese wunderbar eigene Art, meine Hoden kribbeln, und plötzlich kann ich nicht mehr. Ich komme ziemlich heftig und muss dabei einfach die Augen schließen.
Tobias hält mich, saugt sich an meinem Hals fest, was kleine, wunderbar prickelnde Impulse auf meine Haut setzt. Mit einem wahnsinnig erotischen Stöhnen kommt er ebenfalls, bewegt sich aber für ein paar Sekunden weiter, bis wir beide erschöpft zur Ruhe kommen.
»Also. Zu dir oder zu mir?« Tobias wirft den letzten Lappen in den Eimer und sieht sich zufrieden um. Die Bar ist trockengelegt, und wir beide sind nun endgültig fertig. Bei näherer Überlegung wäre es wohl besser gewesen, erst die Überschwemmung zu beseitigen und dann zu vögeln.
»Ich weiß nicht«, gebe ich zurück, streiche angewidert über meine hinten immer noch nasse Jeans. »Ist wohl besser, wir
fahren beide in unsere eigene Wohnung und legen uns auch trocken.«
Natürlich dienen mir unsere feuchten Klamotten nur als willkommene Ausrede. Die Wahrheit ist, mit dem Abebben meines Orgasmus’ ist auch die Anziehung auf Tobias verschwunden, die mich den ganzen Abend in ihrem Bann gehalten hat. Was leider dem Verdacht als Nahrung dient, ich wäre insgeheim nur hierhergekommen, um mich von dem seltsamen Interesse an Jonah abzulenken. Oder noch schlimmer, vom Wunsch nach Sex getrieben.
Beide Varianten machen mich echt fertig. Erstere, da es in meinem, manchmal etwas konservativen Kopf, gefühlt tausend Argumente gegen Jonah gibt. Und Nummer zwei, weil es so sehr nach dem Klischee klingt, vor dem ich bereits mein Leben lang davonlaufe. Nämlich dem, dass die schwule Welt von Sex dominiert wird, und deshalb nur verschwindend wenig Platz für echte Liebe bleibt.
»Schon gut, Elias.« Tobias scheint mein innerer Monolog nicht entgangen zu sein. »Nicht gleich wieder zu viel hineininterpretieren. Es hat dich gejuckt, und ich durfte dich kratzen.« Obwohl er es eindeutig zu verbergen versucht, entnehme ich seiner Tonlage eine Nuance Enttäuschung, die er selbst mit der riesigen Portion Spott, die er absichtlich hineinlegt, nicht übertönen kann.
»Es ist nicht fair, es so zu formulieren«, stelle ich ein wenig eingeschnappt fest.
»Wie denn? Die Wahrheit ist nun einmal: Du findest mich gut genug zum Ficken, hast einer Beziehung aber keine Chance gegeben, weil ich keinen Bock habe, eine Arztfrau mit drei Kindern zu werden.«
»Ich bin kein Arzt«, gebe ich angepisst zurück »Und eine Frau suche ich schon mal gar nicht!« Dem Rest seiner Anschuldigung enthalte ich mich, weil sie leider nur allzu
wahr ist. Entgegen unserer Zukunftseinstellung war die sexuelle Anziehung zwischen uns nie ein Problem. Doch genau das ist im Prinzip der Zündstoff für meine Vorurteile, mit denen ich früher meine eigene Community verunglimpft habe. Weil ich überzeugt bin, dass es in der schwulen Welt keine echte Liebe geben kann! Zumindest für mich. Und das ist es auch, was mich plötzlich wieder – wie schon so oft – wütend auf Tobias macht. Weil er mich, als wir zusammen waren, für ein paar wenige Monate glauben ließ, dass ich mich geirrt habe, nur um mir schlussendlich das Herz zu brechen.
»Du hast dich von mir getrennt, Elias. Nicht umgekehrt. Ich war in dich verliebt, sehr sogar, doch ich war eben auch ehrlich. So eine Zukunft, wie du sie anstrebst …« Er schüttelt fast schon verzweifelt den Kopf. »Das ist nichts für mich.«
»Das hab ich kapiert«, presse ich hervor. Frustrierte Wut breitet sich in mir aus.
»Dann hör auf, sauer auf mich zu sein.« Tobias seufzt. »Vielleicht ist es besser, wenn wir uns nicht mehr sehen. So macht das keinen Spaß. Ich bin nämlich kein Stricher, den du anrufen kannst, wenn dir danach ist.«
»So habe ich dich nie behandelt«, behaupte ich, doch gleichzeitig ist mir klar, wie löchrig diese Wahrheit ist.
Er wirft mir einen Blick zu, der zwischen Resignation und Verärgerung schwankt. »Du hast ein so irrationales Bild von dem Mann an deiner Seite, dass niemand eine Chance hat, verstehst du das nicht?« Ein genervtes Schnauben folgt. »Ich wünsche dir, dass du diesen Mann findest, aber ich fürchte eher, du wirst dich und auch eine Menge Männer auf der Suche nach diesem Trugbild unglücklich machen. Weil du das Glück von dir stößt, nur weil derjenige, der es dir schenken möchte, möglicherweise nicht zu hundert Prozent deiner idiotisch festgefahrenen Vorstellung entspricht!« Immer lauter ist er geworden, und ich bin mit einem Mal nicht mehr wütend,
sondern eingeschüchtert und traurig, weil ich tief in mir ahne, er könnte recht haben.
»Was ist falsch daran, einen Traum zu haben?«, frage ich leise, worauf Tobias seufzt.
»Nichts, Elias. Aber die meisten Menschen bekommen ihren Traumpartner nicht, und das hat nichts mit der sexuellen Orientierung zu tun.«
Seine Worte könnten nicht wahrer sein, trotzdem kehrt die Wut in mir zurück, und weil ich diese nicht an ihm auslassen möchte, greife ich mir stattdessen meine Jacke. »Es ist wohl wirklich besser, wenn ich gehe«, sage ich, warte darauf, ob er mich zurückhält, obwohl ich es gar nicht möchte. Denn ich fühle, dass der Moment gekommen ist, der das berühmte Ende unter unsere Geschichte schreibt. Seufzend werfe ich ihm einen letzten Blick zu.
Er steht da, lässt mich hinter seine Mauern sehen. Traurigkeit und Enttäuschung haben seine Miene gezeichnet. »Mach’s gut, Elias.« Sein Abschiedsgruß klingt so endgültig, wie er eigentlich schon seit langem hätte sein sollen.
»Mach’s gut«, wiederhole ich leise. Spüre die Trauer darüber, ihn nun wohl tatsächlich zu verlieren, doch da ist auch eine gewisse Erleichterung in mir.
Zeitgleich lächeln wir uns zu. Ein trauriges Lächeln, das mir dennoch Trost spendet.
Dann drehe ich mich um und gehe.