Warum die Aussprache mit einer Narzisse sinnlos ist

»Wer in der Gegenwart von Kindern spottet oder lügt, begeht ein todeswürdiges Verbrechen.«

Marie von Ebner-Eschenbach

Viele Erwachsene verstehen genau diesen Umstand durch ihre partnerschaftlichen Beziehungen: Aussprachen mit narzisstischen Personen sind sinnlos. Es werden keine Ergebnisse erzielt. Wer sich länger mit Narzissmus beschäftigt, wird in diesem Zusammenhang auf folgende Begriffe stoßen:

Wortsalat: Mit »Wortsalat« ist absichtliche Verwirrung gemeint. Nehmen wir an, ich versuche meinem Gegenüber zu erklären, was mich geärgert oder verletzt hat. Mein Gegenüber würde in diesem Fall aber nicht auf meine Aussagen eingehen, sondern nur einzelne Begriffe daraus aufnehmen. Damit gibt mir dieser Mensch das Gefühl, nun seine Sichtweise zu erklären, beginnt aber eigentlich von ganz anderen Dingen zu reden und stiftet einfach nur Verwirrung, indem er alles aus dem Zusammenhang reißt. Man könnte es auch mit »Es wird viel geredet, aber nichts gesagt« beschreiben. Den Höhepunkt des Wortsalats bildet immer die Feststellung meines Gegenübers, dass ich Dinge, auf die ich schon mehrfach hingewiesen habe, noch nie gesagt habe. Oder dass die Dinge ganz anders sind oder waren, als ich sie interpretiere.

Schuldzuweisungen, Schuldumkehr, Verdrehen der Wahrheit: Man sagt dem Menschen, was man auf dem Herzen hat, und rechnet damit, dass man gehört und verstanden wird. Aber das passiert nicht. In Aussprachen mit Narzissten werden Aussagen verdreht, und das gnadenlos. Es kann vorkommen, dass ein narzisstischer Mensch die übermittelte Botschaft zwar annimmt, aber sofort Gründe dafür findet, warum das überhaupt so empfunden wird oder so weit kommen konnte. Was er gesagt oder getan hat, ist allein deine Schuld, weil du dies oder das gesagt oder getan hast. Die narzisstische Person hat nur auf das reagiert, was von dir kam, also ist es deine Schuld. Oft empfindest du dich nach einem solchen Gespräch wie ein Täter und fühlst dich schrecklich deinem vermeintlichen Opfer gegenüber. Schuldzuweisungen erfolgen in solchen Gesprächen häufig in Form von mehr oder weniger heftigen Aussagen über deine Persönlichkeit und deine angeblichen Defizite. Du hast keine Chance in einem solchen Gespräch und fühlst dich hinterher nur schuldig und wie ein schlechter Mensch.

Gaslighting: Gaslighting durch eine narzisstische Person erfolgt in vielen Zusammenhängen, insbesondere aber bei Klärungsversuchen. Das, was du da eben angesprochen hast, ist doch nie passiert. Oder es war ganz anders. Du siehst das falsch, denn du hast ja Depressionen. Oder sonst eine Störung. Auf jeden Fall kannst du die Situation gar nicht realistisch erfassen, weil du eine völlig falsche Wahrnehmung hast. Es stimmt ja gar nicht, was du da erzählst, diese oder jene Person war doch gar nicht dabei. Außerdem passierte die Sache, um die es im Gespräch geht, überhaupt nicht an dem Tag, den du da nennst, sondern in einem ganz anderen Zusammenhang … Und schließlich, um das Ganze abzurunden, wird noch eine große Portion Verunsicherung eingestreut: »Weißt du, deine Schwester/dein Bruder/deine Oma/die Nachbarn haben das ja auch miterlebt, und die waren erschüttert über dein Verhalten.« Gar nicht selten heißt es, die ganze Situation, um die es im Gespräch geht, ist überhaupt nicht passiert. Du hast sie dir eingebildet oder einfach nur geträumt. Oder du denkst dir gerade etwas aus, weil du böse bist und jemanden anklagen möchtest.

Emotionale Erpressung: Das ist der Super-GAU in solchen Klärungsversuchen und er passiert auf verschiedenste Weise. Du wirst an deine Undankbarkeit erinnert. Dir werden Situationen vor Augen gehalten, die dir verdeutlichen sollen, wie sehr sie – deine Mutter – sich für dich eingesetzt und aufgeopfert hat und wie ungerecht und undankbar du jetzt reagierst. Wie kannst du sie nur zur Rede stellen?! Ist dir etwa nicht bewusst, wie sehr du sie damit kränkst? Was du damit anrichtest?

Abwertungen, Beleidigungen und Unterstellungen: Was du tust, sagst und denkst, wird abgewertet und infrage gestellt. Du als Person wirst abgewertet. Dann heißt es: Niemals kannst du etwas richtig machen. Niemals denkst du an andere, du denkst nur an dich selbst. Du bist egoistisch. Du bist ja psychisch krank. Mit dir stimmt doch was nicht!

Passiv-aggressives Verhalten: Wenn sich eine narzisstische Person am Ende gar nicht mehr zu helfen weiß und ihr die Argumente ausgehen, kommt das passiv-aggressive Verhalten. Sie dreht sich um und lässt dich einfach stehen. Verlässt den Raum, geht schlafen, fährt mit dem Auto weg. Entzieht sich definitiv dem Gespräch. Nun kann es ja immer vorkommen, dass man ein Gespräch nicht weiterführen kann, weil es vielleicht länger dauert als ursprünglich gedacht. Da muss jemand zur Arbeit oder erhält einen Anruf, muss jedenfalls aus wichtigen, persönlichen Gründen das Gespräch unterbrechen. In diesem Fall würde man allerdings deutlich sagen: »Es tut mir leid, ich nehme das sehr ernst, was du mir hier gesagt hast, aber ich muss jetzt dringend weg. Ich möchte das Gespräch gern fortführen, passt es dir vielleicht morgen Abend?« Rauscht die Person allerdings einfach ab und lässt dich stehen, entzieht sich also einfach dem Gespräch, liegt ein passiv-aggressives Verhalten vor.

Silent Treatment: Übersetzt bedeutet dieser Begriff »Stille Behandlung«. Ja, Stille herrscht, und Stille kann bedrohlich sein. Im Fall von Silent Treatment wirst du vollständig ignoriert. Die narzisstische Person redet nicht mehr mit dir, ignoriert jede Ansprache deinerseits und tut, als seist du Luft. Du bist nicht da, auch wenn du im gleichen Raum bist. Rufst du sie an, geht sie nicht ans Telefon oder legt einfach schweigend auf. Klingelst du an ihrer Tür, wird dir nicht aufgemacht. Du bist Luft. Und nicht selten gehen einem Silent Treatment noch jede Menge Beleidigungen und Unterstellungen voraus, gegen die du dich dann nicht mehr wehren kannst, denn dir wird jede Möglichkeit dazu genommen. Durch solches Verhalten wirst du automatisch in eine Position gebracht, in der du über dein eigenes Verhalten nachdenkst, dich schlecht fühlst und am Ende vielleicht sogar noch um Entschuldigung bittest, obwohl eigentlich du die verletzte und angegriffene Person bist.

Flying Monkeys: Wenn nach einer versuchten Aussprache mit deiner Mutter, die einfach überhaupt nicht funktioniert hat, kurze Zeit später deine Oma, deine Tante oder dein Vater bei dir sitzt und du das Gefühl hast, dir soll jetzt Vernunft eingeredet werden – dann nimm dieses Gefühl ruhig ernst. In solchen Momenten sprichst du mit einem Komplizen deiner Mutter, mit einem ihrer Flying Monkeys. Das sind die Menschen, die dir dann klarmachen sollen, dass du dich unmöglich benimmst, dass du so, wie du es getan hast, nicht handeln kannst, weil das moralisch verwerflich ist und deine Mutter das nicht verdient hat. Die Flying Monkeys sind dann auch die Menschen, die dir erklären, dass deine Mutter überhaupt keine Schuld trifft, du aber selbst gerade eine schwere Schuld auf dich lädst. Aber Achtung – sie wissen vielleicht nicht mal, dass sie als Flying Monkey eingesetzt werden, und haben nur einseitige Informationen.

Halbgare Entschuldigungen: Eine halbgare Entschuldigung ist keine echte, keine ernst gemeinte Entschuldigung. Selbst wenn ein narzisstischer Mensch dich mit dramatischen Worten um Verzeihung bittet, wirst du hinterher von ihm erfahren: Sein zugegeben schlechtes Verhalten dir gegenüber ist nur erfolgt, weil … An dieser Stelle kannst du wahlweise einfach deine eigenen Erfahrungen diesbezüglich einsetzen: … weil er sich so krank gefühlt hat. Weil andere, böse Menschen ihn gegen dich beeinflusst haben. Weil ihm so vieles verschwiegen wurde und er sich daher kein reales Gesamtbild machen konnte. Am Ende weißt du: Aha, dieser Person tut es leid, was da passiert ist, aber sie konnte eigentlich nichts dafür. Es waren andere Menschen, eine Krankheit oder sonstige Dinge daran schuld, auf keinen Fall die Person selbst. Im schlimmsten Fall warst du schuld.

Ich habe selbst viele vergebliche, weil gescheiterte Klärungsversuche mit meiner Mutter hinter mir. Auch meine Schwester hat sich häufig um Klärung und Aussprache mit ihr bemüht. Es hat uns beide nicht weitergebracht. Am Ende entstand in mir immer der gleiche Eindruck: Unsere Mutter wollte nie zugeben, auch mal an etwas schuld zu sein oder etwas getan zu haben, was uns schwer auf dem Herzen lag. Wir hatten alles falsch verstanden. Die Dinge sind niemals passiert oder anders verlaufen, als wir es schilderten. Egal, worüber ich mit ihr sprechen wollte, ich hörte sie die Schuld immer irgendwem geben, der gerade nicht anwesend war. Bei meiner Schwester stellte sie offenbar mich als Schuldige hin, mir erklärte sie, meine Schwester sei schuld. Wir haben Diskussionen mit ihren Flying Monkeys erlebt, wir haben erlebt, dass sie versucht hat, uns zu ihrem Flying Monkey zu machen. Dass solche Gespräche keinen Sinn haben, habe ich erst verstanden, als mir klar wurde, was Narzissmus bedeutet und wie er sich äußert.

Alle Betroffenen haben solche vergeblichen Klärungsversuche erlebt. Alle meine Gesprächspartnerinnen erzählten von versuchten Gesprächen, bei denen sie das Gefühl hatten, sie würden mit einer Wand sprechen. Dabei wäre eine Klärung diverser Situationen so wichtig! Menschen erleben nun einmal auch verstörende Dinge in ihrem Leben. Aber erst die Dinge, für die man irgendwann Gerechtigkeit erfahren hat, kann man gut verarbeiten. Als Tochter einer narzisstischen Mutter kann man diese Gerechtigkeit eigentlich nur auf einem Weg erfahren, und dieses Glück haben leider so viele Betroffene nicht: indem die Mutter uns aufrichtig um Verzeihung bitte. Eine narzisstische Mutter bittet allerdings niemals um Verzeihung. Sie glaubt sich schließlich im Recht und falls sie nicht im Recht ist, dann hat sie trotzdem recht. Wenn sie dir trotzdem verbal das Gefühl gibt, möglicherweise im Unrecht zu sein, ist der Tenor sarkastisch: »Ach ja, es tut mir von Herzen leid, dass ich deine Gefühle verletzt habe, als ich dich bat, das für mich zu erledigen, ich konnte ja nicht ahnen, dass du schon mit solchen Kleinigkeiten überfordert bist.« Oder du erhältst eine dieser halbgaren Entschuldigungen, in denen du dann erfährst, dass sie doch gar nicht schuld ist.

Ein anderer Weg, Gerechtigkeit zu erfahren, ist, indem man mit Menschen spricht, die dabei waren, die das Verhalten der Mutter miterlebt haben oder selbst von ihr verletzt worden sind. Menschen, die all diese Grausamkeiten und Ungerechtigkeiten bestätigen können.

Ich selbst habe ein bisschen Klärung über meinen Vater erhalten. Ich konnte mich mit meiner Schwester aussprechen und über unser beider Wahrnehmung der Dinge austauschen. Mein Stiefvater konnte mir auch das eine oder andere bestätigen, allerdings ist das schon über zwanzig Jahre her und seither habe ich mit ihm nicht mehr darüber gesprochen. Es war aber hilfreich für mich. Und auch meine Großeltern haben mir eine große Last abgenommen, als sie dann in ihren letzten Lebensjahren endlich die Wahrheit aussprachen.

Gerechtigkeit zu erfahren ist so wichtig für den eigenen inneren Frieden. Und doch erfahren wir sie nur selten und viele Betroffene überhaupt nicht. Die Folge sind Schuldgefühle, das Gefühl von Wertlosigkeit und einem Ausgeliefertsein: Hilflosigkeit.

Viola, Mitte vierzig, erzählt: »Ich hatte das große Glück, dass mein Bruder (das Goldkind und zehn Jahre älter als ich) an einer echten Klärung und der Wahrheitsfindung interessiert ist. Ich habe mit ihm mehrere Gespräche geführt, in denen so einiges aufgedeckt wurde. Er wurde immer bevorzugt, auch von unserer Oma, die nicht mehr lebt. Da vermute ich auch Narzissmus. Beide, meine Oma und meine Mutter, sagten oft: ›Du musst verstehen, dass ich den XY nun mal lieber habe.‹ Ich weiß eigentlich erst seit Kurzem, dass mein Bruder, im Gegensatz zu mir, nie geschlagen wurde. Er war sehr erschüttert, als ihm klar wurde, dass Schläge für mich zur Kindheit gehörten. Es gab sogar ein Gespräch zu dritt, er, meine Mutter und ich. Er hat sie auf alles angesprochen, was er von mir wusste. Fragte sie auch, ob das mit den Schlägen stimmt. Das gab sie zu, aber sie zeigte keine Reue. Auf die Frage, warum sie ihn denn nicht geschlagen hätte, sagte sie: ›Bei dir hatte ich keinen Grund.‹ Da wurde meinem Bruder die völlig unterschiedliche Behandlung und Erziehung klar. Der ganze Missbrauch! Er glaubt mir und das ist das Heilsamste und Beste, was mir passieren konnte. Ein Familienmitglied ist mein Zeuge und mein Leid wird endlich aufgedeckt und von einem Menschen aus meiner Familie anerkannt!

Meine Mutter zeigte während dieses Gesprächs ihr gesamtes narzisstisches Repertoire mir gegenüber. Mein Bruder war zutiefst schockiert von ihrem Verhalten. Er sagte ihr das auch und zeigte sich mir gegenüber absolut solidarisch. Nach diesem Gespräch sagte er mir, dass er sie so noch nie erlebt habe, und ich sagte ihm: ›Ich kenne sie nur so.‹ Er glaubt mir, das bedeutet mir so viel!

Aufgrund unseres Altersunterschieds hatten wir nie viel Kontakt. Auch weil meine Mutter mir immer vorgehalten hat, ich solle mir an ihm ein Beispiel nehmen. Ich weiß, dass er sich diese Rolle ja nicht ausgesucht hat, sie wurde ihm durch unsere Mutter und unsere Oma auferlegt. Er hat diese Rolle aber aus meiner Sicht auch nie ausgenutzt, schon gar nicht gegen mich, daher war ich ihm nie böse.

Seit diesem Gespräch habe ich absolut keinen Kontakt mehr zu meiner Mutter. Ich merke aber bereits erste Reaktionen aus der entfernten Familie. Menschen, die sie bereits manipuliert hat. Meine Cousine (die Tochter der Schwester meiner Mutter) hat seither auf WhatsApp auf meine Nachrichten nicht mehr geantwortet. Ich hatte ihr auch Weihnachtsgrüße geschickt und keine Antwort erhalten. Gut, das ist dann so. Es bestand nicht viel Kontakt dorthin, aber ich merke jetzt schon erste Veränderungen. Ich weiß aber, dass mein Weg richtig ist. Ich glaube, ich fühle mich zum ersten Mal in meinem Leben wirklich frei.«

Nach der versuchten Aussprache mit einem narzisstischen Menschen fühlen sich Betroffene oft schwach, krank, müde, völlig erschöpft. Ausgesaugt und nicht selten auch zutiefst verwirrt. Das sind ganz deutliche Anzeichen für toxische Gespräche.

Natürlich kann und sollte man immer versuchen, Aussprachen und Klärungsversuche zu unternehmen, wenn man sich verletzt fühlt oder es Missverständnisse gibt. Mit Narzissten gibt es jedoch keine Ergebnisse, niemals und nicht einmal in kleinen Details. Das muss ich aus all meiner Erfahrung so deutlich sagen. Das zu erkennen und dabei zu begreifen, dass es nicht an ihnen selbst liegt, nimmt Betroffenen aber häufig schon sehr viel Druck. Wenn man weiß, dass etwas wirklich nicht gelingen kann, weil man es schon so und so oft versucht hat, dann muss man es aufgeben. Sonst kostet es nur weitere wertvolle Energie und führt dennoch zu nichts. Man versteht dann aber irgendwann, dass es nicht an der eigenen Unfähigkeit zu einer guten Kommunikation liegt.