2.


Palermo

3. November 1201

Sie kamen am Tag des heiligen Malachias.

Von der Zinne eines der Ecktürme aus, die die trapezförmige, unmittelbar am Meer gelegene Burg Castrum Maris überragten, blickte Friedrich auf die Straße hinab, die von den steinernen Kuppeln und Häusern der Stadt zur Festung heraufführte.

Sein Herz schlug heftig in seiner Brust, sein Atem ging stoßweise. Er hatte Angst, und er wusste, dass es sich damit nicht wie mit der Angst vor der Dunkelheit verhielt oder jener, die man nach einem Albtraum hatte. Die Furcht, die er in diesem Augenblick verspürte, hatte einen realen Hintergrund. Friedrich hatte Männer gesehen, die durch das Schwert oder den Strick gestorben waren oder die durch das Beil des Henkers eine Hand oder gar den ganzen Arm verloren hatten. Und voller Entsetzen hatte er sich geschworen, dass er so nicht enden wollte … aber was, wenn es nicht in seiner Macht lag, dies zu entscheiden?

Obwohl er erst sieben Jahre alt war, wusste er schon manches: dass die Männer, die dort unten auf ihren Rössern ritten und schimmernde Rüstungen trugen, in einer anderen Sprache redeten, die er zuletzt gehört hatte, als er noch ganz klein gewesen war, und die er längst nicht mehr verstand. Und er wusste auch, dass diese Männer und ihr Anführer, der den seltsamen Namen Markward trug, nur seinetwegen kamen.

Was der Knabe nicht wusste, waren die tatsächlichen Gründe dafür, dass er sich bald hier und bald dort aufhalten musste, dass er zum Spielball fremder Mächte geworden war. Denn dafür verstand er noch nicht genug von der Macht und ihren Verlockungen und von den Ränkespielen, die die Erwachsenen trieben, um sie zu erlangen.

Des Kaisers Bestreben war es gewesen, seinen kleinen Sohn nach Deutschland zu holen, ihn von den dortigen Fürsten zum König erheben zu lassen und ihn damit zu seinem Nachfolger zu machen – doch daraus war nichts geworden. Der frühe Tod seines Vaters hatte verhindert, dass mein Herr wurde, was ihm zunächst in die Wiege gelegt zu sein schien. Und es war nicht die einzige Bürde, die ihm das Schicksal schon in jungen Jahren auferlegte.

Bereits im Alter von drei Monaten war er von seiner Mutter getrennt und nach Foligno in die Obhut der Herzogin von Spoleto gegeben worden. Als im Norden jedoch Unruhen um die Nachfolge des Kaisers ausbrachen, holte seine Mutter Konstanze ihn zu sich nach Sizilien und ließ ihn zum Pfingstfest des Jahres 1198 zum König von Sizilien krönen.

Konstanze war eine kluge und besonnene Frau.

Natürlich wollte sie ihrem Sohn, in dessen Adern auch das Blut des Hauses Hauteville floss, die Herrschaft über die Insel sichern. Vor allem jedoch ging es ihr darum, das Leben des Knaben zu schützen, denn ihr war klar, dass der Reichtum Siziliens Begehrlichkeit weckte.

Doch auch Konstanze war es nicht vergönnt, Friedrich ins Leben zu begleiten. Sie starb im November des Jahres 1198, nur etwas mehr als ein Jahr nach dem Kaiser.

Was es war, das die Königin dahinraffte, habe ich nicht herausfinden können. Vielleicht war es der Gram, der sie ihrem Gemahl so bald folgen ließ, neben dem sie im Dom zu Palermo beigesetzt wurde. Ihr Leben lang war sie zwischen zwei Welten zerrissen gewesen, der von Wärme und Licht durchfluteten Kultur des Südens und der von Eisen und Blut bestimmten Politik ihres Gemahls. Auf dass ihrem Sohn dieses Los erspart bliebe, verzichtete sie für ihn auf seinen Herrschaftsanspruch im Reich just an dem Tag, da sie ihn zum König Siziliens machte, und in ihrem Testament verfügte sie keinen anderen als den Papst in Rom zum Verwalter des sizilischen Königreichs und zum Vormund ihres Sohnes. All dies tat sie, um Friedrich zu bewahren vor den Fledderern der Macht, die bereits gierigen Auges gen Süden starrten und die Klingen wetzten … und sich schon alsbald zeigen sollten.

Zunächst witterten die auf der Insel beheimateten Sarazenen Morgenluft und erhoben sich gegen die christlichen Herren. Zugleich brach Markward von Annweiler, ein deutscher Ritter, der in Ravenna zu Macht gekommen war, mit einem Heer von Raufbolden und Söldnern nach Süden auf, getrieben von der Gier nach Macht und den Schätzen Siziliens.

Zwar stellte sich ihm Walther von Pagliara, den der Papst zum Kanzler der Insel bestellt hatte, in den Weg, doch als auch noch ein weiterer Abenteurer mit Namen Walther von Brienne im Gezänk mitzumischen begann, wechselte der Kanzler die Seiten, und ein Kampf der Herzöge begann, der wie ein Herbststurm über die Insel zog und viele das Leben kostete. Furcht herrschte in den Städten und Dörfern, Willkür war an der Tagesordnung – und obwohl er schon in jungen Jahren all dies Unrecht sah und sich alles in ihm dagegen empörte, konnte der junge Friedrich nichts dagegen unternehmen.

Im Burghof wurde bereits gekämpft.

Hätte die Besatzung des Castrum Maris treu zu Friedrich und dem Königshaus gestanden, hätte ihm innerhalb der Festungsmauern wohl kein Leid widerfahren können. Doch die Zeiten waren unsicher, und niemandem war zu trauen. Und wieder einmal hatte es Verrat gegeben …

»Die Brücke«, erklang es tonlos hinter ihm. »Sie haben die Brücke herabgelassen. Das ist das Ende, junger Herr.«

Friedrich wandte sich um. Hinter ihm stand Wilhelm Francisius, der ihm als sein magister zur Seite gestellt worden war, jedoch noch ungleich mehr war als das. Schütteres Haar und ein weißer Bart umrahmten das Gesicht des Gelehrten, der dem Jungen in mancher Hinsicht Vater und Mutter zugleich ersetzte. Die sonst so milden Züge waren nun voller Sorge.

»Es tut mir leid, Hoheit«, sagte er, und zum ersten Mal in seinem Leben sah Friedrich Tränen in den Augen seines Lehrmeisters glänzen. »Ich wünschte, ich hätte das Versprechen, das ich Eurer Mutter gegeben habe, besser erfüllen und Euch beschützen können. Nun jedoch seid Ihr wie ein Lamm unter Löwen, Euren Feinden schutzlos ausgeliefert.«

Friedrich wandte sich wieder um und blickte in den Burghof hinab. Nur ein kleiner Teil der Garnison leistete Widerstand gegen die deutschen Söldner – und die es doch taten, bezahlten dafür einen blutigen Preis. Im Dutzend sah der Junge sie niedersinken, mit durchbohrter Brust oder eines Körperglieds beraubt. Ihre Schreie hallten an den steinernen Mauern empor und ließen ihn bis ins Mark erschaudern.

Einmal mehr hatte sein weiser Lehrer recht. Der Kampf um die Burg war zu Ende, noch ehe er recht begonnen hatte.

»Ich werde mich ihnen nicht ergeben«, erklärte Friedrich dennoch trotzig und zückte den kurzen Dolch an seinem Gürtel, den er sonst dazu benutzte, Pfirsiche zu teilen oder Kerne aus Datteln zu pulen. »Ich werde kämpfen.«

»Gesprochen wie ein König«, meinte Wilhelm anerkennend, und ein wehmütiges Lächeln glitt dabei über seine ältlichen Züge. An anderen Tagen, als er über Dinge wie Geschichte und Philosophie gesprochen und Friedrich in der lateinischen und griechischen Sprache unterrichtet hatte, war sein Mund übergelaufen vor Mitteilsamkeit. Heute, in diesem Augenblick, schienen selbst ihm die Worte zu fehlen, hatten Furcht und das Bewusstsein der eigenen Ohnmacht ihn überwältigt. »Lasst uns hineingehen, junger Herr«, sagte er nur.

»Um was zu tun? Uns feige zu verstecken?«

»Die Nähe seiner Feinde zu suchen ist töricht – sich ihnen zu entziehen und ihnen zu entgehen hingegen ein Zeichen von Klugheit. Habe ich Euch je die Geschichte erzählt, wie der griechische König Oinopion der Rache seines Feindes Orion entging?«

»Wie?«, wollte Friedrich wissen.

»Indem er sich versteckte – in einer unterirdischen Festung, die der Gott Hephaistos der Sage nach eigens für ihn erbaut hatte.«

Der Knabe überlegte einen Moment. »Ich habe keine unterirdische Festung«, stellte er fest.

»Nein. Aber Ihr seid ein König und habt eine Burg, also nutzt ihren Schutz, so gut Ihr es vermögt. Wenn Ihr es nicht um Euretwillen tun wollt, so tut es für Euren alten Lehrer.«

Friedrich schien einen Augenblick nachzudenken. Das rote Haar, das wirr von seinem Kopf abstand, wehte im kühlen Wind, der die Küste entlangblies und nach Salz und Fischen roch. Schließlich nickte der Junge und schickte sich an, die Turmplattform zu verlassen – als er sich noch einmal umwandte, zu seinem Lehrer zurückkehrte und ihn herzlich umarmte.

Wilhelm wusste nicht, was er darauf erwidern sollte, es stand ihm nicht zu, den König zu umarmen. Dennoch tat er es in einer väterlichen Geste, anschließend strich er ihm sanft über den Scheitel und segnete ihn. Dann wandte der Junge sich endgültig ab und stieg vom Turm hinab, die Klinge behielt er dabei jedoch in den Händen.

Die Kämpfe im Innenhof der Burg waren unterdessen bereits zum Erliegen gekommen. Zwei Dutzend königstreue Wachen lagen erschlagen und verstümmelt in ihrem Blut, Annweiler und seine Schergen schienen keine Gefangenen zu machen. Wer sich offen auf ihre Seite stellte, den ließen sie am Leben, wer sich widersetzte, der wurde getötet, so einfach war das – so einfach in der Tat, dass auch ein Siebenjähriger keine Mühe hatte, die Regeln des Spiels zu begreifen.

Das Herz schlug Friedrich bis zum Hals, während er die steinerne Treppe hinabhuschte. Schon auf halber Strecke konnte er von unten Stimmen und das Klirren von Rüstungen vernehmen, also stahl er sich durch einen schmalen Gang davon, dem er bis ans Ende folgte. Der Tag war grau und bewölkt, sodass nur wenig Licht durch die hohen Fenster fiel. Friedrich war dankbar dafür, denn so war er kaum zu sehen, wie er zu den nahen Säulen und in ihrem Schutz zur großen Halle huschte. Den Dienern, auf die er am Eingang traf, bedeutete er zu schweigen, dann schlüpfte er durch die Tür in den Saal der Burg.

Hier, so hatte Wilhelm ihm berichtet, war schon sein Vater zu Gericht gesessen, hatte seine Mutter mit ihren Edlen gespeist, in glücklicheren Zeiten, in denen noch nicht Brand und Krieg das Reich verwüstet hatten. Nach solchen Zeiten sehnte sich der junge Friedrich, während er an den verlassenen Tafeln vorbei durch die Halle schlich und sich dabei allein und verlassen fühlte.

Er verübelte es seinem Lehrer Francisius nicht, dass er nicht bei ihm blieb, um ihn zu beschützen. Es war nicht Aufgabe eines Gelehrten, den Leibwächter des Königs zu spielen – ganz abgesehen davon, dass der arme Wilhelm das gar nicht konnte. Ein König und erst recht ein Kaiser – das hatte Friedrich aus all den Geschichten gelernt, die sein Lehrer ihm erzählt hatte – musste in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen, so war es stets gewesen, von Kaiser Konstantin bis König Artus. Und er würde jenen Großen und Größten in nichts nachstehen.

Am Ende der Tafel befand sich der große gemauerte Kamin. Die Asche darin war kalt, das Feuer für die Nacht noch nicht angeschürt worden. Mit einem Blick zur Eingangstür vergewisserte sich Friedrich, dass niemand ihn beobachtete. Dann bückte er sich und schlüpfte kurzerhand in den großen Feuerraum, dessen Wände von Ruß geschwärzt waren. Ohne Scheu davor, sich schmutzig zu machen, presste er sich seitlich gegen die Stirnwand, sodass er von außen nicht gesehen werden konnte.

So harrte er aus, mit heftig pochendem Herzen und dem bitteren Brandgeruch in der Nase, ein schmächtiger kleiner Junge mit rotem Haar – und mit dem Herzen eines Königs.

Es dauerte nicht lange, bis er vor der Tür Stimmen hörte. Friedrich erschrak bis ins Mark. Mit Gewalt presste er sich eine rußgeschwärzte Hand auf den Mund, um sich selbst am Schreien zu hindern.

Atemlos lauschte er …

Er konnte nicht verstehen, was draußen gesprochen wurde, die Männer bedienten sich jener fremden Sprache, die er zuletzt als kleiner Junge am Hof von Foligno gehört hatte. Doch der raue Tonfall und der derbe Klang der Stimmen genügten, um Friedrich klarzumachen, dass er keine Gnade zu erwarten hatte, wenn sie ihn fanden.

Würden sie ihn auf der Stelle umbringen? Ihm einfach die Kehle durchschneiden, wie er es bei den Hühnern in der Küche gesehen hatte? Oder ihn blenden wie einen gemeinen Verbrecher? Ihn verstümmeln wie die Soldaten auf dem Innenhof?

Sein Herz hämmerte schwer in seiner Brust. Schweiß war ihm auf die Stirn getreten und rann an den Schläfen herab, hinterließ gezackte Rinnsale in seinem rußigen Gesicht.

Plötzlich flog mit lautem Krachen die Türe auf!

»Wo ist er?«, fragte jemand. Es war volgare, die Sprache des Volks auf Sizilien, deshalb konnte Friedrich es verstehen. Aber die Aussprache war seltsam, rau und derb.

»I-ich weiß es nicht, Herr«, kam die stammelnde Antwort. »Aber ich habe gesehen, dass der junge König in diesen Saal gegangen ist …«

Die Diener, schoss es Friedrich durch den Kopf.

Er war wahrlich von Verrätern umgeben!

Ein Geräusch war zu hören, der helle Klang von Münzen auf dem nackten Steinboden.

»Habt Dank, edler Herr, habt Dank!«, rief der Diener, während er sich offenbar bückte, um das Geld vom Boden aufzulesen, die Belohnung für seinen Verrat.

Alles in Friedrich empörte sich.

Sollte er jemals eine Krone tragen, das schwor er sich in diesem Augenblick, so würde Verrat das Verbrechen sein, welches er am härtesten von allen bestrafte. Und je schlimmer der Verrat, desto schrecklicher würde die Strafe sein …

»Ich grüße dich, kleiner König!«, rief die Stimme mit dem fremden Akzent. »Wir wissen, dass du hier bist, also zeige dich!«

Friedrichs Herzschlag raste, während er fieberhaft versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Er konnte hören, wie die Sporen an den Eisenschuhen der Männer klirrten.

Sie kamen näher …

Der Junge nahm all seinen Mut zusammen.

»Wer seid Ihr?«, rief er laut, wobei er den Griff des Dolches fester fasste.

Spöttisches Gelächter war zu hören.

»Sieh an! Der kleine König hat auch eine Stimme«, sagte der fremde Eindringling.

»Ich bin Friedrich Roger, König dieser Insel«, gab dieser mit vor Angst und Aufregung bebender Stimme bekannt. »Erklärt Euch und Euer Eindringen!«

Wieder gab es Gelächter. Auch der fremde Sprecher lachte diesmal. »Eines muss man dir lassen, kleiner König – Schneid hast du. Also schön – ich bin Markward von Annweiler, Herzog von Ravenna und Romagna und Markgraf von Ancona. Vielleicht hast du ja schon von mir gehört?«

»Das habe ich«, versicherte Friedrich wahrheitsgemäß. »Und nichts Gutes.«

»Ist das so?« Wieder Gelächter. »Dabei bin ich gekommen, um den Willen deines Vaters zu vollstrecken, kleiner König. Er wollte nämlich, dass ich über das Königreich Sizilien herrsche – wenigstens so lange, bis du alt genug bist, um selbst die Krone zu tragen.«

»Ihr lügt«, konterte Friedrich, »ein solches Testament existiert nicht! Das hat mein Lehrer mir gesagt, und er ist der klügste Mensch, den ich kenne.«

»So klug offenbar auch wieder nicht«, beschied der Herzog ihm barsch, »sonst wüsste er, wann er den Mund zu halten hat. Wie ist der Name des guten Mannes? Vielleicht sollte ich ihm die Zunge stutzen …«

»Nein!«, protestierte Friedrich. »Dazu habt Ihr kein Recht! Geht wieder zurück, wo Ihr hergekommen seid, Ihr habt hier nichts verloren!«

»Oder was, mein kleiner König?« Markwards Worte trieften vor Spott. »Ich fürchte, du bist nicht in der Lage, mich oder irgendjemanden sonst zu bedrohen …«

Plötzlich vernahm Friedrich unmittelbar neben sich ein Geräusch. Er warf den Kopf herum – nur um festzustellen, dass er entdeckt worden war!

Der Wortwechsel mit dem Herrn von Annweiler hatte ihn derart abgelenkt, dass er nicht gemerkt hatte, wie sich einer seiner rohen Schergen dem Kamin von der Seite genähert hatte. Nun war der Kerl bereits heran und streckte im nächsten Moment auch schon die Hand aus, um Friedrich zu fassen …

Blitzschnell stach der Junge zu!

Da er die Klinge sonst nur für Obst benutzte, war sie kaum abgenutzt und durchbohrte die Handfläche des Söldners ohne Mühe. Der Mann, ein stämmiger Kerl in einem wattierten Rock und mit blondem Bart, schrie auf und rief etwas in seiner Sprache, das wohl eine Verwünschung war. Noch ehe er ein zweites Mal zupacken konnte, tauchte Friedrich unter seiner heftig blutenden Hand hindurch, in der noch immer der Dolch steckte, und wollte die Flucht ergreifen – doch ein halbes Dutzend grobschlächtiger Kerle verstellten ihm den Weg.

Der größte und – seiner metallenen Rüstung nach – auch edelste unter ihnen stand in der Mitte, breitbeinig und mit in die Hüften gestemmten Armen.

Markward von Annweiler.

»Guten Tag, kleiner König«, sagte der Mann, auf dessen Schultern langes braunes Haar fiel. Seine grauen Augen und die Art, wie er auf Friedrich herabsah, hatten etwas Wölfisches. »Nun sehen wir uns also endlich von Angesicht zu Angesicht.«

Die gehetzten Blicke des Jungen flogen zwischen dem Herzog und seinen Leuten hin und her, die über ihre bärtigen Gesichter breit grinsten, blanke Klingen in den Händen.

Es war klar, dass es kein Entkommen für ihn gab.

Wenn er sich wehrte, so würden sie ihn töten.

Was sollte nur tun?

In späteren Jahren vermochte sich mein Herr nicht mehr daran zu entsinnen, was über ihn gekommen war oder wie es geschah. Doch statt einen aussichtslosen Versuch zur Flucht zu unternehmen, wie andere Kinder seines Alters es wohl getan hätten, zerriss er stattdessen sein seidenes Gewand, formte die Hände zu Krallen und zerkratzte sich damit das Gesicht und die weiße Brust. Dabei zeterte er entsetzlich über die Schmach, die er in diesem Augenblick erlitt.

Anfangs lachten die Söldner und ihr ruchloser Anführer noch.

Doch als Friedrichs Fingernägel Furchen roten Blutes in seinem Gesicht und seiner zarten Haut hinterließen und er dennoch nicht aufhörte, sich zu malträtieren, da hörten sie auf zu lachen und schwiegen, sodass nur noch die Schreie des jungen Königs zu hören waren.

Und schließlich, als Friedrich zu Boden sank, erschöpft und aus unzähligen Wunden blutend, die er sich selbst zugefügt hatte, verstummten auch sie.

»Fürwahr«, sagte der rohe Markward, »ich habe gegen Ritter gekämpft, die weniger mutig waren als du, kleiner König. Am Ende haben sie im Staub gelegen und um ihr Leben gewinselt.«

Friedrichs Blick wanderte an ihm empor. Tränen liefen dem Jungen über die blutigen Wangen, aber kein Laut der Klage kam mehr über seine Lippen. »Werdet Ihr … mich töten?«, fragte er und sah den Herzog dabei direkt an.

Eine Weile lang hielt Markward von Annweiler dem Blick der jungen Augen stand.

Dann wandte er sich abrupt ab.

»Heute nicht, kleiner König«, sagte er, während er mit ausgreifenden Schritten den Saal verließ. »Heute nicht.«