5.


Festung Iato, Sizilien

Juni 1222

Die Nachricht vom Sturz Alaman da Costas und dem unrühmlichen Ende seiner Herrschaft hatte sich rasch verbreitet, und das nicht nur auf der Insel, sondern auch auf dem Festland.

Dass Syrakus in kühnem Handstreich genommen worden war und nicht wenige von da Costas Schergen dabei den Tod gefunden hatten; dass ihr selbstgerechter Herr seiner Besitzungen enthoben und von der Insel verbannt worden war – all das machte Eindruck auf andere Fürsten, die sich dem zurückgekehrten Kaiser und König noch immer widersetzten. Zumal Friedrich seine Kanzlei angewiesen hatte, die Berichte über die Ereignisse von Syrakus noch ein wenig auszuschmücken. Nicht wenige der Edlen, die es zuvor mit dem Welfen Otto gehalten und sich auf ihren Ländereien selbst als kleine Könige gebärdet hatten, ergaben sich daraufhin und unterwarfen sich.

Doch es gab auch solche, die weiter erbittert Widerstand leisteten, und der weitaus Mächtigste unter ihnen war Thomas von Celano, ein abtrünniger Ritter, der sich inmitten der Berge der Abruzzen eine einträgliche Grafschaft angeeignet hatte und nicht daran dachte, sich den neuen Gesetzen zu fügen. Zumal er eine Vielzahl von Burgen sein Eigen nannte, auf die er sich zurückziehen konnte, und eine Streitmacht von 1500 Mann.

Dem Herrn von Aquino, einem seiner neu ernannten Justiziare, übertrug Friedrich die undankbare Aufgabe, den Abtrünnigen aus seinen Verstecken zu treiben und zur Rechenschaft zu ziehen. Es war der Beginn eines beinahe zwei Jahre dauernden Feldzugs, und als er schließlich zu Ende ging, war es nicht der Abtrünnige selbst, der sich ergab und der Gnade des Herrschers auslieferte, sondern seine Gemahlin.

Während der Graf von Celano auf seiner Burg Ovindoli weilte und sie mit allen Mitteln verteidigte, hielt seine Gemahlin, eine beherzte und mutige Frau, mit ihren Getreuen die Bergfeste Roccamandolfi gegen die königlichen Belagerer. Als sie jedoch die Ausweglosigkeit ihrer Lage erkannte, zog sie es vor, sich zusammen mit ihren Söhnen zu ergeben und der Gnade Friedrichs auszuliefern – und mein Herr zeigte Milde. Die Güter des Grafen wurden seiner Gemahlin übertragen, nur er selbst aus dem Königreich verbannt. Seine Söhne aber blieben als Geiseln unter der Aufsicht Hermann von Salzas als Unterpfand dafür, dass die Vereinbarungen auch eingehalten und der abtrünnige Graf nicht aus dem Exil zurückkehren würde.

Doch nicht nur habgierige Fürsten forderten in jenen Tagen Friedrichs Herrschaft heraus, sondern auch die Sarazenen, die sich in den Jahren seiner Abwesenheit auf Sizilien ausgebreitet hatten, die Abwesenheit des Herrschers gleichermaßen nutzend wie die Schwäche seiner Stellvertreter. Mein Herr war nicht gewillt, dem heidnischen Treiben noch länger zuzusehen, und nicht nur, weil er es der Kirche feierlich versprochen hatte; wie Kaiserin Konstanze zu Recht bemerkt hatte, schien ihn eine besondere Leidenschaft zu erfüllen, wann immer er mit den muselmanischen Bewohnern der Insel zu tun hatte. Licht und Dunkelheit schienen ihn dann gleichermaßen zu erfüllen, als würde der Umgang mit den Heiden zugleich das Beste und das Schlechteste in ihm hervorrufen.

Schon den gesamten Winter über hatte er in den Werften des Festlands Kriegsschiffe bauen lassen, zu deren Befehlshaber er Heinrich von Malta ernannte, einen erfahrenen Seefahrer und Streiter, der zuvor am Feldzug gegen Ägypten teilgenommen hatte und nun nach Italien zurückgekehrt war. An der Spitze einer kleinen, jedoch schlagkräftigen Flotte setzte Heinrich im Frühsommer nach Sizilien über, um gegen die Sarazenen vorzugehen, von denen vor allem einer durch seine Kühnheit und Vermessenheit Friedrichs Zorn erregte: Fürst Muhammad ibn Abbad.

Der selbsternannte Emir hatte einen guten Teil der nördlichen Küste zu seinem Gebiet erklärt und regierte dort nicht nur und erhob munter Zölle, sondern ließ auch Münzen prägen, die sein Antlitz zeigten – ein Privileg, das allein dem rechtmäßigen Herrscher vorbehalten war. Eine solche Provokation konnte Friedrich nicht hinnehmen, und so ließ er sich nicht davon abbringen, den Feldzug selbst zu begleiten. Um seine Gemahlin nicht den Strapazen einer weiteren Reise auszusetzen, ließ er sie im Palast zu Catania zurück. Konstanze, zu diesem Zeitpunkt im achtunddreißigsten Jahr ihres Lebens stehend, war geschwächt von der Überfahrt und fühlte sich nicht wohl, als Friedrich sie verließ, doch konnte er nicht absehen, dass es ein Abschied für immer sein würde.

Im Bestreben, an ibn Abbad und seinen Söhnen ein Exemplum zu statuieren, das allen anderen Sarazenen auf der Insel zur Abschreckung dienen mochte, folgte Friedrich dem Heer der Seinen ins Hinterland, wo sich die Burg Iato befand. Diese Festung hatte der Emir zu seinem Hauptsitz erkoren, und das aus gutem Grund: Auf hohem Bergrücken gelegen, war sie nach drei Seiten hin von steil abfallenden Felswänden geschützt. Lediglich über das östliche Plateau war ein Angriff möglich, den Heinrich von Malta beherzt durchführen ließ.

Ohne Erfolg.

Da der von Geröll übersäte Hang kaum Deckung bot, waren die königlichen Soldaten dem Pfeilbeschuss der Sarazenen beinahe schutzlos ausgesetzt. Sich lediglich mit ihren Schilden und hastig gezimmerten Sturmwänden schirmend, arbeiteten sie sich unter hohem Blutzoll bis an die Mauern heran. Doch der Versuch, Leitern anzulegen in ibn Abbads Festung einzudringen, endete in einem Debakel, das viele weitere Soldaten das Leben kostete und dessen Zeuge Friedrich selbst wurde. Denn gerade als sein Tross das Feldlager erreichte, kehrten die vor den Mauern Gescheiterten zurück: Entmutigt und aus zahllosen Wunden blutend, schleppten sie die mit Pfeilen gespickten Leichen ihrer gefallenen Kameraden.

Zu sehen, welches Leid über die Seinen gekommen war, erschütterte meinen Herrn zutiefst, doch schon im nächsten Moment verspürte er brennenden Zorn. Wütend stürmte er in das Zelt des Mannes, dem er den Oberbefehl übertragen hatte.

»Sind meine Befehle nicht eindeutig genug gewesen?«, herrschte er Heinrich an. »Habe ich nicht gesagt, dass ich den vermessenen Muselmanen aus seiner Festung vertrieben haben will?«

»Das habt Ihr durchaus, Herr«, entgegnete Heinrich von Malta, dessen bärtiger Miene der Mangel an Schlaf deutlich anzusehen war, »und ich erbitte Eure Vergebung dafür, dass mir nicht gelungen ist, was Ihr verlangtet, doch war es mir nicht möglich, die Burg für Euch einzunehmen. Der Emir hat klug entschieden, als er sie zu seinem Sitz erkor, im Lauf ihrer langen Geschichte hat sie erfolgreich Karthagern, Römern und Griechen getrotzt.«

»Unter meinem Angriff jedoch wird sie fallen«, erklärte Friedrich. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung, so, als würde er über etwas sprechen, das längst geschehen war.

»Habt Ihr einen Vorschlag, Herr?«

Friedrich überlegte lange. Die Wege der Verhandlung, die er stets bevorzugte, weil sie den schnelleren und dauerhafteren Erfolg versprachen, waren ihm hier verschlossen. Doch das bedeutete nicht, dass er seinen Gegner nicht auf andere Weise überlisten konnte. Papst Innozenz und seine Statthalter vor Ort mochten keinen Wert darauf gelegt haben, dass Friedrich in Kriegskunst und Strategie unterrichtet wurde – doch bisweilen, so hatte er festgestellt, unterschied sich die Politik nicht so sehr vom Kampf, wie man hätte vermuten sollen …

»Wir werden uns zurückziehen«, erklärte er kurzerhand.

»Uns zurückziehen, Herr?« Der Malteser blickte ihn zweifelnd an. »Aber dann wären alle Opfer, die wir gebracht haben, vergeblich gewesen.«

»Wir verlegen das Lager an eine tiefer gelegene Position«, führte Friedrich seinen Gedanken weiter aus, »und werden künftig nur noch kleinere Vorstöße unternehmen, die der Feind mühelos abwehren kann. Auf diese Weise beschäftigen wir ihn und wiegen ihn in Sicherheit – während wir mit dem Bau von Belagerungsanlagen beginnen.«

»Eine Belagerung, Herr? An diesem Ort?«

»Die Felswände, die die Festung nach drei Seiten schützen, verhindern auch, dass jemand von dort entkommen kann. Wir brauchen also nur die östliche Flanke zu blockieren – auf diese Weise werden wir die Versorgung des hochmütigen Emirs unterbrechen und ihn und seine Spießgesellen von der Außenwelt abschneiden. Wir wollen sehen, wie lange seine Festung unter diesen Voraussetzungen uneinnehmbar bleiben wird.«

Und so geschah es.

Bereits am nächsten Tag hallte das Tal des Flusses Iato wider vom Klang der Äxte, die sich in die Stämme der Bäume gruben und sie fällten, worauf die Zimmerleute sie von Ästen und Laub befreiten und dazu benutzten, ein Schanzwerk zu errichten. Die Soldaten hoben Gräben aus, hinter denen sie Palisaden errichteten; mörderisch zugespitzte Pfähle wurden in den Boden geschlagen, um einem eventuellen Ausfall der feindlichen Reiterei zu trotzen.

Friedrich selbst beaufsichtigte den Fortschritt der Bauarbeiten. Mit grimmiger Genugtuung sah er, wie rasch sie vonstattengingen. Zum einen war dies wohl der Tatsache zu verdanken, dass die meisten der Soldaten im Zuge der ersten Angriffe Kameraden verloren hatten und nun darauf brannten, deren Tod zu rächen; aber es war auch die Anwesenheit des Königs selbst, die alle noch zusätzlich anspornte.

Und Friedrichs Plan schien aufzugehen.

Während Heinrich von Malta mit kleinen Trupps immer wieder Vorstöße unternahm, um die Aufmerksamkeit der Sarazenen abzulenken, errichteten die Waffenknechte innerhalb eines halben Mondes am Fuß des Plateaus eine Belagerungsmauer, die den Zugang zum Tal versperrte und stark genug war, um auch einem erbitterten Ansturm zu widerstehen.

Am Mittag des 24. Juni war die Mauer nahezu fertiggestellt, als ein Bote aus Catania eintraf. Der Mann war atemlos und völlig entkräftet, war viele Stunden geritten, um seinem Herrscher eine Nachricht zu überbringen, die keinen Aufschub duldete. Es war eine traurige Nachricht, die Friedrich bis ins Mark traf und die alles andere, selbst den Kampf um die Festung Iato und die Bestrafung des vermessenen Emirs ibn Abbad von einem Augenblick zum anderen eitel und nichtig erscheinen ließ.

Konstanze, seine geliebte Gemahlin und Mutter seines Sohnes, Kaiserin des Römischen Reiches, war tot.