Zu berichten, dass Friedrich trauerte, würde an eine Lüge grenzen. Mein Herr war am Boden zerstört, konnte zunächst nicht glauben, was geschehen war.
Gewiss, Konstanze hatte sich nicht wohl gefühlt, als er Catania verlassen hatte, doch hatte nichts darauf hingedeutet, dass der Allmächtige sie schon so bald zu sich rufen würde. Hätte er es auch nur im Ansatz erahnt, wäre Friedrich bei ihr geblieben und hätte an ihrer Seite ausgeharrt, statt in den zerklüfteten Bergen des Hinterlands einen aufsässigen Emir zu bekämpfen, noch dazu mit mäßigem Erfolg. Wie zuvor übertrug er Heinrich von Malta den Oberbefehl, dann verließ er das Feldlager an den Hängen des Monte Iato und begab sich nach Palermo, wohin er auch den Leichnam Konstanzes bringen ließ.
Wie ein Schwerthieb hatte die Nachricht ihres Todes ihn getroffen und ließ ihn tagelang wanken. Nicht den Kaiser und nicht den König … sondern den Mann. Zwölf Jahre lang war sie seine Gemahlin gewesen, die Frau an seiner Seite und das Licht seines Lebens – nun war es für immer erloschen.
Zahllose, teils wirre Gedanken gingen ihm in diesen Tagen der Trauer durch den Kopf. Mehr denn je dachte er an ihre erste Begegnung zurück, und er schämte sich vor sich selbst dafür, wie ungehobelt und bäuerisch er seiner späteren Kaiserin gegenübergetreten war, noch weit davon entfernt, ein König zu sein, geschweige denn ein Kaiser. Und wie hätte es auch anders sein sollen? Den Bemühungen von Meister Francisius zum Trotz war die Gesellschaft von Sarazenen, Söldnern und Dirnen nicht dazu angetan gewesen, einen christlichen Herrscher aus ihm zu machen. Gewiss, in den Straßen Palermos hatte er gelernt, sich durchzusetzen, hatte er geheimes arabisches Wissen erworben und Gelegenheit erhalten, die Welt durch andere Augen zu sehen; und die Besuche bei den Damen des sündigen Gewerbes hatten schließlich einen vor Manneskraft und Selbstbewusstsein strotzenden Burschen aus ihm gemacht – doch zum Herrscher hatte erst Konstanze ihn werden lassen.
Durch die Geduld, die sie stets mit ihm gehabt hatte.
Durch ihre Sanftmut und Nachsicht.
Und durch ihr Wissen.
Das Gesetz der Straße war ihm vertraut gewesen, doch von den Regeln bei Hofe und den Gefahren, die dort lauerten, hatte er keine Ahnung gehabt. Konstanze war seine Lehrerin gewesen. Sie hatte ihn die Sprache der Diplomatie gelehrt und seine Ohren für das geöffnet, was nicht gesagt, aber dennoch gemeint war. Sie hatte ihn vor den unsichtbaren Fallstricken gewarnt, von denen es bei Hofe so viele gab, und vor den Intrigen, die manche gegen ihn spinnen mochten – und Friedrich war ein gelehriger Schüler gewesen.
Von dem Tag an, da er ihr wahres Wesen erkannt hatte, hatte er ihr aufmerksam zugehört und ihre Lektionen befolgt, und zwischen ihnen war etwas gewachsen, das über bloße Vertrautheit oder rohe Fleischeslust weit hinausging. Es war Liebe gewesen, die sie verband, von Respekt und gegenseitiger Achtung geprägt. Gewiss, Adelheid von Urslingen war nicht die einzige junge Frau geblieben, der Friedrich nachgestellt und bei der er kurzzeitige Zerstreuung gesucht hatte – die Zahl der illegitimen Kinder, die auf diese Weise ins Leben fanden, war in den vergangenen Jahren stetig angestiegen. Doch Konstanze hatte ihn gewähren lassen, wusste sie doch um sein allzu menschliches Begehren – so, wie sie wusste, dass sie und keine andere die Frau an seiner Seite war.
Zum ersten Mal hatte er es ihr bewiesen, als er sie und den kleinen Heinrich in die deutschen Lande hatte holen lassen, wie er es ihr versprochen hatte.
Den zweiten Beweis hatte er ihr erbracht, als er sie vor Gottes Angesicht in der Kirche Sancti Petri zur Kaiserin der Römer hatte krönen lassen.
Ein drittes Mal wollte er ihr seine Liebe und Ehrerbietung durch die Art erweisen, wie er sie zu ihrer letzten Ruhe bettete, einer wahren Kaiserin würdig.
Schon die Auswahl des Ortes war eine bewusste Entscheidung: Palermo war die Stadt, in der Friedrich aufgewachsen war und die er von allen Orten auf dieser Welt am ehesten als seine Heimat bezeichnete – nicht Jesi, wo er geboren war, nicht die rauen deutschen Lande und noch nicht einmal Apulien mit all seinen blühenden Landschaften und grünen Wäldern. Und im Dom zu Palermo, wo auch Friedrichs Vater und seine Mutter lagen, sollte auch seine Gemahlin ihre letzte Ruhe finden.
Eine ganze Nacht lang durchwachte und betete er an ihrem aufgebahrten Leichnam. Das Gewand, mit dem er sie auf ihrem letzten Weg kleiden ließ, war von purpurroter sizilischer Seide und mit kostbaren Perlen bestickt. Und um selbst in ihrem Tode noch zu demonstrieren, dass sie und niemand sonst seine Kaiserin gewesen war, gab er ihr die Krone mit ins Grab, die einst seine Mutter als Königin Siziliens getragen hatte.
Der Sarkophag, den er für Konstanzes letzte Ruhe wählte, stammte noch aus antiker Zeit. An den Seiten war er mit Darstellungen einer Löwenjagd versehen, die so vollendet waren, dass kein Bildhauer unserer Tage sie zustande gebracht hätte. In dieser steingewordenen Erinnerung an ruhmreiche Tage wurde Konstanze, Tochter des Hauses Aragon, zur letzten Ruhe gebettet.
Friedrich wartete lange, ehe er den Sarg verschließen ließ, zögerte den unausweichlichen Moment hinaus, solange er konnte, und vergoss dabei bittere Tränen. Viele, die in jenen Tagen ihren Dienst im Palast versahen, sagten später, sie hätten den Herrscher bis dahin niemals auf diese Weise weinen sehen – und auch später niemals wieder.
Die Beisetzung der Kaiserin fand am Tag des heiligen Kyrill von Alexandrien statt, und kein anderer als Friedrichs treuer Freund und Berater Erzbischof Berard las die Heilige Messe. In den Sarkophag hatte Friedrich folgende Worte meißeln lassen:
Königin von Sizilien bin ich gewesen und angetraute Kaiserin. Hier wohne ich nun, Friedrich, auf immer die Deine.
Von allen, die meinem Herrn im Lauf seines Lebens begegneten, darf ich behaupten, derjenige zu sein, der ihn am besten kannte; denn weder hegte er vor mir Geheimnisse, noch verschwieg er mir je die Wahrheit. Und so kann ich an dieser Stelle mit Überzeugung sagen, dass er in seinem Leben noch viele Frauen lieben sollte und auf mancherlei Weise – aber keine so, wie er Konstanze geliebt hatte.
In einem gewissen Sinn hatten beide einander erschaffen, verdankten das, was sie waren, dem jeweils anderen. Er hatte sie zu seinem Weib gemacht und sie ihn erst zum Mann.
Weitere Ehefrauen sollten folgen – doch keine von ihnen ließ mein Herr jemals wieder zur Kaiserin an seiner Seite krönen.