5.


Brindisi

August 1227

Ein Name ist niemals reiner Zufall.

Zumal dann nicht, wenn er selbst gewählt wurde.

Als Hugolinus von Ostia wie erwartet von den Kardinälen zu Papst Honorius’ Nachfolger bestimmt wurde und den Stuhl Petri bestieg, tat er dies als Papst Gregor, Neunter dieses Namens. Und schon damals hätte mein Herr gewarnt sein sollen.

Denn es war auch einst ein Gregor gewesen, der im Streit zwischen Papsttum und Königsmacht den Salier Heinrich bezwungen und zum Gang nach der Burg Canossa genötigt hatte – dass Hugolinus von allen zur Verfügung stehenden Namen ausgerechnet diesen annahm, sagte viel darüber aus, wie er die Kirche zu führen gedachte: nicht wie sein Vorgänger, nachsichtig und in erster Linie dem Glauben und der Ewigkeit verpflichtet, sondern dem Diesseits zugewandt, mit unnachgiebiger, starker Hand und in vollem Bewusstsein der Macht, die ihm das himmlische Amt auf Erden verlieh.

Es war eine Ankündigung.

Ein feierliches Versprechen.

Und eine unausgesprochene Drohung.

Der neue Papst hatte den Heiligen Stuhl kaum besetzt, als er Kaiser Friedrich eine Note zukommen ließ, in der er ihm als neu gewählter Nachfolger Petri seinen Gruß entbot: »Der Allmächtige«, so schrieb er, »hat dir, Friedrich, Gaben verliehen, so wie dein Talent zur Wissenschaft und deine Vorstellungskraft, in der du der gesamten Christenheit ein Vorbild bist. Doch hüte dich davor, deinen engelsgleichen Geist jenen Trieben unterzuordnen, die du mit Tieren und Pflanzen teilst. Denn wenn du dich zum Sklaven deiner Triebe machst, wird dein Geist geschwächt.«

Mein Herr nahm die Nachricht zur Kenntnis.

Ihm war klar, dass Papst Gregor damit auf seinen Hof zu Foggia anspielte, auf den Prunk, mit dem er sich dort umgab, und auf sein gutes Einvernehmen mit den Sarazenen – genau jene Dinge also, die ihm schon ein Dorn im Auge gewesen waren, als er sich noch Hugolinus genannt und Kardinalbischof von Ostia gewesen war. Doch ging Friedrich davon aus, dass die Ermahnungen des neuen Papstes dem Eifer des Neubeginns entsprungen waren. Er vertraute darauf, dass es Bruder Hermann einmal mehr gelingen würde, die Wogen zu glätten, und dass das gemeinsame Ziel der großen Wallfahrt auch den gestrengen Gregor davon abhalten würde, Maßnahmen gegen den Kaiser zu ergreifen.

Vermutlich hätte mein Herr mit dieser Einschätzung auch richtiggelegen, hätte sich im heißen Sommer jenes Jahres 1227 nicht einmal mehr gezeigt, dass es dem Menschen zwar gegeben sein mag zu planen – dass die Erfüllung jener Pläne jedoch allein in den Händen des Allmächtigen liegt …

Der Kaiser hatte Wort gehalten und die Vorgaben des Vertrages von San Germano in jeder Hinsicht mehr als erfüllt. Im Lauf des Sommers hatte sich die apulische Ebene bei Brindisi in ein gewaltiges Aufmarschgebiet verwandelt.

Aus dem gesamten Reich trafen Pilger ein, die sich zur Wallfahrt verpflichtet hatten und mit dem Kreuz versehen waren: So fand sich wie vereinbart der Landgraf von Thüringen mit einem mächtigen Aufgebot an deutschen Rittern ein, auch aus Hessen, Schwaben, Burgund und dem Elsass waren Streiter in großer Anzahl erschienen; auch diejenigen Städte Oberitaliens, die treu zum Kaiser standen, sandten ihre Kontingente, dazu gesellten sich die Aufgebote der Erzbischöfe von Palermo und Capua; über das Meer trafen von Westen kommend Schiffe mit Tausenden englischer Pilgern ein, dazu fand ein Heereszug französischer Streiter seinen Weg in den Süden Italiens; und auch Friedrich selbst löste seine zu San Germano gegebenen Zusicherungen ein und hatte sowohl die verlangten eintausend Kämpen als auch die für die Überfahrt nach Outremer benötigten Galeeren aufgeboten, die im Hafen von Brindisi bereitlagen.

Nachdem die Unternehmung so zaghaft begonnen und sich ein um das andere Mal verzögert hatte, hatte zuletzt doch echter Eifer das Abendland ergriffen, sodass die Zahl der Pilger selbst die kühnsten Erwartungen noch übertraf. Der Ruf, den die Kirche und der Kaiser gemeinsam an die Christenheit geschickt hatten, hatte nicht nur Ritter und Fürsten erreicht, sondern auch Gemeine, die sich dem Zug in großer Anzahl anschließen wollten. Und so erstreckte sich rings um die Zeltstädte, die die Noblen auf der Ebene errichten ließen, noch ein weiteres, weit weniger gut gerüstetes Lager, in dem das Fußvolk unter freiem Himmel schlief und auf seine Einschiffung wartete.

Natürlich dauerte es nicht lange, bis sowohl frisches Wasser als auch die ohnehin karge Verpflegung knapp wurden. Der Kaiser, der von Melfi aus zum Heer der Pilger stieß, erkannte die drohende Gefahr und übernahm es selbst, Pläne für die Verteilung von Wasser und Brot zu erarbeiten. Seinen Cousin Ludwig von Thüringen, der fortan nicht mehr von seiner Seite wich, ernannte er zu seinem Stellvertreter, und es gelang, die Not der Verpflegung zu lindern.

Somit war alles für die große Wallfahrt bereitet.

Die Pilger waren eingetroffen, gewillt, ihr Leben im Kampf für den Glauben und zur Befreiung der heiligen Stätten zu wagen, und Friedrich hatte alles unternommen, um endlich sein vor so langer Zeit gegebenes Gelübde einzulösen und das größte Heere gen Jerusalem zu führen, das je ein Herrscher unter seinem Banner vereint hatte.

Dann kam das Fieber.