Parceval Doria hatte recht.
Friedrichs Sieg war vollkommen.
Hunderte der einstmals so hochmütigen Mailänder lagen erschlagen in ihrem Blut, weitere Hunderte waren verletzt oder verstümmelt und würden sich niemals wieder gegen den Kaiser erheben, und wiederum Hunderte waren beim Versuch zu fliehen gefangen genommen worden.
Die meisten würden gegen ein entsprechendes Lösegeld wieder freigelassen werden und somit helfen, Friedrichs Kriegskasse wieder aufzufüllen; das Oberhaupt der Aufrührer jedoch, der infame Pietro Tiepolo, würde der Kaiser in seiner Gewalt behalten, als Faustpfand gegen künftige Aggressionen.
Das Heer, das Mailand gegen das Reich formiert hatte, war vollständig aufgerieben worden. Es würde lange dauern, bis die Stadt ihr freches Haupt wieder würde erheben können, zumal auch der carroccio, der vielgerühmte Fahnenwagen der Milaneser und Symbol ihres trotzigen Stolzes, in den Besitz des Kaisers geraten war – und mit ihm auch das Kreuz, das der gute Parceval Doria erbeutet hatte. Selten zuvor war eine Niederlage vollkommener gewesen, selten hatte ein Sieg süßer geschmeckt – und mein Herr hatte vor, ihn bis zur Neige auszukosten.
Die geschlagenen Milanesen überließ er vorerst sich selbst und zog es vor, den Sieg auf jene Art zu feiern, wie schon die Feldherren des alten Rom ihn begangen hatten: mit einem Triumphzug, den der Kaiser in Cremona abhielt, der erbitterten Erzrivalin Mailands. Und er ließ dabei nichts aus, was schon den alten Römern zu Ruhm und Ehre gereicht hatte.
Hoch zu Ross saß er, den Siegeslorbeer um die Stirn, während die Cremoneser ihm zujubelten. Vor ihm her ritten jene seiner Ritter, denen der Kaiser erlaubt hatte, ihn bei diesem größten Siegeszug zu begleiten, sowie seine sarazenischen Leibwachen; hinter Friedrich kamen von Ochsen gezogene Wagen, die die erbeuteten Standarten und Kleinodien zur Schau stellten, darunter auch das goldene Kreuz.
Dann folgte der erbeutete carroccio, den Friedrich – schon das ein Anblick, der beim Volk gleichermaßen für Staunen wie für Bestürzung sorgte – von seinem Elefanten ziehen ließ. Auf dem Wagen aber, der von allen Standarten und Reliquien befreit war, stand kein anderer als Pietro Tiepolo, der Podestà von Mailand, an den leeren Fahnenmast gefesselt wie ein gemeiner Dieb am Pranger.
Ihm folgten weitere Gefangene, milanesische Ritter, Söhne der besten Familien, die, ihrer Rüstungen und Wappenröcke beraubt, nur noch in schmutzigen Lumpen gingen. Schmährufe begleiteten sie, während sie durch die Straßen Cremonas getrieben wurden, und nicht wenige Zuschauer hoben das, was die Pferde der kaiserlichen Eskorte fallen gelassen hatten, vom Boden auf und bewarfen damit die Gefangenen.
Der feierliche, vom Geschrei der Menge begleitete Zug führte bis vor den Palazzo der Stadt, auf dessen Balkon Großhofrichter Petrus de Vinea wartete, wie der Kaiser und seine Ritter in festlichstem Ornat. Von Hörnerklang begleitet, stieg Friedrich aus dem Sattel und begab sich ebenfalls auf den Balkon hinauf, von wo er nicht nur auf seine Ritter und das versammelte Volk, sondern auch auf die mailändischen Gefangenen blicken konnte.
Mit erhobenen Armen gebot Petrus de Vinea dem Jubel der Menge Einhalt. Als der Lärm sich legte, rief er mit Donnerstimme: »Bürger von Cremona! Das Römische Reich frohlocke, und der ganze Erdkreis freue sich über den Sieg unseres Herrschers! Der widerrechtliche Bund der Lombarden jedoch mag erröten vor Scham, und angesichts des Endes, das die Schlacht bei Cortenuova nahm, mögen die Feinde des Kaisers erzittern! Vor allen anderen jedoch mag das elende Mailand zetern und seufzen und sich daran gewöhnen, dem Herrscher der Welt fortan zu gehorchen …«
Die letzten Worte waren kaum noch zu vernehmen in dem Jubel, der nun erneut losbrandete und den Kaiser und seinen Triumph über den verhassten Feind hochleben ließ.
»Victoria! Victoria!«, erscholl es immerzu, und sowohl Friedrichs Getreue als auch seine Leibwächter fielen in die Rufe ein, dazu zückten sie ihre Klingen und schwenkten sie im hellen Sonnenlicht. Und noch am selben Tage ließ Friedrich von seiner Kanzlei Berichte verfassen, die von seinem glorreichen Sieg kündeten und die er in alle Himmelsrichtungen an die Mächtigen der Welt verschickte, selbst zum Papst nach Rom.
So endete Friedrichs Triumphzug an jenem Tag – die guten Nachrichten jedoch endeten vorerst nicht!
Zutiefst erschüttert von den Ereignissen von Cortenuova, gab die Stadt Lodi ihren Widerstand auf und schwor dem Kaiser Treue, und in den Tagen, die folgten, fielen noch weitere Verbündete von Mailand ab. Die Liga der Lombarden, die Friedrich so oft geärgert und herausgefordert, ihm in jungen Jahren gar nach dem Leben getrachtet hatte, zerfiel, und meine Worte reichen nicht aus, um die Hochstimmung, die meinen Herrn in jenem zu Ende gehenden Jahr 1237 befiel, auch nur annähernd zu beschreiben.
Fredericus Secundus war auf dem Höhepunkt seiner Macht und am Ziel seiner Träume, stand kurz davor, sämtliche Gebiete seiner Herrschaft auf eine Weise zu vereinen, wie es zuletzt wohl nur dem großen Karl und vor ihm den römischen Cäsaren gelungen war!
Dazu kam weitere frohe Kunde, denn seine Gemahlin Isabella gebar ihr zweites Kind, und als wollte der Allmächtige selbst den Kaiser belohnen, war es diesmal der erhoffte Thronfolger und Erbe, der das Licht der Welt erblickte, zu Friedrichs tiefer Genugtuung und größter Freude!
Ist es da ein Wunder, dass sich mein Herr in jenen Tagen ein wenig selbst vergaß? Dass ihn der Glanz des eigenen Triumphes blendete?
»Fürwahr«, freute er sich, »der Schöpfer waltet zu meinen Gunsten! Meine Feinde hat er stürzen lassen, mich dagegen erhöht er über alle anderen! Er hat meine Gebete erhört und sichert nicht nur meine Macht, sondern auch den Fortbestand meines Hauses, auf dass es auf ewig herrschen möge! Wer«, so rief er seinen Getreuen zu, mit denen er an langer Tafel speiste, »sollte mir nun noch gefährlich werden können? Wer auf diesem Erdkreis? Sagt es mir!«
Keiner seiner Berater wusste eine Antwort auf diese Frage, denn in der Tat gab es in jenen Tagen wohl niemandem, der meinem Herrn seine Herrschaft hätte streitig machen können … doch das Rad des Schicksals ist wankelmütig, und wen es heute erhöht, der mag morgen bereits sinken.
Weder Friedrich noch jene, die um ihn waren, ahnten es in jenen Tagen, zu groß war die Freude über den errungenen Sieg – doch derjenige, der Friedrich gefährlich wurde, war kein anderer als Friedrich selbst.
In Cremona, wo er seinen Triumphzug begangen hatte und nun auch Hof hielt, empfing er die mailändischen Unterhändler, die unterwürfig um Frieden baten. Tatsächlich waren infolge der verlorenen Schlacht in der Stadt Unruhen ausgebrochen, das Volk verlangte von den Mächtigen, ihren Hochmut fahren zu lassen und sich dem Kaiser zu unterwerfen, auf dass der Zustand des Krieges enden möge und wieder Frieden herrsche; und die Magistrate der Stadt waren nicht in der Verfassung, sich dem Willen der Bürger zu widersetzen.
Sie schickten ihre Gesandten vor Friedrich und boten ihre Ergebenheit und Treue an; sie willigten ein, einen Justiziar des Kaisers in ihrer Stadt zu beherbergen und zu respektieren, und sie erklärten zudem ihren Willen, Friedrich für seine Auslagen im Kriege mit einem Schatz aus Gold und Silber entschädigen zu wollen. Auch wollten sie ihre Feldzeichen dem Kaiser übergeben zum Symbol dafür, dass sie niemals wieder ihre Waffen gegen ihn erheben wollten; und sollte Friedrich, wie vom Heiligen Stuhl gefordert, abermals ins Heilige Land aufbrechen, so wollte Mailand diesmal mit einem eigenen Heer von Kämpfern folgen.
Auf seinem Thron im Palas sitzend, hatte Friedrich dem Vortrag des Angebots gelauscht. Als Sprecher für ihre Sache hatten die Mailänder einen Franziskanerminoriten ausgewählt, der dem Kaiser wohl Ergebenheit und Glaubwürdigkeit vermitteln sollte, nachdem die Stadt in der Vergangenheit so oft seiner gespottet hatte. In seiner schwarzen Kutte stand der schmächtige Mann nun vor dem Kaiser und sah mit großen, erwartungsvoll geweiteten Augen zu ihm auf.
»So«, sagte Friedrich langsam und mit unendlicher Genugtuung, »dies also ist das Angebot, das die besiegte Stadt Mailand mir, ihrem Herrn und Kaiser, unterbreitet.«
»Das ist es, Herr«, bestätigte der Mönch und senkte demütig das kahle Haupt.
»Und nun erwartest du Antwort von mir?«
»Wenn Ihr die Güte haben wollt, Herr.« Der Minorit nickte. »In der Stadt ist ein Aufstand ausgebrochen, die Bürger sehnen sich nach Frieden.«
»Und das sollte mich interessieren? Nachdem sie mich zum Krieg gezwungen haben?«
»Mailand hat seine Vergehen eingesehen, Herr. Und es bereut zutiefst, was es getan hat und was geschehen ist.«
»Schön und gut.« Friedrich nickte. »Doch habe ich das Wort ›Kapitulation‹ aus deinem Mund nicht vernommen. Unterwirft sich Mailand meiner Gnade? Sind die Magistrate bereit, ihren törichten Stolz fahren zu lassen und sich vor des Kaisers Macht in den Staub zu werfen?«
»Bei … bei allem gebührenden Respekt, Majestät«, erwiderte der Ordensmann zögernd, wobei seine dunklen kleinen Augen furchtsam funkelten, »Mailand wurde in der Schlacht geschlagen, aber nicht besiegt.«
»Ich verstehe«, entgegnete Friedrich und nickte bedächtig. »So lass mich dir eine Geschichte erzählen«, fuhr er dann fort. »Sie handelt von einem jungen König, der einst gezwungen war, fremde Lande zu durchqueren und dabei um ein Haar Leib und Leben verloren hätte. Denn seine Feinde stellten ihm nach, und an den Ufern des Flusses Lambro hätten sie ihn beinahe zu fassen bekommen. Mit wenig mehr als dem nackten Leben ist er in jener Nacht entkommen, wofür ihn seine Feinde noch verspotteten und ihm nachriefen, er hätte seine Hosen in den stinkenden Wassern des Lambro gewaschen, mit ihrer Pisse. Und sie verlachten ihn …« Er brach ab, überwältigt von der Macht der Erinnerung, die ihn in diesem Moment überkam, und blickte sinnierend vor sich hin.
»Majestät«, ergriff der Mönch nach einer langen, schweigenden Weile wieder das Wort, »vergebt meine Unwissenheit, aber ich weiß nicht, was jene Geschichte zu tun hat mit …«
»Jener junge König«, fiel Friedrich ihm mit bebender Stimme ins Wort, »bin ich gewesen – und jene, die mich verspotteten, waren Soldaten aus Mailand. Ihr Gelächter kann ich des Nachts, wenn es still wird, noch immer hören, und ich habe mir damals etwas geschworen.« Damit erhob sich der Kaiser auf dem Thronpodest, und seine Gesichtszüge schwollen an und verfärbten sich puterrot.
»Ich will dir sagen, welche Kunde du den Mächtigen der Stadt bringen sollst!«, herrschte er den Mönch und seine Begleiter an, dass seine Stimme von der Decke des Saales widerhallte. »Ihr Angebot ist abgelehnt! Weder will ich ihre kriecherischen Versprechen noch ihr stinkendes Geld – und es wird keinen Frieden geben, solange sie nicht hier vor mir erscheinen, ihre hochmütigen Gesichter in den Staub stecken und mich unter Tränen anflehen, ihnen zu vergeben und sie wieder in meine kaiserliche Huld aufzunehmen!«
Damit warf er die Gesandten aus Mailand hinaus und ließ sie zurückjagen in ihre Stadt, auf dass sie den Oberen dort vom heiligen Zorn des Kaisers berichteten.
Den carroccio aber, den Fahnenwagen, den seine Streiter auf dem Schlachtfeld erbeutet hatten, ließ Friedrich nach Rom bringen, auf dem Kapitol aufstellen und ein Denkmal errichten, zur Ehre des Reiches und zur Freude der Römer – und zum Verdruss Papst Gregors, der das Symbol der Niederlage seiner Verbündeten nun direkt vor Augen hatte.
Meinem Herrn aber ging es nicht darum, den Stellvertreter Christi auf Erden zu erniedrigen, sondern sich selbst zu erhöhen. Von der Euphorie des Sieges getragen, hatte in seinem Kopf ein kühner Gedanke Gestalt angenommen – nämlich nach vollendeter Vereinigung des Reiches seinen Hof von Foggia nach Rom zu verlegen, in das wahre caput mundi, die Hauptstadt der Welt, und von dort aus zu herrschen, wie einst Augustus und seine Nachfolger es getan hatten, und so den Glanz der ruhmreichen Vergangenheit wieder aufzurichten …
Doch Friedrichs hochfliegende Gedanken fanden ein ebenso rasches wie jähes Ende, denn die Antwort der Mailänder ließ nicht lange auf sich warten.
Die Stadt erklärte die Verhandlungen von sich aus für gescheitert und ließ verlauten, dass man lieber mit dem Schwert in der Hand kämpfend zugrunde gehen wolle, als sich einem ungerechten Frieden auszuliefern und womöglich unter dem Beil des Henkers zu enden.
Nicht wenige Städte, die sich der Gnade des Kaisers bereits ausgeliefert hatten, wechselten daraufhin wieder die Seiten und gingen zu Mailand über, und der Krieg ging weiter.
Doch anders als zuvor hatte Friedrich nun auch noch den päpstlichen Groll geweckt.