Kapitel 13
Kim hatte schlecht geträumt. Ihr Onkel war gestorben, der Anwalt hatte einen Fehler gemacht und das Haus an eine entfernte Cousine überschrieben. Sie hatte kein Geld und stand jetzt ohne Dach über dem Kopf da. Anschließend hatte sie von Bradley geträumt. Er hatte ein kleines Kind überfahren, weil er betrunken Auto gefahren war und flüchtete seitdem vor der Polizei. In ihrem letzten Traum war sie mit Rick verheiratet, der ein alkoholabhängiger Schläger geworden war. Er hatte nach wie vor zahlreiche Frauen am Start, die Kim akzeptieren musste, weil sie ohne ihn aufgeschmissen gewesen wäre.
Schweißgebadet wachte sie irgendwann auf. Sie versuchte, die Träume schnell zu vergessen und sich stattdessen daran zu erinnern, was gestern Nacht wirklich passiert war. Sie hatte Sex mit Bradley gehabt. Zum ersten Mal. Wunderbaren Sex, der leidenschaftlich und wild war. Es war so, als ob sie miteinander verschmolzen waren. Sie konnte sich nicht erinnern, dass sie jemals so guten und perfekten Sex gehabt hatte. Dann dachte sie an Bradley und drehte sich um. Er war nicht mehr da.
Und dieses Mal wusste sie, dass er wirklich weg war. Für immer.
Niedergeschlagen irrte sie durchs Haus und traf auf ihren Onkel. Sie versuchte, fröhlich zu wirken. Er sollte sich nicht auch noch ihre Probleme anhören müssen, doch er merkte sofort, dass etwas nicht stimmte.
„Was ist los?“, fragte er, und auf einmal brach es aus ihr heraus. Sie erzählte ihm, dass sie sich in Bradley verliebt hatte, er jetzt aber zurück in L.A. war und sie ihn wahrscheinlich nie mehr wiedersehen würde. Ihr Onkel druckste herum. Er hatte etwas herausgefunden und lange gezögert, es ihr zu verraten.
Er setzte sich zu ihr, um ihr alles zu erzählen.
„Also, eigentlich war es Rick. Er hat Bradley von Anfang an misstraut und sich dann genauer umgehört und recherchiert. Dabei hat er herausbekommen, dass Bradley Johnson gar nicht sein richtiger Name ist. Er heißt Simon Bell und ist ein sehr erfolgreicher Schönheitschirurg aus L.A. Der Name sagt dir vielleicht etwas. Er war mit der Schauspielerin Christine Bell verheiratet, die vor ein paar Monaten tödlich verunglückt ist. Man hat Bradley respektive Simon dafür verantwortlich gemacht und ihn wegen Mordes angeklagt, weil er ein Motiv hatte: Seine Frau hatte wohl eine Affäre mit einem befreundeten Schauspielkollegen. Steve Miller.“
Jetzt horchte Kim auf. Steve Miller. Den Namen kannte sie. Der hatte vor ein paar Tagen im Hotel eingecheckt. „Steve Miller war hier. In Sea Isle City. Bradley ist aus dem Restaurant geflüchtet. Wahrscheinlich weil er ihn dort gesehen hat.“
„Gut möglich. Steve Miller hatte auf jeden Fall eine Affäre mit Bradleys Frau, und er hat das nur herausgefunden, weil er ein paar Tage früher von einer Tagung zurückkam. Steve hat sich wohl in Christines Haus eingenistet, weil er selber verheiratet war und das natürlich geheim halten wollte. Bradley alias Simon muss die beiden dann wohl in flagranti erwischt haben. Die Polizei hat natürlich vermutet, dass Bradley seine Frau absichtlich von der Treppe gestoßen hatte, aber am Schluss stellte sich heraus, dass es doch nur ein tragischer Unfall war.“
Kim war bestürzt, als sie das hörte. Armer Bradley! Erst fand er heraus, dass seine Frau ihn betrog, die daraufhin von der Treppe stürzte und starb, und schlussendlich wurde er des Mordes an ihr beschuldigt.
„Bradley muss sich die ganze Zeit eingeredet haben, dass es seine Schuld war“, überlegte sie laut.
„Man hat ihn ja auch wochenlang verdächtigt. Aber selbst Steve Miller hat bezeugt, dass es nur ein Unfall gewesen war.“ Kim sah Bradley plötzlich mit ganz anderen Augen. Innerhalb von wenigen Sekunden wurde sein ganzes Leben auf den Kopf gestellt. Die Frau, die ihn angeblich liebte und mit der er sein Leben verbringen wollte, hatte ihn mit einem anderen Mann betrogen. Und als er davon erfuhr, stirbt sie und plötzlich sehen alle in ihm den Schuldigen.
Bestimmt musste er seine Praxis schließen und hatte nicht nur alle Patienten, sondern auch seine Freunde verloren. Kein Wunder also, dass er sich nach einem Neuanfang sehnte.
So bestürzt Kim auch über den tragischen Schicksalsschlag war, umso trauriger war sie darüber, dass er es ihr nicht anvertraut hatte. Er hätte ihr doch einfach erklären können, dass es nur ein Unfall war. Sie hätte ihm geglaubt.
Kim fühlte sich innerlich leer, und wahrscheinlich war es in der Tat das Beste, wenn sie Bradley hinter sich ließ und ihn als eine schöne Erinnerung behielt. So schwer es ihr auch fiel.