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Jai wachte um kurz vor zwölf auf. Hanny schlief tief und fest, den Mund leicht geöffnet, und rührte sich keinen Millimeter, als Jai so leise wie möglich, aber de facto lauter als sonst aufstand.

Nancy sah ihn aus einem schwarzen Auge reichlich vorwurfsvoll an, aber Hanny schlief weiter. Auf Zehenspitzen schlich er sich nach unten und staunte nicht schlecht, als er das Chaos vorfand, das Hanny vergangene Nacht in der Küche veranstaltet hatte. Wie es aussah, hatte sie der Heißhunger gepackt, bevor sie zum Tanzen hinaus in den Garten gegangen war. Alle möglichen Sachen lagen angeknabbert herum, als hätte sich eine räuberische Riesenmaus über sie hergemacht.

Summend fing er an aufzuräumen. Jai tat das gerne. Er liebte es, Gummihandschuhe zu tragen und sich mit einem Putzlappen und einer Flasche Reinigungsmittel zu bewaffnen.

Als Hanny schließlich aufstand, war alles picobello sauber, und auf dem Tisch warteten frisch gebrühter Kaffee und ein koreanisches Eiersandwich auf sie.

Leider fühlte Hanny sich, als hätte man ihr aus nächster Nähe mit einer Winchester SXP in den Kopf geschossen, und verspürte herzlich wenig Appetit auf Toast mit Ei, Kohl, Möhren und braunem Zucker. Aber sie war Jai so dankbar für seine Fürsorge, dass sie trotzdem einen Biss wagte. Sie würgte und versuchte es noch mal.

Jai hatte Mitleid mit ihr, nahm ihr das Sandwich ab und aß es selbst. Er servierte ihr stattdessen Kaffee und Orangensaft sowie trockenen Toast und Butter. Lächelnd sah er ihr beim Essen und Trinken zu und leistete ihr Gesellschaft.

Hanny ergriff als Erste das Wort.

»Ich bin saublöd, oder?« Sie lächelte gequält.

»Du kannst es nicht ewig verdrängen, schon gar nicht mithilfe von Alkohol.«

»Ja, ja, ist ja gut ...«, stöhnte Hanny und musste aufstoßen.

Jai schüttelte den Kopf und lächelte mitfühlend.

»Willst du nachsehen, was heute vor der Tür steht?«

Sie schüttelte so energisch den Kopf, wie es ihr unter den gegebenen Umständen möglich war.

»Er ist Arzt. Vielleicht hat er was gegen die Schmerzen hingelegt?«

»Du meinst, statt eines Geschenks, das mir noch mehr wehtut?«

»Wieso gehst du davon aus, dass sein nächstes Geschenk dir wehtun wird?«

»Wieso nicht?«

»Feigling.«

Sie zuckte die Achseln.

»Nö. Bin kein Feigling. Ich weiß nur nicht, ob ich mich überhaupt unfallfrei von diesem Stuhl erheben kann, bevor ich noch eine Tasse Kaffee getrunken habe.«

Bereitwillig schenkte er ihr eine Tasse ein, fasste sich mühselig in Geduld, während sie trank, und ließ den Blick bedeutungsvoll zu Flur und Haustür wandern. Schließlich konnte sie weder seine Blicke noch ihre Kopfschmerzen länger ertragen und ging mit ihm zur Tür.

Das heutige Päckchen war größer als das von gestern. Hanny zog die Strickjacke enger um sich und tat, als ließe sie den Blick über die Landschaft schweifen.

»Ist das nicht ein herrlicher Anblick? Die Landschaft, so schön weiß und ...«

»Ja, wirklich toll. Bis alles grau und matschig wird. So wie dein Gesicht. Wann bist du eigentlich zum letzten Mal draußen gewesen, Hanny?«

Sie sah ihn an. »Ich gehe jeden Tag aus dem Haus.«

Er zog die Augenbrauen hoch. »Um die Post reinzuholen, oder was?«

Sie wich seinem Blick aus. »Ich unternehme Sachen.«

»Wie zum Beispiel?«

»Äh ...« Verzweifelt suchte sie nach einer Antwort, gab sich dann aber geschlagen.

»Siehst du!« Er stupste sie in die Seite. »Du hast keine Ahnung, was du mal machen könntest. Du hast dich in diesem Haus verkrochen wie Osama bin Laden sich in seinem Erdloch. Sogar deine Einkäufe lässt du dir liefern.«

Das wollte sie gerade vehement abstreiten, als der Lieferwagen des Supermarktes vor dem Haus hielt.

»Das ist eine einmalige Ausnahme«, brummte Hanny.

»Morgen, Hanny!«, rief der Fahrer fröhlich und winkte, als er aus dem Wagen sprang.

Jai brauchte gar nichts zu sagen. Er zog einfach nur eine Augenbraue hoch.

»Äh ... Morgen, John.«

Sie wartete, bis er wieder weg war.

Jai winkte dem Wagen hinterher und grinste Hanny wissend an.

»Ist das so wichtig?«, brummte Hanny zu ihrer Verteidigung. »Ja, gut, ich komme also zurzeit nicht sonderlich viel unter Leute. Na und? Wo ist das Problem?«

»Es schadet deiner Gesundheit.«

»Also, ich finde, es kann keinen Schaden anrichten, zu dieser Jahreszeit zu Hause zu bleiben. Überleg doch mal, was alles an Viren herumschwirrt, und dann die vielen Leute, die betrunken Auto fahren ...«

»Du weißt genau, was ich meine. Ich rede von deiner Seele.«

Dagegen konnte sie nichts sagen. Sie wussten beide, dass er recht hatte.

»Wir gehen heute mal aus«, verkündete er in einem ungewöhnlich strengen Ton, von dem Hanny wusste, dass er keine Widerrede zuließ. »Wo geht man hier so hin, wenn man es krachen lassen will?«

»Man fährt nach London«, murmelte Hanny trocken.

»Ach, jetzt komm schon, Hanny. Hier muss es doch auch etwas geben, wo man mal ein bisschen Party machen kann?«

Party? In Little Over? Der Hotspot des Ortes war der Tante-Emma-Laden, und der Höhepunkt des Besuches bestand darin, in der altmodischen Süßigkeitenabteilung ein Pfund Zitronenbonbons und Erdbeerlollis zu kaufen. Im Pub saßen jede Menge Jugendliche, die ihre gefälschten Ausweise vorzeigten und süßen kornischen Cider soffen, als hinge ihr Leben davon ab. Als flösse durch ihre Adern kein Blut, sondern ebendiese goldene Flüssigkeit. Das einzige Restaurant war die reinste Leichenhalle, und zwar nicht nur bezüglich des Fleisches auf den Tellern, sondern auch bezüglich der Gäste. Der »Seniorenteller« war der absolute Favorit auf der ohnehin schon sehr übersichtlichen Speisekarte.

»Der Frauenverein veranstaltet heute Abend im Gemeindehaushaus Bingo«, klärte sie ihn auf.

Sie sahen einander an und prusteten dann los.

»Komm, ich helf dir, die Sachen reinzubringen«, sagte Jai lachend und zeigte auf die Tüten, die der freundliche John gerade abgestellt hatte. »Und das da.« Er nickte Richtung Paket.

Kaum hatten sie die Einkäufe ins Haus gebracht und ausgeräumt, wurde es Hanny wieder übel.

»Ich leg mich lieber wieder ins Bett«, sagte sie, aber Jai hielt sie an der Hand.

»Nichts hinlegen. Du musst mal hier raus. Und wenn es nur ist, um frische Luft zu schnappen.«

»Ich muss ins Bett.«

Jai fasste sie bei den Schultern und schüttelte sie sanft.

»Du musst hier raus.«

»Mir ist hundeübel, ich muss ganz bestimmt nicht raus.«

»Dir wird es an der frischen Luft gleich besser gehen.«

»Es wird mir gleich besser gehen, wenn ich mich hinlege.«

»Wir wissen doch beide, dass du dich unter der Bettdecke nur versteckst.«

»Wenn du mich jetzt gehen lassen würdest, würde ich unter der Bettdecke schlafen!«

»Raus mit dir, Hanny.«

»Ins Bett mit mir, Jai.«

»Luft, Hanny.«

»Seit wann bist du denn so ein Frischluftnazi?«

»Und seit wann bist du ein Eremit?«

Kampflustig sahen sie einander in die Augen.

Dann fiel die Spannung von ihnen ab, und sie lachten.

»Du bist kein Eremit.«

Hanny blies sich eine Strähne aus dem Gesicht und seufzte.

»Danke. Und du bist kein Frischluftnazi. Hast ja recht. Ich habe mich versteckt.«

»Dann lass uns doch mal rausgehen. Einen Spaziergang machen. Mit Nancy.«

»Dafür ist sie noch zu klein.«

»Dann machen wir eben keinen Spaziergang.«

Jai grinste verschwörerisch, schnappte sich ihre Hand und zog sie mit sich zur Küchentür, wo er sich in Rekordzeit Mantel und Stiefel anzog, um gleich darauf Hanny ebenfalls in Mantel und Stiefel zu helfen. Dann zog er sie mit sich hinaus, quer durch den Garten zu dem windschiefen, von Efeu und kahlen Glyzinien überwucherten Verschlag, den Hanny als Garage und Gartenschuppen benutzte.

Jai ließ ihre Hand los, rüttelte an der froststeifen Brettertür, bis sie sich krachend öffnete, und zeigte mit ausladender Geste auf das Objekt seiner geheimen Pläne.

»Wie wär’s mit einer kleinen Ausfahrt?«

Er zeigte auf eine kultige alte Vespa aus den Siebzigerjahren. Quietschrot, wenn man die Staubschicht entfernte. Sie gehörte Hannys Mutter, und da Bastian gerne daran herumgebastelt hatte, wusste Hanny, dass sie fahrtüchtig war. Allerdings hatte sie nun schon lange niemand mehr gefahren.

»Ich glaube nicht, dass die verkehrssicher ist, Jai.«

Doch Jai ignorierte ihren Protest und schwang sich auf den Sitz. Er sah den Schlüssel stecken und grinste fast im Kreis. Aufgeregt hielt er die Luft an, drehte den Schlüssel und juchzte, als der Motor zu Leben erwachte.

Das Ding hörte sich an wie ein Rasenmäher, aber Jais Miene nach zu urteilen, klang es in seinen Ohren wie eine Harley.

»Steig auf, Baby!« Er strahlte sie an.

»Das ist nicht dein Ernst!« Hanny wich einen Schritt zurück und trat dabei fast auf Nancy, die ihnen durch die offene Küchentür gefolgt war. Sie zitterte vor Kälte. Ihr Fell war noch viel zu dünn, um den eisigen Wind abzuwehren. Hanny nahm die Kleine hoch und packte sie unter ihren Mantel.

»Steig auf! Siehst du, Nancy will auch mit!«, behauptete er, als der kleine Hund neugierig die Schnauze aus Hannys Mantel steckte.

»So ein Quatsch.«

»Wieso ist das Quatsch?«

»Weil es gefährlich ist.«

»Wieso gefährlich? Ich habe in Busan Moped fahren gelernt, und wenn ich in einer Millionenstadt wie Busan unfallfrei fahren kann, dann kann ich das wohl auch auf den Landstraßen in Cornwall. Jetzt komm schon!«

Er gab Gas.

Und sah dabei sehr zufrieden aus.

»Nun komm schon«, drängelte er wieder. »Weg mit den Spinnweben.«

»Ich bin noch im Schlafanzug.«

»Na, und? Wen interessiert das? Sieht doch sowieso keiner unter dem Zelt von einem Mantel. Wo hast du den bloß her? ... Ach ... Hanny ... Komm schon, bitte, und wenn es nur einmal die Einfahrt hoch und runter und einmal rund um den Garten ist ... Get the motor running ... Head out on the highway ...«

Schelmisch grinste er sie an und sah, wie es bei ihr dämmerte.

»Komm schon, Hanny! Wie geht’s weiter?« Sein Blick war hoffnungsvoll.

Ihr waren die Zweifel immer noch anzusehen, obwohl gleichzeitig ein Lächeln ihre Lippen umspielte.

»Looking for adventure – in whatever comes my way«, sang sie weiter, und Jai hörte gerade so lange auf, Gas zu geben, wie er brauchte, um freudig in die Hände zu klatschen. Dann schob er das knatternde Gerät ganz dicht an Hanny heran und plärrte: »Born to be wild!«, wobei er das letzte Wort wunderbar schräg und reichlich in die Länge gezogen sang.

Hanny stieg auf.

»Auf geht’s!«, rief Jai, und schon rollten sie los. Im Schnee noch etwas wackelig, auf der inzwischen geräumten Straße dann schon etwas schneller.

Sie boten einen kuriosen Anblick.

Ein bemantelter Asiate in gigantischen Gummistiefeln und eine Europäerin, die sich an seinem schmalen Rücken festklammerte und in einem Schlafanzug mit Blümchenmuster, roten Gummistiefeln und einem Parkamantel steckte, aus dem das Köpfchen eines Hundewelpen herausguckte, dessen lange Ohren im Wind flatterten. Wenn die Polizei sie so gesehen hätte, wären sie auf der Stelle festgenommen worden, aber sie hatten Glück.

Nancy genoss jede Sekunde dieses Abenteuers, bei dem sie über die Landstraßen kurvten, lachten, dem Tempolimit keine Beachtung schenkten (sie fuhren viel zu langsam), über schneeverwehtes Laub und durch eisige Pfützen rutschten und ein paar verdattert dreinschauenden Fußgängern zuwinkten. Sie schmetterten Born to be Wild, obwohl es in dem Lied gar nicht um ein Moped geht, und
I Want To Ride My Bicycle, bis die kalte Luft in ihren Kehlen schmerzte.

Als Jais Hände sich nicht mehr gesund und rosig, sondern eher steif und taub anfühlten und die kleine Nancy sich ganz in die wohlige Wärme unter Hannys Parka zurückgezogen hatte, wo sie friedlich schlief, kehrten sie unfallfrei zum Cottage zurück.

Ihr spontaner Ausflug hatte nicht einmal eine Stunde gedauert, und doch war es, als habe die Welt sich komplett verändert, als sie wieder da waren. Die Sonne schien heller, und das Cottage wirkte nicht mehr vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten. Aber vor allem fühlte Hanny sich nicht mehr so isoliert. Ihr Ausflug hatte tatsächlich so einige Spinnweben beseitigt.

Vielleicht würde ja schon bald der Schnee schmelzen.

So wie Hannys Herz aus Eis.

Nach dem Ausflug mit der Vespa schaltete Jai das von Hanny seit Wochen nicht angerührte Radio ein und machte ein Feuer im Kamin.

Hanny holte die leise schnarchende Nancy aus dem Inneren ihres Mantels und legte sie ganz vorsichtig in ihren behelfsmäßigen Hundekorb. Dann holte sie die lange Zeit vernachlässigte Teekanne aus dem Schrank und machte Tee.

Gemeinsam setzten sie sich an den Küchentisch, auf dem noch immer das Paket thronte.

»Und?«, fragte Jai.

»Und«, antwortete Hanny.

»Soll ich?«

Hanny nickte.

»Oder wollen wir es zusammen aufmachen?«

Sie zögerte einen Moment, aber dann gab sie sich einen Ruck, und sie machten das Paket gemeinsam auf.

Zum Vorschein kam Hannys absolutes Lieblingsgebäck: Schokoladenéclairs.

»Ach«, seufzte Jai, während ihm bereits das Wasser im Mund zusammenlief. »Ach, na klar. Die Dinger.«

Bastian war ein Gourmet – dafür hatte seine Mutter gesorgt. Sie hatte ihm nicht nur mit in die Wiege gelegt, Wert auf gutes Essen zu legen, sondern ihm später auch beigebracht, es selbst zuzubereiten. Nach und nach entwickelte er eine bewundernswerte Vielfalt und beherrschte die französische, italienische und asiatische Küche aus dem Effeff.

Seine größte Stärke war Süßgebäck. Zwar machten sich seine Rugby spielenden, Bier trinkenden Freunde darüber lustig, aber wenn es darum ging, die Ergebnisse seines als »Weiberkram« beschimpften Hobbys zu vernichten, standen sie dann doch Schlange.

Nur Schokoladenéclairs machte er nicht gerne. Nicht etwa, weil ihre Zubereitung zu schwierig gewesen wäre, sondern einzig, weil sie immer so schnell weg waren.

Hanny war süchtig nach dieser Süßigkeit – sie verschlang sie schneller als ein Staubsauger ein Goldkettchen. Darum machte er die Éclaris nur zweimal im Jahr: zu Weihnachten und zu Hannys Geburtstag.

So war es jedenfalls bisher gewesen. Bis zu Hannys letztem Geburtstag. Da hatte er ihre besten Freunde eingeladen und mit großer Hingabe ein Dutzend Éclairs gebacken. Allerdings ohne die Rechnung mit Hannys Appetit zu machen. Bereits am Vorabend hatten sie und Jai sich in ihrem von Wiedersehensfreude befeuerten Übermut über die Éclairs hergemacht und die Köstlichkeiten restlos aufgefuttert.

Bastian hatte ihre schuldbewussten Gesichter gesehen, dann die Ärmel hochgekrempelt und klaglos noch ein Dutzend gebacken. Zwar versteckte er die Éclairs dieses Mal, doch Jai, der alte Zuckerspürhund, fand sie: in der Gemüseschublade des Kühlschranks.

»Die Rückkehr der Schokoéclairs!«, hatte er seiner Komplizin freudig verkündet, als sie das zweite Dutzend als Mitternachtsimbiss verspeisten. Eigentlich war ihnen schon längst schlecht, aber sie futterten trotzdem weiter.

Bastian entdeckte den zweiten Mundraub früh am nächsten Morgen. Dieses Mal lachte er nicht mehr so entspannt. Dennoch stellte er sich tatsächlich hin und machte ein weiteres Dutzend, das er wiederum richtig gut versteckte. Dachte er.

Bis er sah, dass die beiden sich je drei Éclairs zum Frühstück reinzogen.

Das dritte Dutzend war also zur Hälfte vernichtet, und Bastian machte sich daran, ein viertes zu backen. Nolens volens. Grummelnd und vorwurfsvoll dreinschauend rührte er den Brandteig an.

Als er am Abend auf der Party die dieses Mal wirklich gut versteckten Éclairs servierte und Hanny und Jai sich wie die Geier darauf stürzten, hatte er genug, warf mit Wörtern wie »Gierhälse« und »absolut lächerlich« um sich und verkündete, nie wieder Éclairs zu machen.

Und das war sein voller Ernst gewesen. Man sah es Bastian stets zweifelsfrei an, wenn er etwas ernst meinte.

Und sie hatte es ihm angesehen. Hatte die Wolke, die sich vor die Sonne seines Gemüts schob, gesehen.

An jenem Abend.

Hanny sah erst die Schokoéclairs an, dann Jai und schüttelte den Kopf.

»Ich kann die nicht essen.«

Ihr Freund erfasste den Ernst der Lage. Und obwohl seine Miene ehrliche Enttäuschung spiegelte, unterstützte er Hanny voll und ganz.

»Natürlich nicht«, pflichtete er ihr bei. »Nach allem, was er getan hat, dürfen wir nicht einmal dran riechen.«

Jai wusste immer noch nicht, was Bastian sich eigentlich hatte zuschulden kommen lassen – er wusste nur, dass seine geliebte Hanny jedenfalls nichts falsch gemacht haben konnte. Auch ohne lange Erklärungen lag in seinen Augen die Verantwortung für die Beziehungsmisere ganz klar bei dem ehemals wunderbaren, nun verachtenswerten Bastian.

Und deshalb hatte sie recht. Wie sollten sie jemals etwas essen, das der verachtenswerte Bastian gemacht hatte?

Ganz gleich, wie köstlich es auch sein mochte.

Sie erklärten feierlich, das Gebäck an die Vögel zu verfüttern. Dann sahen sie einander tief in die Augen. Und fielen am Ende doch selbst über das Süßzeug her. Ohne Rücksicht auf Verluste hauten sie rein, stopften sich um die Wette voll, bis ihre Wangen mutierten Hamsterbacken glichen und ihre Gesichter schokoladenverschmiert waren.

Und auf einmal bemerkte Hanny, dass sie wieder lächelte. Endlich.