Als General Zia in Erwartung der Panzervorführung mit seinem Feldstecher die Dünen absuchte, entdeckte er den Schatten eines Vogels, der über die flimmernde Landschaft aus Sand glitt. Er richtete das Glas nach oben und hielt Ausschau nach dem Vogel, aber der endlose Horizont war blau und leer, abgesehen von der gleißenden Scheibe der Sonne, die tiefer stand, als ein Himmelskörper es tun sollte. General Zia befand sich in einem Wüstentarnzelt, flankiert von Arnold Raphel, dem amerikanischen Botschafter, und von General Beg, dem Vizechef des Armeestabs. Beg trug seine neuen Drei-Sterne-Epauletten und eine verspiegelte Sonnenbrille. General Akhtar stand, sein Fernglas noch um den Hals, ein wenig abseits und spielte mit dem Kommandostab aus Mahagoni, den er sich seit seiner Beförderung zugelegt hatte. Hinter ihnen reihten sich ein paar Zwei-Sterne-Generäle, Panzerkommandanten und batteriebetriebene Bodenventilatoren, die einen kleinen Sandsturm hervorriefen, ohne tatsächlich Erleichterung von der drückenden Augusthitze zu bringen. Wenigstens schützte das Zelt die Anwesenden vor der brennenden Sonne, die das mit roten Fähnchen abgesteckte Vorführareal in ein glühendes unbewegtes Sandmeer verwandelte.
Durch die Ferngläser mit Lederfutteral, die der Fabrikant der Panzer zur Verfügung gestellt hatte, sahen die Generäle den khakifarbenen Kanonenlauf eines M1 Abrams hinter einer Düne auftauchen. Der Panzer war, wie General Zia interessiert zur Kenntnis nahm, bereits im stumpfen Grün der pakistanischen Armee gestrichen. Handelte es sich um ein kostenloses Probeexemplar oder hatte ein übereifriger General im Verteidigungsministerium bereits einen Scheck ausgestellt?
Der M1 Abrams senkte den Lauf, um General Zia zu begrüßen, und hielt ihn zum Zeichen des Respekts während der Koranlesung gesenkt. Der Religionsoffizier der Panzerdivision wählte für solche Anlässe den Lieblingsvers des Generals: „Haltet fest an Allahs Seil und haltet eure Pferde bereit.“
General Zia ließ das Fernglas sinken und lauschte mit geschlossenen Augen, während er versuchte, die Provision auszurechnen. Sobald die Lesung beendet war, wandte er sich General Beg zu, um die Zahlungsweise für die Panzer zu erörtern. Er sah sein verzerrtes Spiegelbild in General Begs Sonnenbrille. General Zia konnte sich nicht erinnern, ob General Beg diese Brille schon getragen hatte, bevor er ihn zu seinem Stellvertreter ernannt und ihm damit praktisch die Einsatzleitung der Armee übergeben hatte. Als General Zia ihn am Tag seiner Ernennung in seinem neuen Büro in Islamabad aufgesucht hatte, um ihm zu gratulieren, hatte General Beg ihn mit dieser Sonnenbrille empfangen, obwohl der Tag bewölkt gewesen war. Ein weiterer Beweis, falls überhaupt noch einer nötig war, dass Macht die Menschen verdarb. General Zia hasste General Begs Sonnenbrille, hatte aber noch keine Gelegenheit gefunden, ihn darauf anzusprechen. Bestimmt verstieß er damit gegen die Uniformvorschriften. Das Schlimmste war jedoch, dass die Brille ihm ein westliches und ordinäres Aussehen verlieh. Er glich eher einem Hollywood-General als dem Oberbefehlshaber einer islamischen Armee. Außerdem konnte General Zia seine Augen nicht sehen.
General Akhtar beobachtete, wie die beiden inbrünstig miteinander flüsterten, und sein Entschluss stand felsenfest. Sobald die Vorführung beendet war, würde er sich unter einem Vorwand verabschieden und in seiner eigenen Cessna nach Islamabad zurückfliegen. General Zia schien völlig vergessen zu haben, dass er den Vorsitzenden des Generalstabs selbst eingeladen hatte. Dass er „Bruder Akhtar“ bei der wichtigsten Entscheidung seines Lebens zu Rate ziehen wollte. Wenn dies ein Test war, hatte er ihn bestanden. Nun musste er sich in die Nähe des Generalhauptquartiers, des staatlichen Fernsehsenders und seines schwarzen Shervanis begeben, denn in weniger als zwei Stunden musste er seine Rede an die Nation halten. Dieser unvorhergesehene Ausflug hatte seinem Plan noch mehr Tiefe verliehen. Niemand konnte nun behaupten, er sei absichtlich in Islamabad zurückgeblieben. Es würde heißen, er habe einfach Glück gehabt, da er nicht zum Mittagessen in der Garnisonsmesse geblieben sei. Um sich abzulenken, übte General Akhtar stumm an seiner Rede an die Nation.
Während er General Begs langatmiger Antwort über die Zahlungen für die Panzer lauschte, nahm General Zia sich vor, die Sache mit der Sonnenbrille nach der Vorführung ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen. General Beg schwärmte von der unmittelbaren Beziehung zwischen dem geplanten Panzerkauf und der amerikanischen Militärhilfe – alles fiel unter die Klauseln des amerikanisch-pakistanischen Verteidigungsvertrags –, als der erste Schuss krachte.
General Zia beendete abrupt das Gespräch, hob sein Fernglas an die Augen und suchte den Horizont ab. Alles was er sah, war eine Wolke aus Sand. Er stellte das Fernglas scharf, und als der Sand sich legte, sah er die bettlakengroße rote Flagge mit Hammer und Sichel unversehrt auf dem ferngesteuerten Fahrzeug für Schießübungen flattern. Man fühlte sich an ein Golfmobil mit einem Werbetransparent erinnert. Der M1 Abrams war offensichtlich nicht sehr zielgenau. Zia sah zu Arnold Raphel hinüber, der mit seinem Fernglas weiter optimistisch den Horizont absuchte. General Zia wollte einen Witz über den Panzer als kommunistischen Sympathisanten machen, aber der Botschafter schaute nicht in seine Richtung. Weitere mit Zielen bestückte Übungsfahrzeuge kamen über die Dünen: die Nachbildung einer indischen MiG, eine grellrosa gestrichene Geschützbatterie aus Holz, ein Pappbunker mit wie Soldaten gekleideten Puppen.
Der M1 Abrams feuerte neun Mal und schaffte es, jedes einzelne Ziel zu verfehlen. Der Panzer wandte sich wieder dem Beobachterzelt zu und senkte, wie von all den Strapazen erschöpft, erneut den Lauf. Die Generäle salutierten, der Botschafter legte die rechte Hand auf sein Herz. Der M1 Abrams machte kehrte und rollte die Düne hinauf. Die ferngesteuerten Übungsfahrzeuge mit den noch unversehrten Attrappen reihten sich am Fuße der Düne auf. Dahinter erhob sich ein Wüstenwind und eine Sandsäule wirbelte auf das Zuschauerzelt zu. Alle wandten die Gesichter ab und warteten, bis sie vorübergezogen war. Als sie sich wieder umdrehten und den Sand von ihren Mützen und Uniformen schüttelten, sah General Zia, dass die rote Fahne sich von der Plattform auf dem Fahrzeug gelöst hatte und über die Düne davonflatterte. Arnold Raphel sprach zum ersten Mal. „Die haben wir erwischt. Auch wenn es nicht unser Feuer war, immerhin war es eine anti-kommunistische Wüstenstreitkraft.“
Gezwungenes Gelächter ertönte, gefolgt von einem Moment der Stille, in dem alle das leise, aber unverkennbare Heulen des Sandsturms vernahmen. General Beg nahm mit einer übertriebenen Geste seine Sonnenbrille ab. „Eine Prüfung liegt noch vor Ihnen, Sir“, sagte er und machte eine dramatische Pause. „Das Mittagessen. Und anschließend die besten Mangos der Saison.“ Er deutete auf einen mit Kisten beladenen Armeelaster. „Ein Geschenk der Kooperative der Pakistanischen Mangopflanzer. Gastgeber des heutigen Mittagessens ist unser hoch geschätzter Generalstabsvorsitzender Akhtar.“