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Helene hat Angst vor ihrer Libido und schreibt einen anredelosen Brief an das Objekt ihrer Begierde, welcher sie

nachts auf die Straße treibt

»Lieber Olaf«. Nein, urteilte Helene, das klingt wie Poesiealbum. »Mein lieber Olaf«. Zu intim. Vielleicht sogar antiquiert. »Liebe Helene« hatte Olaf auf seine Postkarte vom Bodensee geschrieben, also warum nicht »Lieber Olaf«? Andererseits schrieb sich »Liebe Helene« wesentlich flüssiger und viel natürlicher als »Lieber Olaf«. Hieße Olaf Pierre, so wie Michel Piccoli in diesem schönen Film mit Romy Schneider, dann wäre es etwas anderes. Dann könnte man das Wort »Lieber« sogar ganz weglassen. Alles, was man mit einer Anrede sagen konnte, wäre bereits enthalten, wenn Olaf Pierre hieße. Bei dem bloßen Gedanken an »Pierre« wurde einem schon ganz warm. Aber »Olaf«? Die Falafelbude um die Ecke und der Libanese hinter der Theke kamen ihr in den Sinn.

Ein deutlicher Vorteil Olafs gegenüber Pierre war aber doch, dass Olaf nicht verheiratet war, sie eingeladen hatte und, ganz entscheidend, noch lebte. Ein weiterer Nachteil, neben der Sache mit dem Namen, dass Helenes Herz lediglich ein bisschen in ihrem Hals klopfte, wenn sie sich die Wochen mit Olaf vorstellte. Es raste nicht – vielmehr nahm sie etwas wahr, das sie fast schon vergessen hatte, etwas rein Körperliches nämlich, wenn sie mutig und ehrlich genug war, sich das einzugestehen. Aber das reichte nicht. Ein bisschen Liebe war so gut wie keine.

Woche für Woche predigte sie, man solle Gefühle nicht heucheln, sich erfühlen – wirklich, ein blödsinniges Wort – und danach handeln, sah aber selbst einem schnöden Lustsommerurlaub entgegen. Das, liebe Helene, dachte sie, tut man nicht. Obendrein war sie seit heute Morgen – seit sie die Resultate ihres Besuches im »Lass waxxen« schmerzhaft deutlich bemerkt hatte – überzeugt, überhaupt nicht an den Bodensee und eigentlich rein gar nichts von Olaf zu wollen. Liebte sie ihn tatsächlich – und das wäre ja wohl die Voraussetzung dafür, fünf Sommerwochen mit ihm zu verbringen –, dann müsste sie doch bei dem Gedanken an ihn innerlich verbrennen, anstatt an Falafel zu denken. Ja, Herzstatt Körperrasen müsste sie empfinden, lodern müsste es.

Tat es aber nicht. Olaf war aufrichtig und hatte Aufrichtigkeit verdient. Vielleicht ersehnte Olaf sich viel mehr, als Helene zu geben bereit war. Dann wäre es unehrlich und ordinär, ihn fünf Wochen lang wie eine Kuh zu melken. Wenn es ihm dagegen lediglich um die Fortsetzung einer alten Kollegenfreundschaft ging, wäre alles gut. Die Pickel in ihrer Bikinizone würden ihn nicht die Bohne interessieren. Herrlich entspannt wäre das. Und verflucht enttäuschend. Nach dem ganzen Affentheater der letzten Tage wäre ein rein freundschaftliches Verhältnis nicht zu ertragen. In einem solchen Fall bliebe ihr nur, so zu tun, als habe sie ganz und gar nichts anderes erwartet, geschweige denn gehofft, und wochenlang eine kollegiale bis freundschaftliche Miene aufzusetzen. Olaf würde ihr von seiner neuen Freundin, die gerade fünf Wochen beruflich in New York oder Shanghai war, erzählen. Für eine Mode- oder Kosmetikfirma. Oder als Champagnervertreterin. Nein, diese Schmach würde sie sich ersparen. Und überhaupt: Olaf wohnte weit weg. Was sollte sie letztendlich mit ihm? So toll war er nun auch wieder nicht.

Helene beschloss, zunächst den Text zu schreiben und sich anschließend noch einmal Gedanken über die Anrede zu machen.

»… es tut mir sehr leid, dass ich es nicht möglich machen kann, Dich mit den Jungs zu besuchen. So gern ich es würde! Ich weiß, ich hatte schon so gut wie zugesagt, aber meistens kommt es anders, als man denkt. Es ist wirklich wie verhext. Moritz müssen in drei Wochen die Mandeln entfernt werden. Es ist einfach zu arg mit seinen ständigen Anginen – gerade kämpft er wieder mit einer –, und nun haben wir ausgerechnet diesen Termin bekommen, den wir wahrnehmen müssen, da der nächste im September läge. Das ist aber längst nicht alles: Fabian hat sich beim Fußballspielen so unglücklich den Fuß verstaucht, dass er in den nächsten vier Wochen überhaupt nicht auftreten darf. Er läuft entweder auf Krücken oder liegt – meistens – auf der Couch, der Arme. Noch dazu habe ich drei neue Patienten, die unmöglich fünf Wochen lang auf ihre Therapie verzichten können. Wirklich schwere Fälle. Man müsste das Schlimmste befürchten, ließe ich sie jetzt allein. Du siehst, ich bin mehr als eingespannt, und Du kannst mir glauben, dass mir das gar nicht passt. Ich hatte mich schon sehr auf lustige und erholsame Wochen …«

Hier stockte Helene – »bei Dir«? »mit Dir«? Die Antwort war teuer. Sie hatte sich auf Olaf gefreut, mit oder ohne Bodensee, auf sein Schlafzimmertrampolin, auf sein Gesicht, seine Witze. Auf ihn als Mann. Auf Sonnenuntergänge und Rotwein, mit ihm, nicht bei ihm. Und nun? Wie diesen Brief beschließen? Hätte Olaf doch wenigstens eine winzige Andeutung gemacht, als was er sie erwartete. Als nette alte Kollegin? Hatte er gerade kein Mädchen zur Hand, das ihm seinen Sommer versüßte, und wollte aus der Not eine Tugend machen, indem er sie einlud, um mit ihr über Berufliches zu reden? Schlimm hätte sie das nicht gefunden, wenn von Anfang an nichts anderes im Raum gestanden hätte. Sie hätte sich einfach ihre Kinder geschnappt und wäre Richtung Süden gefahren – entfesselt, frei und mit Haaren an den Beinen einem langen Urlaub entgegen. Aber nun war es zu etwas anderem geworden, zu einem Problem nämlich.

Welcher Blick, welches Wort, welche Geste hatten sie nur dazu verleitet, alle Zeichen auf Sturm zu stellen und sich einer selbstverleugnerischen Quasi-Garbo-Prozedur zu unterziehen, die aus ihr einen mehr oder weniger weiblichen Quasimodo gemacht hatte?

»… am Bodensee gefreut. Wir sehen uns ja hoffentlich auf dem Kongress im Oktober? Bis dahin sei herzlich gegrüßt von Helene, Moritz und Fabian.«

Wie klein von ihr, dachte sie, ihre unschuldigen Kinder in absentia mitgrüßen zu lassen.

Es war elf Uhr durch, die Kinder schliefen seit zwei Stunden, als Helene sich auf den Weg zur Post machte. Der Briefkasten wurde noch einmal um Mitternacht geleert, und so würde Olaf vielleicht morgen schon lesen, was sie ihm notvorgelogen hatte. Je eher, desto besser. Die Nacht war warm, immer noch lag die Temperatur bei gut 26 Grad. Die hautfreundliche Luft roch nach einem Gemisch aus Rosen, Hundehaufen und dem frischen Putz, der der Vergänglichkeit der barocken Pracht seit zweihundertfünfzig Jahren unermüdlich entgegengesetzt wurde, und ließ »Lass waxxen« praktisch vergessen. Bewusst und möglichst gleichgültig an ihren morgigen Tagesplan denkend, ließ sie den Brief in den gelben Kasten gleiten.

Helene atmete lang aus und entschied zum ersten Mal seit Beginn ihrer Mutterschaft, es sei wohl nicht so schlimm, die Jungs noch ein Stündchen allein zu Haus zu lassen. Sie könnte bei Hassan hineinschauen und sich Falafel im Brot bestellen. Obwohl sie längst gegessen hatte, Falafel nicht mochte und auch nicht wusste, wie sie diesen ungewöhnlichen Abstecher rechtfertigen sollte. Und Hassan würde danach fragen. Also schlenderte sie ohne Ziel durch die gefälligen Straßen.

Es war Mitternacht, die Kirchturmuhr tat es kund. Jetzt ging der Brief auf Reisen. Frei wie ein Vogel war sie. Wie ein Vogel Strauß, den Kopf im Sand und flugunfähig. Sie ging im Geiste die letzten elf Jahre durch und kam auf keine einzige Nacht, die sie nicht zu Hause verbracht hatte – von Familienurlauben und einigen berufsbedingten Aushäusigkeiten einmal abgesehen. Immer hatten Herrmann und sie die Kinder bei sich gehabt, wenn sie irgendwo eingeladen gewesen waren, und selbstverständlich vor Mitternacht den Heimweg angetreten. Sie zumindest. Herrmann war oft noch geblieben und erst im Morgengrauen zurückgekehrt, denn je später der Abend … jaja.

Weiß der Kuckuck, wie viele Frauen es waren, die ihren Ehemann ohne Plüschtier und heißen Kakao zur Nacht hatten erleben dürfen, während sie zu Hause den Schlaf der Kinder bewacht und für Herrmann noch eine Thermoskanne befüllt hatte. Es schüttelte Helene bei dem Gedanken an heißen Kakao. Wie viele mögen es gewesen sein, deren Spitzen-BHs er bewundert und mit den Zähnen geöffnet hatte? Und wieso hatte sie sich eigentlich nie dafür ins Zeug gelegt, selbst diejenige zu sein, die vergöttert und begeistert umgarnt wurde? Wie hatte sie bloß verkennen können, welche Rolle sie in Herrmanns Leben von Anfang an eingenommen hatte? Mein Gott, sie hatte das alles studiert und zu Hause den Wald vor Bäumen nicht gesehen. Und jetzt, jetzt war sie frei, war zum ersten Mal um diese Stunde unterwegs, in einer kolossalen Nacht wie dieser, und trottete allein in Birkenstocks und mit Pusteln übersät durch die Straßen. Wie eine alte Katze auf der Suche nach einer gelähmten Maus. Passte am Ende alles ins Bild? War sie feige, ein Wicht, ein Nichts?

Olaf hatte von kitschigen Sonnenuntergängen gesprochen. Das tat man nicht gegenüber Kumpels. Verflucht, dachte sie, einen Tag lang wollte sie Patientin sein und all das, womit sie nicht klar kam, all ihre furchtbaren Erlebnisse mit jemandem besprechen. Doch es gab nichts zu besprechen, nichts aufzuarbeiten. Da waren keine furchtbaren Erlebnisse, und beinahe bedauerte sie diesen langweiligen Umstand.

Sie arbeitete Tag für Tag auf, was sie nichts anging. Die Abenteuer, die das Leben möglicherweise zu bieten hatte: Secondhand-Abenteuer, nicht ihre. Die Abgründe, die sich auftun konnten: Sie würde nicht hineinstürzen. Die Berge, die man erklimmen konnte, wenn man mutig war: ihre Sache nicht. Und nun hatte sie Olaf abgesagt – wie kreuzdumm sie doch war! Was sagte sie immer zu ihren Patienten? Überlegen Sie, was das Schlimmste ist, das passieren kann, und Sie werden sehen, so schlimm ist es gar nicht. Haha, sehr schlau, dachte sie. Was wäre wohl Schlimmes passiert, wenn sie zugesagt hätte? Sie waren wirklich zu beneiden, ihre Patienten, die stets eine plausible Ausrede für das ungezügelte Ausleben ihrer Schrullen parat hatten, wahlweise für das verkrampfte Nichtausleben.

Helene blieb stehen und legte den Kopf in den Nacken, um die Sterne zu betrachten. Pierre, mon cher ami, tu me manques …

Nur dreißig Meter weiter zischelten die Bäume, unüberhörbar für Marie: Schlampe, elende! Einen ganzen Abend hatte sie mit Herrn August Graf von W. verbracht, hatte stundenlang mit ihm auf der Terrasse eines noblen Restaurants gesessen, Hummer gegessen, später Rotwein getrunken, vornehm gescherzt, Zigarillos geraucht, angeregt über Musik und Literatur geplaudert und ihn schließlich da gehabt, wo er hingehörte: auf ihre Liste. Kennengelernt hatte sie ihn vor Jahren in der Wiener Oper, wo er ihr beim Durchschreiten der Sitzreihe derart auf ihren hellgrauen, spitzen Seidenschuh getreten war, dass sie nicht umhinkonnte, sich seiner noch einige Zeit zu erinnern. In der Pause war sie nicht fähig gewesen, ihm ihre Telefonnummer vorzuenthalten. Nun war er hier, hatte der Taufe eines Enkels beigewohnt und der Verwandtschaft erklärt, den Abendflieger noch erwischen zu müssen.

Ich bin ein silbern glänzender Abendflieger, dachte Marie, als sie mit Herrn von W. vor dem Eingang des Hotels stand und im Begriff war, ihn hinaufzubegleiten. Auf gutes Aussehen, relative Jugend und eine gesunde Halbbildung konnte man sich doch immer verlassen. Alles in allem eine feste Größe, mithilfe derer man selbst den Papst herumkriegen konnte, wenn man es darauf anlegte. Wie einfach es doch war, in weniger als einer Sekunde mit den Augen ein Versprechen abzugeben, dem sich nicht einmal der standhafteste Ehemann entziehen konnte. Und wie gähnend langweilig auf Dauer.

Herr von W. war bis auf seinen Vornamen stinklangweilig, fand Marie, und bekam Lust auf eine Wette mit sich selbst. Ein paar wohlgesetzte, von dem sauberen Herrn vermutlich nie zuvor gehörte Worte gekonnt ins gräfliche Ohr gehaucht, und er würde ihr in spätestens einer Stunde sein gesamtes Vermögen überschreiben. Den Löwenanteil würde sie selbst behalten, ein bisschen was Herrn von W. wieder zurückgeben, damit er das städtische Altersheim bezahlen und ab und zu noch in eine Trinkhalle gehen konnte, mit einem beträchtlichen Teil die Killer im Hunsrück bezahlen und den verbleibenden siebenstelligen Betrag an die Leute von Greenpeace schicken, damit sie weiterhin leckere Hummer retteten.

Leider wurde dieser launige Gedanke jäh unterbrochen, als Marie die braunen Birkenstocks auf sich zukommen sah. So wie sie da stand, die eine Hand von der Krawatte des Herrn von W. mehrmals umschlungen, mit der anderen ein Zigarillo in die Höhe haltend, wäre sie gerne in einem Vulkankrater verschwunden, der jedoch – wie immer, wenn man etwas ganz dringend brauchte – nicht zur Stelle war.

Helene sagte nichts, sondern sah Marie nur fest in die Augen, so beinhart, dass diese sich zum Kampf rüstete.

»So eine Überraschung!«, rief Marie und versuchte, um ihre abscheuliche Verlegenheit zu verbergen, ihrer Stimme etwas Unbesiegbares zu verleihen. In unnötig scharfem Tonfall stellte sie die beiden einander vor: ihren Fluggast mit vollem Namen und Titel, Helene lediglich mit »meine Therapeutin«, kein Doktor, kein Name.

Herrn von W. war die Situation nicht unangenehm. Er war gut erzogen und fing mit Helene einen unverfänglichen Smalltalk an. »Ah, das ist interessant. Und Sie genießen ebenfalls die schöne Sommernacht?«

»Nein«, erwiderte Helene kaltherzig, »ich bin Psychiaterin und gehe nachts immer hinaus, um nachzusehen, was meine suizidgefährdeten Patientinnen mit Vaterkomplex so treiben. Manchmal, so wie jetzt, erwische ich eine. Und die Tatsache, dass meine Patientin hier mit Ihnen steht und Sie wahrscheinlich längst um den verlogenen Finger gewickelt hat, vervollständigt ein Bild. DAS ist interessant! Tja.«

»Ach«, vermerkte August Graf von W. Er blickte konsterniert auf Helene, die, erschrocken über ihr Vorpreschen, zu einer Salzsäule erstarrt schien, dann auf Marie, die auf ihre Schuhspitzen glotzte, dann auf seine Armbanduhr und verabschiedete sich in aller Form mit zwei gehauchten Handküssen, wobei er zweimal eine gute Nacht wünschte.

»Mann, muss das frustrierend sein, als chancenloses Mauerblümchen nachts durch die Stadt zu trotten, was? Ich wusste es von Anfang an: Sie sind gehässig, und Sie haben niemanden, der Sie mal ordentlich bumst! Sie mischen sich überall ungefragt ein und markieren den hilfreichen Engel in Sandalen. Aber Sie dürfen sich nicht in alles einmischen! Das dürfen Sie nicht! Sie sind ein neidisches graues Nichts! Ein frustrierter, freudloser Blätterteig sind Sie! Sie gehören in eine Therapie! Was hat Ihnen der Mann getan? Nichts! Er stand nur hier mit mir und hat sich unterhalten. ›Meine suizidgefährdeten Patientinnen mit Vaterkomplex‹! Eine Anmaßung ist das! Das dürfen Sie überhaupt nicht hinausposaunen, und noch dazu ist es der größte Blödsinn! Ich werde Sie anzeigen, und dann vermittle ich Ihnen eine Stelle als Putzfrau!«

Helene hätte sich jetzt gerne an den Oberschenkelinnenseiten gekratzt, doch die Situation ließ das eindeutig nicht zu. »Jetzt halten Sie aber mal die Luft an. Erstens mische ich mich nicht ungefragt ein, denn schließlich sind Sie ja zu mir in die Praxis gekommen, damit ich mich einmische in Ihre Verkorksungen. Zweitens ist die Frage nicht, was mir der Mann getan hat, sondern was Sie ihm getan haben. Für Sie ist er nur ein seelenloses Vehikel, und es ist Ihnen vollkommen egal, wie es in ihm aussieht. Mir ist es übrigens auch gerade ziemlich egal. Drittens habe ich sehr wohl etliche Möglichkeiten, mich zu amüsieren. Viertens tun Sie sich mal keinen Zwang an, mich anzuzeigen. Nur zu!«

Hastig zog Marie an ihrem Zigarillo und deutete, während sie den Rauch ausblies, mit dem Kinn auf das Schummerlicht, das das Schild der »Bar Gauguin« auf die gegenüberliegende Straßenseite warf. »Und trotzdem hätten Sie vorher abbiegen können. Jetzt geht das Hummersterben nämlich weiter, Ihretwegen! – Gehen Sie mit mir einen Kir trinken. Da drüben, wenn man Sie überhaupt reinlässt in Ihren Latschen. Waren Sie denn schon mal in einer Bar?«

Damit hatte Helene nicht gerechnet. Sie spürte, dass sie provoziert werden sollte, ebenso, dass das bereits gelungen war. Zudem lehnten sowohl gesunder Menschenverstand als auch Berufsethos den gemeinsamen Barbesuch mit einer Patientin strikt ab. Doch die Urfrau in ihr bekam Oberwasser.

»Gut, trinken wir etwas, ich denke schon, dass man mich da reinlässt. Und morgen können Sie mich ja immer noch anzeigen«, erklärte Helene, überzeugt, das Richtige im falschen Leben zu tun und gleichzeitig das Gegenteil.