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Sabrina
Montagmorgen, 18. September
Wettermäßig ist es der perfekte Morgen.
Warm genug, um auf der Terrasse meines Lieblingsrestaurants einen Cappuccino zu genießen, aber frisch genug, um den neuen Kaschmirpullover zu rechtfertigen, den ich gekauft habe, um das Herbstwetter einzuläuten.
Eine Spur weniger perfekt ist der Ausdruck auf Lorna Midlers Gesicht. Sie sieht gerade ein Dutzend Fotos von sich in zwölf verschiedenen Sexposen mit ihrem Personal Trainer durch.
Sie scheint am Boden zerstört zu sein, und obwohl ich diesen Job schon seit Jahren mache und eine knallharte Zynikerin bin, fällt es mir schwer, nicht ein klein wenig Mitleid mit ihr zu empfinden.
Damit sie Zeit hat, die Fassung zurückzuerlangen, hebe ich meine Tasse und studiere das kleine Herz, das der Kellner oder die Kellnerin in den Schaum gezeichnet hat, und ich lächele, weil diese Geste zwar süß ist, aber beweist, dass er oder sie mich überhaupt nicht kennt.
Wahre Liebe? Nicht wirklich mein Ding.
Sehen Sie? Ich bin eine Zynikerin.
Lorna schiebt sich ihre Chanel-Brille auf den Kopf und sieht mich entsetzt an. »Das gibt es doch gar nicht, Sabrina. Wie sind Sie da rangekommen?«
Ihr Tonfall ist scharf und aggressiv. Sie hat schnell von niedergeschmettert auf Abwehr umgeschaltet.
Ich wähle einen beruhigenden Tonfall, um ihrem Zorn entgegenzuwirken. »Ich bin nicht auf einen Baum vor Ihrem Stadthaus in der Park Avenue geklettert, falls Sie das wissen wollten.«
»Aber Sie haben jemand dafür angeheuert? Sie – Sie haben irgendeinen schäbigen Privatdetektiv bezahlt, um meine Ehe zu ruinieren?«
Ich nippe an dem Cappuccino, und das Schaumherz löst sich zu einem verschwommenen Klecks auf, während ich dem Drang widerstehe, darauf hinzuweisen, dass sie ihre Ehe ruiniert hat.
»Ich verstehe, dass das frustrierend ist«, sage ich bewusst ruhig.
Lorna schnaubt. »Wie um alles in der Welt können Sie das verstehen? Waren Sie jemals verheiratet?«
Jetzt ist es an mir zu schnauben, obwohl ich es nur im Kopf tue, nicht laut. Eine Ehe war nie Teil meines Lebensplans, und Beziehungen wie die von Lorna sind einer der Gründe dafür.
»Ich kann Sie verklagen«, zischt Lorna mich an, als ich nicht antworte.
Ich zucke nicht einmal mit der Wimper. Es ist eine weitverbreitete Drohung und eine, die keinerlei Gewicht hat. »Das würde ich Ihnen nicht empfehlen. Wir haben einen Vertrag unterzeichnet, der deutlich festhält …«
»Dass Sie für mich arbeiten!«
Ich ignoriere ihren Ausbruch und spreche weiter. »Dass Sie, um sich meine Dienste zu sichern, absolut aufrichtig sein müssen.« Ich hole eine Kopie besagten Vertrages aus meiner Tasche und lege sie ihr auf den Tisch. »Auf Seite zwei stimmen Sie unter Punkt 3a) zu, meine Fragen ehrlich zu beantworten. Mit Ihrer Signatur. In Paragraf 3b), den Sie ebenfalls mit Ihren Initialen versehen haben, stimmen Sie zu, auf Ihre Anzahlung zu verzichten, sollten Sie mich irgendwann im Verlauf unserer Geschäftsbeziehung belügen.«
»Ich habe nie …«
Ich hebe eine Hand, um sie zu bremsen, dann hole ich einen kleinen Rekorder aus meiner Tasche und lege ihn auf den Tisch. »Das ist von unserem Treffen in Bemelmans Bar. Das, bei dem Sie mir ausdrücklich gesagt haben, dass Sie Ihrem Mann treu waren.«
Sie funkelt mich an, aber ich werde den Teufel tun, klein beizugeben.
»Lorna, ich habe die Fotos nicht gemacht. Sie haben mich engagiert, damit ich Nachforschungen über Ihren Mann anstelle, und genau das habe ich getan. Aber Ihr Mann hat entweder Bescheid gewusst oder Ihren Plan durchschaut, denn sobald ich sein Büro betreten habe, hat er mir den Umschlag mit genau diesen Fotos überreicht. Aufgenommen zwei Tage, bevor Sie mich in Bezug auf Ihre eheliche Treue belogen haben.«
Sie befingert ihre Kette. »Sie haben mit ihm gesprochen?«
»Ja. Ich ziehe es vor, direkt mit den Menschen zu sprechen. Ihnen in die Augen zu sehen und ihre physische Reaktion auf meine Fragen abzuschätzen. In diesem Fall war er mir einen Schritt voraus. Er wusste nicht nur, dass Sie eine Affäre hatten, er hatte auch Beweise dafür.«
Sie schluckt nervös. »Also, wie geht es jetzt weiter?«
»Ich lege Ihnen dringend nahe, sich mit Ihrem Mann zusammenzusetzen und ein Gespräch zu führen. Wenn nicht miteinander, dann zumindest über Ihre jeweiligen Anwälte. Das fällt jetzt nicht mehr in mein Gebiet.«
»Aber ich habe Sie engagiert, um sicherzustellen, dass ich bei der Scheidung nicht alles verliere!«
»Nein, Sie haben mich engagiert, um die Natur des Ehebruchs Ihres Mannes zu ermitteln. Sie haben versäumt, Ihren eigenen Ehebruch zu erwähnen, was ein Verstoß gegen unseren Vertrag ist.«
»Na schön«, blafft sie, rafft den Vertrag wieder zusammen und schiebt ihn angewidert über den Tisch in meine Richtung. Sie greift hinter sich, um ihre Gucci-Handtasche von der Rückenlehne ihres Stuhls zu nehmen, und legt sie sich auf den Schoß. »Ich wünschte, ich könnte sagen, ich sei froh, Sie los zu sein, aber ich werde Sie wahrscheinlich wiedersehen, nicht wahr?«
Ich greife nach dem Rekorder und stecke ihn wieder in meine Tasche. »Es passiert tatsächlich öfter, dass ich bei gesellschaftlichen Anlässen meinen früheren Klienten über den Weg laufe, ja.«
Sie lacht. »Wissen Sie, ich habe bis jetzt nie wirklich darüber nachgedacht, aber Sie müssen die mächtigste Frau in Manhattan sein. Zu wie vielen New Yorker Geheimnissen haben Sie Zugang?«
Ich zucke die Achseln und gebe ihr eine ehrliche Antwort. »Zu jeder Menge.«
Ihr Lächeln ist gepresst und unfreundlich. »Ja. Nun. Solange es Geheimnisse bleiben.«
Ich klopfe auf die Papiere, die immer noch auf dem Tisch liegen. »Auch ich habe den Vertrag unterschrieben. Und ich halte meine Seite der Vereinbarungen immer ein.«
Sie steht auf und sammelt den Stapel Fotos zusammen. »Die hier werde ich behalten.«
Ich wedele mit einer Hand. Unbedingt. Sie und ich wissen beide, dass es Duplikate gibt. Mehrere Ausdrucke und digitale Dateien.
Lorna geht wortlos davon, eine schmale Gestalt mit wiegenden Hüften, die die Spring Street entlangschlendert. Sie hat mich mit der Rechnung sitzen lassen, aber bei dem, was ich an Honorar verlange, kann ich ihren Mimosa locker bezahlen.
Ich weiß, Sie denken, ich sei jemand, der von den Problemen anderer Leute lebt.
Irgendwie schon.
Aber ich biete ihnen Lösungen an. Das hat seinen Preis, ja, doch ich betreibe keinen Wucher. Ich bin aufrichtig und lege von Anfang an offen, wie ich vorgehe und was jemand von mir erwarten kann.
Es gibt keine bösen Überraschungen, zumindest nicht von meiner Seite.
Verstehen Sie, ich bringe Dinge in Ordnung. Was im Wesentlichen eine tolle Art und Weise ist zu sagen, dass ich mich um den chaotischen Scheiß kümmere, in den Menschen sich hineinmanövrieren. Ihre schlimmste Schmutzwäsche? Ich komme damit klar. Ihre dunkelsten Geheimnisse? Damit kann ich arbeiten. Aber nur, wenn sie … ehrlich sind.
Es ist mir scheißegal, dass Lorna Midler ihren Muskelprotz von Trainer gevögelt hat. Gott weiß, dass ihr Ehemann kein Heiliger ist.
Aber es ist mir nicht egal, dass sie es mir nicht gesagt hat.
In meiner Branche habe ich mit allen möglichen moralisch verkommenen Menschen zu tun. Betrügern. Ehebrechern. Selbst Menschen, die mit einem Fuß im Gefängnis stehen. Das ist alles Teil des Jobs, und es ist ein Job, den ich mag.
Aber ich weigere mich, mit Lügnern zusammenzuarbeiten.
Im Geiste setze ich Lorna auf meine schwarze Liste – nicht dass ich sie schneiden werde, wenn wir einander in Gesellschaft zufällig über den Weg laufen. Aber wir werden in Zukunft nicht mehr zusammenarbeiten.
»Ms Cross, noch einen Cappuccino?« Ich schaue auf und lächele Javier an, einen der regulären Kellner.
»Ich habe mein Koffeinlevel für heute erreicht. Wir wäre es mit einem Ihrer Kräutertees? Überraschen Sie mich mit dem Aroma. Oh, und die Zeitung bitte.«
Er nickt, und ich lehne mich auf meinem Stuhl zurück und atme die frische Luft mit ihrem Anflug von Herbst ein, während ich die wenigen Fußgänger in SoHo betrachte. Das Viertel rühmt sich einiger der besten Einkaufsgelegenheiten der Stadt, aber dafür ist es noch zu früh am Tag. Daher sind die Straßen ruhig, der Frieden durchbrochen nur von New Yorks allgegenwärtigen Taxi-Rufen.
»Bitte schön, Ms Cross«, sagt Javier, der mit einer Kanne heißem Tee und einer geblümten Porzellanteetasse an meinen Tisch kommt. »Keine Sahne und keinen Zucker, richtig?«
»Gutes Gedächtnis«, lobe ich ihn, während er dampfenden Tee in die Tasse gießt.
Er stellt die Kanne auf den Tisch, neben meine Zeitung und ein Croissant, das er mir mit einem Augenzwinkern überreicht. »Das geht aufs Haus.«
Ich mache mir nicht die Mühe, ihm zu sagen, dass aufs Haus nicht bedeutet, dass die Kalorien des buttrigen Gebäcks nicht auf meinen Hüften landen werden und dass kostenfreie Speisen selten gleichbedeutend mit fettfreien sind.
Trotzdem knabbere ich an der Ecke des Gebäcks, nachdem er gegangen ist, denn das Croissant schlägt den fettarmen griechischen Joghurt, den ich vorhin gegessen habe, um Längen. Ich war fest entschlossen, mir beizubringen, das Zeug zu mögen, aber bisher habe ich kein Glück damit. Es mag gesund sein, aber es ist auch sauer und kann einem knusprigen Croissant nicht das Wasser reichen.
Ich wische mir meine fettigen Finger an meiner Serviette ab und greife nach dem Wall Street Journal. Ich lasse mir jeden Morgen das WSJ und ein halbes Dutzend anderer Zeitungen nach Hause liefern und lese sie von vorn bis hinten. Auf dem Laufenden zu sein, ist extrem wichtig, wenn ich meinen Job gut machen will. Aber mein Treffen mit Lorna war sehr früh am Tag, und ich hatte vorher keine Zeit, meine gewohnte Lektüre zu beenden.
Ich nippe an meinem Tee, während ich die erste Seite überfliege. Ein moderates Erdbeben in der Bay Area, keine Verletzten, soweit bekannt, Gott sei Dank. Politiker bei einem internationalen Friedensgipfel. Ein Hardwaregigant mit einer weiteren rekordverdächtigen Quartalsbilanz.
Ich blättere die Seite um.
Und lasse fast meine Teetasse fallen.
»Oh mein Gott .« Ich beuge mich über die Zeitung und überzeuge mich davon, dass er es wirklich ist, aber … natürlich ist er es.
Auch ohne seinen Namen in der Bildunterschrift ist es klar. Wer sonst würde im Wall Street Journal abgebildet sein, eine halb nackte Frau rittlings auf dem Schoß, die mit dem Rücken zur Kamera sitzt?
Wer sonst würde die Hand auf ihrer Taille haben, sein Grinsen so frech wie eh und je?
Wer sonst, außer Matt Cannon, würde mir den Appetit auf ein absolut hervorragendes Croissant verderben?
Denn das ist es, was Matt Cannon macht. Er stellt mein ansonsten wohlkontrolliertes Leben auf den Kopf, und das bei jeder verdammten Gelegenheit.