5
Matt
Dienstagabend, 19. September
Als ich Sabrina Cross zum ersten Mal begegnet bin, fand ich, dass sie die schönste Frau war, die ich je gesehen hatte.
Und jetzt, vier Jahre später?
Finde ich es noch immer.
Die Frau ist eine perfekte Zehn. Kurven zum Träumen. Ihr langes kaffeebraunes Haar ist durchzogen von goldenen Strähnen, ihre Augen sind durchdringend blau und ihre Gesichtszüge ebenso feminin wie stur.
Sie ist außerdem eine gewaltige Nervensäge.
Ich hasse es, dass ich sie attraktiv finde, aber ich dachte, ich hätte mich mit der Tatsache abgefunden.
Doch heute Abend ist die Anziehung, die von ihr ausgeht, heikler als sonst.
Zum einen versucht sie nicht mal ansatzweise, heiß zu sein. Ihr Haar ist zu einem wirren Knoten zusammengebunden, das Make-up für die Nacht abgewaschen. Ihre Hose mag zwar sündhaft eng sein, ist aber von der bequemen Variante »Abend zu Hause«. Und ich habe nicht gelogen, was meine Überraschung wegen des Sweatshirts betrifft.
Ich habe Sabrina immer nur in engen Kleidern oder knappen Negligés gesehen.
Diese Version ist … weicher. Und absurd reizvoll.
Aber wissen Sie, was nicht weich ist? Mein Schwanz.
Außerdem das mörderische Glitzern in ihren Augen.
»Niemals. Und wenn die Hölle zufriert.«
Sie stellt ihr Glas auf die Theke und greift nach Wodka, offensichtlich in der Absicht, sich einen weiteren Drink zu mixen.
Ich nehme ihr die Flasche Grey Goose aus der Hand und schicke mich an, uns beiden einen weiteren Martini zu machen.
Verdammt, wir werden ihn brauchen.
»Ich brauche dich ungefähr einen Monat lang«, sage ich und versuche, die Ungeduld aus meiner Stimme herauszuhalten. »Die Leute werden es glauben. Wir kennen einander seit Jahren, und es wäre glaubwürdiger, dass Ian uns zusammengebracht hat, als dass ich plötzlich mit einer neuen Frau ausgehe. Außerdem kann ich mich darauf verlassen, dass du nicht den … Aschenputtel-Komplex kriegst oder so.«
Sabrina blinzelt. »Aschenputtel-was?«
»Du weißt schon … schicke Kleider, der Ball …«
Ihre Augen weiten sich. »Ball?«
»Die Gala. Die Wolfe Gala. Da musst du mit mir hingehen.«
Sie lacht und reicht mir die Wermutflasche. »Natürlich muss ich das.«
Okay. Sie zeigt sich also halsstarrig. Darauf war ich vorbereitet.
Ich messe den Wermut ab, kippe ihn in den Shaker und drehe mich zu ihr um. »Verdreifache dein Honorar.«
Sie schüttelt nachdenklich den Kopf. »Ich brauche kein Geld.«
Nein, braucht sie nicht. Ihre Wohnung ist fast so luxuriös wie meine eigene, und selbst wenn sie es nicht wäre, ist sie nicht der Typ Frau, der sich kaufen lässt. Das habe ich vor vier Jahren auf schmerzliche Weise gelernt, und ich habe den ultimativen Preis bezahlt.
Sie.
»Okay, vergiss das Geld«, sage ich, gehe zur Eismaschine und fülle den Shaker. »Was willst du?«
Sie legt den Kopf schräg. »Wie meinst du das?«
»Es muss doch irgendetwas geben, das du willst. Wenn Geld dich nicht reizt, nenn mir etwas anderes.«
»Dein Kopf auf einem silbernen Tablett?«
Ich ignoriere das und konzentriere mich weiter auf die Cocktails. »Ernsthaft. Nenn mir deinen Preis.«
Sie fischt eine Olive aus dem Glas und steckt sie sich in den Mund. »Ernsthaft. Du hast nichts, was ich will.«
Ich könnte ihren frechen Mund küssen, die salzige Olivenlake von ihren Lippen lecken und beweisen, dass sie eine Lügnerin ist. Aber im Moment gibt es etwas, das ich dringender brauche als ihren Körper, wenn auch nur knapp.
Ich schraube den Deckel auf den Shaker und schließe ihn mit einem Faustschlag, härter als nötig. Die Frau ist verdammt stur.
Ich hebe den Shaker an die Schulter und schüttele ihn mit der ganzen Frustration, die in mir steckt. Frustration wegen der Idioten in Vegas, dem Scheißkerl vom WSJ, der Tatsache, dass meine Bosse und meine Kunden so kleingeistig sind.
Und vor allem, dass ich mich auf jemand anderen als mich selbst verlassen muss, um meinen Job zu retten.
Dass es gerade diese
Frau ist, die mir meinen Job retten kann.
Das stimmt zwar vielleicht alles halbwegs, aber es ist nicht die ganze Wahrheit. Sabrina hat recht. Ich könnte wahrscheinlich sogar eine Frau finden, die emotionalen Abstand wahren kann.
Die Wahrheit ist, ich will keine andere. Ich will jemanden, dem ich vertrauen kann, und obwohl ich lieber sterben würde, als es ihr gegenüber zuzugeben, vertraue ich Sabrina.
Wir sagen nichts, während sie drei Oliven aufpickt und den Cocktailspieß in ihr Glas stellt. Wir greifen beide gleichzeitig nach der Zitrone, und meine Hand schließt sich über ihrer.
Eine andere Frau hätte die Hand vielleicht zurückgerissen, aber Sabrina Cross hat nichts Nervöses oder Zögerliches. Stattdessen sieht sie mich an und zieht die Brauen hoch. Reiß dich zusammen.
Ich nehme langsam meine Hand von ihrer und lasse die Fingerspitzen auf ihrer glatten Haut verweilen, bevor ich sie ganz zurückziehe.
Sie lässt sich Zeit mit der Zitronenscheibe. Schält die Zitrusfrucht vorsichtig ab und schiebt sie mit Bedacht auf mein Glas.
»Ich will nichts von dir«, wiederholt sie, und mein Magen krampft sich resigniert zusammen. »Aber … ich kann jemanden für dich finden, der perfekt für den Job geeignet ist. Jemanden, der besser dafür ist als ich. Du musst mir in dieser Sache vertrauen. Das ist mein täglich Brot, Matt. Ich bringe nicht nur Dinge in Ordnung, ich weiß, wie
man sie in Ordnung bringt. Und ich kenne jede Menge lediger Frauen, die absolut ehetauglich sind. Sie werden …«
»Nein«, unterbreche ich sie. »Ich will keine ehetaugliche.«
In diesem Punkt bin ich sehr, sehr klar. Als jemand, der nicht die Absicht hat, jemals zu heiraten, weigere ich mich, eine Frau an der Nase herumzuführen, die genau das will.
»Ich bin verwirrt«, sagt Sabrina, drückt sich einen Finger zwischen die Brauen und mustert mich. »Die Leute sollen denken, du würdest dich mit einer Frau zusammentun, aber du willst keine Frau, die die Absicht hat, sich mit jemandem zusammenzutun? Wie soll das gehen?«
»Ich will eine Frau, die so tut
, als würde sie sich mit mir zusammentun.«
»Okay. Da habe ich ebenfalls Beziehungen.«
»Ich will deine verdammten Beziehungen nicht, Sabrina, ich will dich!«
Ich hole tief Luft und versuche mein Temperament zu zügeln. Sie beherrscht das Gespräch, und das ärgert mich fürchterlich. Mein erster Instinkt ist es, den Spieß umzudrehen, denn das ist es, was wir tun – wir kämpfen um die Vormacht, selbst wenn es bedeutet, den anderen quasi in die Knie zu zwingen.
Aber sosehr es mich schmerzt, ich brauche ihre Hilfe dringender, als ich die Oberhand brauche, daher balle ich eine Faust und zwinge mich, geduldig zu antworten. Ehrlich.
»Du machst mich verrückt, aber ich vertraue dir. Nur
dir.«
Ich halte den Atem an und sende ihr die stumme Botschaft, mich nicht in Stücke zu reißen, weil ich das in den Raum gestellt habe.
Es folgt eine lange Pause, während derer sie mich mit undeutbarer Miene beobachtet.
»Dann vertrau mir, dass ich jemand anderen finden kann«, antwortet sie schließlich.
Ich stoße den Atem aus, den ich angehalten habe. Scheiße.
Obwohl … Ich kneife die Augen zusammen, denn in ihren Zügen liegt etwas, das über die gewohnte halsstarrige Entschlossenheit hinausgeht. Etwas …
Sie macht Anstalten, sich zu entfernen, und ich halte sie am Arm fest, als mir klar wird, was dieses Etwas ist. »Du hast Angst
.«
Sabrina lacht spöttisch. »Wovor?«
Ich habe keine Ahnung, aber ich kenne sie gut genug, um zu wissen, was sie zur Tat schreiten lässt – der Tat, die ich will.
Ich beuge mich leicht vor. »Du fürchtest dich davor, dass du es nicht kannst. Dass du nicht so tun kannst, als wären wir ein Paar, ohne zu wollen, dass es Wirklichkeit wird.«
Diesmal bekomme ich ein Schnauben. »Das hättest du wohl gern. Oder?«
Ich lächele sie langsam und höhnisch an. »Probier’s aus. Beweise mir, dass du keine Angst davor hast, dich in mich zu verlieben.«
»Oh Gott.« Sie zieht ihren Arm weg. »Die Tour funktioniert wirklich nicht bei mir.«
Ich zucke mit der Achsel und halte meinen Gesichtsausdruck neutral, als ich an meinem Drink nippe.
Das Schweigen zieht sich hin, und sie gibt einen Laut der Entrüstung von sich. »Du bist nicht so unwiderstehlich, wie du glaubst. Von deiner Aufschneiderei nach dem Motto ›Ich breche die Herzen der stolzesten Frauen‹ kann einem ganz schlecht werden.«
Ich ignoriere das und trete zu ihrem Kühlschrank, obwohl ich nicht hungrig bin. »Gibt’s was zu essen?«
Genau wie ich erwartet habe, springt Sabrina herbei, schlägt mit ihrer Handfläche gegen die Kühlschranktür und funkelt mich an. »Du bist der Letzte, in den ich mich jemals verlieben würde.«
»Hast du dich schon mal verliebt?«, frage ich ein wenig neugierig.
»Natürlich nicht.«
»Du glaubst nicht daran?«
Sie beißt sich auf die Lippe, als ob sie sich über die Antwort unsicher ist. »Jedenfalls nicht an dauerhafte romantische Liebe wie im Kino.«
»Bestens.«
Wieso bestens?«
»Weil das bedeutet, dass es kein Problem geben sollte, wenn du meine Freundin spielst.«
Sie lacht leise und legt ihren Kopf an die Kühlschranktür. »Du gibst wohl nie auf.«
»Und du bist stur. Ehrlich. Wobei … wovor hast du solche Angst?« Ich frage das leise.
Für einen Moment ist ihr Gesichtsausdruck unergründlich. Dann lächelt sie ein träges Lächeln und beugt sich leicht zu mir vor. »Weißt du, für jemanden, der ausgesprochen beziehungsfeindlich eingestellt ist, bist du ziemlich besessen von der Idee, ich könne mich in dich verlieben.«
Sie wird meine Frage offensichtlich nicht beantworten, und ich verdränge meine Enttäuschung. Herauszufinden, warum Sabrina ist, wie sie ist, würde teuflisch schwer sein. Das habe ich schon immer gewusst.
»Was soll ich sagen, die Apokalypse fasziniert mich.« Ich lehne mich mit einer Schulter an den Kühlschrank und ahme ihre Pose nach.
»Zumindest räumst du ein, dass schon das Ende der Welt kommen muss, bevor ich für dich etwas anderes empfinde als toleranten Abscheu.«
»Ganz meinerseits«, gebe ich zurück und hebe mein Glas, um ihr zuzuprosten.
Sie lässt ihr Glas gegen meines klirren, obwohl sie die Stirn runzelt und eine winzige Falte zwischen ihren dunklen Brauen auftaucht. »Du glaubst wirklich, dass ich es nicht kann? Einen Monat als deine Begleiterin verbringen, ohne mich Hals über Kopf zu verlieben?«
Ich stoße mich vom Kühlschrank ab, gehe zur Theke und stelle meinen Drink weg. »Es spielt keine Rolle, was ich glaube.«
Sie folgt mir und berührt mich am Arm. »Könntest du es?«
»Was denn?«
»Einen ganzen Monat in meiner Gesellschaft zubringen, ohne meinen Reizen zum Opfer zu fallen.« Sie sagt es spöttisch, aber die Frage ist offensichtlich eine Herausforderung.
Ich war noch nie der Typ, einer Herausforderung auszuweichen, und einer Herausforderung aus ihrem Mund? Vergessen Sie es.
»Ich denke, das würde mir gelingen.«
»Weißt du«, erwidert sie und mustert mich eindringlich, »du hast mich ins Grübeln gebracht.«
»Gefährlich«, murmele ich.
»Vielleicht könnte uns diese Sache guttun.«
Mein Herz krampft sich in meiner Brust zusammen, als mir klar wird, dass sie tatsächlich in Erwägung zieht, bei meinem Plan mitzumachen. »Ach ja?«
Sabrina nickt. »Diese komische Geschichte zwischen uns … die Tatsache, dass wir nicht beieinander sein können, ohne uns zu fetzen oder uns gegenseitig die Kleider vom Leib zu reißen …«
»Nur der Form halber, ich bin immer ein Fan von Letzterem.«
Sie schenkt mir ein schwaches Lächeln. »Ja, aber es ist nicht … gesund. Es ist schwierig für unsere Freunde; es ist hart für uns
.«
»Und du meinst, wenn wir Zeit miteinander verbringen, wird sich das regeln?«, frage ich, darauf bedacht, die Skepsis aus meiner Stimme herauszuhalten. Das Letzte, was ich will, ist ihr auszureden, mir zu helfen, aber ich kann mir eine Welt nicht vorstellen, in der Sabrina Cross und ich länger als eine Stunde zusammen sein können, ohne die allgegenwärtige sexuelle Spannung zwischen uns zu lindern, entweder durch Streiten oder durch Sex.
»Ich glaube schon«, sagt sie und lächelt, bevor sie an ihrem Drink nippt. »Wenn wir uns in der Öffentlichkeit als Paar ausgeben, könnte uns das lehren, wie wir höflich miteinander umgehen können, und die fast ständige Nähe zu dir wird mich definitiv von meiner unklugen Anziehung zu dir heilen.«
Ich runzele die Stirn. Obwohl ich spüre, dass ich kurz davor stehe, meinen Willen zu bekommen, weiß ich ganz und gar nicht, ob mir gefällt, worauf sie damit hinauswill.
Trotzdem, ich bin ein verzweifelter Mann. »Bedeutet das, dass du es tun wirst?«
»Unter einer Bedingung.«
»Nenne sie mir«, fordere ich sie auf, und mein Puls hämmert angesichts des Versprechens auf einen Sieg, den ich am Horizont aufziehen sehe.
Sie sieht mich an. »Keine Bettgeschichten mehr.«
»Keine andere Frau bis nach der Wolfe Gala. Kapiert.«
»Nein, ich meine, zwischen uns
läuft nichts mehr«, korrigiert sie mich und benutzt ihr Glas, um zwischen uns hin und her zu deuten. »Wir machen das, und wir halten die Sache sauber. Buchstäblich. Ich werde nicht deine unechte Freundin sein und
deine Feindin mit Extravergünstigungen.«
Ich hasse
diese Idee. Ich hasse sie abgrundtief.
Sabrina und ich schlafen nicht oft zusammen. Von wegen Selbsterhaltungstrieb und so. Aber der Gedanke, niemals dem Drang nachgeben zu können, sie niemals berühren zu dürfen …
»Das eine oder das andere, Cannon«, sagt sie leise. »Du kannst mich als deine feste Freundin ausgeben, oder du kannst mich gelegentlich wegen eines One-Night-Stands anrufen.«
»One-Night-Stand, dass ich nicht lache«, murre ich. »Du initiierst diese Begegnungen genauso oft wie ich.«
»Tja, das werde ich in Zukunft nicht mehr tun. Nicht so lange wir vorgeben, verliebt zu sein.«
Sie sieht mich an und klimpert mit den Wimpern.
»Das ist eine scheißblöde Regel«, protestiere ich. »Wenn wir zusammen durch diese Hölle gehen, können wir uns dabei genauso gut ein wenig amüsieren.«
Sie zuckt die Achseln. »Entweder so oder lass es bleiben. Natürlich darf es gelegentliche Berührungen geben, um die skeptische Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass wir ein Paar sind. Aber wenn wir unter uns sind, behalten wir die Hände bei uns. Das ist der Deal.«
Ich mustere ihre perfekten Gesichtszüge und grübele darüber nach. »Ich darf dich also berühren, und ich darf niemanden sonst berühren. Gilt das in beide Richtungen? Auch auf deiner Seite keine Männer?«
Sie zögert einen Sekundenbruchteil, und nur Junos sanftes Schnarchen aus dem Hundebett in der Ecke unterbricht die Stille. »Okay. Das ist fair. Keine anderen Männer.«
Scheiße.
Verflixte Scheiße. Damit hat sie mich im Sack.
Nicht nur wegen meines Rufes, nicht nur wegen meines Jobs werde ich dieser Sache zustimmen. Denn der Deal bedeutet, dass ich einen Monat frei von dem Bild anderer Männer sein werde, die diese Frau berühren. Ich werde außerdem so tun können, als ob sie zu mir gehört, selbst wenn es in Wirklichkeit nur Show ist.
Nur zu mir.
Ich hebe mein Glas. »Wir haben einen Deal.«
Sie blinzelt überrascht, erholt sich aber schnell und hebt ebenfalls ihr Glas. »Schön. Gut.«
Wir sehen uns in die Augen, als wir anstoßen, und mir wird klar, dass ich mich geirrt habe. Ich dachte, der härteste Teil dieser ganzen Sache würde darin bestehen, anderen vorzuspielen, ich sei verliebt, obwohl ich nicht einmal an Liebe glaube.
Jetzt weiß ich es besser.
Das Schwerste wird sein, die Hände von der einzigen Frau zu lassen, die ich jemals gewollt habe.