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Matt
Sonntagsbrunch, 24. September
Wissen Sie, was ein ziemlich fantastischer Plan ist?
Wenn man einen Sehen-und-gesehen-werden-Brunch im Lieblingsrestaurant seiner Chefs einfädelt, in der Hoffnung, dass man ihnen vielleicht über den Weg läuft und mit seiner »Freundin« angeben kann.
In der Sekunde, als ich das Rosemary’s betrete, weiß ich, dass mein Plan sich gleich auszahlen wird, denn wer sitzt am Tresen? Sam und Samantha Wolfe, neben Adam Feinstein, einem exzentrischen Milliardär, der für seine konservative Anlagestrategie bekannt ist.
Nun gut, es läuft nicht ganz genau so, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich hatte den Tisch bewusst ungewöhnlich früh gebucht und war dann mit Absicht weit vor dem Zeitpunkt der Reservierung eingetroffen, noch vor Sabrina.
Mein Plan sah vor, dafür zu sorgen, dass ich einen Tisch an der Tür bekäme, sodass ich bei der Ankunft der Sams auf dem Präsentierteller mitten in einem gemütlichen romantischen Brunch mit meiner »Freundin« gewesen wäre.
Aber … es geht auch anders. Zumindest bin ich fest entschlossen, dafür zu sorgen,
dass es klappt.
Ich melde mich bei der Hostess an und weiß ganz genau, dass mein Tisch, da ich früh dran bin, noch nicht fertig ist. Sie versichert mir, dass mein Tisch »trotzdem vorzeitig« fertig sein werde, wenn ich am Tresen warten wolle. Was ich absolut will.
Die Sams und Adam nippen an Mimosas und warten wahrscheinlich auf ihren eigenen Tisch. Noch haben sie mich nicht gesehen.
Ich nähere mich ihnen und lege Sam eine Hand auf die Schulter, ein zuversichtliches Lächeln bereits im Gesicht. »Mr Wolfe?«
»Matt!« Sam dreht sich zu mir um, seine Miene hin- und hergerissen zwischen Überraschung und Argwohn. Wieder einmal verspüre ich den intensiven Drang, den Mistkerl zu verdreschen, der diesen Artikel geschrieben und meinen goldenen Namen in einen zwielichtigen verwandelt hat, der den Bossen peinlich ist. »Was machen Sie hier?«
Ich grinse. »Wir sind im Rosemary’s. Ich tue, was alle tun. Ich sichere mir einen verdammt guten Brunch.«
»Schon allein für das Brot hier könnte ich sterben«, pflichtet Samantha mir bei, ihre Stimme wärmer als die ihres Ehemannes, obwohl ihr Gesichtsausdruck nicht weniger argwöhnisch ist. »Matt, kennen Sie Mr Feinstein?« Sie deutet auf den anderen Mann, der sich mehr für sein Telefon interessiert hat als für unser Gespräch über das Brot.
Adam Feinstein sieht auf, schiebt sich seine runde Brille weiter an der Nase hinauf und bedenkt mich mit einem nichtssagenden, gleichgültigen Lächeln.
Ich strecke eine Hand aus. »Mr Feinstein, es ist mir eine Freude. Ich bin Matt Cannon. Ich arbeite für Wolfe Investments.«
»Ich weiß, wer Sie sind«, antwortet der andere Mann und richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf sein Handy. »Der Junge aus dem Journal.« Er schüttelt seinen Kopf mit dem silbernen Haar, ohne sich die Mühe zu machen aufzuschauen. »Zu meiner Zeit waren die Leute vorsichtiger mit ihrem Geld und ihrem Ruf. Und respektvoller,
was das Geld anderer und den Ruf ihrer Firma betrifft.«
Ich spanne die Muskeln an, und Samantha schließt kurz entsetzt die Augen.
Scheiße. Scheiße!
Während ich versuche, eine respektvolle Erwiderung auf Feinsteins offenkundige Geringschätzung zu finden, höre ich eine Frauenstimme meinen Namen sagen. »Matt?«
Oh, dem Himmel sei Dank. Sabrina ist früher als verabredet erschienen, Gott segne sie.
Ich drehe mich zu der Stimme um und begreife zu spät, dass sie zu hoch ist, um Sabrina zu gehören. Ich stelle fest, dass nicht eine blonde Frau mich angrinst, sondern zwei.
Ich habe mit ihnen geschlafen. Mit beiden.
Nicht gleichzeitig, aber ich fürchte, dass dieses Detail wenig dazu beitragen wird, jetzt meinen Arsch zu retten.
»Hey …« Fieberhaft überlege ich, wie ihre Namen waren. Wenigstens einer. Mir fällt keiner ein. Zu meiner Verteidigung möchte ich anmerken, dass es Jahre her ist. Und obwohl mein nebelhaftes Gedächtnis mir sagt, dass ich sie in der gleichen Bar kennengelernt habe, hatte ich keine Ahnung, dass sie einander kennen, geschweige denn, dass sie Brunch-Kumpel sind.
Sie sehen mich beide erwartungsvoll an, und die Alarmglocken in meinem Kopf sind jetzt in vollem Sirenenmodus, vor allem als ich Feinstein hinter mir leise schnauben höre, in dem winzigen Laut alle Verurteilung der Welt.
Ich höre Sam seufzen, und eine der Blondinen erbarmt sich meiner, wenn auch nicht auf eine Weise, die auch nur annähernd hilfreich ist.
»Ich bin’s, Kara, du Dummkopf!«, sagt sie, tritt auf mich zu und legt mir einen Arm um den Hals.
Meine Möglichkeiten sind nicht die besten. Ich kann meine Arme baumeln lassen … peinlich. Ich kann sie wegstoßen … rüde. Ich kann
ihre Umarmung erwidern …
Ich entscheide mich für Letzteres, lasse einen Arm um ihre Taille gleiten und schenke ihr, wovon ich hoffe, dass es eine freundschaftliche, platonische Geste zur Begrüßung ist. »Natürlich.«
Ich mache Anstalten, mich zurückzuziehen oder es zumindest zu versuchen, aber sie klammert sich an mich und dreht sich zu meinen Bossen und Adam Feinstein um, und in einer Szene direkt aus meinen Albträumen spricht sie weiter.
»Woher kennen Sie Matt?«
Samanthas Lächeln ist gepresst. »Wir arbeiten zusammen.«
»Sie sind meine Chefs«, füge ich schnell hinzu und hoffe, dass es Kara als Hinweis dienen wird, den Mund zu halten oder zumindest zu filtern, was sie als Nächstes sagt.
So viel Glück habe ich nicht.
»Oh, wie cool!«, schwärmt Kara. »Matt und ich feiern oft zusammen. Ach du meine Güte, ich bin ja so unhöflich.« Kara tritt einen Schritt zurück und erinnert sich mit Verspätung an ihre Begleiterin. »Leute, das ist meine Freundin Robin.«
Robins Lächeln ist genauso gepresst wie das von Samantha. »Matt und ich haben uns bereits kennengelernt.«
Kara sieht ihre Freundin überrascht an, dann mich, und ihr Gesichtsausdruck wird merklich kühler, als sie eins und eins zusammenzählt.
Kommt schon, Ladys.
Es ist Jahre her, und wir haben nur ein einziges Mal miteinander geschlafen. Gewiss hat sich keine der beiden der Illusion hingegeben, dass das mit uns etwas Exklusives war …
Ich widerstehe dem Drang, an meinem Hemdkragen zu zupfen, als mir plötzlich der Gedanke kommt, dass mein Ruf eine Rehabilitation viel dringender braucht, als mir je bewusst war.
Ich versuche, den Arm von Kara zu nehmen, augenscheinlich um auf meine Uhr zu sehen. »Also, wenn Sie alle mich entschuldigen wollen, ich bin nämlich mit jemandem verabredet.«
»Da bist du ja!«
Ich hätte nie gedacht, dass Sabrina Cross’ erotische Stimme etwas anderes als Erregung verursachen könnte, aber heute bringt der Klang ihres tiefen Alts noch etwas anderes mit sich:
Erleichterung.
Ich drehe mich zu ihr um, aber bevor ich austüfteln kann, wie ich den Schlamassel erklären soll, in den ich mich hineingeritten habe, um sie subtil um Hilfe zu bitten, hat sie die Situation auch schon unter Kontrolle gebracht.
Mit einem freundlichen Lächeln berührt sie Robin am Arm. »Hey, sind Sie Kara?«
»Nein, sie
ist Kara«, sagt Robin und nickt steif ihrer Freundin zu.
»Ah, gut, die Hostess sucht nach Ihnen«, erklärt Sabrina. Dann senkt sie die Stimme. »Ich würde mich beeilen, wenn ich an Ihrer Stelle wäre. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass dieses Restaurant Reservierungen nur sehr kurz aufrechterhält, bevor sie wegen Laufkundschaft von der Liste gestrichen werden.«
»Oh, in Ordnung. Danke«, erwidert Robin und blickt zuerst zur Hostess, dann zu ihrer Freundin. »Kara. Lass uns gehen.«
Kara gibt widerstrebend meinen Arm frei, und sobald sie das tut, ist Sabrina da und schiebt die andere Frau irgendwie beiseite, ohne sie tatsächlich zu berühren. Nach einem letzten Blick zurück in meine Richtung folgt Kara ihrer Freundin zu der wartenden Hostess.
Und einfach so ist das erste meiner Probleme gelöst.
»Tut mir so leid, dass ich mich verspätet habe«, sagt Sabrina und streicht mir in einer intimen Geste über den Oberarm, dann lässt sie ihre Lippen über meine gleiten. »Ich konnte beim besten Willen kein Taxi bekommen …« Sabrina unterbricht sich, als registriere sie gerade erst, dass wir nicht allein sind. »Ach herrje! Samantha. Sam. Wie geht es Ihnen?«
Sie schiebt sich an mir vorbei, tauscht elegante Luftküsse mit Samantha und lächelt Sam breit zu.
»Ich habe Sie nicht mehr gesehen seit … oh, was war das noch gleich für eine Wohltätigkeitsveranstaltung? Nun, ist nicht wichtig. Wie wunderschön, Sie beide zu sehen.«
Sie plappert weiter und schafft es irgendwie, fesselnd zu sein und nicht nervig, und ich sehe praktisch, wie bei den hohen Tieren das Eis schmilzt und ihre Schultern sich entspannen.
»Vielen Dank für diese Buchempfehlung«, bemerkt Samantha an Sabrina gewandt. »Mein Buchklub hat das Werk als das beste erachtet, das wir das ganze Jahr gelesen haben, und besteht absolut darauf, dass Sie sich unserer Gruppe anschließen.«
Der Gedanke an Sabrina und den Boss meines Bosses zusammen in einem Buchklub hat etwas leicht Furcht einflößendes, aber ich bin zu erleichtert, um etwas anderes zu empfinden als Dankbarkeit über die Mühelosigkeit, mit der Sabrina das mit den Sams geregelt hat.
Adam Feinstein ist wahrscheinlich eine verlorene Sache, aber …
Sabrina stößt ein kleines Aufkeuchen der Freude aus. »Mr Feinstein, sind Sie das?« Sie klopft leicht auf das Knie des Mannes, der auf dem Barhocker sitzt, die Geste spielerisch und vertraulich.
Ich wappne mich in der Erwartung, dass er sie anfunkeln wird, aber stattdessen grinst er breit.
»Sieh an, da sitzen Sie ganz still in der Ecke«, sagt sie und beugt sich vor, um ihm einen Kuss auf die Wange zu hauchen. »Weiß Geraldine, dass Sie ohne sie brunchen?«
Geraldine?
Wer zur Hölle ist Geraldine?
Feinstein rückt mit einem Lächeln seine Brille zurecht. »Sie besucht an diesem Wochenende ihre Schwester in Fort Lauderdale. Die Sams waren so freundlich, mich das dritte Rad am Wagen sein zu lassen.«
»Und Amy?«, fragt Sabrina weiter. »Wie gefällt ihr Harvard?«
»In den ersten Wochen gab es nichts als fröhliche Telefonanrufe«, berichtet Mr Feinstein stolz. »Wir könnten nicht stolzer sein, nicht dankbarer. Wenn Sie nicht diesen Anruf getätigt hätten …«
»Oh, kein Wort mehr«, unterbricht Sabrina ihn mit einer großzügigen Handbewegung. »Amy ist brillant. Sie wäre garantiert auch ohne meine Hilfe in Harvard angenommen worden.«
Mir schwirrt der Kopf. Sabrina kennt Adam Feinstein? Und seine Frau?
Und hat seiner Tochter geholfen, nach Harvard zu kommen?
»Sie sind hier mit, ah …« Adam sieht mich an, als könne er sich an meinen Namen entweder nicht erinnern oder wolle sich nicht daran erinnern.
»Sie haben von Matt gehört, oder? Matt Cannon?« Sie kehrt an meine Seite zurück und verdreht demonstrativ die Augen. »Ich kann nicht behaupten, dass es mir gefällt, wie gut neuerdings alle seinen Namen kennen. Junggesellenpartys – der schlimmste Albtraum jeder Frau, oder?«
Sie zwinkert Samantha spielerisch zu, und die CEO zögert keinen Herzschlag lang. »Sagen wir einfach, ich bin dankbar dafür, dass Sams Junggesellenpartytage hinter ihm liegen. Ich brauche mir keine Sorgen mehr zu machen, dass er sich allzu großen Ärger einbrocken wird.«
Sam tätschelt mir mit väterlicher Zuneigung die Schulter und beugt sich vor. »Ich hatte zu meiner Zeit selbst den einen oder anderen Lapdance. Ging es nur mir so, oder sind diese Frauen sehr hartnäckig? Ich bin nie dahintergekommen, wie ich mich aus solchen Situationen befreien konnte, ohne unhöflich zu sein.«
Die Hostess erscheint mit drei Speisekarten. »Wolfe, drei Personen? Ihr Tisch ist fertig. Entschuldigen Sie die Wartezeit. Die Gruppe an Ihrem Tisch hat auf die letzte Minute beschlossen, noch ein Dessert zu bestellen.«
»Eine Entscheidung, für die ich Verständnis habe«, entgegnet Mr Feinstein, steht auf und greift nach dem Filzhut, den er auf die Bar gelegt hatte. »Ich könnte mich selbst für ein Dessert erwärmen. Sabrina, Schätzchen, es war so schön, Sie zu treffen. Geraldine wird außer sich sein, dass sie Sie verpasst hat.«
Sabrina tätschelt mit einem Lächeln seine Hand. »Wir müssen uns unbedingt treffen, wenn sie aus Florida zurückkommt. Zum Cocktail?«
»Das wäre großartig.« Mr Feinsteins Blick ist weniger väterlich, als er mich ansieht, aber erheblich freundlicher als zuvor. »Mr Cannon, es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen. Halten Sie sich lieber von Schwierigkeiten fern, wenn Sie dieser Frau würdig sein wollen.« Er deutet mit dem Daumen auf Sabrina.
»Absolut, Sir. Lektion gelernt.«
Der Mann lächelt und tätschelt mir mit einem Nicken den Arm.
Die Wolfes werfen mir einen vielsagenden Blick zu, der die Botschaft übermittelt, dass wir später reden werden, bevor wir uns alle verabschieden und die drei der Hostess in den hinteren Teil des Restaurants folgen.
Sabrina setzt sich auf den Barhocker, den Feinstein freigemacht hat, dann fängt sie den Blick des Barkeepers auf, bestellt zwei Mimosas, schlägt die Beine übereinander und dreht sich mit einem triumphierenden Lächeln zu mir um. Es besteht kein Zweifel, sie weiß, dass sie gerade mit großem Geschick meinen ganzen Morgen gerettet und ihre Sache gut gemacht hat.
Verdammt. Jetzt wird es mit ihr kaum mehr auszuhalten sein.