12
Sabrina
Abendessen am Montag, 25. September
Ich blinzele überrascht. »Trägst du eine Schürze?«
Lara McKenzie zeigt warnend mit einem Holzlöffel auf mich. »Definitiv. Würdest du das nicht auch tun, wenn du Abendessen kochen willst und dabei eine weiße Bluse anhast?«
»Nun, weißt du, das ist der Unterschied zwischen uns«, sage ich, trete in ihre Wohnung und schließe die Tür. »Ich würde einfach kein Abendessen machen.«
»Ja, ich bin selbst nicht besonders versiert darin, aber ich gebe mir Mühe. Oh, du hast Nachtisch gemacht!«, fügt Lara hinzu und schaut auf den Apfelkuchen in meiner Hand hinab.
»Nein, habe ich gekauft. Vertrau mir, es ist besser so.«
»Bist du eine von diesen Frauen, die Schuhe in ihrem Backofen aufbewahren?«, fragt Lara, während ich ihr in die Küche folge.
»Nicht mehr. Aber als ich damals in die Stadt gezogen bin und in einem Schuhkarton von Wohnung gelebt habe, während ich gleichzeitig versucht habe, mein Geschäft aufzubauen? Und ob.«
»Also, ich würde morden, um das zu sehen«, erwidert Lara und versetzt den kurz anzubratenden Pilzen einen schnellen Stoß mit ihrem Löffel. »Baby Sabrina.«
»Ich war neunzehn.«
Lara lächelt mich über ihre Schulter hinweg an. »Sag ich doch. Ein Baby.«
Ich erwidere ihr Lächeln, obwohl ich ihr nicht recht zustimme. Ich nehme an, bei manchen Menschen ist neunzehn einfach eine späte Jugendphase. Bei Menschen wie Lara und sogar Ian, die vier Jahre an der Universität zugebracht haben, zählen zu jugendlichen Erfahrungen Wohnheimzimmer, Lerngruppen, Studentenpartys.
Mit neunzehn hatte ich bereits ein Jahrzehnt lang selbst für das Essen auf meinem Tisch gesorgt. Ich hatte viel mehr, als ich sollte, über die masochistische Natur von Männern gelernt, und ich wusste verdammt gut, dass die einzige Person, auf die man sich verlassen konnte – wirklich verlassen konnte –, man selbst war.
Sogar Ian, der seit Kindertagen mein Freund und Beschützer gewesen war, war fortgegangen. Ich verübelte es ihm nicht, dass er seinen Traum von Yale wahr gemacht hatte. Ich hatte ihn immer dazu ermutigt. Aber meine Freude für ihn tat der Tatsache keinen Abbruch, dass ich nun wirklich und wahrhaftig auf mich alleingestellt war, und das alles vor meinem zwanzigsten Geburtstag.
Sie brauchen kein Mitleid mit mir zu haben. Ich habe selbst kein Mitleid mit mir. Die harten Schläge in frühen Jahren haben mir meine Unabhängigkeit beschert, und dafür bin ich dankbar. Wirklich.
»Kann ich dir helfen?«, frage ich Lara, als sie sich den Pony aus dem Gesicht streicht und in ein aufgeschlagenes Rezeptbuch späht.
Lara ist eine dieser Frauen, die in ihren FBI-Powerkostümen genauso zauberhaft und schick aussehen wie in Jeans und T-Shirt.
Sie schaut auf und schiebt ihre Brille mit dem schwarzen Gestell ein Stück höher. »Schenkst du uns ein wenig Wein ein?«
»Kommt sofort.« Ich gehe zum Kühlschrank. »Ooh, Champagner. Guter Champagner. Was feiern wir denn?«
Lara schenkt mir ein rätselhaftes Lächeln. »Das wirst du erfahren, wenn Kate auch hier ist.«
Ich werfe ihr einen neugierigen Blick zu. »Im vergangenen Jahr hast du deinen Traumjob ergattert und deinen Traummann. Was könnte sonst noch …« Meine Augen weiten sich. »Bist du schwanger?«
»Was?«, quiekt sie. »Nein! Hätte ich Champagner gekauft, wenn ich schwanger wäre? Gott. Bloß nicht. Schenk mir ein Glas von dem Sauvignon Blanc ein, als Strafe dafür, dass du mir fast einen Herzinfarkt beschert hast.«
Ich fülle für jede von uns ein Glas mit Wein und mustere meine Freundin weiter. »Was ist es dann?«
»Nichts da.« Sie trinkt einen Schluck Wein. »Ich habe doch schon gesagt, dass wir auf Kate warten müssen.«
Ich seufze. »Ich kann Warten nicht ausstehen.« Wie dem auch sei. Ich setze mich mit meinem Wein auf einen Barhocker, während Lara sich daran macht, eine Zwiebel zu hacken.
Ich war über die Jahre schon Dutzende von Malen in dieser Wohnung, habe auf genau diesem Barhocker gesessen, aber immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass es Ians Wohnung ist.
Jetzt ist es Ians und Laras Wohnung, und das ist perfekt.
Ich drehe mich auf meinem Hocker um, schaue durch den Raum und lächele schwach, als ich sehe, dass er genauso ist, wie ich ihn in Erinnerung habe, und doch gleichzeitig … glücklicher. Die Möbel sind immer noch im klassischen Herrenstil, schwarze Ledergarnitur und praktischer Couchtisch. Aber es sind auch hier und da Teile von Lara zu entdecken. Eine Kuscheldecke auf der Rückenlehne des Sofas, die ich noch nie gesehen habe. Fröhliche gelbe Blumen auf dem Barwagen. Schwarze Stilettos, die mit Schwung in die Ecke befördert worden sein müssen.
»Aaaaaalso, wie war der Brunch gestern?«, fragt Lara mich, legt ihr Messer beiseite und nimmt noch einen Schluck Wein.
Ich breite die Arme aus. »Ich lebe noch, also … besser als erwartet.«
»Ja, aber wie geht es Matt?«, fragt Lara weiter.
»Es geht ihm gut. Ich war nett zu ihm.«
Lara legt den Kopf schräg. »Du kommst mit dieser ganzen Sache besser zurecht, als ich gedacht habe.«
»Ja, nicht wahr?«
Sie wirft mir einen Blick zu. »Meinst du, es bedeutet etwas?«
»Was soll etwas bedeuten?«
»Stell dich nicht dumm«, sagt sie unumwunden. »Ist da etwas?«
»Es ist nicht so, als würden wir händchenhaltend und singend durch die Straßen ziehen. Wir tolerieren einander lediglich.«
»Oh, ich bitte dich.« Sie sieht mich schmollend an. »Du musst mir irgendetwas verraten.«
Ich beäuge sie argwöhnisch. »Wirst du, was immer ich dir erzähle, Ian gleich weitererzählen?«
»Nicht wenn du es nicht willst«, verspricht Lara.
Ich schaue weg, damit sie nicht sieht, wie viel diese einfache Aussage mir bedeutet. Ich wusste immer, dass die Zeit kommen würde, dass ich meinen besten Freund an die Liebe seines Lebens verlieren würde. Nun, nicht ihn verlieren  … aber man weiß ja, wie so etwas läuft. Es ist immer hart für Freundschaften, wenn beide Personen ledig sind und eine davon dann eine ernsthafte Beziehung anfängt. Zeitpläne ändern sich, Muster verlagern sich. Noch heikler ist es, wenn es sich um beste Freunde des anderen Geschlechts handelt.
Und obwohl eigentlich nichts mehr so ist, wie es war – er erzählt Lara vieles, bevor er es mir erzählt –, habe ich mehr gewonnen als verloren. Statt einen Freund zu verlieren, habe ich eine neue Freundin hinzugewonnen. Und es ist nicht nur eine fadenscheinige Lächelfreundschaft, wenn wir drei im selben Raum sind.
Das Paradebeispiel? Heute ist ein reiner Mädelsabend. Ian ist weiß Gott wohin verbannt worden … wahrscheinlich zu Matt oder Kennedy. Nur Lara, Kate und ich werden hier sein.
Und yup, damit ist Kate Henley gemeint, Ians, Matts und Kennedys Assistentin. Auch bekannt als eine meiner liebsten Personen auf dem Planeten.
Es klingelt an der Tür, und Lara hebt einen Finger. »Denk ja nicht, du wärst vom Haken. Du gehst heute Abend nicht weg, ohne uns einen vollen Bericht über dich und Matt zu erstatten.«
Sie macht sich auf den Weg zur Tür und öffnet sie für Kate, die ein Baguette quer über der feuerfesten Form in ihren Händen balanciert. »Uh, tut mir so leid. Natürlich kommt die Frau zu spät, die für die Appetithäppchen zuständig ist. Seid ihr zwei schon verhungert?«
Ich hebe mein Glas. »Wir haben schon Trauben.«
»Perfekt. Ich nehme ebenfalls eine Portion Obst«, erklärt Kate und marschiert in Laras und Ians Küche, als sei es ihre eigene. »Brauchst du den Ofen in den nächsten Minuten?«, fragt sie Lara.
»Nein.«
Kate drückt auf einige Knöpfe und schiebt die mit Folie abgedeckte Form in den Ofen. »Der Artischockenauflauf braucht ungefähr fünfzehn Minuten, bis er fertig ist. Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe. Ich dachte, ich hätte alle Zutaten beisammen, aber dann ist mir ausgerechnet das Salz ausgegangen, daher musste ich auf die letzte Minute in den Laden laufen …«
»Hör auf, dich zu entschuldigen«, unterbreche ich sie, während ich ihr ein Glas Wein einschenke und es neben das Schneidbrett stelle, das sie hervorgeholt hat, um das Baguette in Stücke zu teilen. »Weißt du, was Laras Neuigkeiten sind? Sie wollte es mir nicht erzählen, bis du auftauchst.«
Kate lässt das Brotmesser, nach dem sie gerade gegriffen hat, praktisch fallen. »Neuigkeiten? Was für Neuigkeiten?«
Ich lache über ihren verwirrten Gesichtsausdruck. »Waaaaas? Ist es möglich, dass es entscheidende Informationen gibt, von denen Kate Henley nicht als Erste erfährt?«
Als Assistentin von nicht einem, sondern von drei Wolfe-Männern aus der obersten Etage gehört Kate zu den Menschen, die immer allen anderen einen Schritt voraus sind.
Allen, bis auf Lara, wie es scheint.
»Es ist mein Job, alles zu wissen«, sagt Kate geziert. »Und du bist auch nicht gerade eine Niete in Sachen Aufklärungsarbeit.«
Ich lasse mein Glas gegen ihres klirren. »Wie wahr. Denn es ist auch mein Job, Dinge zu wissen.«
Natürlich nicht auf die gleiche Weise. Die Informationen, die Kate sammelt, sind Informationen, die sie braucht, um Kennedy, Matt und Ian aus Schwierigkeiten herauszuhalten, damit sie ihren Job machen können. Die Informationen, mit denen ich umgehe, sind solche, die man in Schließfächer packt und von denen man ein halbes Dutzend Back-ups auf Sticks zieht.
»Hey, es ist auch mein Job, Dinge zu wissen!«, meldet Lara sich zu Wort. »Meint ihr, dass wir deshalb alle Freundinnen geworden sind?«
»Nein«, antwortet Kate pragmatisch und wendet sich wieder ihrem Baguette zu. »Du bist in unseren Kreis gekommen, weil du gedacht hast, Ian habe sich mit Insidergeschäften schuldig gemacht. Das hat super geklappt.«
Lara zeigt warnend mit ihrem Löffel auf Kate. »Mein Job war es, Erkundigungen darüber einzuziehen, ob er schuldig war.«
»Schnee von gestern. Ich verlange einen Themenwechsel«, befehle ich und kehre zu meinem Platz auf dem Barhocker zurück.
»Oh, die FBI-Lady dort drüben weiß, dass ich ihr schon lange verziehen habe«, sagt Kate und wirft Lara eine Kusshand zu. »Ich meine, wenn Ian mit der Frau schlafen kann, die ihn fast ins Gefängnis gebracht hätte, kann ich ja wohl mit ihr zu Abend essen.«
Lara verdreht die Augen, lächelt jedoch und legt ihren Holzlöffel beiseite. »Okay, die Vorbereitungen sind so weit erledigt. Die Soße muss nur noch eine Weile köcheln.«
»Was essen wir denn?«, fragt Kate.
»Sautierte Hühnerbrust mit einer Pilzsoße«, antwortet Lara und wedelt mit einem Kochbuch. »Meine Mutter schwört, das sei narrensicher, und da sie nicht gerade eine Sterneköchin ist, vertraue ich ihr.«
»Du Glückspilz«, sagt Kate und stopft sich ein Stück Brot in den Mund. »Meine Mom lässt Fernsehköche wie Nieten dastehen. Alles ist selbst gemacht. Ich dachte, sie würde mich enterben, als sie herausgefunden hat, dass ich meine Hühnerbrühe nicht selbst mache.«
Lara sieht mich über den Rand ihres Weinglases hinweg an und öffnet den Mund, dann schließt sie ihn wieder und wendet den Blick ab.
Ich schlucke, weil ich weiß, dass sie mich gerade in das Gespräch über Mütter miteinbeziehen wollte, sich dann aber eines Besseren besonnen hat. Ich habe keine Ahnung, was Ian ihr von meiner Geschichte erzählt hat, aber nichts davon wäre gut gewesen. Und obwohl mein erster Instinkt mich mahnt, den Mund zu halten und diesen Mist unter der Decke zu lassen, empfinde ich einen seltenen Drang, mich mitzuteilen.
Jemanden ein ganz klein wenig an mich heranzulassen.
Ich nehme einen Schluck von meinem Wein, um mir Mut zu machen. »Meine Mom hat mir einmal einen Zehndollarschein gegeben und mir gesagt, das sei das Essensgeld für meine beiden Halbbrüder und mich. Ich dachte, dass sie von dem Abend gesprochen hat, an dem sie ausgegangen ist. Sie ist erst vier Tage später zurückgekommen.«
Sowohl Kate als auch Lara starren mich einen Moment an, dann schüttelt Kate den Kopf. »Verdammt. Du hast gewonnen.«
Ich stoße ein erleichtertes Lachen aus, weil ich kein Mitleid abwehren muss, nur gute, altmodische Wie-ätzend!-Gefühle . Denn es war ätzend. »Ich habe haushoch gewonnen.«
»Hat sie je die Kurve gekriegt?«, erkundigt Lara sich und beugt sich über die Theke, während Kate nach ihrem Auflauf im Ofen sieht.
Ich zucke die Achseln, um der Frage auszuweichen. »Ich bin mit neunzehn gegangen, sobald meine Halbbrüder unter der Vormundschaft von Verwandten väterlicherseits gelandet waren. Bei den wenigen Gelegenheiten, wenn wir miteinander telefonieren, legt sie unausweichlich irgendwann auf.«
Laras blaue Augen blitzen zornig. »Dumm von ihr.«
Ich schaue in meinen Wein, dann sehe ich Kate wieder an. »Ist der Auflauf schon fertig?«
»Fast«, sagt Kate und schiebt den Rost zurück in den Ofen. »Wie wär’s, wenn wir ins Wohnzimmer gehen und uns Laras Neuigkeiten anhören?«
Ich weiß, warum sie das sagt, und werfe ihr einen dankbaren Blick zu. Es ist schwer genug, meine Mutter auch nur zu erwähnen. Ich will definitiv nicht groß alte Geschichten aufwärmen.
Kate nickt mir kurz zu, und in ihren dunkelbraunen Augen sehe ich Verständnis.
Kate und ich sind ungefähr so verschieden, wie man sich das nur vorstellen kann. Meine Augen sind blau, ihre braun. Ich bin eins vierundsiebzig groß, sie eins zweiundfünfzig. Wir haben beide braunes Haar, aber sie trägt ihres in einem langweiligen schulterlangen Schnitt und bindet es sich regelmäßig mit einem schmalen Haarband aus dem Gesicht. Meins fällt mir bis auf die Hälfte meines Rückens, in einem scheinbar natürlichen Stil, der jeden Morgen dreißig Minuten Arbeit mit zwei Lockenstäben verschiedener Größen erfordert.
Sie hatte eine bescheidene, konservative Kindheit und Jugend im südlichen New Jersey, mit einer Kindergärtnerin als Mutter und einem Mathematiker als Vater. Ich bin im schlimmsten Viertel von Philly aufgewachsen, mit einer Mutter, die die meiste Zeit so betrunken war, dass sie sich nicht einmal daran erinnerte, Mutter zu sein. Eine »Mom« war sie nie. Und mein Vater? Ist vor meinem ersten Geburtstag an einer Überdosis gestorben.
Die späteren Männer meiner Mutter waren kaum von der Variante »Vaterfigur«. Das habe ich herausgefunden, als einer ihrer Freunde mir zum ersten Mal im Januar einen Bikini im Kaufhaus besorgt und vorgeschlagen hat, dass ich ihn für ihn anprobieren solle. Ich habe Nein gesagt, und meine Mutter hat mich angeschrien. Ich war dreizehn.
Aber abgesehen von unserer Herkunft sind Kate und ich beide zu ähnlichen Persönlichkeiten herangewachsen. Stark, klug und absolut nicht bereit, auf die Idee einzusteigen, unser Leben würde mit einem Mann darin irgendwie kompletter sein.
Nichtsdestotrotz bin ich mir verdammt sicher, dass Kate Henley hoffnungslos in Kennedy Dawson verliebt ist. Obwohl er davon keine Ahnung hat.
Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie es weiß.
»Sabrina, kannst du mir ein paar Champagnerflöten herausholen?«, bittet Lara mich und deutet auf einen Schrank. »Ich weiß, wir haben immer noch etwas Wein, aber wir können ja beides haben.«
»Da brauchst du mich nicht lange zu überreden«, sagt Kate, geht ins Wohnzimmer und lässt sich auf das Sofa fallen. »Mann, ich liebe diese Aussicht.«
»Ist sie nicht ungefähr die gleiche wie deine Aussicht vom Büro aus?«, fragt Lara, holt den Champagner aus dem Kühlschrank und gesellt sich zu Kate ins Wohnzimmer.
Kate schnaubt. »Ja. Wobei mein Zeitplan von sieben Uhr morgens bis sieben Uhr abends nonstop wirklich bewundernde Blicke aus dem Bürofenster zulässt.«
»Nun, du bist hier jederzeit willkommen«, erwidert Lara.
»Hast du das gehört, Sabrina?« Kate schenkt mir ein spielerisches Grinsen, als ich auf die beiden zugehe. »Wir können jederzeit herkommen und uns ansehen, wie Lara und Ian widerwärtig ineinander verliebt sind!«
»Hey!«, ruft Lara.
»Oh, ich bitte dich, Süße«, sage ich sanft und stelle die Gläser auf den Tisch vor uns. »Hier ist es jeden Tag ein wenig so wie am Valentinstag.«
»Ich weiß«, seufzt Lara glücklich. »Vielleicht wird es sich nach der Hochzeit nicht mehr wie ein Märchen anfühlen.«
»Das bezweifle ich«, sagt Kate. »Mir ist aufgefallen, wie Ian dich anschaut. Ich habe niemals etwas gesehen, das dem wirklich gleichkommt.«
Hmm. Habe ich da einen winzigen Anflug von Sehnsucht in Kates Stimme gehört?
Oder schlimmer noch … war es mein eigenes Herz, das sich kurz zusammenschnürte bei dem Gedanken daran, jemanden zu haben, dem ich etwas bedeute – so wie Ian Lara liebt?
»Okay, also, was sind das für Neuigkeiten, die du hast? Ich will endlich diesen Champagner!«, sage ich und kann es kaum erwarten, den sentimentalen Teil unseres Mädelsabends hinter mich zu bringen.
»Nun, wir können die Flasche noch nicht öffnen«, antwortet Lara und holt Luft. »Versteht ihr, ich hoffe, dass meine Neuigkeiten gut sind, aber ich werde es erst wirklich wissen, wenn ich eure Reaktionen höre.«
»Komm endlich zur Sache«, verlangt Kate.
Lara balanciert die Dom-Pérignon-Flasche auf ihren Knien, rollt sie zwischen ihren Händen hin und her, und ich begreife, dass sie nervös ist.
»Okay, also, ihr kennt ja Gabby«, stößt sie hastig hervor.
»Gabby. Aus Bolivien. Deine beste Freundin, ehemalige Mitbewohnerin. Fotomodell. Lebt mit ihrem Freund in Paris«, rezitiert Kate automatisch.
»Ja, danke«, sagt Lara erheitert. »Wie dem auch sei, Gabby hat zugestimmt, meine erste Brautjungfer zu sein, und ich bin begeistert. Aber ich bin auch ein wenig deprimiert, denn abgesehen von der Junggesellinnenparty, meinem Bridal-Shower und der eigentlichen Hochzeit weiß ich, dass es schwer für sie sein wird, rechtzeitig für all das Drumherum hier zu sein. Ich weiß, ich kenne euch beide noch nicht lange, aber …« Lara holt tief Luft. »Ihr gehört zu Ians engstem Freundeskreis, und ihr seid meine engsten Freundinnen in der Stadt geworden, und ich wäre begeistert, wirklich begeistert, wenn ihr Brautjungfern sein würdet.«
Es folgt ein langer Moment des Schweigens, während Kate und ich leicht benommen dasitzen.
Kate erholt sich schneller als ich. »Hölle, ja«, sagt sie, und ein breites Grinsen tritt in ihre Züge. »Es wäre mir eine Ehre. Ich werde sogar ein hässliches Brautjungfernkleid tragen, denn das gehört sich so für Freundinnen. Jetzt mach diesen Champagner auf und lass uns über den Ort des Geschehens sprechen, denn ich habe eine ganze Liste von Locations für den Empfang. Habt ihr ein Boot in Erwägung gezogen? Denn eine gecharterte Jacht könnte wirklich …«
»Hey, immer langsam.« Lara lacht. »Wir haben gerade mal das Datum festgelegt!«
Mir fällt auf, dass sie mich nicht ansieht, und ich weiß es zu schätzen. Irgendwie weiß sie, dass ich eine Minute brauche, denn …
Verdammt. Verdammt.
Es dauert eine Sekunde, bis überhaupt zu mir durchdringt, was hier los ist. Ich bin eigentlich wirklich keine Heulsuse, aber … yup. In meinen Augenwinkeln brennen definitiv Tränen.
»Okay«, platze ich heraus. »Ich mache auch mit.«
Ein glückliches Lächeln erblüht auf Laras Gesicht, Kates Gesichtsausdruck dagegen ist schlicht und ergreifend verwirrt. »Sabrina, sind das etwa …«
»Halt die Klappe«, sage ich mit einem Lachen und tupfe mir die Augen ab. »Und Lara, du kannst dich glücklich schätzen, dass du ebenfalls zu einer meiner engsten Freundinnen geworden bist, anderenfalls hätte ich dir nie verziehen, dass du mein Make-up ruiniert hast.«
Laras Reaktion ist das Knallen des Champagnerkorkens. »Jetzt können wir den hier genießen.«
»Also, wann fangen wir mit den Planungen an?«, frage ich und nehme die Flöte entgegen, die sie mir reicht.
»Oh, wen schert das im Moment?«, gibt Lara zurück und hebt ihr Glas zu einem Trinkspruch. »Ich bin die Braut; ich darf entscheiden, worüber wir reden. Und jetzt will ich auf die Möglichkeit trinken, dass Matt und Sabrina endlich kurz davorstehen, ihr Ding in den Griff zu bekommen.«
Ich reiße überrascht den Kopf hoch. Whoa. Hey! Wie zum Teufel ist es dazu gekommen, dass es jetzt um mich geht?
»Darauf trinke ich. Die sexuelle Spannung zwischen diesen beiden erstickt mich schon seit Jahren«, meldet Kate sich zu Wort und hebt ihr Glas. »Sabrina? Bist du bereit, uns dein Herz auszuschütten?«
»Nein«, grummele ich. Aber dann stehe ich auf und stoße trotzdem mit ihnen an.
Ich glaube nicht an Liebe – aber ich glaube sehr wohl an Freundschaft.
Und diese Frauen hier sind das Beste, was man sich wünschen kann.