15
Matt
Dienstagabend, 26. September
»Nur damit ich das richtig verstehe. Du hast mit Jarod Lanham zu Mittag gegessen. Und mit unseren Chefs. Lanham hat dir gesagt, er werde sich melden. Und du siehst aus, als hätte jemand deinen Welpen getreten?«
Ich funkele Ian an. »Ich besitze keinen Welpen.«
»Nicht ausweichen«, meldet sich Kennedy zu Wort und zeigt anklagend mit einem Finger auf mich. »Ian hat recht. Du bist nicht annähernd so glücklich, wie du es sein solltest.«
»Noch habe ich Lanham nicht als Kunden gewonnen. Ihr werdet mich entschuldigen müssen, wenn ich die Champagnerkorken noch nicht knallen lasse.«
Die Jungs und ich sitzen in einer Kneipe, die für einen Absacker nach der Arbeit bei den Leuten von der Wall Street beliebt ist. Ich habe die Hälfte dessen, was vermutlich der erste von vielen Cocktails heute Abend sein wird, ausgetrunken. Und es sind keine Cocktails zur Feier des Tages.
Meine Freunde haben recht. Ich sollte außer mir sein vor Begeisterung, dass Jarod mich nicht mit einem Tritt in den Arsch aus dem Restaurant befördert hat. Dass er von meinem Auftritt in Vegas wusste und trotzdem mit dem Gedanken zu spielen scheint, mit mir zu arbeiten.
Hölle, der Mann hat unser Treffen beim Lunch mit der Andeutung beendet, ich stehe in der engeren Wahl als zukünftiger Broker.
»Hat Lanham gesagt, warum er einen neuen Vermögensverwalter sucht?«, erkundigt Ian sich. »Er ist seit hundert Jahren bei Herbert Bishop.«
»Ganz genau. Bishop ist praktisch hundert Jahre alt. Er geht in den Ruhestand«, antworte ich.
»Warum bleibt er dann nicht bei Morgan Stanley? Bishop hat doch bestimmt ein halbes Dutzend Nachfolger, die darauf brennen, Lanham zu übernehmen.«
»Wahrscheinlich. Aber auf keinen Fall wollte ich das Saatkorn pflanzen, dass er bleiben sollte, wo er ist. Außerdem habe ich das Gefühl, dass der Mann bei Veränderungen aufblüht.«
Ian trinkt von seinem Negroni, einem bitteren, roten Mixgetränk mit Gin, den er bestellt, wo immer er hingeht. »Wollen wir um ihn würfeln?«
Ich grinse, denn ich weiß, dass mein Freund scherzt. »Nur über meine Leiche.«
»Der verdammte Jarod Lanham.« Kennedy schüttelt den Kopf. »Unglaublich. Dir ist doch klar, dass du drauf und dran bist, mit achtundzwanzig alles zu erreichen, was du dir je gewünscht hast. Es ist schwer, dich nicht zu hassen.«
Ich lächele instinktiv, aber Kennedys Worte lassen mich stutzen: Alles, was du dir je gewünscht hast.
Stimmt das?
Ist es mein Lebenstraum, einen schwer fassbaren Milliardär als Kunden zu gewinnen? Ist das wirklich alles, was ich mir je gewünscht habe?
Wahrscheinlich ist es so.
Warum also fühle ich mich so leer?
Weil Jarod Lanham Sabrina angesehen hat. Und sie hat seinen Blick erwidert.
Okay, was Letzteres betrifft, bin ich mir nicht ganz sicher. Sabrina hat ihre Rolle als meine Freundin gespielt, und eins muss man ihr lassen, die Frau kann es mit jedem Oscar-Gewinner aufnehmen, wenn es um schauspielerische Fähigkeiten geht.
Selbst ich wäre überzeugt gewesen, dass sie auf mich steht, wenn ich es nicht besser wüsste.
Aber ich bilde mir definitiv nicht nur ein, dass Lanham sie angesehen hat. Und wenn ich aus meinen Jahren, in denen ich ihn von Ferne beobachtet habe, irgendetwas über den Mann weiß, dann, dass er bekommt, was er will.
Er wollte Sabrina.
Ich kann dem Mann keinen Vorwurf daraus machen. Sie hat höllisch sexy ausgesehen in einem blauen Kleid, das zur Farbe ihrer Augen passte, mit ihrem langen, natürlich fallenden Haar, ihren hohen Absätzen, Absätze, die förmlich danach schrien, links und rechts der Hüfte eines Mannes platziert zu werden …
Ich schaue zu Ian auf und strecke die Hand nach der Schale mit Nüssen in der Mitte unseres Tisches aus, die hier zu den Cocktails gereicht werden. »Hast du heute schon mit Sabrina gesprochen?«
»Nein, bereits seit einigen Tagen nicht mehr. Warum?«
Ich hasse mich dafür, aber mich durchzuckt ein winziger Stich der Erleichterung, dass Sabrina nicht zu Ian gelaufen ist, um darüber zu reden, wie unglücklich sie in unserem gegenwärtigen Arrangement ist. Obwohl ich weiß, dass ihre Beziehung zu Ian niemals romantisch oder sexuell war, bin ich mir ihrer immer … bewusst. Mir ist bewusst, dass sie alles für ihn tun würde, während sie für mich keine einzige verdammte Kleinigkeit tun würde, es sei denn, es sind Geld und ein wasserdichter Vertrag im Spiel.
Und kein Sex.
Dieser Teil ist schlimmer, als ich erwartet habe. Natürlich habe ich immer gewusst, wie schwer es ist, in Sabrinas Nähe zu sein und sie nicht zu berühren. Ich hatte einfach nur gedacht, ich würde … darüber hinwegkommen. Ich habe geglaubt, wenn eine Linie in den Sand gezeichnet würde, würde mein ewiger Ständer für die Frau allein davon kapitulieren.
Eher nicht.
Ich will sie mehr denn je.
Das ist, wie ich mir einzureden versuche, einfach das Ergebnis des uralten Wunsches nach dem, was man nicht haben kann. Aber ich habe schreckliche Angst, dass es sich um etwas Schlimmeres handelt. Angst, dass ich sie umso mehr will, je mehr Zeit ich mit ihr verbringe. Mit ihr rede. Sie studiere. Sehe, wie ihr Gehirn funktioniert.
Alles, was du dir je gewünscht hast …
Verdammt.
»Aber sie trifft sich mit Lara auf einen Drink.«
Ich sehe Ian an. »Was?«
Er verdreht die Augen über meine Geistesabwesenheit. »Du hast nach Sabrina gefragt. Ich habe gesagt, ich hätte nicht mit ihr geredet, aber Lara hat erwähnt, dass sie und Sabrina sich vor dem Abendessen einen Drink genehmigen wollen.«
»Wann? Wo?«
»Ich hätte dich nie für einen klammernden Lover gehalten«, bemerkt Kennedy und entreißt mir die Schale mit Nüssen. Er schaut hinab, dann funkelt er mich an. »Du hast alle Mandeln gegessen und die verdammten Erdnüsse übrig gelassen.«
»Dann bitte um weitere Mandeln. Und ich bin kein klammernder Lover. Du weißt, wir tun nur …«
»So als ob, um der Leute willen, ich weiß«, unterbricht Kennedy mich. »Aber es ist nicht nötig, Ian und mir etwas vorzuspielen.«
Das ist eine Falle. Eine von den subtilen, kaum wahrnehmbaren verbalen Fallen, für die Kennedy Dawson legendär ist. Kennedy hat eine tiefe, beinahe monotone Stimme. Er brüllt nie und lacht selten. Wir sind alle drei sarkastisch, aber Kennedys Humor ist so trocken wie die Sahara.
Ich weiß genau, dass Kennedy und Ian von mir erwarten, dass ich die Behauptung entweder abstreite oder mich beeile, ihnen zu versichern, dass Sabrina und ich einander immer noch hassen, dass wir uns nur verstellen. Aber ich will mich streiten, daher überrasche ich sie. Und mich selbst.
»Lanham will etwas von ihr.«
»Von wem?«, fragt Ian.
»Von Sabrina. Von wem sonst, Mann.«
»Ich dachte, du hättest gesagt, sie habe das Restaurant verlassen, sobald er und die Sams aufgetaucht sind.«
»Ja, aber sie ist nicht dezent verschwunden. Sie hat geplappert. Ihm schöngetan. Und sich dann entschuldigt.«
»Ich verstehe«, sagt Ian, schnappt sich die Schale mit Nüssen von Kennedy und schiebt sie dann angewidert beiseite, als er sieht, dass sie leer ist. »Und an welchem Punkt in dieser Interaktion hat Lanham den Zettel in Sabrinas Schließfach geschmuggelt, dass er in sie verknallt ist?«
Ich zeige mit meinem Glas auf ihn. »Du hast kein Recht, dich über die Situation lustig zu machen. Wir mussten uns monatelang anhören, wie du jeden einzelnen Wimpernschlag von Lara bis ins Kleinste analysiert hast.«
»Da hat er recht«, bemerkt Kennedy zu Ian. Aber meine Atempause währt nur kurz. Kennedy dreht sich wieder zu mir um. »Also, was ist dabei, wenn Lanham sie mag? Verdammt, es könnte sich zu deinen Gunsten auswirken.«
Ich schüttele bereits den Kopf. »Sie ist angeblich meine Freundin. Verdammt, der ganze Grund für diese Sache ist der, dass ich nicht Klienten wie Lanham wegen meiner Wildheit oder was auch immer verliere.«
»Aber du hast Lanham bereits halb am Haken«, stellt Kennedy fest. »Was bedeutet, dass die Sams entweder die Wirkung des Artikels im WSJ überschätzt haben oder dass es Lanham scheißegal ist oder dass du und Sabrina bei diesem Mittagessen verdammt überzeugend wart und er denkt, du seist ein Mann in festen Händen.«
Ich kippe den Rest meines Drinks herunter. »Es ist nicht Letzteres. Oder wenn doch, würde er nicht zögern, das zu ändern, wenn er die Chance bekäme.«
»Na und? Lass ihn. Du willst Lanham. Er will Sabrina. Er wird wahrscheinlich eine Bruchlandung mit ihr erleben wie jeder Mann. Was schadet es, ihn es versuchen zu lassen?«
»Das werden wir wohl gleich herausfinden.«
Ich wende mich Ian zu. »Was?«
»Du warst so vertieft in dein Gelaber, dass ich keine Chance hatte, dir zu erzählen, dass Lara und Sabrina sich hier auf einen Drink treffen wollten. Ich habe gerade eine Nachricht von Lara erhalten, dass sie sich verspätet, aber es sieht so aus, als hätte Sabrina jemanden gefunden, der ihr Gesellschaft leistet, während sie wartet.« Er deutet mit dem Kinn in Richtung Tresen.
Ich reiße den Kopf herum, und eine Welle heißer Besitzgier durchströmt mich.
Sabrina sitzt an der Bar, ganz eindeutig, und sie trägt noch immer das sexy blaue Kleid von heute Mittag. Sie legt den Kopf zurück und lacht über etwas, dass der Mann neben ihr gesagt hat.
Ein Mann, der kein Geringerer ist als Jarod Lanham.