25
Matt
Freitagnachmittag, 6. Oktober
Tja. Scheiße.
Mein Wochenende ist gerade erheblich komplizierter geworden.
Wortlos halte ich Sabrina mein Handy hin, damit sie die Nachricht lesen kann, die gerade eingetroffen ist.
Wir stehen in der Küche der Sams in ihrem Haus in den Hamptons und nippen an einem Glas Champagner, um uns einzustimmen für ein – wie wir erwartet haben – Wochenende voller Schauspielerei vor den beiden Chefs und einem Milliardär.
Stattdessen wappne ich mich gegen Sabrinas Ärger, während sie stumm die Nachricht liest.
Sie gibt mir das Handy zurück und trinkt einen Schluck Champagner. »Na ja. Immerhin brauche ich dann nicht auszuflippen, weil Juno bereits ihre schlammigen Pfotenabdrücke auf dem Bettüberwurf im Schlafzimmer hinterlassen hat.«
»Ich kann nicht glauben, dass sie abgesagt haben«, entgegne ich, immer noch abgelenkt von Samanthas Nachricht. »Wer zum Teufel macht so etwas?«
»Vielleicht dachten sie, sie würden dir einen Gefallen tun«, sagt sie und geht zum Kühlschrank, um die Champagnerflasche herauszunehmen. »Wahrscheinlich finden sie, dass es, wenn der zukünftige Kunde nicht kommt, keinen Grund dafür gibt, dass wir vier uns durch peinlichen Small Talk quälen.«
Ich ignoriere ihren Beschwichtigungsversuch. »Und was ist das für ein Schwachsinn von wegen es ist was dazwischengekommen?
Das ist die älteste und lahmste Ausrede aller Zeiten.«
»Also wirst du Jarod auf eine andere Art und Weise umwerben«, meint sie und beugt sich über die Theke, um mein Glas aufzufüllen.
Ich strecke eine Hand aus, um sie daran zu hindern. »Ich sollte nicht trinken. Nicht wenn ich zurückfahre.«
»Niemals«, protestiert sie, schlägt meine Hand weg und füllt das Glas wieder auf. »Ich setze mich nicht gleich wieder mit diesem Hund ins Auto.«
Ich lache bei der Erinnerung daran, dass Juno während der ganzen Fahrt von der Upper East Side nach Southampton gejault hat. »Man sollte meinen, sie wäre noch nie zuvor Auto gefahren.«
»Ist sie wahrscheinlich auch nicht«, bemerkt Sabrina. »Ich besitze keinen Wagen. Ihr Tierarzt ist in fußläufiger Entfernung, daher musste ich sie nie in ein Taxi oder die U-Bahn verfrachten. Und ich habe sie aus einem Tierheim in Harlem geholt, als sie noch ein ganz junger Welpe war.«
»Wo ist das Monster überhaupt?«, frage ich und sehe mich in dem luxuriösen Strandhaus nach dem Hund um.
»Draußen. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass sie lieber ein Loch in den Sand graben soll als in das Bett deiner Chefs.«
»Und wenn sie wegläuft?«
Sabrina schüttelt den Kopf und geht zur Hintertür, durch die man auf den Strand gelangt. »Pass auf.«
Sie stößt einen kurzen, energischen Pfiff aus, und keine dreißig Sekunden später springt ein nasser, sandiger Hund auf sie zu. Sabrina hebt eine Hand, bevor der Hund ins Haus stürmen kann, und Juno pflanzt ihren Hintern auf die Veranda und wedelt wild mit dem Schwanz, während sie auf Lob wartet.
»Braves Mädchen«, sagt Sabrina mit einer Stimme, die ich noch nie von ihr gehört habe. Sie ist bewundernd und ein klein wenig einfältig, und ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen, als sie in die Hocke geht, um ihren Hund zu streicheln.
Sabrina trägt einen teuer aussehenden roten Pullover und hellgraue Freizeithosen, aber sie zuckt mit keiner Miene, als Juno die Pfoten auf ihre Knie setzt und ihr einen schlabbrigen Kuss auf die Wange gibt.
»Okay, das ist genug Liebe«, erklärt Sabrina einen Moment später und lacht, während sie den Hund wegschiebt. »Geh und setz deine Erkundung des Strandes fort.«
Juno springt wieder weg, und ich gucke Sabrina an wie ein Auto. »Gibt es irgendjemanden, den du nicht vollkommen um den Finger gewickelt hast und der nicht bereit ist, dir auf einen simplen Pfiff hin zu gehorchen?«
Sie schenkt mir ein kokettes Lächeln. »Nun. An dir arbeite ich noch.«
Ich bin mir nicht so sicher. Wann immer ich mit ihr zusammen bin – Hölle, jedes Mal, wenn ich sie ansehe –, wird es schwerer und schwerer, daran zu denken, wieder zu dem Verhältnis zurückzukehren, das wir früher hatten.
Zum ersten Mal verstehe ich voll und ganz, warum Sabrina ihre Kein-Sex-Regel verhängt hat. Und obwohl ich es nicht bereue, in den letzten Tagen auf jede mögliche erfreuliche Art und Weise gegen die Regel zu verstoßen, bin ich nicht mehr so ganz überzeugt von dem, was wir tun. Oder warum wir es tun.
Ich sollte darauf brennen, in die Stadt zurückzukommen, in mein echtes Leben, jetzt, da Lanham und meine Chefs abgesagt haben, aber stattdessen ist es das hier, das sich real anfühlt. Der Gedanke ist gleichzeitig faszinierend und beängstigend.
»Also, wie lange braucht sie?«, frage ich und deute mit dem Kopf in die Richtung, in die Juno verschwunden ist. »Ich würde gern aufbrechen, bevor es dunkel wird.«
Ihr Glas hält auf halbem Wege zu ihren Lippen inne, und in ihrem Blick steht Enttäuschung, obwohl sie mit ihrer gewohnten frechen Art antwortet. »Verdammt, du bist wirklich alt geworden. Keine Sorge, Opa. Wir werden dich vor dem Abendessen wieder nach Hause bringen.«
»Ich meine ja bloß, wenn niemand hier ist …«
»Natürlich, ich kapiere. Es hat keinen Sinn, die Show ohne Publikum zu inszenieren«, unterbricht sie mich. »Ich habe den Vertrag geschrieben, erinnerst du dich?«
»Sabrina.«
Sie stellt ihr Champagnerglas auf den Küchentisch. »Ich gehe kurz spazieren. Auf dem Rückweg rufe ich Juno herein, und wir können losfahren, sobald ich sie sauber gemacht habe.«
Ich knirsche mit den Zähnen. Ich kenne sie gut genug, um zu wissen, dass sie rausgehen wird, ganz gleich, was ich sage, daher halte ich den Mund und lasse sie ziehen.
Ich hebe mein Glas, um einen Schluck von meinem Champagner zu trinken, aber ich will ihn nicht mehr. Ich stelle es beiseite und hole mir stattdessen ein Bier aus dem Kühlschrank. Während ich den Deckel abschraube, schlendere ich auf die Veranda hinaus und lasse den Blick über den Strand schweifen, bis ich Sabrinas schlanke Gestalt in dem roten Pullover sehe und den großen Hund, der in langen Sätzen um sie herumspringt. Aus Junos Schnauze ragt zu beiden Seiten ein gewaltiger Stock heraus.
Für einen schmerzhaften Augenblick verspüre ich heftige Sehnsucht, mich ihnen anzuschließen. Die Sehnsucht, ihnen dabei willkommen zu sein.
Stattdessen nippe ich an meinem Bier und atme tief die salzige Meeresluft ein.
Es ist schön. Schöner als mir bewusst war, aus der Stadt herauszukommen, hierher, wo ich nicht das ständige Verlangen verspüre, E-Mails zu checken, an mein Handy zu gehen, meine Krawatte zurechtzurücken, einen schlagfertigen Scherz auf den Lippen zu haben.
Es ist sogar eine Erleichterung, Urlaub von den Zahlen zu haben. Das ist das Problem mit meinem verdammten Taschenrechnergehirn. Wenn Zahlen da sind, verarbeite ich sie, auch wenn es nicht nötig ist. Alles, angefangen vom Börsenticker auf jedem Bildschirm auf der Wall Street bis hin zu der Quittung in einem Restaurant, setzt das Zahlenwerk meines Gehirns summend in Gang.
Ganz so, wie in meiner Vorstellung Schriftsteller immer einen kleinen Teil ihrer Aufmerksamkeit bei ihrer nächsten Geschichte haben, scheint ein kleiner Teil von mir Zahlen zu sortieren und umzusortieren, nur weil sie da sind.
Aber jetzt sind sie nicht da. Hier ist nichts als Nachmittagssonnenschein, eine frische Brise, Sand, Wasser … eine schöne Frau.
Meine Frau.
Es wird höchste Zeit, dass ich diesbezüglich etwas unternehme.
Hölle, wenn ich nur wüsste, was. Oder wie.
Ich gehe wieder in die Küche und öffne den Kühlschrank, diesmal um die Lebensmittelsituation abzuschätzen. Die Sams haben sich nicht nur von irgendeinem schnieken Lieferservice ein ganzes Arsenal von Gourmet-Speisen liefern lassen, sie haben für das ganze Wochenende für sechs Personen geplant.
Die Essensoptionen sind endlos. Meine kulinarischen Fähigkeiten? Weniger.
Ich hole ein paar Stücke teuren Käses und ein riesiges New Yorker Rumpsteak heraus. Damit werde ich fertig. Wahrscheinlich. In der Speisekammer entdecke ich außerdem einige Backkartoffeln und Kräcker, außerdem eine Platte, auf die ich den Käse legen kann.
Einige Minuten später habe ich eine anständig aussehende Käseplatte parat, die Kartoffeln sind im Ofen, und Rotwein steht offen zum Atmen auf der Theke. Meine Fähigkeiten im Würzen von Steaks sind auf Salz und Pfeffer begrenzt, aber nach dem Preisschild an dem Steak zu urteilen glaube ich nicht, dass das eine Rolle spielen wird, solange ich das Ding nicht total verbrenne.
Ich habe gerade den Grill auf der hinteren Veranda eingeschaltet, als ich Junos Bellen höre, gefolgt von dem unbeholfenen Tapsen des Hundes auf der Treppe. Einen Moment später erscheint Sabrina.
Sie erstarrt, als sie mich sieht, und ich erstarre ebenfalls, nicht vor Überraschung, sondern weil sie so wunderschön aussieht. Der Wind und die Meeresluft haben ihr Haar wilder und welliger gemacht als gewöhnlich, und ihre Wangen sind gerötet, nicht von irgendeinem teuren Kompaktpuder, sondern vom Wind und – weil ich sie kenne – wahrscheinlich von ein wenig Zorn. Auf mich.
Ihr Blick huscht von meinem Gesicht zu dem Deckel des Grills, der geöffnet ist, dann hinunter zu der Hündin, die eine Art sechsten Sinn besitzen muss, dass Fleisch zu erwarten ist, denn Juno hechelt glücklich und wedelt wie verrückt mit dem Schwanz.
Ich räuspere mich. »Ich fand, es wäre Verschwendung, heute Abend schon wieder zurückzukehren. Nachdem wir den ganzen Weg hierhergefahren sind.«
Sie lehnt sich an einen der Verandapfeiler und verschränkt die Arme vor der Brust. »Es ist ein großes Haus nur für uns zwei.«
Juno bellt, um dagegen zu protestieren, dass man sie aus der Gleichung herausgerechnet hat, aber wir ignorieren sie.
Ich gehe langsam auf Sabrina zu. »Ich tue das für dich, weißt du. So gut deine professionellen Fähigkeiten auch sind, deine häusliche Persönlichkeit ist ein wenig eingerostet.«
Sie zieht die Brauen hoch. »Ach ja?«
»Versteh mich nicht falsch, du kommst wirklich gut mit Sushi-Restaurants und Cocktailpartys zurecht. Und mit Wohltätigkeitsveranstaltungen im Museum und Dinnerpartys und Kleidern und hohen Absätzen.«
»Warum habe ich das Gefühl, dass ich irgendwie beleidigt werde?«
»Weil ich bin, wie ich bin«, antworte ich, strecke eine Hand aus und fange eine widerspenstige Locke ein, einfach weil ich es kann. »Weil du bist, wie du bist. Und weil du im Laufe der Jahre so viele verdammte Mauern hochgezogen hast, was mich betrifft, dass du kein verdammtes Wort von mir nicht zuerst auf eine Beleidigung hin abklopfst.«
»Vielleicht liegt das an der Art, wie du diese ganze Sache eingefädelt hast.«
»Oder vielleicht«, sage ich leise, »liegt es daran, dass du darauf trainiert bist, misstrauisch zu sein.«
Ihre Nasenflügel beben vor Ärger. »Typisch Mann, mir die Schuld in die Schuhe zu schieben. Du Armer, zu Unrecht Beschuldigter …«
»Nein, zu Recht
beschuldigt«, unterbreche ich sie. »Ich bestreite nicht, dass ich ein Idiot war. Oder vielleicht hast du meine Motive falsch verstanden.«
»Will sagen?«
»Will sagen, dass ich ebenfalls Mauern hochgezogen habe. Und in jener ersten Nacht hatte ich wohl schreckliche Angst davor, dass zum ersten Mal in meinem Leben, seit ich erwachsen bin, jemand die Mauer erklimmen könnte. Dass du
sie erklimmen könntest.«
Ihre Lippen öffnen sich vor Überraschung, aber ausnahmsweise einmal hat sie keine kesse Antwort auf Lager. Stattdessen mustert sie mich lange. »Wenn wir bleiben, werde ich dir nicht beim Kochen helfen.«
»Nun, Gott sei gedankt dafür«, antworte ich und spiele bei ihrem Bestreben, die Stimmung aufzuhellen, mit.
Sabrina lächelt, dann nimmt sie mir das Bier aus der Hand und trinkt davon. Anschließend verzieht sie das Gesicht. »Ich hasse Bier.«
»In der Küche steht eine offene Weinflasche.«
»Viel besser«, sagt sie. »Geh du diese Flasche holen, während ich Juno zu dem Schlauch an der Seite des Hauses bringe. Obwohl ich bezweifle, dass ein nasser Hund besser sein wird als ein sandiger Hund.«
Sie geht die Treppe wieder hinunter und pfeift nach Juno, und ich gestatte mir ein kleines Lächeln. Ich weiß, dass ich gerade eine erstklassige Gelegenheit versäumt habe, einen stinkreichen Traumkunden zu umwerben.
Aber das lässt mich total kalt.
Denn stattdessen bekomme ich ein ganzes Wochenende, um meine Traumfrau zu umwerben.