KAPITEL 7

DIE ANSTIFTER

Fast fünfzehn Jahre, nachdem er Richard III. schrieb, kehrte Shakespeare zu seiner Vision des verkrümmten Selbst zurück, das zugleich Motiv und Last der tyrannischen Macht ist. Der von seinem heimtückischen Mord an Duncan bis zu seinem elenden, verzweifelten Ende blutbefleckte Macbeth ist Shakespeares berühmtester und unvergesslichster Tyrann. Doch diesmal haben die Einsamkeit, der Selbstekel und die Leere im innersten Wesen des Tyrannen nichts mit einer körperlichen Missbildung zu tun. Macbeth benutzt die Macht nicht, um fehlende sexuelle Anziehungskraft auszugleichen; er kocht nicht vor kaum unterdrücktem Zorn; er hat nicht von Kindheit an gelernt, seine wahren Gefühle unter einer Maske der Wärme oder Frömmigkeit zu verbergen. Und sonderbarerweise will er nicht einmal von ganzem Herzen König werden.

Im Gegensatz zu Richard hat Macbeth nicht seit jeher davon geträumt, alle Hindernisse zu überwinden, um absolute Macht zu erlangen. Der unheimliche Gruß der Hexen – »Hoch, hoch, Macbeth!, der König wird dereinst mal« (Macbeth, I, 3, 50) – erschüttert ihn, aber er erweckt zunächst nicht Freude, sondern Furcht. Denn während Richard stolz darauf ist, dass moralische Verpflichtungen und normale menschliche Gefühle ihm nichts bedeuten – »Mitleid träntropfend wohnt mir nicht im Auge (Richard III., IV, 2, 65) –, haben sie für Macbeth großes Gewicht. Er ist ein standhafter, zuverlässiger militärischer Führer, ein treuer Verteidiger der Herrschaft König Duncans. Als der glücklose Duncan beschließt, ihn zu besuchen, graust es Macbeth – trotz der in ihm erweckten Vorstellung des Verrats – bei dem Gedanken, einen Gast in seinem Haus zu hintergehen, einen König, dem er Treue geschworen, der ihn gut für seine Dienste belohnt und der seine Autorität mit beispielhafter Integrität ausgeübt hat:

Dann dieser Duncan,
In seiner Kronmacht war so mild, war so
Herzrein in seinem Amt, daß seine Tugenden
Wie Engel werden Klage schrein, posaunenzüngig vorm
Höllentiefen Todverbechen seines Mords;
Und Mitleid, nackt wie ein naß-neues Kind
Rittlings auf Stürmen, oder Gottes Cherubim,
Hoch auf den unsichtbaren Sturmrössern der Luft,
Blasen die Schreckenstat wie Sand in jedes Auge,
Bis Tränenflut den Sturm ersäuft.
(I, 7, 16-25)

Diese Worte, die er nur zu sich selbst und in tiefer Unruhe spricht, sind denkbar weit von allem entfernt, was aus dem Mund Richards III. kommen könnte. Wir befinden uns in einem anderen psychologischen und moralischen Universum.

Die bloße Idee, einen Mann zu ermorden, dem er Treue geschworen hat, lässt Macbeth die Haare zu Berge stehen, sein Herz in höchster Unruhe pochen und stürzt seinen Geist in taumelnde Verwirrung:

Mein Denken, das noch Mord nur phantasiert,
Erschüttert so mein unteilbares Sein
Als Mensch, das Handeln ganz erstickt im Grübeln,
Und nichts ist, als was nicht ist.
(I, 3, 139-142)

Obwohl er ein furchtloser Krieger ist, der seine Feinde »aufgetrennt hat bis zum Kinn/Vom Nabel« (I, 2, 22-23), zerreißt ihn der Gedanke an Verrat geradezu.

Der wahre Anstifter des Mordkomplotts ist nicht Macbeth, sondern seine Frau. Sie sieht Widerstand voraus, denn sie kennt ihren Mann gut und befürchtet, dass ihm Persönlichkeitsmerkmale fehlen, die für einen Tyrannen unverzichtbar sind. Sein Wesen ist »zu voll der Milch der Menschensgüte« (I, 5, 16), um das Nötige auszuführen. Sie ist es, die Pläne für »der Nacht/Schweres Geschäft« entwirft (I, V, 66-67); sie erklärt ihrem Ehemann, wie er sich zu verhalten hat; sie macht die königlichen Diener betrunken. Macbeth bleibt voller Zweifel und Zögern. Duncan ist schließlich der König und Macbeth sein Gastgeber, »der vor den Mördern das Tor zusperrn sollt,/Nicht selbst das Messer führn« (I, 7, 15-16).

Als die verhängnisvolle Stunde naht, versucht er die Verschwörung zu beenden – »Wir wolln nicht weitergehn in dieser Sache« –, und nur von der höhnischen Beharrlichkeit seiner Frau lässt er sich zum Weitermachen überreden. »Ja, war/Die Hoffnung denn im Vollrausch, als du sie/Dir angelegt hast?«, fragt sie ihn. »Hast du wohl Angst,/Derselbe Mann in Tat und Mut zu sein,/Der du im Wünschen bist?« (I, 7, 31-41). Macbeth entgegnet auf die Unterstellung der Schwäche: »Ich wage alles, was dem Menschen ziemt«, doch seine Frau schmettert seine Worte ab und appelliert an seine Manneskraft: »Als du’s gewagt hat, warst du Mensch und Mann;/Und mehr zu sein, als was du warst, wolltst du/So mehr ein Mann sein« (I, 7, 46-51). Der so provozierte Macbeth schreitet zur mörderischen Tat.

Lady Macbeths Sticheleien über die Männlichkeit ihres Ehemanns – seine Fähigkeit, derselbe im Handeln wie im Wünschen zu sein – bringen eine wiederkehrende Implikation der Tyrannei bei Shakespeare an die Oberfläche. Der Tyrann wird, wie sich in Macbeth und anderen Stücken zeigt, von einer Reihe sexueller Ängste angetrieben: dem zwanghaften Bedürfnis, seine Männlichkeit zu beweisen, der Furcht vor Impotenz, einer nagenden Besorgnis, nicht attraktiv oder mächtig genug zu erscheinen, der Angst vor dem Versagen. Daher die Neigung zum Drangsalieren, die bösartige Frauenfeindlichkeit und die explosive Gewalt. Daher auch die Verletzlichkeit gegenüber Spott, vor allem wenn er latent oder explizit sexuell ist.

Seit dem Augenblick, als die Hexen ihn begrüßten, ist Macbeth die Verkörperung des Zwiespalts gewesen, doch seine Frau beharrt darauf, dass er sich festgelegt hat und keinen Rückzieher mehr machen kann:

Ich hab gestillt und weiß,
Wie’s wärmt, das Kind zu lieben, das mich trinkt:
Ich hätt, und wie’s mir lächelt ins Gesicht,
Die Zitze ihm gezerrt vom weichen Gaumen
Und ihm das Hirn zu Brei zerhaun, hätt ich’s
Geschworn, wie du geschworn hast.
(I, 7, 54-59)

Wider bessere Einsicht zur verräterischen Tat getrieben, äußert Macbeth einen letzten verzweifelten Vorbehalt – »Wenn wir scheiterten?« –, doch seine Frau wendet die Frage gegen ihn mit einem weiteren Stachel:

Wir scheitern?
Schraub du nur deinen Mut zum Berstpunkt hoch,
Und nichts von Scheitern dann.
(I, 7, 59-62)

Macbeths Reaktion ist erstaunlich: »Gebier nur Männer-Kinder!/Denn dein stahlkalter Webstoff sollte nichts/Als Männer formen.« Von diesem Punkt an, da er praktisch die Rolle akzeptiert, die seine Frau ihm zugewiesen hat, ist sein Schicksal besiegelt. »Ich bin dabei«, sagt er (I, 7, 73-80). Wir haben die Geburt des Tyrannen mit angesehen.

Als die Tat vollbracht ist und Macbeth die »Macht unumschränkt und Herrschaft« (I, 5, 69) erringt, zu der seine Frau ihn aufgestachelt hat, schließt sich der psychische und moralische Abgrund, der ihn von Richard trennte, rasch. Hatte ihn zuvor der bloße Gedanke an Verrat entsetzt, so bezahlt er nun Mörder, um seinen engsten Freund umzubringen. Er, der einmal das »Schoßkind des Muts« war, ein Mann ohne jede Furcht, hat plötzlich Angst vor allem: »Wo klopft das her?/Wie steht’s mit mir, wenn jeder Laut mich hochjagt?« (II, 2, 19, 56-57). Er, der früher kaum seine Gedanken verbergen konnte – »Than, dein Gesicht ist wie ein Buch, wo man/Seltsames lesen kann«, warf seine Frau ihm vor (I, 5, 61-62) –, ist nun in Täuschung und Lügen verstrickt.

Ebenso wie den Lügen Richards schenkt diesen niemand rechten Glauben. »Verlogne Trauer zeigen ist ein Dienst,/Der falschen Menschen leicht fällt«, flüstert Duncans ältester Sohn Malcolm seinem Bruder zu. Der ist seiner Meinung: »Hier im Haus,/Da lächelt jeder Dolche« (II, 3, 133-137). Wie die wachsamen Überlebenden in Richards Reich fliehen beide, um ihr Leben zu retten.

In Schottland wird unterdessen die offiziell von Macbeth ausgestreute Geschichte verbreitet: Duncan wurde von seinen Dienern ermordet, angestiftet durch seine beiden inzwischen geflüchteten Söhne. Die Diener können nicht mehr verhört werden, weil Macbeth sie getötet hat, angeblich von seiner »wilden Liebe« für den erschlagenen König hingerissen (II, 3, 197). Für das neue Regime ist es eine nützliche Fiktion, welche die offiziellen Zeremonien ermöglicht, die seiner Herrschaft einen Anschein von Legitimität verleihen. Tyrannische Macht lässt sich leichter ausüben, wenn es so scheint, als bestehe die alte Ordnung fort. Die beruhigenden, durch Konsens und Einvernehmlichkeit geprägten Strukturen mögen inzwischen ausgehöhlt und bloß noch Fassade sein, aber sie existieren noch, sodass die Beobachter, die psychische Beruhigung und ein Gefühl des Wohlbefindens brauchen, sich einreden können, die Herrschaft des Rechts sei intakt.

Macbeths Freund Banquo versteht jedoch, was vorgeht. Er hat die unheimlichen Prophezeiungen auf der Heide mit angehört und gesehen, wie sie sich Schritt für Schritt erfüllten. »Du hast es nun, ganz, König, Cawdor, Glamis, wie’s/Die Schwarzen Fraun versprachen; und ich fürcht,/Hast recht schlecht drum gespielt«, grübelt er über seinen Freund nach (III, 1, 1-3). Obwohl er ein prinzipienstarker Mann ist, schweigt Banquo und flieht auch nicht. Er ist kein Helfer wie Buckingham, aber er ist Macbeths Verbündeter und hat keinen Beweis für seinen Verdacht. Außerdem haben die Weissagungen sich auch auf ihn bezogen: »Zeugst Könige, wirst selbst auch keiner« (I, 3, 67). Wenn alles, was die Hexen für Macbeth voraussahen, eingetroffen ist, »Warum …/Solln sie nicht mein Orakel gleichfalls sein/Und Hoffnung auch für mich?« (III, 1, 8-10).

Das Verhältnis zwischen den beiden Freunden hat sich verändert. Macbeth spricht weiterhin herzlich zu ihm, als bestünde ihre alte Nähe fort, aber Banquo antwortet mit einer Förmlichkeit, die dem Unterschied, den die Krone erzeugt hat, Rechnung trägt:

Ihre Hoheit
Verfüge über mich, an die mein Pflichtsinn
Mit völlig unauflösbarm Band geknüpft
Bleibt alle Zeit.
(III, 1, 15-18)

Macbeth wiederum hat die wichtigste Lektion eines Tyrannen schon gelernt: Er kann keine echten Freunde haben. Seine scheinbar beiläufige Frage – »Sie reiten heute Mittag?« – ist das Vorspiel zu einem Komplott mit dem Ziel, seinen Freund zu ermorden. »Unsere Furcht vor Banquo/Sitzt tief« (III, 1, 19, 48-49), grübelt Macbeth, bevor er den Mördern ihre Anweisungen gibt und ihnen einschärft, auch Banquos Sohn Fleance umzubringen. Er weiß, falls Fleance überlebt, könnte sich die Prophezeiung, dass Banquo eine Dynastie begründen wird, erfüllen. Und dann, so sein bitterer Gedanke, hätte er seinen Geist und seine Seele beschmutzt, nur um die »Brut von Banquo« zu Königen zu machen (III, 1, 69).

Das Gefühl des Tyrannen, persönlich beschmutzt zu sein, ist etwas, das Shakespeare in Richard III. erst zum Schluss andeutete – »ich haß mich eher selbst/Hässlichster Taten halb, begangen durch mich selbst« (V, 3, 190-191); Macbeth hingegen peinigt es von Anfang an. Und mit diesem Gefühl, das eigene Nest beschmutzt zu haben, stellt sich etwas ein, das er »Aufruhr« nennt (III, 2, 22), eine ständige, alles verzehrende Unruhe. Er projiziert diese Unruhe auf Banquo, als stünde nur er zwischen ihm und dem Glück: »Niemand als er/Der mir durch sein Da-Sein Furcht macht« (III, 1, 53-54). Doch die innere Qual, die Macbeth seiner Frau offenbart, lässt sich nicht von denen kurieren, die er für den Mord an seinem Freund angeworben hat.

Lady Macbeth weiß, dass der Seelenzustand ihres Ehemanns sie beide bedroht:

Nichts ist gewonnen, alles ist vertan,
Fehlt uns Zufriedenheit am End der Bahn.
Viel sichrer, das zu sein, was wir zerstören,
Als durch Zerstörung zweifelhaftem Glück gehören.
(III, 2, 4-7)

Aber was genau hat sie erwartet? Tyrannei entsteht – das weiß sie, wie ihre Worte zeigen – aus Zerstörung, der Zerstörung von Menschen und eines ganzen Landes. Dass sie meinte, ihre persönliche Zufriedenheit, Sicherheit und Freude lassen sich durch dieses Mittel erreichen, steht im Einklang mit der fatalen Oberflächlichkeit, die sie äußerte, als sie sich das Blut des ermordeten Königs von den Händen wusch: »Ein wenig Wasser reinigt von der Tat« (II, 2, 66).

Die intime Bindung zwischen Ehemann und Ehefrau half bei ihrer Entscheidung zum Mord an Duncan, und während sich die verheerenden Nachwirkungen ihrer gemeinsam ausgeführten Tat entfalten, ist es die einzige menschliche Bindung, die sie noch haben. Doch nichts, was Lady Macbeth zu ihrem Mann sagt – »was bleibst du so allein«, »getan bleibt mal getan«, »sei frisch und heiter« (III, 2, 8-28) –, lindert seine inneren Qualen. Ihre aufgesetzte Munterkeit und ihre nüchterne Sachlichkeit, die beruhigend wirken soll, klingen angesichts seines Leids hohl: »Oh du! Skorpione stechen mir durchs Hirn!« Macbeth wiederum benutzt zwar weiter Kosenamen – was Ehepaare bei Shakespeare selten tun –, teilt seine dunklen Pläne aber nicht mehr mit ihr. »Was soll geschehn?«, fragt sie wegen Banquo, und er antwortet: »Bleib unschuldig und weiß nichts, Täubchen mein,/Bis du der Tat kannst klatschen« (III, 2, 36, 44-46).

Ihre Gelegenheit zu applaudieren kommt noch in derselben Nacht, doch alles geht furchtbar schief. Die Mörder kehren zurück und berichten Macbeth, sie hätten Banquo getötet – »liegt sicher dort im Graben,/mit zwanzig Klafterwunden um den Kopf« (III, 4, 25-26) –, doch sie haben seinen Sohn nicht ebenso »sicher« gemacht. Macbeths Reaktion zeigt viel von seinem besonderen psychischen Zustand und allgemeiner von den Fantasien und Lasten der Tyrannei. »Dann kommt mein Fieber neu«, erwidert er, als er erfährt, dass sich Fleance retten konnte,

wär sonst gesund,
Heil wie der Marmor, grundfest wie der Fels,
So weit und grenzlos wie der Luft Allgegenwart:
Doch jetzt: gepfercht, gepflockt, gesperrt, verwebt,
In freche Furcht und Zweifel.
(III, 4, 20-24)

»Wär sonst gesund« – Macbeth sehnt sich nach einer Form von Vollständigkeit, der Härte, Festigkeit und Undurchdringlichkeit des Steins oder auch der Ausbreitung, Unsichtbarkeit und Unendlichkeit der Luft. In beiden Fällen besteht der Traum in einem Entkommen vor dem Menschsein, das er als unerträglich beengend empfindet. Diese Sehnsucht erregt fast Mitleid; sie scheint sogar eine unerfüllbare spirituelle Dimension zu haben, bis man sich klarmacht, dass das Mittel, durch das Macbeth »gesund« zu werden hofft, der Doppelmord an seinem Freund und dessen Sohn ist.

Hier wie auch sonst bei Shakespeare wird das Verhalten des Tyrannen von einem krankhaften Narzissmus angetrieben. Das Leben anderer ist unwichtig, wichtig ist nur, dass er sich »heil« und »grundfest« fühlt. Zu seiner Frau hat er gesagt:

Doch soll der Weltbau klaffen, Erd und Himmel leiden, Eh wir das Brot in Furcht verzehrn und schlafen
Unter dem Schwert so grauenhafter Träume,
Wie uns allnächtlich schütteln.
(III, 2, 16-19)

Zweifellos sind diese Träume schrecklich, und obwohl er sie sich selbst zuzuschreiben hat, könnten wir sogar einen Hauch Mitgefühl für die Albträume aufbringen, die er ertragen muss. Doch jedes Mitgefühl erstirbt angesichts seiner böswilligen Gleichgültigkeit gegenüber allem und jedem, ja der Erde selbst: »Doch soll der Weltbau klaffen.«

Es genügt dem Tyrannen nicht, einen Mann zu vernichten, der für eine moralische Alternative zu dem üblen Weg steht, den er selbst beschritten hat. Über Banquo sagt er:

Viel, was er wagt.
Und noch zum unerschrocknen Geist dazu,
Da hat er Weisheit, die den Mut ihm lenkt,
Stets vorsichtig zu handeln.
(III, 1, 50-53)

Er muss, wenn irgend möglich, auch den Sohn dieses Mannes zerstören. Es ist der kranke Traum der Tyrannei, nicht nur die Gegenwart zu vergiften, sondern auch künftige Generationen, um sich auf ewig auszubreiten. Nicht allein die Erfordernisse der Handlung machen Macbeth ebenso wie Richard zum Kindermörder. Tyrannen sind Feinde der Zukunft.

Allerdings erweist es sich als schwieriger, Zukunft und Vergangenheit auszulöschen, als sich der Tyrann das vorstellt. Fleance kann entkommen. Und ebenso wie Richard im Traum von den Geistern der Ermordeten heimgesucht wurde, wird Macbeth beim königlichen Festmahl, das er mit seiner Frau gibt, vom blutbespritzten Geist Banquos heimgesucht. Die Erscheinung symbolisiert weniger das unterdrückte Gewissen des Tyrannen als seinen psychischen Verfall. Lady Macbeth versucht seinen Willen, wie früher schon, zu stärken. »Bist du ein Mann?«, fragt sie und tadelt ihn für seine Schwäche:

Oh!, solches Auffahrn, solches Zucken
(Schmiernkomödianten wahrer Furcht) wär angebracht
Für Weibermärchen dicht am Winterfeuer,
Wie Großmuttern sie ausspann. Schande drauf!
(III, 4, 62-65)

Aber die Intimität, die ihre sexuellen Sticheleien so mächtig machte, ist zerfressen, und Macbeths Furcht wird nur noch größer. Die Zeugen seines panischen Verhaltens und seiner hitzigen Worte erkennen, dass mit ihm etwas ganz und gar nicht stimmt.

Die Gäste beim Festmahl stehen vor einem Problem, das Shakespeare als häufig und fast unausweichlich in Tyranneien sah: Beobachter, vor allem die mit privilegiertem Zugang, erkennen deutlich, dass der Herrscher geistig instabil ist. »Dem König ist nicht wohl«, wagt Ross zu sagen, während Macbeth geradezu die Wände hochgeht. Aber was sollen sie tun? Paradoxerweise versucht Lady Macbeth das Problem zu überspielen, indem sie sagt, ihr Mann habe immer schon solche Anfälle gehabt: »So geht’s dem Herrscher oft,/Und ging’s von Jugend an« (III, 4, 51-53). So eine Enthüllung ist zwar beunruhigend, aber immerhin weniger als der Ausbruch einer Geisteskrankheit, denn sie impliziert zumindest, dass Macbeths erwiesene Kompetenz und Stabilität nicht von solchen gelegentlichen Anfällen beeinträchtigt wurden. Erst als die Anfälle die kriminelle Schuld des Tyrannen zu verraten drohen, löst Lady Macbeth die versammelte Runde rasch auf: »Nun kurz, gut Nacht:/Beim Aufbruch achtet nicht auf Etikette,/Nur geht sofort« (III, 4, 117-119). Sie will nicht, dass die Gäste noch ein weiteres belastendes Wort hören.

Als sie endlich allein sind, hört sie ruhig seinem Toben zu – »Das lechzt nach Blut, sagt man; Blut lechzt nach Blut« (III, 4, 121) – und äußert weder Vorwürfe noch Beschwichtigungen. Es ist, als sei etwas zwischen ihnen gestorben. Er enthüllt, dass es ein neues Ziel für seinen Argwohn gibt, Macduff, der seine Einladung ausgeschlagen hat, und sie fragt in seltsam unpersönlichem Ton: »Hast du zu ihm geschickt?« Er antwortet, dass er überall Spione hat und nun die Hexen besuchen will, um zu sehen, ob sie ihm mehr sagen können. Zu diesem Plan schweigt seine Frau, und er zeigt erneut den erschreckenden Narzissmus des Tyrannen, dem alles andere weichen muss: »Dem, was mir gut tut,/Muss alles aus dem Weg.« Immer noch schweigt sie, und wie in einem inneren Monolog äußert er seine düstere Überzeugung, dass es kein Zurück gibt: »Ich stieg ins Blut/So tief, daß mir, wollt ich nicht mehr drin baden,/Rückkehrn so schwer wär wie hindurchzuwaten« (III, 4, 129, 134-137).

»Schwer« ist ein vielsagendes Wort für den Albtraum, in dem Macbeth sich findet. Erwägungen von Moral, politischer Taktik oder einfacher Intelligenz sind verschwunden und durch eine bloße Kalkulation der notwendigen Anstrengung ersetzt. Besser nicht stehen bleiben und nachdenken, sondern einfach dem Affekt folgen: »Hab Seltsames im Kopf, was drängt zur Hand/Und muß getan sein, eh’s recht Prüfung fand.« Erst jetzt spricht Lady Macbeth Worte, die an ihre frühere eheliche Intimität erinnern: »Dir fehlt der Heilstoff aller Wesen – Schlaf.« Ihr Gemahl stimmt zu: »Komm, schlafen wir« (III, 4, 138-141). Es sind die letzten Worte zwischen ihnen.

Was noch bleibt, ist der Ausgang von Macbeths verzweifelter Suche nach Beruhigung und Sicherheit: sein leichtgläubiger Wunsch, den mehrdeutigen und täuschenden Voraussagen der Hexen zu glauben, und seine unaussprechlich grausame Entscheidung, Macduffs Frau und Kinder ermorden zu lassen, nachdem dieser nach England geflohen ist. Obwohl Unsicherheit, übermäßiges Selbstvertrauen und mörderische Wut seltsame Bettgenossen sind, bestehen sie in der Seele des Tyrannen nebeneinander. Er hat Diener und Mittäter, aber im Grunde ist er allein. Die institutionellen Fesseln haben ohne Ausnahme versagt. Es gibt keine inneren und äußeren Instanzen mehr, die die meisten gewöhnlichen Sterblichen, und erst recht Staatenlenker, davon abhalten, mitten in der Nacht irrationale Botschaften zu verschicken oder jedem verrückten Impuls nachzugeben. Macbeth verkündet: »Von jetzt an/Sei meines Herzens erster Erstling gleich/Der Erstling meiner Hand« (IV, 1, 146-148).

Die Person, mit der er sein Leben bisher teilte, gehört nicht mehr dazu. In der berühmten Schlafwandlerszene sehen wir sie im Kampf mit ihren eigenen inneren Dämonen, und es sagt viel aus, dass nicht ihr Ehemann die verzweifelten Versuche beobachtet, sich die Hände zu waschen – »Weg da, verdammter Fleck« (V, 1, 33) –, sondern ein Arzt und eine adlige Kammerfrau. Als man ihm die Nachricht vom Tod seiner Frau bringt, zeigt Macbeth, der sich auf die Schlacht vorbereitet, kaum eine Reaktion: »Sie hätte sonst wann sterben solln:/Zeit hätt’s gegeben für ein solches Wort« (V, 5, 17-18).

Was nun folgt, ist Shakespeares reifster und tiefsinnigster Versuch zu begreifen, wie ein Tyrann fühlt. Macbeth weiß, dass sein Volk ihn verabscheut und dass sein bloßer Name nach Malcolms Worten »schon den Mund fault« (IV, 3, 12). Er hat fast von Anfang an gewusst – noch bevor er Duncan umbrachte –, dass er nicht zum König geeignet ist. Er führt alle Insignien seines hohen Rangs, aber sie passen ihm nicht richtig und lenken nur die Aufmerksamkeit auf seine Untauglichkeit. »Jetzt fühlt er den Rang/Am Leib ihm schlottern, wie des Riesen Rock/Am Zwerg hängt, der ihn stahl«, bemerkt einer seiner Untertanen (V, 2, 20-22). Früher war es ihm wichtig, Nachkommen zu hinterlassen, die sein Vermächtnis weitertragen können – »Gebier nur Männer-Kinder!« (I, 7, 73), sagte er seiner Frau –, jetzt nicht mehr. Und was in seinem Leben vor ihm liegt, selbst wenn er die sich sammelnden Feinde besiegen sollte, ist düster genug:

Und was den Altersherbst begleiten sollte,
Wie Ehre, Liebe, Freundeskreis, Respekt,
Danach darf ich nicht ausschaun; ernt anstatt
Flüche, nicht laut, doch tief, und Lippendienst,
Wind, dem das arme Herz gern weigern würde
Und wagt’s nicht!
(V, 3, 24-29)

»Lippendienst«, das leere Lob jener, die dafür bezahlt oder dazu gezwungen werden, ist der Lohn, den er von seiner Zeit im Amt erwarten kann.

In Richard III. stellte Shakespeare den bedrängten Tyrannen zerrissen zwischen Selbstliebe und Selbsthass vor. In Macbeth bohrt der Autor viel tiefer. Was hat all das gebracht, der Verrat, die leeren Worte, das Vergießen von so viel unschuldigem Blut? Es ist schwer, sich die Tyrannen unserer Zeit in Augenblicken so aufrichtiger Rechenschaft vorzustellen. Macbeth jedoch beschreibt unerschrocken, was er selbst über sich gebracht hat:

Und morgen und dann morgen und dann morgen,
So kriecht’s im Schleicheschritt von Tag zu Tag
Zur letzten Silbe hin im Lebensbuch;
Und alles Gestern hat nur Narrn geleuchtet
Beim Gang zu Dreck und Tod. Aus, aus, klein Kerzlein!
Leben ist nur ein Wanderschattenspiel,
Ein armer Komödiant, der seine Zeit
Abstolzt und abschnauft auf der Bühne und
Nie mehr gehört wird dann: ist eine Mär
Aus einem Tölpelmund, voll von Getön
Und Toben und bedeutet nichts.
(V, 5, 19-28)

Es ist wichtig zu verstehen, dass diese niederschmetternde Erfahrung völliger Sinnlosigkeit nicht der existenzielle Zustand der Menschheit ist, wie in einem absurden Drama. Das Stück betont, dass es genau das Schicksal des Tyrannen ist, und dieses Wort – »Tyrann« – hallt durch die letzten Szenen des Stücks.

Nachdem die Versicherung der Hexen, Macbeth würde erst besiegt, wenn der Wald von Birnam nach Dunsinane käme, sich als bloßer Trick erwiesen hat, steht der verzweifelnde Tyrann schließlich Macduff gegenüber, dessen Frau und Kinder er ermordet hat. Als Macbeth den Kampf zunächst ablehnt, sagt ihm sein Feind, »Dann, los, ergib dich Feigling,/Und leb begafft als Schaustück für die Welt«. Tatsächlich ist die schwerste Demütigung, die Macduff sich für Macbeth vorstellen kann, ihn öffentlich auszustellen:

Dich malen wir als Monster-Missgeburt
Auf Jahrmarktstafeln, und die Schrift dazu:
»Hier zeigt man den Tyrannen.«
(V, 8, 24-27)

Obwohl er sich »sattgespeist/An Greueln« und die Tiefen der Verzweiflung ausgemessen hat, betrachtet Macbeth dieses karnevaleske Ende als unsagbar erniedrigend. Ohne Freunde, ohne Kinder, vollkommen allein, besitzt er nichts mehr als das nackte Leben, und dieses Leben, wie er es niedergeschlagen ausgedrückt hat, »führt in die Dürre, unters gelbe Laub« (V, 3, 13-14, 23). Er kämpft und wird getötet. Macduff zeigt »des Usurpators Kopf«, den er abgeschlagen hat, und verkündet das Ende der Tyrannei: »Die Welt ist frei« (V, 9, 21).