Seit jenem Tag verlor Filina kein Wort mehr über das erzwungene Versprechen. Sie schielte auf den Neffen, um herauszufinden, ob er sich erinnerte. Walter erinnerte sich sehr wohl. Das Zugeständnis, das er im Fieberwahn seiner Tante gemacht hatte – war es überhaupt dieselbe Tante gewesen, nicht eher ein Geist? –, war ihm unheimlich. Er wollte nicht daran denken. Ihre Blicke prallten so fest aufeinander, dass Filinas Stimme dabei zitterte. Das Unbehagen legte sich mit der Zeit, die Unbeschwertheit aber war verloren.
Dass ein Geschichtenabnehmer nicht dichtgehalten hatte, war nur zwei Mal passiert, wusste Zia Filina. Das erste Mal vor dem Jahrhundert, in dem sie lebten. Eine alte Frau habe dem damaligen Geschichtenabnehmer, einem gewissen Ermanno Castelli, anvertraut, sie hätte ihren jüngsten Sohn, den letzten von sechs Kindern, nicht mit ihrem Ehemann gezeugt. Sie gab dem Geschichtenabnehmer den Namen des anderen preis. Der Geschichtenabnehmer sagte es weiter, und daraus entstand eine Familienfehde, die über zehn Jahre Gruma vergiftete.
Das zweite Mal nach dem ersten großen Krieg, 1920, um genau zu sein – Zia Filina kannte sogar die Jahreszahlen. Der alte Pietro Zardi, genannt Pietron, von ihm gebe es sogar irgendwo ein Foto, habe dem damaligen Geschichtenabnehmer, einem Glauco del Casone, den Namen eines Jungen verraten, der Jahre zuvor in einem Streit einen Gleichaltrigen umgelegt hatte. In der Folge kam es zu einem Rachemord, einem Unschuldigen wurde eine Axt in den Schädel gerammt, und weitere Tötungen folgten. Da infolge des Krieges nur wenige Männer im Dorf waren, nahm man auch die Kinder ins Visier. Ein Wahnsinn! Walter wolle doch nicht, dass so etwas wieder passiere, sagte Zia Filina. Geschichtenabnehmer, die nicht schweigen könnten, seien schlecht für Gruma, und ihre Zeit sei schnell abgelaufen, denn sie würden früher oder später in den Strudel der Ereignisse, den sie zu verantworten hätten, hineingezogen, und man fände sie tot hinter einer Scheune oder auf einem Feld.
»Du machst ihm Angst«, protestierte Elvira.
Filina schob ihre jüngere Schwester einmal mehr zur Seite und sagte, das müsse sein.