21

Große Pläne

Barbara hatte die Beine übereinandergeschlagen und sich bequem in dem Liegestuhl auf Sophies Balkon zurückgelehnt. Vor ihr stand ein Glas Sekt mit einem Schuss Holunderblütensirup und einem Blatt Minze dabei und daneben eine Schale mit selbst gemachtem Eis. Die Geschmacksrichtung sollte sie erraten. Sie nahm den Becher und schob sich andächtig einen Löffel nach dem anderen in den Mund. Genussvoll ließ sie das Eis über den Gaumen wandern.

Katrin und Chrissi machten es genauso, Marlene hingegen entschied recht schnell: »Schmeckt komisch, Mama.«

Sophie stand aufgeregt vor ihren Probeessern und wedelte mit der Hand vor dem Gesicht ihrer Tochter herum.

»Ach, Marlenchen, alles schmeckt komisch, das nicht nach Schokolade schmeckt, nicht wahr?«

Marlene kicherte. »Genau, Mama, du hast es begriffen!«

Sophie holte aus dem Wohnzimmer eine Schüssel mit Himbeeren und reichte sie Marlene. »Hier, nimm die einstweilen.«

»Mama, das sind Himmelbeeren«, sagte Marlene mit einer Spur Empörung.

»Himbeeren, aber schau genauer!«

»Oh«, entfuhr es Marlene, als sie eine Himbeere in die Höhe hielt und begutachtete. »Die haben eine Schokoladenmütze! Himmelbeeren mit Schokomütze. Toll, Mama. So geht es, glaub ich!«

»Also, ich würde sagen, da ist eine Note Karamell und etwas, das wie Ingwer schmeckt«, sagte Katrin. »Das ist megalecker. So cremig.«

»Find ich auch«, bestätigte Chrissi. »Ich hätte auf Pfirsich getippt.«

Sophie lachte. »Super, ein Mischmasch-Eis also.«

Barbara hob die Hand. »Ich hab’s. Ihr habt alle nicht so unrecht. Du hast Weißwein verwendet. Und Pfirsich.«

»Stimmt. Und wie fandet ihr die Quiche?«

Ihre Testesser nickten anerkennend.

»Wirklich großartig. Mit den Körnern dabei, die geraspelte Rote Bete, dieser kleine Salat. Das sah super aus und schmeckte phantastisch«, lobte Barbara. »Ich wusste nicht, dass du so kreativ kochen kannst.«

»Ich mach das total gern.«

»Großartig, ehrlich, Sophie.« Chrissi löffelte ihr Eis zu Ende, dann griff sie nach der Schüssel von Marlene. »Ich hol dir nachher noch ein Schokoladeneis.«

»Besprich das doch mal mit deinem Großvater«, sagte Barbara. »Vielleicht wird es tatsächlich Zeit, in der Weinstube etwas zu verändern.« Sie sah in eine unbestimmte Ferne. »Ist wirklich alles in die Jahre gekommen.«

Sophie ließ den Kopf hängen. »Du kennst ihn doch, er wird das einfach vom Tisch wischen. ›Es braucht kein neumodisches Zeug. Eine Weinstube ist kein Szenelokal‹«, ahmte Sophie ihren Großvater nach.

Marlene applaudierte ihrer Mutter. »Du machst Großpapa aber gut nach.«

Sophie verbeugte sich vor ihrer Tochter.

»Ach komm, Sophie, so schlimm ist er gar nicht«, sagte Chrissi. »Und fragen kostet nichts.«

»Außerdem schmeißt du hier den Laden. Du musst dich einfach mal was trauen. Apropos neumodisches Zeug und Szenelokal«, Katrin beugte sich verschwörerisch vor, »wir planen da etwas!«

»Tun wir das?«, fragte Sophie erstaunt.

»Echt? Wenn du so anfängst, dann krieg ich immer etwas Angst«, scherzte Chrissi. »Irgendwas, bei dem wir uns von einem Fels herunterhangeln müssen?«

Katrin verdrehte die Augen. »Als ob ich ständig irgendwelche haarsträubende Abenteuer für uns buche, also ehrlich. Ihr übertreibt maßlos!«

Chrissi und Sophie sahen einander an und lachten. Sie hätten beide problemlos etliche Ausflüge aufzählen können, bei denen Katrin sie ähnlich euphorisch eingestimmt hatte, bei denen sie dann aber in Sackgassen mitten im Wald, vor verschlossenen Berghütten oder in strömendem Regen gelandet waren.

»Gut, das eine oder andere Mal hatte ich ein wenig Pech, zugegeben, aber so schlimm … Hört auf, so zu gucken!« Katrin stemmte im Sitzen die Hände in die Hüften. »Schluss jetzt. Dieses Mal ist es sehr harmlos. Ich hab auch schon alles organisiert, Widerrede ist daher zwecklos. Und du, Barbara, kommst auch mit!«

»Ich? Kinder, ich bin zu alt für Abenteuer.«

»Papperlapapp, niemand ist zu alt für Abenteuer. Für dieses erst recht nicht«, sagte Katrin und kramte in ihrer Handtasche, die ein unsichtbares Kellergeschoss zu haben schien.

»Okay, jetzt bin ich neugierig. Was machen wir?«, fragte Chrissi.

Katrins Hand kam mit vier Karten zum Vorschein. Sie grinste triumphierend. »Wir gehen zu den Weintherapeuten. In die ›Seeliebe‹. Nur geladene Gäste, ein kleiner, feiner Kreis und wir mittendrin.«

»Da muss was faul sein«, sagte Chrissi mit ihrem trockenen Humor, und Barbara lachte aus vollem Halse.

Am Nachmittag begleiteten Chrissi und Katrin Sophie und Marlene in die Weinstube. Beim Betreten hallten die Worte noch in Sophie nach: »In die Jahre gekommen …« Ja, alles in der Weinstube war in die Jahre gekommen.

»Geht’s nur mir so, oder riecht es heute besonders muffig hier?«

Marlene reckte die Nase in die Luft. »Ich finde, es riecht super. So schön alt. Wie Großpapa.«

»Vermutlich spielt dein Gehirn dir einen Streich«, sagte Katrin, lief aber dennoch zielstrebig zur Terrassentür und öffnete sie. Marlene rannte sofort nach draußen und setzte sich in den Sandkasten. Es hatte durchaus Vorteile, dass nur hier in der Weinstube ein Garten mit einem Sandkasten war – es war immer wieder ein Highlight für Marlene, und zu Hause war es sauber.

Chrissi und Katrin nutzten die Gelegenheit und löcherten Sophie. »Jetzt erzähl endlich!«, sagte Katrin, und Chrissi ergänzte: »Ich will alles wissen, alle schmutzigen Details.«

»Es gibt keine schmutzigen Details, also ehrlich, Chrissi!« Sophie ließ den Zeigefinger ihrer rechten Hand neben ihrem Kopf kreisen. »Du hast vielleicht Ideen!«

»Frau Sophie Sonnbach, unsere Geduld ist überstrapaziert«, dozierte Katrin. »Wir wollten nur nicht vor Barbara und Marlene …«

Sophie ließ den Kopf hängen, dann sah sie grinsend zu ihren Freundinnen.

Katrin blies die Luft aus. »Na, Gott sei Dank. Ihr habt euch endlich geküsst. Und?«

Sophie seufzte.

»Sophie, muss ich mir alles zusammenreimen?«

»Es war der schönste, der mit Abstand allerschönste Kuss, den ich je hatte«, sagte Sophie und spürte umgehend ein Kribbeln in den Fingerspitzen und auf den Lippen. Ein Schauer jagte in ihrem Nacken den Rücken hinab. »Es war wie –«

»In einem deiner Liebesromane? Bloß nicht!«

»Nein, Katrin, es war, wie du immer gesagt hast, es gehörte nur mir. Kein Vergleich mit irgendeiner Geschichte, irgendwelchen Gefühlen, von denen ich mal gelesen habe. Das war«, Sophie hob die Arme in die Luft, »das war einfach nur ich. Ganz und gar.«

»Gott sei gelobt. Amen«, witzelte Chrissi, nickte Sophie aber wohlwollend zu.

Katrin hingegen stellte sich ganz aufrecht hin. Ernst sah sie Sophie an, dann ging sie einen Schritt auf die Freundin zu und nahm sie in die Arme. »Das freut mich so sehr für dich, Sophie, das freut mich so sehr.« Sophie spürte, dass eine Träne an ihrem Hals landete.

Sie erzählte ihren Freundinnen, während sie Servietten faltete und immer ein Auge auf Marlene im Sandkasten hatte, von ihrem Abend auf der Reichenau, dass sie bis weit nach Mitternacht geblieben waren, über ihnen ein prahlerisch schöner Sternenhimmel. Sie hatten von denselben Dingen geträumt und in denselben Himmel geblickt, hatten sich geküsst und an den Händen gehalten. Während Sophie erzählte, kamen die ersten Gäste. Immer wieder musste sie unterbrechen, um wenig später fortzufahren. Aber das störte Sophie nicht, sie schwebte geradezu durch die Weinstube.

Der Ausflug nach Sipplingen rückte näher. Bis zuletzt hatte Sophie gehofft, dass sich Anton ihnen anschließen könnte, doch er wurde noch in Düsseldorf aufgehalten. Sie telefonierten dafür häufiger und schrieben sich Nachrichten, noch mit einer gewissen Vorsicht, so kam es Sophie vor, dennoch stets an den schönen Abend anknüpfend und vertraut.

»Sophie? Bist du so weit? Unser Boot legt bald ab.« Katrin lachte. »Klingt das nicht großartig? Unser Boot.«

»Himmel, bist du verpeilt«, meckerte Chrissi und machte sich an ihren Haaren zu schaffen. »Zwei Zöpfe machen mich bestimmt jünger, oder?«

»Bestimmt, Chrissi«, sagte Katrin und nickte übertrieben.

Sie hatten sich alle ganz in Weiß gekleidet, nur auf Chrissis Kleid waren orange Farbkleckse. Ganz in Weiß könne sie nicht gehen, das sei ihr zu klischeehaft. Sophie trug eine Leinenhose und ein Top, darüber eine weite Bluse. Die dunklen Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und auf ihrem Kopf thronte eine grüne Sonnenbrille, die ihr Katrin mitgebracht hatte. Katrin hatte ein Sommerkleid an und die blonden Haare offen. Sie war geschminkt und trug riesige goldene Creolen. Sie sah großartig aus. Chrissi präsentierte gerade ihre beiden Zöpfe, die sie in der Tat jünger wirken ließen.

»Olaf findet, ich sehe toll aus mit Zöpfen.«

»Olaf findet dich vermutlich immer toll, Süße«, sagte Katrin und legte Chrissi eine Hand auf die Schulter. »Es wird Zeit, dass wir Olaf kennenlernen, meinst du nicht? Also, näher kennenlernen, nicht nur als vorübergehende Urlaubsbekanntschaft.« Bei den letzten beiden Wörtern zeichnete Katrin unsichtbare Gänsefüßchen in die Luft.

Chrissi winkte kopfschüttelnd ab. »Übertreib mal nicht.« Gemeinsam standen die drei vor dem Spiegel und betrachteten sich. »Ganz ohne Übertreibung: Wir sehen alle toll aus«, stellte Katrin fest und drückte ihre beiden Freundinnen an sich. »Fehlt nur noch Barbara.«

»Schön, dass du an sie gedacht hast. Sie freut sich sehr«, sagte Sophie.

»Klar doch. Sie gehört doch dazu. Und ist ohnehin ganz schön cool. Meine Eltern sind nicht mehr so locker unterwegs, aber Barbara hat sicher Spaß heute Abend. Kommt, wir machen ein Gruppenfoto für eure Jungs.« Katrin zückte ihr Handy, streckte den Arm aus und betätigte den Auslöser der Kamera. »Eins für Olaf, eins für Anton, bitte sehr.« Sie sagte es ohne Gram, ohne Trauer. Das war Katrin. Die Lebenslustige. Katrin, die als Erste ihre große Liebe gefunden hatte, als Erste geheiratet …

Er ist mein Lebensmensch, meine verwandte Seele, Sophie, es ist, ach, es ist wie Heimkommen nach einer langen Reise.

Es war ein Tag im Oktober gewesen. Katrins Mann Michael war mit dem Motorrad unterwegs. Er war ein leidenschaftlicher Motoradfahrer, einer, der umsichtig fuhr, kein Raser. Er fuhr einfach gern durch die Landschaft. Manchmal fuhr Katrin mit. An diesem Tag blieb sie zu Hause, weil Sophie zu Besuch war. Der Anruf kam drei Stunden später, als Katrin bereits angefangen hatte, sich Sorgen zu machen. Ein Auto hatte im schräg stehenden Licht der Abendsonne die Kurve geschnitten und den Motorradfahrer einfach übersehen.

Sophie fuhr ihre Freundin damals ins Krankenhaus, doch sie kamen zu spät, Michael war an den Folgen des Unfalls gestorben.

Sophie hatte die Hand der Freundin gehalten, als die Ärzte ihr die schlimmste aller Nachrichten überbrachten. Katrin war in ihren Armen auf den Boden gesunken, ihre Beine hatten einfach nachgegeben.

Wär ich doch mit ihm gefahren.

Was würde das ändern? Dann wärst du auch tot.

Genau.

Sie hatten Katrins Mann beerdigt und waren danach zu dritt in den Urlaub gefahren. Eine Woche Kreta. Ein sinnloser Ablenkungsversuch, stille Abende am Meer, Ausflüge zu den Sehenswürdigkeiten der Insel, abenteuerliche Busfahrten, bei denen es Sophie schlecht wurde und Katrin nicht mit der Wimper zuckte.

Schön, wenn du gern abstürzt, ich steig hier nicht mehr in einen Bus.

Guck doch in die andere Richtung, Sophie.

Ich will nicht abstürzen.

Flucht aber half selten. So waren die Freundinnen aus Kreta zurückgekommen und hatten sich getrennt. Katrin blieb mit ihrem Kummer in Konstanz, Chrissi ging auf eine lange Reise durch Südamerika, und Sophie kehrte in ihr Leben nach Frankfurt zurück.

Am Hafen erwartete sie Barbara. Sie trug ein weißes Kostüm und einen passenden Hut dazu. Als sie sie lobten, sagte sie: »Findet ihr? Hans hat mich ein wenig belächelt.«

»Zu Unrecht, Tante, du siehst wirklich großartig aus.«

Das Boot startete mit rund fünfzehn Passagieren, die alle dasselbe Ziel hatten: den Beachclub Seeliebe in Sipplingen auf der anderen Seeseite. Es war ein Luxus, über das Wasser anzureisen, ein pauschales Abendangebot, das Katrin als Stadtführerin vorab in einer Mail angeboten worden war, ein Vorsprung, den sie sofort genutzt hatte.

»Hat Anton das Foto schon gesehen?«, erkundigte sich Katrin.

Sophie nickte. »Er findet uns sehr hübsch.«

»Du strahlst ja wie ein Honigkuchenpferd, sobald sein Name fällt. Ob ich das den ganzen Abend aushalte?« Chrissi blickte demonstrativ auf den See hinaus.

»Du musst grad reden. Olaf, Olaf, Olaf«, flötete Sophie und knuffte die Freundin in den Oberarm.

»Au, lass das. Vielleicht sollten wir uns heute Abend darauf einigen, nicht von den Jungs zu sprechen.«

Katrin sah überrascht zu Sophie und hob die Augenbrauen. »Hab ich was verpasst?«

»Keine Ahnung«, murmelte Sophie. »Was ist los, Chrissi? Fand er das Foto von uns nicht gut?«

»Ach, es geht doch nicht um ein blödes Foto. Könnt ihr nicht einfach den See genießen?«

»Seeliebe« war ein Club direkt am Wasser. Man konnte über eine Treppe das steinige Ufer überwinden oder über die großen Steine nach oben laufen. Ein Steg führte ebenfalls auf den feinen weißen Sand, auf dem großzügig Liegestühle, kleine runde Tische und gemütliche Sitzkissen verteilt waren. Die meisten Gäste waren barfuß, Palmen in Pflanzkübeln spendeten Schatten, und man konnte sich bequem in eines der Sitzmöbel legen und der Sonne beim Untergehen zusehen. Es wirkte elitär mit all den weiß gekleideten Menschen – diese Idee hatten freilich nicht nur Sophie und ihre Freundinnen gehabt – und war gleichzeitig sehr familiär. Es war ein wenig zu teuer, ein wenig zu schick, aber gerade so, dass man sich mit den besten Freundinnen und der Tante im Schlepptau wohlfühlen konnte.

Die Weintherapeuten waren zwei sympathische Männer, die Wein zum Erlebnis machen wollten. Blindverkostung, Spaß, Musik, Lachen, Bewegung. Die Gäste sollten erfahren, dass ein Wein aus der Flasche getrunken komplett anders schmeckte oder im Gehen und Stehen anders als im Liegen, dass Weinverkostungen sehr lustig sein konnten – erklärtes Ziel war, Wein als einen umfassenden Genuss zu erleben und dabei spielerisch etwas über Weine zu lernen. Sophie war begeistert. In ihr entstanden immer mehr Pläne. Mehrmals schrieb sie Anton, schickte ihm Fotos, berichtete ihm, wie toll alles war, träumte von einem solchen Abend in ihrer Weinstube und merkte mehr und mehr, dass sie Pläne für ihre Weinstube machte und dass Anton bereits ein Teil davon war und dass sich das gut anfühlte. Sie merkte, dass Barbara sie angrinste.

»Du kommst so langsam an in deiner neuen Welt, nicht wahr?«

»Ziemlich sogar«, sagte Sophie. Sie spürte von innen, dass sie ganz rote Wangen hatte, und war aufgewühlt und glücklich dabei. Alles passte zusammen. Anton würde bald in Konstanz leben. Er wäre tagsüber bei den Vorlesungen und abends bei ihr im Lokal. Gemeinsam könnten sie die Speisen planen und die Veranstaltungen, und Sophie würde für ihn kochen, um neue Rezepte auszuprobieren. Und Marlene wäre glücklich, sie hätte dann auch endlich –

Der Hund. Den hatte Sophie irgendwie verdrängt, aber Zottel gehörte ja zu Anton. Das war nicht so gut. Sophie wollte keinen Hund in ihrem Leben. Hm, dachte sie, ein kleiner, trübender Fleck in ihrer Träumerei. Zottel, der sich auf der Reichenau zu ihr auf die Picknickdecke gelegt und ihr zufrieden ins Ohr geschnarcht hatte. Der Hund hatte sich in sie verliebt, keine Frage, und er versuchte alles, um sie auch für sich zu gewinnen. Und Sophie wehrte sich mit Händen und Füßen und ihrem Herzen dagegen.

Chrissi war den ganzen Abend auffallend still, keine trockenen Sprüche, kein schrilles Lachen. Erst als die Weinexperten das Ende des Abends verkündeten und zu gemütlicher Fragerunde einluden, seufzte sie. »Danke, dass ihr nicht nachgefragt habt.«

»Kein Problem«, sagte Katrin. »Magst du uns denn jetzt erzählen, was los ist? Du hast Olaf doch selbst ins Spiel gebracht. Wegen der Zöpfe. Ich dachte …«

Chrissi sah nicht auf. Sophie befiel eine unerklärliche Angst – um die Freundin und um ihr eigenes Glück, das dann ebenfalls getrübt wäre.

»Er will mich heiraten«, murmelte Chrissi.

Katrin und Sophie sahen einander an. Sie spürten beide, dass Chrissi keinen Freudentaumel erwartete.

»Okay«, sagte Katrin und blies die Luft aus, dann musste sie kichern. »Du sagst das, als wäre es was Schlimmes.«

Sophie zog die Augenbrauen hoch. Das ist noch nicht alles, dachte sie.

»Olaf will mich heiraten, und er will mit mir zusammenleben«, presste Chrissi hervor und sah mit eingesogenen Lippen von Katrin zu Sophie.

Katrin hob unschlüssig die Hände.

»Aber das ist doch wunderbar«, sagte Sophie, mit einer Gehirnhälfte schon wieder ganz in ihrer Traumzukunft unterwegs. Anton testete gerade das neue Eis, und sie küsste ihm einen kleinen Rest aus dem Mundwinkel …

»Nein«, sagte Chrissi bestimmt. »Ist es nicht.«

»Wo ist der Haken?«, fragte Katrin.

Chrissi schniefte. »Seit ich wieder hier bin bei euch, denke ich zum ersten Mal, dass ich hier hingehöre. Also für länger, meine ich. Dass es vielleicht Zeit wird, mich hier einzurichten.«

»Aber das ist doch toll«, sagte Sophie begeistert.

Barbara legte Chrissi eine Hand auf den Arm. Sie hatte offenbar als Erste begriffen, worum es ging.

Chrissi hob den Kopf und sah sie der Reihe nach an. »Olaf will, dass ich mit ihm in Schweden lebe. Er hat dort mein Traumhaus gekauft.«

»Du hattest ein Traumhaus?« Katrin schüttelte fassungslos den Kopf. »Ich dachte, du träumst nur vom Unterwegssein.«

Chrissi sah kurz auf, dann verbarg sie ihr Gesicht in den Händen und weinte.