DONI UND DIE JOURNALISTIN kehrten in die Via Padova zurück. Die Straße war nun belebter. Eilige Fußgänger, Fahrräder. Zwei Busse der Linie 56 kreuzten sich und grüßten sich mit einem Hupen.
«Wir haben immerhin etwas», sagte Elena.
«Ja. Ich habe nicht damit gerechnet, dass so ein Detail ans Licht kommen würde.»
«Ich habe Ihnen ja gesagt, dass die Sache nicht so einfach ist.»
«Nein, das ist sie nicht», räumte Doni ein.
Sie kickte mit dem Fuß einen kleinen Stein weg, der am Reifen eines geparkten Autos landete.
«Was denken Sie über Yasminas Geschichte? Darüber, wie sie an Land gekommen ist und das alles.»
«Gar nichts. Tausende sind so nach Italien gekommen, und die beiden hatten noch Glück. Wenn ich gerührt sein will, sehe ich mir einen Film an. Doch ich will nicht gerührt sein.»
Elena seufzte.
«Sie sind ein ganz harter Hund, was?»
«Nein. Ich mag nur keine Tränen und kann solche Geschichten nicht ausstehen. Die habe ich schon zur Genüge gehört.»
«Na gut. Vielleicht könnten wir dann jetzt einen Abstecher zum Tatort machen.»
«Wie bitte?», fragte er lächelnd.
«Ich meine, zur Via Esterle.»
«Gibt es da etwas Besonderes zu sehen?»
«Nein, aber ich dachte, es könnte interessant für Sie sein.»
Doni zuckte mit den Schultern.
«Einverstanden.»
Der Tatort war nicht weit von der Stelle entfernt, an der sie bei ihrem ersten Treffen gehalten hatten, als Elena ihn bat, mit ihr einen Spaziergang zum Piazzale Loreto zu machen. Die Straße lag eingezwängt gleich hinter der Eisenbahnbrücke. Links eine Mauer, rechts parkende Autos und Wohnhäuser. Nach etwa einhundert Metern machte die Straße einen Knick, verbreiterte sich zu einem kleinen Platz und lief dann weiter auf eine größere Verkehrsader zu.
Elena wartete am Anfang der Straße, doch Doni hatte nicht viel zu ermitteln. Er spürte, dass sich die Spannung des Treffens noch nicht gelöst hatte, und auch dessen Konsequenzen waren ihm noch nicht klar.
Er ging mechanisch auf und ab, dann folgte er der Straßenbiegung. Die Mauer war voller Plakate – Veranstaltungen, Konzerte, Mitteilungen der Stadtverwaltung. Auf der anderen Seite ein paar Geschäfte: ein Fleischer, ein Schuster, ein Autoelektriker.
An dem kleinen Platz stand ein Auto mit abgeschaltetem Motor. Aus den offenen Fenstern drang ein Rap und leichter Marihuanaduft. Zwei junge Kerle rauchten auf den Vordersitzen, einer der beiden musterte Doni im Rückspiegel. Er ging weiter. Ein Busdepot der Verkehrsbetriebe. Schließlich ein Parkplatz und ein Grünstreifen, an dem ein Mann saß, der eine Plastiktüte vor sich hatte und dem Verkehr zuschaute.
Doni kehrte um. In einem Schaufenster sah er sein Spiegelbild – wie fotografiert in der Bewegung, mit der er einen Fuß vor den anderen setzte –, und da spürte er endlich, wie etwas in ihm aufbrach. Das bin ich? Bin das da wirklich ich? Er versuchte sich zu beruhigen. Er würde diesen Ausflug jetzt beenden und damit auch diese ganze Farce.
Er ging noch einige Schritte. Heinekenflaschen lagen verstreut auf dem Boden. Dazu Papiermüll. Ganz in der Nähe fuhr pfeifend ein Zug vorbei, fast schon über den Dächern der Wohnhäuser. Die ganze ausgewogene Trostlosigkeit der Vorstadt.
Als er sich lächerlich genug fühlte, ging er zu Elena zurück. Sie telefonierte, brach jedoch ab, als er zu ihr kam.
«Wie wär’s mit einem Bier?», fragte sie und steckte ihr Telefon in die Tasche.
«Einem Bier?», fragte Doni.
«Ja. Wir könnten hier in den Bocciaklub gehen.»
Sie wies auf ein Gebäude hinter ihnen. Davor war eine Tankstelle, und auf der Freifläche stand ein Wagen mit Südamerikanern. Auf dem Autodach spielte ein Ghettoblaster aus den Achtzigern Dancemusic. Ein dicker Mann mit Basecap und einem Achselshirt, das über seinem Bauch spannte, tanzte neben dem Autofenster. Weiter hinten lag ein Gelände, das schwer einsehbar war und das Doni auch tatsächlich nicht bemerkt hatte. Einige Tische aus Plastik und Schmiedeeisen, ein Betonweg und ein Vordach, unter dem ein paar Rentner rauchten.
Die Worte kamen wie von selbst und waren das genaue Gegenteil dessen, was er dachte.
«Einverstanden», sagte er. «Gehen wir ein Bier trinken.»