Im Club heißt Sarah Sierra. Der Manager hatte ihr den Namen bei ihrer Einstellung vor vier Jahren verpasst. Er fragte, ob sie eine Vorliebe habe, aber sie zuckte nur die Achseln, trank einen Schluck warme Limo und meinte, er könne machen, was er wolle. Sein Blick wanderte an ihr hoch und herunter und wieder hoch. »Sierra«, sagte er. »Und dreh dich um, wenn du den Namen hörst.«
Manchmal, wenn sie den Kühlschrank aufmacht oder ein Paar Shorts aus dem Schrank nimmt, ertappt sich Sarah dabei, die Hüften zu schwenken und den Rücken durchzudrücken. Selbst wenn sie nicht an der Stange ist, tanzt sie drum herum. Sie nimmt eine Menge Advil, weil sie sogar zu Hause ständig das dumm dumm dumm der Bässe hört.
Candy, ihre beste Freundin bei der Arbeit, sagte Sarah, nachdem sie sie am ersten Tag kurz gemustert hatte, sie solle zu schwarzer Arschwackel-Musik tanzen, weil es Männern gefalle, wenn weiße Mädchen mit Knackarsch ihr Ding schütteln, was das Zeug hält. Sarah wurde rot und verdrehte ihren Oberkörper, um einen besseren Blick auf ihren Hintern zu erhaschen. Sie sagte: »Mein Arsch ist knackig?«
Candy lachte und packte Sarah am Hintern, aber Sarah wusste schon, dass sie einen Knackarsch hatte und woher das kam. Ihre Mutter ist schwarz, und ihr Vater ist weiß, aber alle haben jahrelang gedacht, sie sei weiß, weil sie grüne Augen und glatte blonde Haare hat. Sie schämt sich nicht, dass sie so ist, wie sie ist, aber in Baltimore ist es leichter, ein weißes Mädchen mit dem Hintern einer Schwarzen zu sein, als ein schwarzes Mädchen, das weiß aussieht, oder überhaupt ein wie auch immer aussehendes schwarzes Mädchen.
Für ihren Signature-Move hält sie die Stange mit beiden Händen, streckt den Rücken durch ins Hohlkreuz und gleitet abwärts, bis ihr langes Haar den Bühnenboden erreicht, während sie ihr Becken wie wahnsinnig auf und ab schaukelt. Sie hasst die Stange, die sich immer warm und klebrig anfühlt, glitschig vom Öl menschlicher Gliedmaßen, aber auch, dass sie, wenn sie sich zurückbeugt oder ihr Bein um die Stange schlingt oder kopfüber dranhängt und ihre Brüste schüttelt, nichts Besonderes macht, nicht wirklich.
Sie hasst den Geruch von Ein- und Fünfdollarnoten, erträgt aber durchaus stinkende große Scheine. Drei Tage die Woche geht sie ins Bräunungsstudio, nackt, damit es keine Streifen gibt. Ein, zwei Mal im Monat macht sie ein Ganzkörper-Waxing im Schönheitssalon, die blonden Echthaar-Extensions müssen alle zwei Monate ausgetauscht werden. Zwei Stunden pro Tag trainiert sie, an sieben Tagen in der Woche, und nimmt am Tag vierzehnhundert Kalorien zu sich. So zu leben ist anstrengend, aber der Job lässt ihr keine andere Wahl. Unter der Woche geht sie zur Johns-Hopkins-Uni, wo die Studiengebühren fast vierzigtausend Dollar betragen und die finanzielle Förderung nur zwei Drittel dieser Kosten abdeckt. Den Rest zahlt Sarah aus eigener Tasche. Sie hat noch ein Jahr bis zur Abschlussprüfung in Internationalen Beziehungen und Romanischen Sprachen plus Arabischkursen. Es ist 2004. Sie plant, später für die CIA zu arbeiten, weil sie in letzter Zeit ziemlich viele Prüfungen bestanden hat.
Zuerst war Sarah als Stripperin erbärmlich. Sie konnte nicht tanzen. Sie mochte es nicht, dass man sie beobachtete. Sie wollte nicht, dass man sie berührte. Sie hasste die Pseudo-Kleidchen, die schnell zu Boden fielen, wenn sie auf der Bühne war oder einen Lapdance machte. Sie hasste die unwahrscheinlich hohen Absätze und die Stringtangas, die in ihre Poritze krochen, und den Zigarettengestank nach einer langen Nacht und dass sie sich, wenn sie nach ihrer Schicht zu ihrem Auto ging, ständig umschauen musste. Aber nach wie vor fand sie auch keinen Gefallen daran, eine Polyesteruniform mit Schirmmütze zu tragen, und von dem, was solche Jobs einbrachten, konnte sie nicht leben. Sarah nahm sich Candys Rat zu Herzen und fing an, BET zu schauen, den Musiksender, für die benötigten Anleitungen. Ungestört und unbeobachtet übte sie in ihrem Apartment in Towson, den Hintern zu schwenken und ihren ganzen Körper so zu rütteln und zu schütteln wie die Mädchen in den Videos und die Mädchen, mit denen sie in West Baltimore aufgewachsen war, deren Bewegungen so schnell und von solch präziser Eleganz waren.
William Livingston III lebt hauptsächlich, um Sierra zu Lil Jons »Get Low« tanzen zu sehen, weil der Song in solchen Etablissements immer noch sehr beliebt ist. Er ist willens, für das Privileg, Sierra tanzen zu sehen, zu bezahlen. Ihm gefällt Sierras Repertoire – wie sie sich zum Fenster und zur Wand dreht und so tut, als würde der Schweiß zwischen ihren berühmten Titten herunterlaufen. Drei Mal pro Woche besucht er sie im Club, mittwochs, freitags und samstags. Er bleibt zwei Stunden. Er gibt ihr zwischen einhundert und fünfhundert Dollar Trinkgeld. Nach dem Tanz zu »Get Low« kommt Sierra zu ihm, und er kriegt einen Lapdance, bei dem sie sich aus ihrem knappen Kleidchen schält, um es William über die Schulter zu legen. Sie setzt sich auf seinen Schoß und öffnet aufreizend ihren BH, den sie um seinen fast kahlen Schädel wickelt und dann um seinen Hals zusammenzieht wie eine Hundeleine. Sie drückt ihre Brüste zusammen, fährt mit der Zunge über ihre Brustwarzen, spürt, wie Williams Schwanz zwischen ihren gespreizten Schenkeln steif wird. Sie beugt sich vor, berührt fast seine Brust, zieht sich aber zurück, bevor sie ihm zu nahe kommt.
Je mehr Geld er in den engen Bund ihres Tangas steckt, desto tiefer senkt sie die Hüfte und desto heftiger bewegt sie sich. Wenn Sierra nach unten blickt und sieht, dass ihre Taille von Scheinen umkränzt ist, lässt sie William ihren Hintern anfassen, obwohl er immer kleine blaue Flecken hinterlässt. Er macht Sierra regelmäßig an. Er will sie auf der Toilette eines Restaurants ficken. Er will sie mitnehmen in ein teures Hotel und Champagner von ihrem Körper schlürfen und sie mit eiskalten Trauben füttern. Er will seine Zunge in ihren Nabel stecken und sie mit Schmuck überhäufen und sie hart von hinten nehmen. Ihren Preis hat William noch nicht herausgekriegt. Er war seinem Ziel, Sierra außerhalb des Clubs zu treffen, schon näher gekommen – sie machte kein ganz so finsteres Gesicht mehr, wenn sie ihn sah –, bis er eines Tages sagte: »Ich will dich dreckig ficken, weil meine Frau so verdammt prüde ist.« Da stieß Sierra ihn von sich weg und rief: »Ich kann nicht glauben, was du da gerade gesagt hast.«
Ihre finstere Miene kehrte zurück, noch abweisender als vorher, wie es aussah, also kam er von da an vier Mal die Woche in den Club und sagte seiner Frau, er habe eine neue Bridge-Gruppe gefunden.
Sierra versucht, Sarah zu Hause zu lassen, aber das misslingt ihr oft. Sie hat schlimme Gewissensbisse, wenn sie an all die verheirateten Männer denkt, die mit ihren Scheinen am Geländer stehen und sie lüstern anstarren und mit gespreizten Beinen in den dunklen Nischen sitzen und sich darüber beschweren, dass ihre Frauen all die schmutzigen Sachen nicht mit ihnen tun. Sarah findet solche Gespräche mit den Männern unanständig, und da sie so viel, zu viel von diesen Typen gesehen hat, empfindet sie nicht wenig Mitgefühl für ihre Frauen.
Nach ihrer Schicht isst Sarah mit gewaschenem Gesicht in dem Diner ein paar Türen vom Club entfernt. Sie trägt Jeans und T-Shirt, die Haare sind zusammengebunden zu einem ordentlichen Pferdeschwanz. Sie sitzt an einem freien Tisch, streicht sorgfältig die Scheine glatt, die sie eingesammelt hat, und stapelt sie nach ihrem Wert sortiert. Manchmal setzt sich ein Kellner namens Alvarez zu ihr und rechnet ebenfalls sein Trinkgeld zusammen. Sie ist wahnsinnig in Alvarez verliebt, weil er sie nicht um ein Date bittet, weil seine Hände sanft und sauber sind, weil er nichts Unfreundliches über ihren Job sagt, auch wenn er ihn an ihr riecht. Er schenkt ihr immer Kaffee nach und bringt ihr große Salate mit der Sauce in einer Extraschale, dann gibt er ihr eingeschweißte Hygienetücher, mit denen sie sich die Hände abwischen kann, wenn sie mit dem Zählen für diese Nacht fertig ist.
Alvarez liebt Sarah mit derselben Leidenschaft, aber er ist illegal, sin papeles, und fragt sich besorgt, was passieren würde, wenn eins zum anderen käme. Alvarez hat sich schon immer Sorgen gemacht. Als er ein Baby war, in Honduras, entdeckte seine Mutter, dass ihr hübscher Sohn in seiner Wiege nicht weinte, sondern sich grämte und an den zarten Kuppen seiner Fingernägel nagte. In Nächten, wenn er zu müde oder zu abgestumpft ist, um sich Sorgen zu machen, sitzt er auf derselben Seite wie Sarah an ihrem Tisch, und er hält ihre Hand und flüstert ihr auf Spanisch Dinge zu. Manchmal singt er sein Lieblingslied, »Volver«, von Estrella Morente. Wenn er singt, klopft er den Rhythmus auf dem Tisch, und Sarah schwingt von einer Seite zur anderen, und manchmal singt sie auch mit. Er liebt den Song, weil er den Namen Estrella liebt, was »Stern« heißt. Er hat ihre imaginäre Tochter Estrella getauft. Wenn er Sarah zu ihrem Auto bringt, zeigt er zum Himmel und sagt: »Mira las estrellas«, und Sarah sieht auf, und ihr Herz schlägt heftig und voller Liebe.
William liebt schwarze Frauen, aber er ist reich, und sein Reichtum hat Geschichte. Das, was man haben muss, um dort hinzugehen, wo schwarze Frauen sind, das hat er nicht. Männer wie er können dort nicht hingehen. Sein Vater, William Livingston II, hatte ihm einmal erzählt, dass die Livingstons seit jeher leicht unter Dschungelfieber gelitten hätten, dass aber Männer in ihrer Position diesem bedeutungslosen Begehren nicht nachgeben würden. William und sein Vater beobachteten gern die schwarzen Haushälterinnen in ihren engen grau-weißen Dienstkleidern, und wenn diese Frauen sich vorbeugten, um die Gegenstände in ihren Zimmern abzustauben und zu ordnen, gafften sie mit großen Augen und grinsten. William II packte William III an der Schulter und sagte: »Anschauen darfst du, Junge, aber nicht anfassen. So einen Skandal kann sich die Familie nicht leisten.« William sublimiert seine Begierden durch Hören von Rap-Musik. Wenn es unerträglich wird, wenn sein Mund wässrig ist, weil er sich so sehr danach sehnt, die Haut einer schwarzen Frau zu schmecken, fährt er langsam durch West Baltimore und starrt schamlos die schwarzen jungen Mädchen in ihren Apple-Bottom-Jeans an, mit ihren an den Schädel gegelten Haaren und ihren hüpfenden Kreolen, ihren leuchtend rot bemalten Mündern. Er starrt sie an, bis sie ihm wütende Blicke zuwerfen und ihn einen geilen alten Bock oder Schlimmeres nennen. In diesen Momenten, wenn ihm die Mädchen in berechtigtem Zorn ins Gesicht sehen, hat er eine Erektion, und sein Schwanz schabt schmerzhaft gegen den teuren Wollstoff seiner Hose. Er flüstert: »Anschauen darfst du, aber nicht anfassen«, bis sein Mund trocken und gesättigt ist.
Mit seiner Frau und einem Sohn im Teenageralter lebt er in Guilford, in einer alten, aber vornehmen Backsteinvilla, die ihm zusammen mit einem beträchtlichen Treuhandfonds von seinem Vater hinterlassen wurde. Als William zum ersten Mal seine Frau Estelle hierherbrachte, hellblond, ein Strich in der Landschaft, aus Connecticut, krampften sich ihre Finger um die Perlen an ihrem Hals und sie sagte: »Hier kriegt man nichts mehr mit von Baltimore. Gott sei Dank.« Weit oben im Norden, in Greenwich, hatte sie Dinge über Baltimore gehört. Ihre Freunde hatten ihr gesagt, nach Baltimore zu ziehen wäre wie ein Umzug in den Dschungel. Estelle weiß nichts von Williams geheimen Gelüsten, aber sie findet seinen Musikgeschmack seltsam. Nachts, bevor er schlafen geht, steht er in seinem Medienzimmer zwischen den supermodernen Lautsprechern, aus denen DMX und Method Man und Soulja Boy dröhnen. Er schaut Rap-Videos und genießt die grellen Bilder aufreizender Frauen, die an den Polestangen entlanggleiten und auf dem Boden herumrobben und Rappern erlauben, Kreditkarten zwischen ihren ausladenden Arschbacken hindurchzuziehen. Er gibt sich der Fantasie hin, es mit einer dieser Ebenholzfrauen zu treiben, genau hier, zwischen den Lautsprechern, mit dem schweren Bass, der sie zu Boden drückt wie ein Heiliger Geist.
Carmen, eine junge schwarze Frau, ist das Hausmädchen von William und Estelle. Sie wohnt im Mädchenzimmer über der Garage. Sie hat dunkle mahagonifarbene Haut, volle Lippen, große Brüste, eine schmale Taille, einen perfekten schwarzen Hintern. Als William sie seinen Freunden im Country Club beschrieb, sagte er: »Sie hat einen Arsch – in Afrika tragen sie ihre Babys auf so einem Arsch«, und dann lachte er und trank genussvoll einen Schluck Brandy. Carmen spricht leise, mit leicht südlichem Akzent. Sie riecht nach Kakaobutter. Als sie sich in der Livingston-Villa vorstellte, wurde sie sofort eingestellt. William installierte unverzüglich eine Reihe von Überwachungskameras und Mikrofonen in ihren Zimmern, und was er damit aufnahm, konnte er von überall abrufen. Früher dachte er manchmal, sein Reichtum sei eine Bürde, aber er merkte schnell, was er sich damit alles erlauben konnte.
Er hat Büroräume angemietet, damit er einen Grund hat, aus dem Haus zu gehen. Außer dass er seine Investitionen übers Internet im Auge behält, geht er keiner Arbeit nach. Er sieht Videos von Carmen, wie sie schläft und wie sie duscht, wie sie mit ihrer Mutter in South Carolina redet, wie sie fernsieht und liest.
Einmal hat er das Dienstmädchen fast flachgelegt. Es war spätnachts, und er ging, den Bademantel fest um die Hüften geschlungen, zu ihr. Als sie an die Tür kam, war klar, dass er sie geweckt hatte. Sie kreuzte die Arme über der Brust, trat nervös von einem Fuß auf den anderen.
Er packte sie an der Schulter, atmete schwer durch die Nase. »Alles in diesem Haus gehört mir«, sagte er und lachte dann, genau so, wie er am Sterbebett seines Vaters gelacht hatte, als ihm klar geworden war, wie reich er sein würde.
Carmen trug nur ein dünnes weißes Nachthemd mit dünnen Trägern und gestickten Blumen um den Ausschnitt. Er griff ihr zwischen die Schenkel und sah ihr direkt ins Gesicht. Sie hielt seinem Blick stand. Sie nahm sein Handgelenk und schob es weg. Sie sagte: »Ich brauche diesen Job.« Er lächelte und blickte ostentativ auf den Boden. Sie sagte nie viel, aber sie war ein kluges Kind.
Als sie langsam auf die Knie ging, legte William ihr seine fleischige Hand auf den Kopf und fuhr mit dem Daumen über ihren Haaransatz. »Kennst du diesen Song von Twista, ›Wetter‹?«, fragte er, ohne auf eine Antwort zu warten. »Da sagt das Mädchen, dass sie einen Daddy braucht. Brauchst du einen Daddy, Carmen?«
Carmen lockerte den Gürtel seines Bademantels, seufzte, beugte sich vor. Als sein Dienstmädchen ihm einen blies, sagte sich William Livingston III, dass das nicht dasselbe sei wie ein Fick mit einer schwarzen Frau. Er bekam lediglich seinen Schwanz gewaschen, etwas, das Männer seinesgleichen seit über hundert Jahren für sich in Anspruch nahmen. Er schloss die Augen, packte Carmens wippenden Kopf fester und stellte sich vor, sie an einem Strand in Ibiza oder auf dem Schreibtisch in seinem Büro zu vögeln. Kurz bevor er kam, befahl er ihr, das Nachthemd auszuziehen. Sie fügte sich. Er ejakulierte auf ihre Brüste und befahl ihr, ihn in ihre Haut zu reiben. Er verließ sie so schnell, wie er eingetreten war, und sah dann in der Stille seines gemütlichen Arbeitszimmers auf dem Video, wie sie sich wusch. Er belästigte sie nie wieder. Er hatte bekommen, was er wollte.
Wenn er nicht gerade das Hausmädchen beobachtet, hört William seine Musik und spricht die Texte nach, mit all dem Abspritzen, den Beckys und Zeig-mir-deinen-Arsch und dem Gangsta-Leben. Sein Büro hat einen kleinen Wandschrank, in dem er Kleider aufbewahrt, für die er seine Assistentin extra zum Einkaufen nach West Baltimore schickt – Sean-John-Jeans und Phat-Farm-Hoodies und Timberland-Stiefel. Seine Vorstellung von dem, was die Kids heute tragen, ist überholt. Manchmal posiert er in engen Jeans vor dem großen Spiegel, fasst sich in den Schritt, wendet den Kopf und versucht, Rapper-Gesten nachzumachen. Nach einem langen Tag voller Träumereien speist er abends mit Gattin und Sohn im Country Club, oder er besucht eine Charity-Gala, oder er besucht Sierra, das weiße Mädchen mit dem Arsch einer Schwarzen.
William wird allmählich immer besitzergreifender. Es macht ihn wütend, wenn er sie mit anderen Kunden lachen sieht oder beobachtet, dass sie für andere tanzt. Seine Hände sind geiler und gieriger denn je. Sierra mag das nicht, mag es nicht, dass er sie ausfragt, nachdem er sie beim Hereinkommen auf dem Schoß von zwei Collegetypen beim Lapdance gesehen hat. Sie sagt, seine Eifersucht langweile sie. Er runzelt die Stirn. Ein Song der Ying Yang Twins wummert aus den Lautsprechern: »The Whisper Song«. Es gehört zu Williams’ Lieblingsliedern.
Sie ist verärgert. »Sie bezahlen nur für meine Zeit, wenn Sie hier sind, William. Ich dachte, das wüssten Sie.«
Er leckt sich die Lippen, versucht, ihre Brüste zu berühren, bevor er ihren Hintern zu fassen bekommt, und genießt, wie das üppige Fleisch die Zwischenräume zwischen seinen Fingern ausfüllt. Sierra erlaubt das, weil ihre Taille mit mindestens dreihundert Dollar umkränzt ist.
»Ich würde lieber für deine ganze Zeit bezahlen. Warum wirst du nicht meine private Tänzerin?«
Sierra lacht. »Du meinst, wie in dem Song?«
Williams Schwanz pocht. Er liebt Tina Turner. Diese Beine. Diese Stimme. Diese Lippen. Er grinst. »Genau wie in dem Song.«
Sierra dreht sich um, steht jetzt mit dem Hintern zu William. Sie wackelt kokett, lässt ihre Hinterbacken vor seinem Gesicht auf und ab hüpfen. Sie sieht über die Schulter, wirft ihr langes Haar zur Seite. Sie leckt sich langsam die Lippen. William stöhnt, schiebt sich in seinem Sessel abwärts, zieht Sierra zu sich, so dass sie sich berühren. Er schließt die Augen und denkt an die Mädchen von West Baltimore. Er hört den Songtext. Er glaubt an den Songtext. Er will eine Bitch, die ihm den Schwanz lutscht. Er will geilen Sex mit dieser Muschi haben. Er kommt, und ein feuchter Fleck breitet sich langsam im Schritt seiner Hose aus. Als Sierra aufstehen will, hält er sie fest. Sie versucht, sich aus seinem Griff zu befreien, aber er ist stärker. Sie wirft dem Rausschmeißer einen Blick zu, der den Vorfall von der Tür aus mitkriegt, sie winkt ihn heran. Der Rausschmeißer zuckt die Achseln, sieht weiter zu. William gibt ihm großzügige Trinkgelder, der Rausschmeißer interveniert also nicht, wenn William Clubregeln bricht, was er regelmäßig tut. Sierra zeigt dem Rausschmeißer den Stinkefinger, sie spürt, wie sich brennende Wut in ihr ausbreitet.
Nach der Arbeit ist Sarah mies gelaunt. Im Diner geht sie nah der Eingangstür auf und ab. Alvarez ist dabei, die Salz-und-Pfeffer-Streuer aufzufüllen. Er sieht auf und lächelt, runzelt dann die Stirn, als er sieht, wie verkrampft sie ist. Ihre Wut scheint in Wellen von ihr abzustrahlen. Er wischt sich die Hände an der Schürze ab und sagt dem Chef, er müsse früher gehen. Er setzt sich ans Steuer von Sarahs Wagen und fährt sie nach Hause. Er fragt, was los sei, aber sie schweigt. Weder Songs noch Sterne können sie beruhigen. In ihrem Apartment sitzt Alvarez nervös auf der Couch. Sie nimmt ein Bild von einem Wandregal und gibt es ihm. Sie zeigt auf eine große, attraktive Frau mit hellbrauner Haut und einem traurigen Lächeln. Sie setzt sich hin. »Das ist meine Mutter«, sagt sie.
Alvarez macht große Augen, aber er rückt näher an Sarah heran. Er sagt: »Tu madre es bonita. Eres mi negra blanca.« Er nimmt seine Schürze ab, krempelt die Ärmel hoch und lässt ihr ein Bad ein. Sie zieht sich vor ihm aus, macht sich aber keine Sorgen. Sie steigt in die Wärme, ein Fuß nach dem anderen, und seufzt, als sie ins Wasser eintaucht. Alvarez nimmt den Waschlappen, der ordentlich gefaltet auf dem Handtuchhalter hängt, und wäscht sie sanft, wischt die menschlichen Fette und die Abdrücke der Finger und den abgestandenen Zigarettenrauch und das unanständige Benehmen ab. Sarah erzählt ihm von ihrem schrecklichen Abend im Club. Sie erzählt ihm von Männern, die sich nicht an ihr Nein halten, und von anderen Männern, die erlauben, dass diese Dinge passieren. Sie ist müde, so müde. »Voy a matarlos«, murmelt er. Sie legt ihm ihre feuchte Hand an die Wange. Sie sagt: »No es necesario. Es ist Berufsrisiko.« Alvarez nickt, aber während Sarah in der Wanne liegt, mit sauberer, rosafarbener Haut und geschlossenen Augen, und eine eigenartige kleine Melodie summt, ballt er die Fäuste so fest, dass die Knöchel weiß hervortreten. Dann küsst er sie auf die Stirn.
William Livingston III sitzt in seiner BMW-Limousine vor Sarahs Apartment. Er ist wütend. Er begreift nicht, warum die Stripperin mit einem Latino-Kellner herummacht, wo sie doch einen Mann wie ihn haben könnte. Er hört zornige DMX-Songs und raucht eine billige Zigarre, die er aus dem Zimmer seines Sohnes hat. Er schaut sich im Rückspiegel an und versucht, wild zu blaffen wie der Rapper. Er ruft seine Frau Estelle an und sagt ihr, dass es später werden wird. Er hört den Gin in der Stimme seiner Frau und weiß, es ist egal, wann er heimkommt.
Als der Kellner das Haus verlässt, schnippt William den Zigarrenstummel auf die Straße und streicht sich das Haar über die kahle Stelle seines Schädels. Er ist Sierra schon mehrmals nach Hause gefolgt. Er klopft an ihre Tür mit der Nummer sieben. Sarah macht auf, nur ein Handtuch bedeckt ihren schmalen Rumpf. Sie lacht gerade noch, schnappt dann aber nach Luft, als sie erkennt, dass sie William aus dem Stripclub vor sich hat. Sie versucht, die Tür zu schließen, aber er klemmt seinen Fuß zwischen Tür und Rahmen.
Sarah hat schon oft Worst-Case-Szenarien durchgespielt, die mit ihren Berufsrisiken einhergehen, aber dass ein Kunde vor ihrer Wohnung im Norden der Stadt aufkreuzen könnte, war ihr nie eingefallen. Sie versucht erneut, die Tür zu schließen, aber diesmal schiebt sich William an ihr vorbei in das Apartment.
Sarah versucht, das Frösteln zu ignorieren, das ihr den Rücken hinaufkriecht. Sie denkt an den Aufsatz in Politikwissenschaften, den sie schreiben muss, den Sartre-Text, den sie lesen muss, den Auszug, den sie übersetzen muss, den Termin mit ihrem Trainer, all das und noch mehr, und zwar vor ihrer nächsten Schicht im Club. Sie denkt an Alvarez, der ihre Tochter Estrella genannt hat. Sie denkt daran, dass er weggegangen ist, um etwas zu essen aufzutreiben, und an seine schöne Stimme, wenn er mit ihr zusammen »Volver« singt. Sie hat keine Zeit für das hier.
Sie sagt: »Wenn Sie nicht gehen, rufe ich die Polizei. Und wenn mein Freund Sie hier trifft, bringt er Sie um.«
William lässt sich von ihrem Ärger nicht abschrecken. Er nimmt seine Krawatte ab und stößt Sarah auf den Boden. Ihr Kopf trifft den Couchtisch, als sie fällt. Ihre Stimme steigt in ihr auf, und sie schreit so laut, dass die Fenster klirren, aber William hört lediglich ein lautes Klingeln.
Seine Faust trifft Sarahs Kiefer, und ein scharfer Schmerz durchdringt sie. Heiße Tränen strömen über ihr Gesicht, aber sie versucht, sich zusammenzureißen. Sie versucht, sich auf die Dinge hinter Williams stämmigem Körper über ihr zu konzentrieren. Sie versucht, nicht ohnmächtig zu werden, damit sie alles bezeugen kann.
Er kniet sich zwischen ihre Schenkel. Er benutzt ein Kondom. Er weiß nicht, wo die Stripperin schon überall gewesen ist. Er brabbelt in dem Jargon, den er in all den Jahren gelernt hat, in denen er Rap-Musik hörte. »Vom ersten Tag an wollt ich’s dir besorgen, gleich, als ich dich sah, Sierra. Ich liebe deinen fetten Arsch.« Sarah keucht und würgt und greift nach ihrem Telefon auf dem Couchtisch. Es ist zu weit weg. William dreht sie auf den Bauch, und dann ist er in ihr und keucht mit heißem Atem in ihr Ohr und sagt, sie zu ficken sei wie mit einer Schwarzen zu ficken, ohne es mit einer Schwarzen machen zu müssen. Er schlägt sie auf den Schenkel und sagt ihr, sie soll es machen, wie Lil Jon es will, los, beweg deinen Arsch, beweg ihn, beweg ihn.
Sarah konzentriert sich auf ihren Zorn. Sie lässt ihn ihre Brust ausfüllen, ihr Herz, ihre Haut. Sie fühlt ihn in ihrem Blut. Ihr Zorn verschließt ihr den Mund.
Er braucht nicht lang. Mit einem letzten Stoß keucht er in ihr Ohr. Er drückt seine dünnen Lippen auf ihre Schulter, ein kleiner Beweis seiner Zuneigung. Sarah weicht zurück. Er liegt auf ihr, seine schweißige Masse presst sie weiter in den Boden. Sie versucht, unter ihm wegzukrabbeln, aber er ist zu schwer von Alkohol und Essen und Fett. Endlich steht er auf und bewundert noch einmal Sarahs perfekten Hintern. Er zieht sich an und sitzt auf ihrer Couch. Er legt zehn zerknitterte Hunderter auf den Tisch und sagt: »Das hätten wir auch einfacher haben können, Sierra.« Als er geht, sieht er das Bild von Sarahs Mutter und hält inne. »Die Schwarze da sieht genauso aus wie du«, bemerkt er.
Sarah greift nach dem Handtuch, legt es sich um. Sie fasst sich, atmet tief ein. »Sie sollten jetzt gehen«, sagt sie und zwingt sich, das Zittern in ihrer Stimme zu übertönen.
William hebt das Foto hoch und zeigt ärgerlich darauf. »Warum sieht diese Frau so aus wie du?«
An der Tür hört Alvarez die Nervosität in Sarahs Stimme und drängt in die Wohnung. Mit einem Blick sieht er William, die Unordnung, erfasst die Lage. Er legt Sarah behutsam seinen Mantel um die Schultern und steht vor ihr. Sie legt ihre Wange an seinen Rücken. Sie umschlingt mit einem Arm seine Taille. Sie atmet.
Williams Gesicht wird hochrot, und das Foto fällt ihm aus der Hand. Kopfschüttelnd verlässt er das Apartment. Alvarez will ihm folgen, aber Sarah hält ihn fest.
»Wir müssen zur Polizei«, sagt er, aber sie schüttelt den Kopf.
»Berufsrisiko«, flüstert sie mit einem gezwungenen Lächeln. »Ich bin zu müde.« Eigentlich ist sie schon jenseits von müde. Sie ist leer, und sie braucht Ruhe. Sie braucht Ruhe.
Alvarez sieht sie an, sieht die Verletzungen in ihrem Gesicht, die Hämatome an ihren Armen. Er ist beunruhigt wegen der Verletzungen, die er nicht sehen kann. Er lässt ihr noch ein Bad ein. Sie sitzt in der Wanne, die Arme um die Knie geschlungen. Sie schweigt, als er sie noch einmal zu waschen versucht. Später liegen sie zusammen im Bett, atmen leicht, liegen ganz still. Sie berühren sich nicht, aber Alvarez ist wachsam. Er wird seine Sorgen beiseiteschieben und Sarah sagen, dass er sie liebt. Er wird sie an Estrella erinnern, bis sie in der Dunkelheit schließlich lächelt. Auch Sarah wird Alvarez sagen wollen, dass sie ihn liebt, aber sie tut es nicht, nicht, solange ihr Körper immer noch das Gewicht von William Livingston III auf sich spürt. Stattdessen streckt sie die Hand aus, überwindet den kurzen Abstand zwischen ihnen.
Stattdessen hält sie seine Hand und hofft, dass das genügt.
Im Ledersitz seines BMW lehnt sich William zurück, und sofort tröstet ihn die deutsche Ingenieurskunst. Er gibt Gas, aber als die Distanz zwischen ihm und dem Apartment der Stripperin groß genug ist, fährt er an den Bordstein. Er beugt sich aus dem Auto und kotzt, und die Säure brennt ihm in der Kehle, im Mund. Im Handschuhfach ist Whiskey. Er trinkt einen großen Schluck aus der Flasche, wischt sich mit dem Handrücken die Lippen ab. Er schüttet etwas Whiskey in seine Hose. Versucht, sich sauberzumachen. Seine Haut brennt. Buße, denkt er. Und Absolution.
Beim Fahren ignoriert er den sauren Geschmack auf seinen Lippen, Zähnen, auf der Zunge. Er ist entsetzt. Er ist vergnügt. Er fängt sein Spiegelbild im Rückspiegel auf, ignoriert den vorwurfsvollen Blick seines Vaters.
Er sitzt lange in der Einfahrt, die Stirn an das lederumhüllte Steuerrad gedrückt. Er versucht, sich damit zu versöhnen, dass er getan hat, was Generationen von Livingstons durch Disziplin vermieden haben.
Dann hört er Schritte und sieht auf. William Livingston IV ist mit einem Pfeifen auf den Lippen auf dem Weg von der Garage zum Hauptgebäude. Der ältere Livingston spürt beim Anblick seines unbekümmerten Sohnes, dass ein riesiges Gewicht von ihm genommen wird. Er steigt aus dem Auto und winkt. Der jüngere Livingston bleibt stehen, lächelt, wartet auf seinen Vater. »Es ist eine schöne neue Welt«, sagt William zu seinem Sohn und klopft ihm mit seinen geilen, gierigen Händen auf den Rücken, bevor er ihm den Arm um die Schulter legt und mit ihm zusammen ins Haus geht.