KAPITEL 15
Sein Haus fühlte sich so … leer an.
Diese Trennung war für ihn die schwerste gewesen. Er wusste, dass es richtig gewesen war, aber er hatte nicht mit der darauffolgenden Einsamkeit gerechnet. Es hatte etwas Heilsames an sich, neben der Frau, die man liebte, im Bett aufzuwachen, sie dort liegen zu sehen – mit geschlossenen Augen, unschuldigem Gesicht, warmem Körper …
Okay, das eher nicht.
Es war beruhigend gewesen, das Haus zu verlassen und zu wissen, dass sie bei seiner Rückkehr dort auf ihn warten würde. Dass sie immer genau dort blieb, wo er sie zurückließ. Durch und durch vorhersehbar. Sie war jemand gewesen, dem man vertrauen konnte.
Aber wenn der Funke erloschen war, brachte es doch nichts, das Unausweichliche hinauszuzögern, oder?
Die nächste Frau würde die Richtige sein. Er würde wachsam sein und seine Wahl mit Bedacht treffen. Auch wenn die letzte charmant und lebensfroh gewirkt hatte, war da auch eine gewisse … Wertlosigkeit gewesen. Ihre Beziehung hatte sie vor dem Abrutschen in den Drogenmissbrauch gerettet, davon war er überzeugt. Er hatte es immer gewusst, ebenso wie sie. Vielleicht war das ja das wahre Problem gewesen, das zur Trennung geführt hatte. Das und die mittelmäßige Arbeit, die er bei ihrer Einbalsamierung geleistet hatte, natürlich.
Nein, beim nächsten Mal würde alles besser werden. Er würde sich besser entscheiden und besser mit ihr umgehen. Sie würde perfekt sein.
Sollte er heute Nacht nach einer Ausschau halten? Die Beziehung war erst am Vorabend geendet. Und er war nach der schlaflosen Nacht erschöpft, nachdem er sie zum Strand gefahren und an die Stelle getragen hatte, an der sie sein wollte.
Einen Augenblick lang hatte er geglaubt, alles sei zu Ende.
Dort hatte sich noch ein Paar aufgehalten und am Strand gekuschelt. In der Dunkelheit waren sie ihm zuerst gar nicht aufgefallen, sonst wäre er weitergelaufen und hätte sie an einen anderen Ort gebracht. Er schleifte sie hinter sich her, und ihre Fersen berührten hin und wieder den Boden. Schwer atmend verfluchte er sich dafür, dass er so weit weg geparkt hatte. Ein- oder zweimal glaubte er schon, die richtige Stelle gefunden zu haben, aber tief in seinem Inneren wusste er, dass sie näher am Wasser sein und sehen wollte, wie die kleinen Wellen des Sees ans Ufer schwappten. Er hatte sein Ziel beinahe erreicht, als das Paar aufstand und anscheinend beschloss, nach Hause zu gehen.
Ihre vom Mond erhellten Silhouetten waren ihm vor dem schillernden Wasser aufgefallen, als er keine zehn Meter mehr von ihnen entfernt war und sie direkt auf ihn zukamen. Ihm blieben nur Sekunden. Seine Hand wanderte zu dem Messer in seiner Tasche, und sein Herz raste.
Rasch schmiedete er einen Plan. Er würde zuerst dem Mann die Kehle aufschlitzen. Mit der Frau kam er leichter zurecht. Vielleicht konnte er sie ja auch mit nach Hause nehmen und …
Doch das war zu riskant, und er wollte sein Mädchen nicht fallen lassen. Stattdessen richtete er sie auf, legte ihr die Arme um die Taille und stützte den Kopf gegen ihren. Sie stand da und vergrub das Gesicht in den Händen. Das Paar würde nur sehen, was sie tatsächlich waren: ein Mann, der eine weinende Frau tröstete.
Das Paar ging an ihnen vorbei, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, und war ganz auf sich fixiert. Er wusste, wie sich das anfühlte. Es war so wunderschön, verliebt zu sein.
Er zerrte sie weiter und half ihr, sich auf den Sand zu setzen. Bedauernd stellte er fest, dass er vergessen hatte, ein kleines Handtuch zum Draufsetzen mitzubringen. Dann zupfte er ihr vorsichtig den Rock zurecht, der ein wenig verrutscht war.
Als alles so war, wie es sein sollte, verabschiedete er sich von ihr, weil er die Sache nicht unnötig hinauszögern wollte, und ging.
Und jetzt vermisste er sie. Zumindest vermisste er ihre Anwesenheit in seinem Heim.
Er musste die Leere ausfüllen. Beim nächsten Mal würde alles anders sein. Er würde die Richtige finden.
Morgen würde er mit der Suche anfangen.