Ich sage zu meinem Arzt, dass ich Stimmen höre. Er schaut bekümmert drein und weist auf verschiedene destruktive Reaktionsmuster hin. Ich versuche, seine Lippen zu lesen, versuche, das nächste Wort zu erraten. Ein kleines Quiz, das ich für mich selbst veranstalte. Die Stimme meines Arztes ist bezaubernd, das ist das Einzige, woran ich heute denke, auch wenn er nichts sagt. Am liebsten würde ich ihm das unablässig mitteilen, also bin ich gezwungen, an andere Dinge zu denken, an Früchte, Spielzeug, Kindheitserinnerungen. Er redet langsam, als würde er jedes Wort abwägen, sein Tonfall klingt wie ein Gesang. Er singt von kognitiven Strukturen. Ich überlege, ob er dem Inhalt seiner Worte lauscht oder ob das eine auswendig gelernte Leier ist, ob das der Grund für den Rhythmus seiner Sätze ist. Mein Arzt fragt, was die Stimmen zu mir sagen. Ich sage, sie reden nicht in Sätzen, sondern ich werde von den Klängen der Vergangenheit heimgesucht. Erleichtert spricht mein Arzt über Tinnitus. Er sagt, das ist ein Defekt der kleinen Sinneszellen in der Hörschnecke des Innenohrs. Die Zellen senden falsche Signale an den Hörnerv. Er singt ein kleines Liedchen von Lärmschäden und erblicher Schwerhörigkeit. Mein Arzt schaut mich an, er fragt, woran ich denke. Je lieber ich mit Leuten reden würde, desto schwerer fällt es mir. Meine Formulierungen sind tollpatschig, mir ist, als würde ich sabbern. Ich rede aus einer inneren Logik heraus, vergesse sämtliche Zwischensätze, nichts klingt so, wie ich es mir vorstelle. Mein Vater besitzt ein Buch über Victor Borge, es hat den Titel Ein Lächeln ist die kürzeste Entfernung zwischen zwei Menschen. Ich stehe dem Lächeln skeptisch gegenüber, das ist die am meisten überschätzte Muskelkontraktion der westlichen Welt, gleich nach dem Orgasmus. Ich glaube, die kürzeste Entfernung zwischen zwei Menschen ist ein einzelner, unbedachter Satz, der besser unausgesprochen bleiben sollte. Ich denke, ich bin von deiner Stimme ergriffen, sage ich.