Als er am nächsten Morgen mein Gesicht betrachtet, schaut mein Arzt erschrocken drein. Am schlimmsten ist es mit der Nase, sage ich. Meine Stimme klingt nasal. Er berührt sie sachte und fürchtet, sie könnte gebrochen sein. Er sagt, der Schmerz rührt wahrscheinlich von einem Schlag auf die Nasenwurzel her. Oder von dem klopfendem Rhythmus in allem, wonach ich mich sehne, sage ich. Er fragt, wie es passiert ist. Ich murmele etwas von einer Drogensüchtigen. Er blickt mich ernst an und fragt, ob ich Anzeige erstattet habe. Vielleicht war ich selbst schuld, sage ich. Jetzt setzt mein Arzt einen väterlichen Blick auf und erläutert, es sei für Opfer typisch, sich selbst anzuklagen. Er fragt, ob es anlässlich eines Raubüberfalls geschehen ist. Wenn man so will, sage ich, sie hat versucht, meine Liebste anzubaggern. Mein Arzt lehnt sich im Sessel zurück und betrachtet mich lange. Ich schaue auf den Bodenbelag. Blau mit roten Streifen. Mein Arzt fragt, ob meine Liebste mich nicht verlassen hatte. Das ist wohl Definitionssache, sage ich, das lässt sich selten so einfach beantworten. Ich rede ein wenig über Sozialkonstruktivismus. Der Arzt sagt, man kann ja die Leute nicht zwingen, Teil einer Liebesbeziehung zu sein, wenn sie selbst es nicht wünschen. Die Leute wissen aber nicht immer, was das Beste für sie ist, sage ich, man denke nur an diejenigen, die sich zu Tode trinken, oder an Raucher, die langsam, aber sicher ihre Lungen ruinieren. Mit hochgezogenen Augenbrauen sagt er, es gibt immerhin doch noch so etwas wie Selbstbeherrschung. Die Nasen gibt es, sage ich, Nachtschattengewächse gibt es, die Nachtseite, den Mantel der Namenlosigkeit gibt es. Offenbar kennt er die Gedichte von Inger Christensen nicht, er fragt, ob statt dessen sie Anzeige erstattet hat. Ich schüttele den Kopf. Lächelnd erkundigt er sich, ob ich vielleicht im Augenblick der Tat unzurechnungsfähig war. Oder auch nur gerade jetzt, schlage ich vor. Er tätschelt mir ganz sacht die Nase und sagt, die braucht jetzt etwas Ruhe.