Drinnen im Solar Plexus befindet sich ein Bücherregal mit lauter Schädeln auf den Borden. Totenköpfe sehen immer aus, als ob sie lachen würden, und so stelle ich mir euch vor, als lachende Dämonen, die ihr in meinem Körper klopft und hämmert. Ihr seid die Summe all meiner Niederlagen, ihr seid all meine angesammelten Schuldgefühle, in Reih und Glied marschiert ihr auf all meinen wunden Punkten herum, bewegt euch im Takt mit meinem Schmerz. Wenn ich einen Kater habe, sitzt ihr kreischend in meinem Kopf, wenn ich menstruiere, bindet ihr mit meinen Eileitern Schleifen, und ihr schlagt Purzelbäume in meinem Bauch, wenn ich eine Lebensmittelvergiftung habe. Ihr seid der gelbe Eiter bei Bindehautentzündung und meine geschwollenen Mandeln, wenn ich die Stimme verliere, und dann freut ihr euch über meine plötzliche Stummheit. Ihr habt in meinen Weisheitszähnen eine Wohnstatt gefunden, und ich sehe euch auf meinen blauen Flecken tanzen und wie ihr den Springquell meines Blutes bewundert, wenn ich mich mal wieder mit dem Messer geschnitten habe. Ihr seid die Übelkeit beim Autofahren und das Erstickungsgefühl bei meinen Asthmaanfällen, ihr seid die großen ovalen Blasen an meinen Fersen, wenn ich neu gekaufte Schuhe trage. Ich hasse euch alle miteinander systematisch und in alphabetischer Reihenfolge, aber die Trauergefühle verstricken sich miteinander, und ich kann nicht mehr unterscheiden, ob ich euch hasse oder mich selbst oder einfach uns alle zusammen. Du da mit dem wunden Blick hast mein Kopfweh verursacht, du da mit dem verbitterten Zug um die Mundwinkel, wenn du beleidigt bist, und du da, die nie geschieden wurde. Du mit deinen kleinen Essiggläsern, die den Rauchgeruch verzehren sollten, und du mit all deinen schönen Träumen und wie sie langsam verblassten. Du mit deinen vertrauensseligen Augen, die mich so nervös machten, und du, du stiegst immer aus dem Bus aus, wenn mir endlich was zu sagen eingefallen war. Und du da sagtest, ich sei mit Make-up auffallend hübscher, und du da machtest im Urlaub immer Fotos von unserem Essen. Deine milde Stimme, wenn du von deiner Frau sprachst, und du da hast immer gesagt, nur weil man schreit, ist man noch lange nicht im Recht. Natürlich ist man das. Und du da willst immer über Gefühle reden, wenn ich in aller Ruhe was lese, du da lachst über Sachen, die genau betrachtet nicht komisch sind, und du da stehst kritisch zu überhaupt nichts. Und du da sagst, dass Anne Linnets Songtexte banal sind: Das bist du selbst auch bisweilen, und es macht mich wahnsinnig, dass du die olympischen Wettkämpfe im Stabhochsprung schaust, und du da redest ständig über Bücher, die du, das weiß ich genau, gar nicht gelesen hast. Deine niedliche Kleinkindstimme, wenn du mit Hunden sprichst, und überhaupt, dass du mit Tieren redest, als wären sie Menschen. Du da lächelst Menschen an und prostest ihnen zu, die du überhaupt nicht kennst, und du da rufst einfach nie an und nimmst mir damit die Möglichkeit, das Gespräch nicht anzunehmen. Und du da redest mit Menschen ausländischer Herkunft langsamer und lauter, und wenn ich dich darauf hinweise, wirfst du mir vor, ich würde dir Rassismus vorwerfen. Und du da verbreitest Selbstverständlichkeiten über die Einrichtung der Welt und kommst dir dabei wer weiß wie originell vor, à la alle Menschen seien verschieden, und alles Mögliche könne Kunst sein. Du da sagst, ich hätte eine unreife Beziehung zu Brettspielen, nicht Gewinnen ist wichtig, sagst du, sondern Dabeisein, es geht darum, miteinander Spaß zu haben, aber man hat leicht reden, wenn man ein Haus am Rathausplatz sein Eigen nennt. Und du da machst mich wahnsinnig mit deiner asiatischen Schicksalsergebenheit und deinem unerschütterlichen Glauben daran, dass letztlich alles einen Sinn habe. Ihr alle seid meine Unsicherheit, ihr seid sämtliche Teller, die ich voller Wut an die Wand geschmissen habe, ihr seid all die frisch gestrichenen Bänke, auf die ich mich gesetzt, und all die Gläser voll Rotwein, die ich auf weißen Tischtüchern verschüttet habe. Ihr seid das Erstickungsgefühl in der Sekunde, bevor ich mich erbreche, ihr seid das nervtötende Musikstück, das fünfunddreißig Mal pro Tag geübt wurde. Ihr seid all die entmutigenden Gespräche darüber, was ihr von einer Paarbeziehung erwartet, ihr seid der grelle Beiklang in deiner Stimme, der mit wachsender Wut immer lauter wird. Es ist eure Schuld, dass ich mich schreiend und rückwärts durch die Welt bewege. Dass ich nichts ohne Nebengeräusche unternehmen kann und überall, wo ich gehe und stehe, frontal mit Menschen und Dingen und Phänomenen zusammenpralle. Dass ich im Kreis herumirre, dass all meine Äußerungen laut herausplatzen, in Neonlicht getaucht, selbst wenn ich flüstere, klingt es wie Donner, und dass all meine Gefühle frei laufen, und zwar bunt fluoreszierend. Dass ich ein Spiegelbild meiner Gedanken bin, dass ich auf links gedreht zur Welt gekommen bin und meine Eingeweide am Boden hinter mir herschleife, ich hinterlasse blutige Spuren auf den Straßen, in den Häusern, auf Möbeln und in Betten. Es ist eure Schuld.