Drinnen im Nabel befindet sich eine Zirkusmanege, in der wir uns alle miteinander im Kreise bewegen, lauter kleine Paraden, ganz vorn die Elefanten, dann die Seelöwen, die Zauberkünstler mit Zylindern voll weißer Kaninchen, die Akrobaten mitten im Salto mortale und die Clowns, sie bewerfen einander mit Torten und lassen schepperndes Lachen hören. Die Seiltänzer gehen auf Stelzen oder wandeln über weit oben aufgespannte Seile. Wir wandern um die Manege herum, begleitet von Applauswellen oder von donnernder Stille. Die Zirkusmanege ist von einem Zelt umgeben, und um das Zelt herum gibt es eine Welt, an die wir aber nicht mehr glauben. Jeglicher Ausbruchsversuch ist vergeblich, und die Elefanten seufzen, die Seelöwen weinen, die Clowns schluchzen, die Seiltänzer stürzen ab, und die weißen Kaninchen kratzen einander die Augen aus. Dennoch wandern wir unvermindert im Kreise, kleine Blasen von Menschen und Tieren, die von vornherein aufgegeben haben. Von außen betrachtet würden wir herumlaufenden Miniaturpuppen gleichen, die einander mit Worten, Sätzen und ausgestreckten Händen suchen, mit weit geöffneten Augen und ausgebreiteten Armen. Wir reden aneinander vorbei, mal willentlich, mal aus Gewohnheit, bisweilen auch als raffinierte Rache, meistens aber, weil das Missverständnis allgegenwärtig ist. Wir stellen uns vor, wir könnten Beziehungen eingehen, wir träumen davon, dass Menschen nicht austauschbar sind. Die seltenen Male, dass wir die Existenz der Einsamkeit vergessen, reißt uns die Begeisterung angesichts dieses Glücks derart mit, dass wir es Liebe nennen, auch wenn wir uns der Liebe allerhöchstens so weit nähern können, dass wir einen Menschen treffen, der uns bisweilen am Alleinsein zweifeln lässt. Unsere einzige Hoffnung besteht in einem kurzen, vergänglichen Aufblitzen von Intimität, die allerdings nicht an die Stelle der Einsamkeit tritt, sondern bestenfalls parallel zu ihr existieren kann. Dann sind wir ganz hingerissen, geben einander in der Kirche das Jawort, leben miteinander im Hamsterrad und hinterlassen parallele Fußspuren auf dem Erdenrund. Wir verspüren die schleichende Empfindung einer Illusion, denn zuvor war an der Stelle der Zirkusmanege der Nabel und davor eine Nabelschnur, doch seitdem diese durchschnitten ist, war es uns nie wieder möglich, mit einem anderen Menschen eins zu werden. Die Erinnerung an die Nähe sitzt im Nabel, und wir begreifen niemals ganz und gar, dass wir von allen anderen getrennt sind. Wir verzweifeln und organisieren uns, um uns mit etwas Lebendigem verbunden zu fühlen, doch werden wir von diesem Wesen dann wieder mit einer schnappenden Schere getrennt. Danach werden wir uns ihm nie wieder nähern und auch nie ganz verstehen können warum, plötzlich ist die Einsamkeit verdoppelt. Wir kehren in die Zirkusmanege zurück, resigniert jetzt, und begreifen allmählich, dass alles um sich selbst kreist. Wir gehen in Kreisen, denken in Kreisen, reden in Kreisen, unsere Äußerungen sind surrende Schallplatten, wir leben auf einem runden Planeten, blicken mit runden Augen aus runden Gesichtern auf runde Dinge. Wir sind überlebende Ein-Mann-Armeen, wir kreisen durch die Zirkusmanege, überallhin verfolgt von einem selbstleuchtenden Heiligenschein aus Einsamkeit.