Ich sitze auf einer Bank in der Ecke des Friedhofs und warte auf meinen Vater. Eine Schar schwarz gekleideter Leute geht in einer Schlange über den Friedhof, ihnen voraus mein Vater. Zwei junge Frauen umarmen einander, die Trauergemeinde verteilt sich in kleinen Gruppen um ein offenes Grab. Ich kann leise die Stimme meines Vaters hören. Nachdem sich die Ansammlung irgendwann aufgelöst hat, bleibt eine einzelne Frau noch lange stehen und blickt auf das Grab. Mein Vater kommt in Zivil aus der Sakristei. Er winkt mir und geht auf die Bank zu. Da holt Mulles Großmutter ihn mit ihrem Rollstuhl ein, versperrt ihm den Weg und ergreift seine Hand. Sie hält sie lange und lächelt ihn dabei zahnlos an. Er deutet auf mich, ich winke ihnen zu. Pass bloß auf, sage ich zu ihm, als er sich endlich hat losmachen können, Mulles Oma ist auf dem Kriegspfad, sie ist seit vierzehn Jahren Witwe, ich glaube, sie findet, jetzt ist mal was Neues fällig. Mein Vater sieht erst verwirrt, dann verängstigt aus. Man soll ja möglichst schnell zurück in den Sattel, ich lege ihm den Arm um die Schultern, und wir gehen zum Wagen. Mein Vater schaut nach Trauerfeiern immer ziemlich traurig aus. Er hat einen Lieferwagen gemietet und ein paar alte Umzugskartons besorgt, er meint, die Bücher passen nicht alle in den Toyota. Mein Vater stellt kurz die Seitenspiegel ein und schiebt eine CD von David Bowie in den Player. Als wir vor ihrer Wohnung halten, mag ich doch nicht hochgehen. Wir holen einfach die Bücher ab und fahren gleich wieder, sagt mein Vater. Sooo wichtig sind Bücher am Ende eigentlich nicht, sage ich, im Grunde ja doch nur weißes Papier mit kleinen schwarzen Buchstaben drauf. Er dreht die Musik etwas leiser und sieht mich an. Man sollte die öffentliche Infrastruktur fördern, sage ich und rede über die ganz hervorragende Auswahl von Büchern in den Bibliotheken des Landes. Er steigt aus und geht in einen Laden, kommt kurz danach mit einer Tüte Smarties zurück. Wir essen sie schweigend. Das wird schon, sagt mein Vater, wir holen einfach die Bücher ab und fahren gleich wieder. Wir können es aber auch lassen, die Bücher nicht abholen und nicht gleich wieder fahren, sage ich. Er räuspert sich. Versuch einfach, nicht so ein Drama daraus zu machen, sagt er und wuschelt mir die Haare. Ich nicke. Aber was, wenn sie sich eine hässliche Kröte von Liebhaberin zugelegt hat, sage ich, was, wenn diese Missgeburt bei ihr eingezogen ist und gerade meine Bücher liest. Dann holen wir einfach die Bücher ab und fahren gleich wieder, sagt mein Vater.