Ich blicke auf die Speisekarte hinunter, lauter Gerichte mit französischen Namen. Meine Mutter und ich sind im Restaurant. Sie nimmt einen Schreibblock aus ihrer Handtasche und malt sorgfältig eine Reihe kleiner Kringel. Sie gibt dem Kellner ein Zeichen, und wir bestellen. Die Bewegungen meiner Mutter zeigen deutlich, dass ihre Notizen äußerst geheim sind. Der Kellner überbringt unsere Bestellung der Küche. Meine Mutter flüstert mir zu, dass sie das macht, damit der Kellner denkt, sie wäre die Restaurantkritikerin einer berühmten Gastronomie-Zeitschrift. Du bist Immobilienmaklerin, flüstere ich. Meine Mutter sagt, wenn die Realität gerade nicht so zur Situation passt, muss man ihr einen kleinen Stups in die richtige Richtung geben, und sie macht das, um bevorzugt bedient zu werden und vielleicht zum Nachtisch ein Eis gratis zu kriegen. Distinguiert lächelt sie den Kellner an und studiert die Speisekarte eingehend. Jetzt will sie kurz raus, ihren Mann anrufen. Den Chefredakteur, sagt sie halblaut in Richtung Küche, mit einem Augenzwinkern zu mir. Der Kellner wirkt müde. Meine Mutter ist schon mal hier gewesen. Sie tänzelt aus der Tür. Ich sehe sie durch das Fenster. Sie nimmt die Brille ab und betrachtet konzentriert ihr Mobiltelefon, gibt eine Nummer ein. Wenn sie dieses Telefon benutzt, spricht meine Mutter immer besonders laut, als würde sie der drahtlosen Telekommunikation am Ende doch nicht trauen. Ich kann ihre Stimme leise hören, aber keine Wörter ausmachen. Sie schaut sich rasch um und angelt ein Päckchen Prince 100 aus der Handtasche. Sie zündet sich eine an und raucht, während sie ins Telefon lacht. Danach wischt sie sich die Hände mit einer Feuchtserviette ab und nimmt einen kleinen Kaugummi aus der Tasche. Der Kellner wandert in engen Kreisen herum und sieht aus wie jemand, der sich sehr langweilt. Ich bestelle zwei Gläser Weißwein und bezahle sie sofort. Als meine Mutter wieder ins Restaurant kommt, sagt sie, das Mobiltelefon hat der Teufel erschaffen. Hast du es darum mit Rauchsignalen versucht, frage ich. Sie kaut energisch auf dem Gummi. Die Indianer haben damit nur gute Erfahrungen gemacht, sagt meine Mutter. Sie erblickt die beiden Weingläser und strahlt. Die gehen aufs Haus, sage ich. Da, bitte, kannst du mal sehen, sagt meine Mutter. Wir prosten uns zu.