Warum müssen wir eigentlich immer in Den Gamle By, frage ich Mulle, du bist eine wandelnde Gestalt aus der Vergangenheit. Meine Spindoktorin wandert gern durch Den Gamle By und hegt dabei große Gedanken. Es ist so anregend hier, sagt Mulle, spürst du nicht den Flügelschlag der Geschichte. Du bist so verbürgerlicht, sage ich, die Leute laufen verkleidet rum und tun so, als ob sie vor dreihundert Jahren leben würden, das ist doch merkwürdig. Das ist Dänemarks Antwort auf Disneyland, sagt Mulle und zieht mich weiter. Wir gehen rüber zum Højstolpehus, sagt Mulle, das ist echt alt, da ist Kingo seinerzeit sicher auch drin gewesen, du brauchst Inspiration. Meine Spindoktorin ist jetzt ganz aufgeregt, sie zieht an meinem Pferdeschwanz. Als ob du blind wärst und ich dein Blindenhund, rufe ich. Mulle macht die Augen zu und tastet sich durch die Luft, komm schon, Kingo, Kiiingo. Wau-wau belle ich und versuche, sie in die Schulter zu beißen. Ein Kindergarten kommt vorüber, zwei parallele Reihen mit achtundvierzig Stielaugen. Was für ein Glück, dass du bei der Idee nicht mitgespielt hast, euch ein Kind zuzulegen, sagt Mulle. Ein Stückchen hinter den anderen kommen zwei kleine Jungen, mitten in einem Fechtkampf, sie stechen mit abgebrochenen Zweigen nach einander. Ich denke an Mulle und mich, wie wir klein waren, da haben wir immer unsere beiden hellroten Jacken zusammengezippt, wenn der Kindergarten ins Freie ging. Du solltest eine Rede zum Geburtstag meiner Mutter schreiben, sage ich, das ist deine Pflicht, schließlich bist du meine Spindoktorin. Was könnte man denn zu deiner Mutter sagen, sagt Mulle. Meine Mutter sagt, ich jammere immer nur rum, sage ich. Mulle räuspert sich und schaut mich an. Nein, sage ich, ich bin jetzt ein neuer und besserer Mensch. Mulle nickt und sagt, letzten Sommer war es eindeutig schlimmer, jetzt jammerst du nur noch wegen Kingo, sagt sie. Du willst doch wohl nicht für meine Mutter Partei ergreifen, sage ich. Deine Mutter hat immer recht, sagt Mulle, ist das nicht ihr Wahlspruch. Ich nicke. Gut, dann nehmen wir das als Leitmotiv der Rede, sagt Mulle, als roten Faden. Wir setzen uns ins Café beim Eingang zu Den Gamle By, Mulle nimmt Notizbuch und Kugelschreiber aus der Tasche. Inventio, dispositio, elocutio, memoria, actio, sagt meine Spindoktorin. Der rote Faden besteht darin, dass deine Mutter immer recht hat, und du streust im Verlauf ein paar humorvolle Geständnisse ein, sagt sie. Und ganz am Schluss, Mulle klatscht in die Hände, sagst du etwas Ergreifendes. Gegensatzpaare machen das Lustige lustiger und das Ernste ernster, sagt meine Spindoktorin. Man kann doch eine Rede nicht auf diese Art und Weise zusammenschustern, sage ich. Das ist die einzige Art und Weise, auf die man eine Rede zusammenschustern kann, sagt Mulle, wenn es nach dir ginge, würdest du nur einfach zusammenhangloses Zeug über irgendwelche Seepferdchen und abstrakte Phänomene absondern, bis alle eingeschlafen sind. Genau darum wird aus Philologen nie was, sagt Mulle.