Mulles Großmutter kreist mit ihrem Rollstuhl umher und plaudert Wahrheiten aus. Von ihrem gigantischen Strohhut reckt sich eine Plastikblume gen Himmel. Ich habe heute elf Komplimente bekommen, sagt Mulles Großmutter, die Leute sagen, meine Kleidung passt gut zusammen, sagt Mulles Großmutter. Mulle erzählt, dass sie zum Bingo im Seniorenclub waren. Mulles Großmutter fragt, ob ich auch finde, dass ihre Klamotten gut zusammenpassen. Ich sage, die Bluse mit Leopardenmuster ist unbedingt eine aufsehenerregende Ergänzung zu dem plissierten türkisen Unterteil. Sie nickt zufrieden. Du riechst nach Knoblauch, sagt Mulles Großmutter, hast du was Ethnisches gegessen. Sie erzählt von ein paar Moslems, die in ihrem Aufgang wohnen. Bei denen läuft immer so merkwürdige Musik, sagt sie, und sie vermehren sich wie die Karnickel, jeden Morgen steht ein neues kohlrabenschwarzes Kind im Hinterhof und schreit. Die Leute müssen anders sein dürfen, sagt Mulle, die Welt ist ein globales Dorf, wir leben ja nicht mehr in den 1930er Jahren. Aber da sind wir beinahe schon, sagt Mulles Großmutter glücklich und blickt über die Häuser aus jener Zeit in Den Gamle By. Hier gibt es auch nicht so viele Kopftuchmädchen, ruft sie. Das ist sehr schlecht für deine politische Laufbahn, sage ich zu Mulle. Meine Spindoktorin fragt, wie weit ich mit der Geburtstagsrede für meine Mutter bin. Ich sitze ein bisschen fest, sage ich. Ja, kommt mir auch so vor, sagt Mulle. Meine Mutter sagt, als kleines Mädchen war ich fett, sage ich, stimmt das. Du warst ein sehr pummeliges kleines Mädchen, sagt Mulles Großmutter, du hattest so große runde Wangen, wie Bälle. Ich starre auf ihre leopardengemusterten Arme, die auf meinen Bauch deuten. Und deine Oberarme, wenn man die angepustet hat, oder es ging Wind, dann haben die gewackelt, sagt sie, wie Vanillepudding. Nein, man darf alte Frauen nicht schlagen, sagt Mulle. Ihre Großmutter schaut sie an. Deine Mutter, meine Schwiegertochter, die spinnt völlig, sagt sie zu Mulle und setzt eine große Sonnenbrille auf. Als Mulle noch klein war, war ihre Mutter sehr oft stationär in der Psychiatrie, also hat Mulle längere Zeiten bei der Mutter ihres Vaters gelebt. Mulle blickt ins Gras. Meine Mutter spinnt auch, sage ich und lege Mulle den Arm um die Schultern. Die Hälfte des Gesichtes von Mulles Großmutter ist von dieser großen Sonnenbrille mit Goldrand verdeckt. Jetzt siehst du aus wie Michael Jackson, sage ich zu Mulles Großmutter. Sie schiebt sich die Sonnenbrille auf die Stirn. Der war so nervig, faucht sie, ist rumgehüpft wie ein Affe. Und dann diese Nase, die ganze Zeit kurz vorm Abfallen, sagt Mulles Großmutter, einmal schwarz, immer schwarz, aber wenigstens hat er versucht, so zu werden wie wir. Mein Telefon klingelt, es ist mein Vater. Hallo Kleines, sagt er. Ist Grethe etwa wieder krank, sage ich. Ist das der Pfarrer, flüstert Mulles Großmutter und schiebt ihren Hut etwas zurecht. Mein Vater steht gerade im Elektronikmarkt, da, wo es die Karten für Konzerte gibt. Ich bin Nummer vier in der Warteschlange, sagt er mit keuchender Stimme, es geht um Pink Floyd, sagt er. Ich sage, dass ich den ganzen Vormittag vorm Computer gesessen und versucht habe, im Netz Karten zu kriegen, aber ohne Erfolg. Mein Vater hat das Pfarrhaus zum Hauptquartier der Ticketjagd gemacht, die heute einsetzt. Auf dem Tisch ist eine Karte von Dänemark aufgefaltet, er hat Leute in verschiedenen Landesteilen organisiert, die jetzt vor den örtlichen Musikläden Schlange stehen, und andere Gruppen, die versuchen, telefonisch durchzudringen. Das ist das Problem, sage ich, du arbeitest seit einem Monat an dieser Kampagne. Ich habe um zwei Uhr nachmittags eine Beerdigung, sagt mein Vater, die Homepage für die Tickets ist zusammengebrochen, du musst sofort herkommen und meinen Platz in der Warteschlange einnehmen. Mein Vater klingt verzweifelt.