Auf der Haut befindet sich ein Chaos unsichtbarer Gemälde. Eines Morgens habe ich mal überlegt, wie ich aussehen würde, wenn deine Hände Spuren hinterließen. Wenn von deinen Fingern Streifen oder gestrichelte Linien ausgingen, kleine Punkte, die Muster auf meinem Körper bildeten. Ich überlege, wie es wäre, wenn alle, die mich jemals berührt haben, statt einer Nummer oder eines Namens oder einer Erinnerung eine Farbe bekämen. Dann wäre mein Körper ein bunt strahlendes Gemälde, ich wäre ein wandelnder Regenbogen aus Nähe, ein Acrylgemälde aus Berührungen. Ich denke, ich bin eine ganz und gar mit Graffiti besprühte Unterführung, ihr steht alle miteinander in diesem Durchgang, die Hände voller Spraydosen, und hinterlasst eure Signaturen an meinen Wänden. Ich überlege, ob ich auch in anderen Menschen herumlaufe, ob ein kosmischer Austausch von Intimität stattfindet. Deine Finger auf den Tasten des Klaviers sind behutsam, Haut trifft auf Elfenbein, die Musik fließt in den Raum. Beim ersten Mal haben wir beide so gezittert, dass unsere Zähne zusammenstießen. Die Intensität war so ungewohnt, dass alles in uns ineinander stürzte. Meine Hand an deinem Hals zitterte, aber dein Hals zitterte ebenso, es war unmöglich festzustellen, wer von uns welche Bewegungen beim andern hervorrief. Ich verstehe dich wie einen Phantomschmerz, ich spüre die Summe von all deinem Verzeihen und die Schwere deiner Resignationen wie Wiederholungen auf meinem Körper, während ich an einstürzende Kartenhäuser denke, zerstörte Ruinen und geplatzte Luftschlösser. Ich stelle mir vor, ihr wäret Tattoos, die ihr mir unter die Haut gestochen habt, langgestreckte chaotische Tattoos, die meinen ganzen Körper bedecken. Ich trage eure Erinnerungen an Vergangenheit und Kindheit in mir, denn drinnen in meinem Seepferdchen sind Hunderte anderer Seepferdchen, und ich schleppe eure gesammelten Schmerzenspunkte und Lachanfälle mit mir herum, bei jeder einzelnen Bewegung.