Wir stehen in einem Laden auf Strøget, der Fußgänger-Einkaufsmeile in Kopenhagen. Ich soll für die Hochzeit meiner Cousine neue Sachen kriegen. Ich mach das nicht, sage ich, ich mach bei dieser Heuchelei nicht mit, ich weigere mich, die Institution der Ehe zu unterstützen. Meine Mutter sagt, sei nicht so kindisch, dass du Probleme mit der Liebe hast, heißt noch lange nicht, dass deine Cousine nicht verdient hat zu heiraten. Die Ehe als solche ist abstrus ehrgeizig, sage ich, die Vorstellung, irgendein Mensch könne sich auf irgendeiner Ebene mit einem anderen Menschen verbinden, ist die reine Utopie, jeder ernste Versuch dazu erscheint mir schwachsinnig. Meine Mutter schubst mich in eine Anprobekabine und legt einen Stapel Kleider auf einen Hocker. Sie baut sich neben mir auf und schaut uns im Spiegel an. Sie sagt, ganz unglaublich, wie ich meinem Vater ähnele. Der einzige Unterschied ist, dass dein Vater nur schwarze Röcke trägt und du keinen Bart hast, sagt meine Mutter lachend. Das findet sie urkomisch, und zwar jedes Mal, wenn sie das zum Besten gibt. Dein bisschen Damenbart fällt kaum auf, sagt meine Mutter, höchstens ganz aus der Nähe betrachtet. Meine Mutter findet, wir stammen ganz sicher von fahrendem Volk ab, dass sei der Grund für unseren starken Haarwuchs, und ich solle nur froh sein, dass ich ihre schwarzen Haare und braunen Augen nicht geerbt habe. Die Leute halten sie oft für eine Pakistanerin oder Türkin und beglückwünschen sie zu ihrem guten Dänisch und dazu, dass sie so frei ist, ohne Kopftuch herumzulaufen. Ich probiere ein oranges Kleid an. Das ist fast echte Seide, sagt meine Mutter, als sie es mir im Rücken zuknöpft. Knitterchiffon, der einen schlechten Tag erwischt hat, murmele ich. Heute ist ein guter Tag, sagt meine Mutter. Sie tritt um mich herum und blickt wissenschaftlich drein. Ich nehme ein lila Kleid von einem Bügel, es ist kurz, ein Gürtel gehört dazu, mit Nieten besetzt. Meine Mutter sagt, sie hatte in meinem Alter auch einen grässlichen Kleidergeschmack. Sie sagt das nachdenklich, wie an sich selbst gewandt, während sie mich betrachtet. Meine Mutter sagt, das ist ganz natürlich, mit der Zeit legt sich das. Sie umkreist mich. Meine Mutter findet, ich solle meine Fraulichkeit unterstreichen. Man muss ja nicht auf schicke Kleidung verzichten, nur weil man keine Hüften hat, sagt sie. Irgendwann habe ich mal ein Buch nach meiner Mutter geworfen, wenn auch ohne wirkliche Absicht, sie zu treffen. Wenn sie das erzählt, klingt es, als hätte es sich um einen backsteingroßen russischen Roman gehandelt, in Wirklichkeit war es ein absolut schmaler Gedichtband von Henrik Nordbrandt, Lumpenfisch, glaube ich. Wenn ich darauf hinweise, sagt meine Mutter, und das mir, die ich keinen Fisch vertrage.