Am nächsten Morgen weckt mich mein Vater. Grethe ist krank, sagt er. Ich schaue auf die Uhr, es ist kurz nach zehn. Ich stöhne. Mitten in der Nacht, sage ich. Ich habe um zwei eine Trauung, sagt mein Vater. Er hat eine Falte auf der Stirn. Nein, sage ich, nein und nochmals nein. Grethe ist seine Vorsängerin in der Kirche. Du hast so eine schöne Stimme, sagt er. Nein, sage ich, ich habe einen Kater. Du kannst alle Kirchenlieder auswendig, sagt er, du singst wie ein Engel. Gibt es nicht irgend so was wie einen Aushilfssängerdienst, wo du anrufen kannst, frage ich und drehe mich zur Wand. Mein Vater redet über meine Zeit im Kirchenchor. Ich sage, ganz unglaublich, wie mein gebrochenes Herz derzeit die Leute dazu inspiriert, sich in der Kirche laut das Jawort zuzuschreien. Ich schlafe wieder ein. Ein paar Minuten später kommt mein Vater mit einer Tasse Kaffee und zwei Scheiben Toast. Hinter ihm her seine Frau, sie legt mir ein schwarzes Kleid und das Gesangbuch aufs Bett. Das ist die reine Manipulation, sage ich. Ja, sagt mein Vater. Warum bist du bloß kein Ingenieur, wie alle normalen Väter, sage ich. Du kannst doch singen, sage ich mit einem Blick auf die Frau meines Vaters. Nein, sagt mein Vater, sie spielt schon die Orgel. Was ist mit Multitasking, sage ich, denkt bloß mal an Elton John. Ich lege mich wieder hin und blicke an die Decke. Ich bin verlassen worden, sage ich, was du hier versuchst, ist für mein geschundenes Herz der reinste Hohn. Nein, sagt mein Vater, es ist eine Trauung. Er sieht seine Frau an. Es ist nur eine Trauung, sagt sie. Ich suche mir bald was anderes zum Wohnen, sage ich. Die Frau meines Vaters nickt. Ich setze mich im Bett auf und gröle los. Herr, vor dein Antlitz treten zwei, um küüüüüüünftig eins zu sein. Die Frau meines Vaters holt ihr transportables Keyboard und setzt sich auf die Bettkante. Sie schlägt ein paar Töne an. Es geht nicht immer nur um dich, sagt sie. Ich singe die ersten beiden Strophen. Sie lächelt mir zu und sagt, wir können zum Abendessen gern gebratenes Bauchfleisch mit Petersiliensoße machen. Ich gelange zur dritten Strophe. Bei „… dass nichts hinfort sie trennt“ breche ich in Tränen aus. Ja, ja, alles wird gut, sagt die Frau meines Vaters, du wirst sicher ganz oft heiraten. Mein Vater in der Tür schaut zufrieden aus. Das wird nett, sagt er.