Fünfzehn Minuten zu früh für meinen Termin in der Innenstadt. Ich löse einen Parkschein und scanne gleichzeitig die andere Straßenseite nach Geschäften, in denen ich mir die Zeit vertreiben kann.
In dem Homeware- und Dekoladen steht gleich am Eingang ein Tisch, auf dem alles in diesem angesagten Seegrasgrün ist – Kissen, Plaids, Kerzen, Vasen … So ein komplett neuer Look würde meiner Wohnung auch guttun. Muss ich mal drüber nachdenken. Nehme ein Paket grüne Papierservietten mit.
Dahinter der Tisch mit den Retroleuchtkästen zum Selbstbeschriften. Fand ich am Anfang auch ganz gut. Steht inzwischen aber schon in jedem Kinderzimmer.
Lese mir die Sprüche auf den wirklich schön gebundenen Notizblöcken durch: »live laugh love«, »The bags under my eyes are Chanel«, »Hello Beautiful«, »Follow your dreams«, »#beyourselfie« … Aber wer macht sich schon noch Notizen auf Papier?
Ein Regal mit Cocktailzubehör: polierter Edelstahlshaker und passende Gerätschaften zum Abmessen, Abgießen und so weiter, verschiedene Eiswürfelformen, eine verchromte Eismühle, Kristallgläser mit schwerem Boden … Würde zusammen echt gut aussehen auf meinem Sideboard. Vielleicht lade ich ja doch mal Leute auf Drinks ein.
Die Duftkerzen im Regal daneben sehen auch gut aus. Richtig wertig sogar. Die meisten riechen süßlich und sind eher für Frauen, manche wohl unisex. Suche die männlichste aus: mattschwarzes Glas, »Dark Amber Tobacco«.
In einem anderen Regal dreht sich alles um Faultiere. Lustig, so als Mitbringsel. Zum Beispiel für diesen einen Kollegen. Auf jeden Fall besser als diese albernen Einhörner letztes Jahr.
Eine ganze Abteilung mit Partydeko: Girlanden, Pappteller, Piñatas … Und natürlich silberne Buchstabenluftballons. Gucke, ob meine Initialen dabei sind. Sie sind.
Ein geflochtener Retropicknickkorb mit Porzellantellern, Champagnergläsern und Metallbesteck in Lederschlaufen. Käme bei meiner Freundin sicher gut an, so ein stilvolles Picknick. Dann müsste ich aber auch noch das Essen besorgen …
Checke mein Handy – höchste Zeit für meinen Termin. Gehe also mit der Duftkerze zur Kasse. Die Papierservietten habe ich offenbar im Duftkerzenregal liegen gelassen. Egal.
Auf dem Weg zu meinem Termin stelle ich die kleine Tüte noch schnell in den Kofferraum meines Autos. Als ich sie dort zwei Wochen später wiederentdecke, weiß ich zuerst gar nicht mehr, was drin ist.
Man kann sich darüber wundern, dass hier eine so durch und durch gewöhnliche Geschichte erzählt wird.
Vielleicht sollte man sich aber viel mehr darüber wundern, dass wir das alles so normal finden.
Wir alle finden das vollkommen normal. Uns fällt gar nicht mehr auf, wie absurd das alles ist. Wir finden es normal, dass man seine freie Zeit damit verbringt, sich Sachen anzugucken und auch zu kaufen, die man allesamt nicht braucht und sich nie gewünscht hat. Und keiner von uns wundert sich darüber, dass eine Duftkerze der Ersatz für eine Packung Papierservietten ist. Es wundert uns nicht, weil es für uns alle selbstverständlich ist, dass es gar nicht darum geht, sich Papierservietten zu kaufen, sondern darum, sich irgendetwas zu kaufen.