DIE UMPROGRAMMIERUNG DES EINKAUFENS

Wenn man von der »digitalen Revolution« spricht, stellt man die Digitalisierung auf eine Stufe mit der »industriellen Revolution« im 19. Jahrhundert. Zu Recht: So wie damals erweisen sich auch jetzt jahrhundertealte Gewerbe von einem Tag auf den anderen als überflüssig. Bewährte Geschäftsmodelle funktionieren nicht mehr. Ganze Wirtschaftszweige kollabieren. Stattdessen entstehen überraschende neue Produkte und Dienstleistungen mit ungeahnten Verdienstmöglichkeiten. Wie damals schwingen sich zunächst belächelte Start-ups innerhalb kürzester Zeit zur Weltherrschaft auf. Noch 2001 spottete der Zukunftsforscher Matthias Horx: »Das Missverständnis: Dem E-Commerce gehört die Zukunft. Wären die gewaltigen Versprechungen der E-Handelswelt tatsächlich wahr geworden, dann wären unsere Städte rund um die Uhr verstopft mit Lieferwagen, die kleine und kleinste Pakete zu Menschen bringen würden, die sowieso nicht zu Hause sind.«87 Achtzehn Jahre später ist Amazon das wertvollste Unternehmen der Welt.88

Im Gegensatz zu der industriellen Revolution finden die Umstürze, die die digitale Revolution mit sich bringt, aber in einem ganz anderen Bereich statt. Die industrielle Revolution hatte die Art und Weise, wie Dinge hergestellt wurden, auf den Kopf gestellt. Wie wir diese Dinge kauften, blieb hingegen weitgehend unverändert. Die Geschichte des Einkaufens war bis vor Kurzem ein langer ruhiger Fluss. Unsere Fußgängerzonen unterschieden sich nicht grundlegend von den allerersten Basaren der Menschheit. Doch jetzt verschwindet gerade die Art, wie wir jahrtausendelang eingekauft haben. Und zwar endgültig.