Kapitel 10

 

Austin

 

Was für ein Tag. Gott sei Dank, ist heute Freitag. Um Lelanis erste erfolgreiche Woche im Laden zu feiern, hat der Club beschlossen, sie mit einem anderen Ort bekannt zu machen, an dem wir häufig sind und gerne abhängen: Charley’s. Nachdem die anderen Männer einen Babysitter für ihre Kinder gefunden hatten, trafen wir uns alle am Clubhaus und fuhren gemeinsam auf die andere Seite von Polson.

Die leuchtenden Orangetöne beginnen langsam zu verblassen, als die Sonne unter die Wasserlinie sinkt, während wir am See vorbeifahren. Lelanis Handflächen ruhen leicht an meinen Seiten, während ich mich zurücklehne. Ich greife nach hinten und streichle die nackte Haut an ihrem Bein. Sie auf dem Rücken meines Motorrads zu haben, ist inzwischen zu meiner Lieblingsaktivität geworden, und ich nutze jede Gelegenheit, um mit ihr zu fahren. Wenn ich nicht in ihrer Nähe bin, kann ich nicht aufhören, an sie zu denken. Ich sauge die Energie förmlich auf, die sie ausstrahlt, und die elektrische Spannung zwischen uns schießt jedes Mal, wenn wir uns küssen, bis in meine Fingerspitzen. Sie ist wie ein Rausch, ihre Lippen sind mit meiner Lieblingsdroge versetzt, und wie ein Süchtiger, kann ich nicht genug bekommen. Liebe auf den ersten Blick war nie ein Konzept, an das ich glaubte, bis Lelani meinen Weg kreuzte. Ich kann mich selbst kaum leiden. Wie zum Teufel könnte ich da fähig sein, jemand anderen zu lieben? Zumindest sind das die Gedanken, die mir in all den Jahren im Kopf herumschwirrten. Ich bin nicht dabei, mich in Lelani zu verlieben. Ich habe es schon längst getan.

Ich verfalle in einen ruhigen Gemütszustand und lausche dem Brummen der Motorradreifen, die sich auf dem Asphalt drehen, während wir auf der offenen Straße nach Nordwesten fahren. Die Landschaft um uns herum wandelt sich, weite Felder mit grünen Weiden, hohe Kiefern und ferne Berggipfel im Hintergrund, ziehen vorbei. Der Wind trägt den Duft von Wildblumen mit sich und peitscht mir ins Gesicht. Ich beobachte, wie sich der Horizont in sanften Pastelltönen von Mandarine bis Indigo verfärbt, und es erfüllt mich mit Ruhe. Die Dämmerung zieht über den Himmel von Montana, während die Wärme von Lelanis Körper, der sich an meinen schmiegt, die Gedanken an den harten Arbeitstag vertreibt. Als ich nach Osten blicke, sehe ich graue Gewitterwolken, die allmählich dunkle Schemen über die Berggipfel werfen. Da ich es nicht eilig habe, richte ich meinen Blick nach vorn, halte mein Tempo konstant und genieße die Fahrt.

Wir rollen auf den Schotterparkplatz von Charley’s Bar am Rande der Stadt und stellen unsere Bikes auf unsere üblichen Plätze an der Seite des Gebäudes. Auf der anderen Straßenseite bemerke ich mehrere Lastwagen, wo Trucker, die auf der Durchreise sind, normalerweise parken, wenn sie für die Nacht anhalten. „Die Musik ist laut“, sagt Lelani mit einem Lächeln im Gesicht, als wir durch die Eingangstür gehen.

„Freitags ist bei Charley immer viel los“, erkläre ich über die Musik hinweg, die aus der alten Jukebox im vorderen Teil der Bar ertönt.

„Ach, verdammt.“ Charley wirft den Lappen, den er zum Putzen benutzt hat, auf den Tresen und tritt hinter der Bar hervor. „Schön, dich zu sehen, Jake.“ Die beiden schütteln sich die Hände. „Heute Abend ist hier viel los. Ein kleiner Konvoi ist in die Stadt gerollt. Ihr könnt euch schon mal niederlassen. Ich schicke Kinsley rüber, die gleich eure Bestellungen aufnimmt.“

„Alles, was wir brauchen, ist kaltes Bier, Schnapsgläser und eine volle Flasche Whiskey, mein Freund“, antwortet Jake.

„Alles klar.“

Mehrere Augenpaare folgen uns, als wir zum hinteren Teil der Bar gehen und an dem großen, runden Tisch Platz nehmen, den Charley normalerweise für uns frei lässt, wenn wir vorbeikommen. Eine Gruppe von Männern, die auf drei dieser Stühle sitzt, hält mitten im Gespräch inne, als wir uns nähern. „Danke, dass ihr unsere Plätze warmgehalten habt.“ Quinn zieht einen leeren Stuhl hervor.

„Sucht euch einen anderen Tisch, der hier ist besetzt.“ Der Arsch mit dem Bleistiftschnurrbart lacht und seine Truckerfreunde stimmen mit ein.

Gabriel schiebt Alba zur Seite. „Beweg dich“, seine tiefe Stimme und seine große Statur veranlassen einen von ihnen, aufzuspringen.

„Komm schon.“ Die Augen des Mannes bleiben auf Gabriel gerichtet, während er an der Jacke seines Freundes zerrt. „Lass uns gehen“, sagt er noch einmal zu seinem starrköpfigen Kumpel. Widerwillig räumen die beiden anderen Idioten ihre Plätze. An ihren blutunterlaufenen Augen lässt sich ihr betrunkener Zustand ablesen. Derjenige, der uns angepöbelt hat, schwankt und starrt mein Mädchen viel zu lange an.

„Nimm deine verdammten Augen von meiner Frau“, warne ich. Zu seinem Glück führen ihn seine Kumpels weg. Es gibt immer einen waghalsigen Bastard, der sein Glück auf die Probe stellt. Der verdammte Whiskey macht das mit manchen Leuten, er gibt ihnen das Gefühl, drei Meter groß und kugelsicher zu sein. Mit anderen Worten: dämlich.

„Komm her.“ Ich setze mich und ziehe Lelani auf meinen Schoß. Kinsley kommt heran, trägt unsere Getränke auf dem Tablett und stellt alles auf den Tisch.

„Wie geht’s, Liebes?“, fragt Jake sie.

Sie klemmt sich das leere Serviertablett unter den Arm. „Diese Trucker halten mich auf Trab.“

„Wie geht’s deinem Jungen?“, erkundigt sich Bella und sie lächelt.

„Es geht ihm gut. Oh, und danke für die neuen Kleider. Du hast keine Ahnung, was mir das bedeutet“, erwidert sie Bella. „Nun, ich gehe besser wieder an die Arbeit. Ich werde später nach euch sehen“, sagt Kinsley und geht davon.

„Sie klingt nett“, bemerkt Lelani.

„Sie und ihr kleiner Junge sind gute Menschen“, bestätige ich, während Emerson Whiskey in Schnapsgläser schüttet. Lelani stockt und verschränkt die Hände, die auf ihrem Schoß ruhen. „Geht es dir gut?“ Ich bemerke ihre Nervosität.

Sie beißt sich auf die Unterlippe. „Ich habe ein bisschen Angst, dass diese Männer sich mit euch anlegen wollen“, gibt sie zu und ich kichere.

„Babe, die haben zu viel getrunken. Das einzig Gefährliche an diesen Idioten ist ihr Mundwerk und ihr übersteigertes Ego, das sie vom Alkohol haben.“ Ich streichle ihren Arm. „Entspann dich. Ich werde nicht zulassen, dass etwas passiert, und der Rest des Clubs auch nicht. Die meisten Leute wissen, dass sie uns in Ruhe zu lassen haben. Sie respektieren uns, geben uns unseren Freiraum und wir tun das ebenfalls.“ Lelani seufzt, obwohl sie sich noch immer nicht ganz entspannt. „Vergiss diese Arschlöcher. Wir sind alle hier, um uns zu amüsieren und Spaß zu haben“, beschwöre ich sie.

Lelani lächelt endlich wieder. „Du hast Recht. Ich sollte mein erstes Mal in einer Bar genießen. Ich bin hier, um gute Musik zu hören und mit Freunden zu lachen.“

„Darauf trinke ich.“ Mila lächelt und erhebt ihr Glas. „Auf die Familie“, prostet Reid ihr zu.

Ich stelle meiner Frau ein Schnapsglas zum Anstoßen hin und sie nimmt es in die Hand. Ich hebe meins. „Auf neue Anfänge“, sagt Lelani, und als sie ihr Glas an die Lippen führt, tun wir es ihr gleich und kippen den Whiskey hinunter. Lelani erschaudert, während die bernsteinfarbene Flüssigkeit ihre Kehle hinunterläuft.

Der Rest des Abends vergeht ohne weitere Aufregung. Wir sitzen alle um den Tisch herum, trinken ein paar Schnäpse und lachen uns den Arsch ab über die endlosen Witze, die Quinn sich einfallen lässt. „Warte, ich habe noch einen.“ Quinn kippt einen Shot. „Was ist der Unterschied zwischen hungrig und geil?“ Er blickt in die Runde und wartet darauf, dass einer von uns rät. „Je nachdem, wo man die Gurke reinsteckt.“ Er bringt die Pointe und Lelani bricht in lautes Lachen aus. Auf der anderen Seite des Tisches sehe ich sogar, wie Gabriel ein Lächeln über die Lippen huscht und seine Schultern zittern.

„Hör auf. Ich halte es nicht mehr aus.“ Lelani lacht heftig und bringt den ganzen Raum zum Strahlen. „Ich habe noch nie in meinem Leben so gelacht.“ Sie holt tief Luft und versucht, sich wieder zu fangen.

„Würde mir bitte jemand die Toilette zeigen, bevor ich mir in die Hose mache?“

Grace steht auf, immer noch lachend. „Komm schon. Ich zeige sie dir. Ich muss auch.“ Sie nimmt Lelani an der Hand und sie gehen durch die volle Kneipe in Richtung der Toiletten am anderen Ende der Bar.

„Ich sage, wir machen Schluss für heute“, schlägt Jake vor, kramt etwas Geld aus seiner Brieftasche und legt es auf den Tisch. Der Rest von uns Männern tut es ihm gleich.

Nach etwa fünf Minuten stehe ich auf. „Ich gehe mal aufs Klo.“ Ich schlendere in Richtung der Toiletten. Bevor ich die Herrentoilette betrete, erregt die angelehnte Tür zum Hinterausgang meine Aufmerksamkeit. Ich gehe der Sache nach. „Wo sind denn jetzt eure Biker-Männer?!“, höre ich einen Mann brüllen, als ich nach draußen trete. Mir gefriert das Blut in den Adern, als ich die Wichser von vorhin sehe, die Lelani und Grace an die Seite des Gebäudes gepresst haben. Grace sieht mich, ihr Mund ist von der Hand eines der Mistkerle bedeckt, der versucht, ihre Schreie zu unterdrücken. Ich greife nach meiner Waffe. Etwas kracht gegen meinen Kopf und ich stolpere ein paar Meter nach vorne, bevor ich mit der Seite gegen den Müllcontainer knalle.

„Ich mache dich fertig“, höhnt ein Mann und schlägt mit einem verdammten Baseballschläger auf mich ein. Ich weiche dem Schlag aus, entreiße ihm den Schläger und schleudere ihn ihm ins Gesicht, sodass sein fetter Arsch auf dem Boden aufschlägt.

Ich werfe den Schläger fort und ziehe meine Waffe. „Lass deine verdammten Finger von den Frauen.“ Ich gebe einen Warnschuss in den Himmel ab. Der bärtige Wichser, der Grace festhält, hebt die Hände und weicht zurück. Der glatzköpfige Scheißkerl mit den Händen an meiner Frau tut dasselbe und Grace ergreift Lelanis Hand. „Rein.“ So gern ich meine Frau auch in den Arm nehmen und ihr den erschrockenen Blick aus dem Gesicht wischen würde, ihre und Graces Sicherheit ist wichtiger. „Rein. Sofort“, befehle ich und halte meine Waffe auf die Männer vor mir gerichtet, deren Kumpel noch immer bewusstlos am Boden liegt. Grace nimmt Lelani an die Seite und geht zurück in die Bar, kurz darauf stürmen meine Brüder durch die Hintertür.

„Welcher von ihnen?“, knurrt Jake und ich weiß, was er fragen will. „Der mit dem Bart“, antworte ich und bevor ich blinzeln kann, hat Jake seine Waffe gezogen und einen Schuss abgegeben. Der Kerl, der sich an seiner Frau vergriffen hat, geht mit einer Kugel im Bein zu Boden.

„Du bist nur mutig, weil du eine Waffe in der Hand hast.“ Der glatzköpfige Bastard, dessen schmutzige Hände meine Frau angefasst haben, zuckt mit den Schultern und sucht den Kampf.

„Und nur ein Schlappschwanz legt Hand an eine Frau, aber sei versichert, dass ich diese Waffe nicht brauche, um dir wehzutun.“ Ich übergebe Logan meine Pistole zur sicheren Verwahrung. Dann trete ich vor, bereit, es mit dem Wichser aufzunehmen. Er zögert. „War ja klar. Das Einzige, wofür dein Mundwerk gut ist, ist, Scheiße zu reden und Schwänze zu lutschen.“ Meine Worte scheinen einen Nerv zu treffen.

„Ich hätte die Rothaarige mit zu meiner Karre nehmen und ihr zeigen sollen, wie sich ein richtiger Mann anfühlt.“ Er fasst sich grinsend in den Schritt.

„Du bist zu weit gegangen, Junge“, sagt Logan in dem Moment, als ich dem Arschloch meine Faust ins Gesicht ramme. Ich lasse ihm keine Zeit, sich zu erholen und verpasse ihm mehrere Schläge auf die Nase, wobei seine Vorderzähne in meine Knöchel schneiden. Ich höre nicht auf, bis er fällt und sein Gesicht zerschmettert ist. Mit Blut beschmiert stehe ich über ihm, aber ich fühle mich keineswegs besänftigt. Ich nehme Logan meine Waffe ab und richte sie auf den Kopf des Mistkerls.

„Scheiße, Mann. Töte ihn nicht.“ Der Typ, der mir den Baseballschläger über den Kopf gezogen hat, kommt zu sich und fleht um das Leben seines Kumpels. Ich sehe den, den Jake angeschossen hat, gegen den Müllcontainer lehnen, die Hand auf die Wunde gepresst. Dann wende ich meine Aufmerksamkeit wieder dem ramponierten Mistkerl zu, der zu meinen Füßen liegt.

„Prez?“, frage ich und warte auf eine Anweisung.

„Wir sollten uns heute Nacht nicht mit Leichen herumschlagen“, befiehlt Jake, und so schwer es mir auch fällt, dem Befehl zu folgen, trete ich zurück. „Jetzt schlage ich vor, dass ihr drei aus meiner Stadt verschwindet. Wenn wir eure Gesichter noch einmal sehen, werdet ihr den nächsten Tag nicht überleben.“

Meine Brüder und ich stehen da, als die beiden kräftigen Männer ihren geschlagenen Freund vom Boden aufsammeln und sich abmühen, seinen massigen Arsch von Charleys Grundstück zu tragen. Reid und Gabriel folgen ihnen bis zur Straße vor der Bar und stellen sicher, dass sie zu ihren Fahrzeugen gelangen. Was sie von dort aus tun, ist ihnen überlassen, solange sie nicht zurückkommen.

Ohne etwas zu sagen, stecke ich meine Waffe ein und gehe hinein, um meine Frau zu suchen. „Die Damen sind im Pausenraum!“, ruft Charley, als er mich sieht.

Im Aufenthaltsraum sitzen die Frauen zusammen auf einer kleinen Couch. Ich knie mich vor Lelani auf den Boden und lege meine Hände an ihre Wangen. Sie schmiegt sich in meine Berührung. „Geht es dir gut, Mäuschen?“ Ich mustere sie und finde keine sichtbaren Spuren.

„Mir geht es gut.“ Ihre Stimme zittert ein wenig und ich bedaure, dass ich den Mistkerl nicht umbringen konnte. Ich nehme sie bei der Hand, stehe auf und ziehe sie an mich heran, weil ich ihre Wärme spüren will. Ihre Hände gleiten unter meine Kutte, sie umschließt meine Taille und hält mich fest. „Hast du sie getötet?“

„Würde es dich stören, wenn ich es getan hätte?“, frage ich und warte auf ihre Antwort, aber sie bleibt still. „Ich bin kein Heiliger, Mäuschen. Es steht mir nicht zu, einen Mann wegen seiner Sünden zu verurteilen, während er in den Lauf meiner Waffe starrt. Ich schicke ihn lediglich zum Jüngsten Gericht, um das selbst zu übernehmen.“ Ich ziehe mich zurück, hebe ihr Gesicht zu mir und fahre mit den Fingerknöcheln über ihre Wange. „Kannst du damit leben?“ Lelani antwortet mit einem Nicken. „Sag es mir mit deinen Worten, Babe.“

„Bring mich nach Hause“, antwortet meine Frau und mehr brauche ich nicht zu hören.