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Juan Cabrillo fühlte sich durch den perversen Stolz abgestoßen, mit dem Ferreira für seine Technologie warb. Der Brasilianer streichelte die Slipstream-Drohne, als wäre sie ein geliebter Schoßhund und keine Apparatur, die den brutalsten Drogenkartellen der Welt zu unglaublichen Gewinnen verhelfen sollte.
»Die gesamte Außenhaut wurde aus Kohlefaser gefertigt«, erklärte Ferreira, »und mit Mikrokanälen versehen, um Sonarwellen abzulenken und die Geräuschsignatur zu reduzieren, wenn er durchs Wasser gleitet. Die Batterie reicht für vierundzwanzig Stunden Betrieb, sobald der Slipstream vom Schiff oder vom U-Boot abgekoppelt wird, mit dem er zur Startposition transportiert wurde.«
»Und wenn die Batterien leer sind?«, fragte Juan, um seiner Rolle als kritischer Käufer gerecht zu werden. »Wir könnten einige Hundert Millionen verlieren, wenn dieses Ding auf den Grund des Ozeans sinkt.«
»In diesem Fall schaltet der Slipstream in eine Art Schlafmodus um«, erläuterte Luis Machado, »sodass ausreichend Energie erhalten bleibt, um aufzutauchen, sobald die Polizeiorgane die Suche abgebrochen haben und Sie das Notsignal aktivieren konnten.«
»Sehr clever«, sagte Eddie, der deutlich mehr Interesse vorspielte als Juan. »Wie viele dieser Röhren bieten Sie zum Kauf an?«
Ferreira lächelte. »Dies ist der Prototyp, der zurzeit noch gründlich getestet wird. Aber in meiner Fabrik ist die Produktion bereits angelaufen, und wir könnten bereits in einem Monat etwa ein Dutzend Exemplare bereitstellen. Natürlich hatten wir jede Menge interessierte Anfragen, aber je nachdem, welchen Preis Sie zu zahlen bereit sind, dürfte es kein Problem sein, Sie an die Spitze der Warteliste zu schieben.«
»Ich muss dieses Gerät erst im praktischen Einsatz sehen«, sagte Juan. »Woher weiß ich, dass der Slipstream nicht nur eine gigantische Augenwischerei ist? Ich möchte mich vergewissern, dass er wirklich funktioniert, ehe ich dafür Geld auf den Tisch lege.«
Als Juan »gigantische Augenwischerei« sagte, sah ihn Machado mit großen Augen an. Dies war sein mit der CIA verabredetes Codewort, mit dem ihm signalisiert wurde, dass seine Tarnung aufgeflogen war.
»Glauben Sie etwa, dass wir versuchen, etwas unter die Leute zu bringen, das nicht wie beschrieben funktioniert?«, fragte Machado und spielte den Entrüsteten.
»Ich meine genau das, was ich sage«, erwiderte Juan und blickte Machado beschwörend in die Augen, um ihm klarzumachen, dass er seine Worte ganz bewusst gewählt hatte. »Ist das Ganze nicht nur eine gigantische Augenwischerei?«
»Gentlemen«, schaltete sich Ferreira wieder ein, »ich versichere Ihnen, dass der Slipstream sämtliche Anforderungen erfüllt, die an ihn gestellt werden. Ich hätte es niemals so weit gebracht, würde ich minderwertige Ware anbieten. Wenn Sie aber darauf bestehen, können wir gern eine Demonstration unter realistischen Bedingungen arrangieren.«
Machado wandte sich unvermittelt an Ferreira. »Boss, ich würde Mr. González gerne unsere Flugdrohnen zeigen.«
»Wunderbar. Wir können unsere Modelle mit speziellen Modifikationen liefern. Zum Beispiel lassen sie sich zu Angriffs- oder Verteidigungszwecken einsetzen, indem sie mit Sprengladungen bestückt werden, die man per Fernsteuerung zünden kann.«
Juan gab Eddie durch einen Blick zu verstehen, dass er einige Minuten mit Machado allein sein wolle, um ihm die Situation zu erklären.
Eddie deutete ein Kopfnicken an und sagte: »Wir haben genug Flugdrohnen in unserem Arsenal. Aber ich sollte mich mit Ferreira über den Preis für den Slipstream unterhalten.«
Ferreiras Grinsen wurde noch breiter, als Dollarzeichen vor seinem geistigen Auge tanzten.
»Gehen Sie nur, Roberto«, sagte er. »Wir kommen in ein paar Minuten nach.«
Machado ging voraus durch den Raum und eine Treppe hinauf. Als sie im Korridor allein waren, wirbelte er zu Juan herum und starrte ihn mit mühsam gebändigtem Zorn an.
»Wer sind Sie?«
»Juan Cabrillo«, folgte die Antwort in reinem, akzentfreiem Amerikanisch. »Wir sind von Langston Overholt hierhergeschickt worden, um Sie herauszuholen.«
»Weshalb?«
»Ihre Tarnung ist aufgeflogen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Ferreira erfährt, wer Sie wirklich sind.«
»Ich kann jetzt nicht von hier verschwinden!« Machado vergewisserte sich, dass niemand seine heftige Reaktion mitbekommen hatte, und senkte die Stimme. »Ich habe zwei lange Jahre gebraucht, um in Ferreiras Organisation einzudringen. Wenn dieser Tag zu Ende geht, verfüge ich über die Kontodaten jedes wichtigen Drogenkartells in Nord- und Südamerika. Mit diesen Informationen sind wir in der Lage, Milliarden Dollar einzufrieren.«
»Wenn Sie nicht aussteigen, ehe man Sie tötet, werden Sie gefoltert, damit Sie Ihr ganzes Wissen über die Aktivitäten der CIA , die Kartelle zu infiltrieren, preisgeben, und das wird ein schwarzer Tag für die Regierung der USA sein. Wir würden in unserem Kampf gegen die Übermacht dieser kriminellen Netzwerke um Jahre zurückgeworfen werden und besäßen auch weiterhin nicht die Informationen, die Sie durch Ihre momentane Mission zu beschaffen versuchen.«
Machado ging in dem engen Flur auf und ab. Die Enttäuschung war ihm anzusehen. Und Juan wusste nur zu gut, wie ihm in diesem Augenblick zumute war. Ihm selbst waren dank der Einmischung und des zum Teil krassen Dilettantismus bürokratischer Schwachköpfe in der Zentrale schon einige Missionen regelrecht ins Gesicht geflogen.
»Es tut mir wirklich leid«, sagte er. »Glauben Sie mir, wenn es eine andere Möglichkeit gäbe, würde ich Ihnen liebend gerne helfen, den Job zu erledigen.«
Machado blieb stehen, lehnte sich an die Wand, gab sich geschlagen.
»Ihnen ist klar, dass mich Ferreira nicht so einfach gehen lassen wird«, sagte Machado. »Es wäre zu verdächtig, wenn ich ausgerechnet jetzt die Dragão verließe.«
»Für diesen Fall haben wir eine spezielle Strategie. Wir haben ein Ablenkungsmanöver geplant. In dessen Verlauf werden Sie, ich und Eddie – mein Begleiter – ins Wasser springen.«
»Und an Land schwimmen?«
»In nächster Nähe hält sich ein U-Boot bereit, um uns aufzufischen. Wir steigen ein und gehen auf Tauchstation, ehe irgendjemand etwas von seiner Anwesenheit bemerkt.«
»Das ist doch vollkommen verrückt.«
»Ja, das ist es«, gab Juan zu. »Aber wir müssen es versuchen. Und zwar jetzt. In diesem Augenblick.«
Machado seufzte. »Okay. Sagen Sie mir, was ich tun soll.«
»Sie müssen mit mir aufs Oberdeck kommen. Sobald wir dort sind, gebe ich meinem Team das Startzeichen für das Ablenkungsmanöver.«
»Okay. Ich bin gleich wieder zurück. Wir treffen uns am Slipstream.«
»Wo wollen Sie hin?«, fragte Juan.
»Ich muss noch etwas aus meiner Kabine holen«, antwortete Machado, während er sich rückwärtsgehend im Korridor entfernte. »Für Sie ist der Zutritt zu diesem Bereich strengstens verboten.« Dann verschwand er um die Gangbiegung.
Während Juan in den Raum zurückkehrte, in dem die Drohnen ausgestellt waren, sagte er halblaut: »Omega, hier ist Alpha. Bereithalten – in zwei Minuten geht es los.« Sobald er und Eddie sich zusammen mit Machado auf dem Oberdeck befanden, würde er das Wort »Totenstille« in seine Konversation einfließen lassen, um Gomez zu signalisieren, die Quadrokopter mit den Sprengladungen und den Rauchbomben zu starten.
Er wartete. Keine Reaktion. Das sah Linda Ross absolut nicht ähnlich.
»Omega, hier ist Alpha. Bitte melden.«
Noch immer nichts.
Er versuchte es noch zweimal, aber als Antwort hörte er nur absolute Stille. Wahrscheinlich die Folge einer Störung des Kommunikationssystems. Für einen solchen Fall hatten sie ein alternatives Signal vereinbart. Wenn sie auf dem Oberdeck stünden, würde Juan einen Arm hochrecken, woraufhin Gomez die Drohnen aufsteigen ließ.
Vor der Tür zum Drohnenraum wartete Ferreira bereits. Er sah Juan Cabrillo gespannt an.
»Und was halten Sie von unseren anderen Produkten?«
»Beeindruckend«, sagte Juan. Er blickte zu Eddie, der kaum merklich die Schultern hob. Auch er hatte nichts von Linda gehört.
Ferreira lächelte. »Sollten wir dann nicht zum Geschäftlichen kommen? Mr. Chen und ich sind zu einer Vereinbarung gelangt, die für beide Parteien von Vorteil ist. Ich würde Ihnen das gleiche Angebot machen.«
Ehe Juan darauf antworten konnte, erklang Lindas Stimme in seinem Kopf. Sie zitterte vor Angst.
»Juan!«, rief sie und benutzte entgegen der Gepflogenheiten in solchen Situationen seinen richtigen Namen. »Chairman! Sie greifen uns an!«
Juan konnte nicht darauf antworten, nicht in Gegenwart Ferreiras und seiner sieben Helfer. Er tippte dreimal mit der Zungenspitze gegen den Backenzahn, um ihr mitzuteilen, nichts zu tun.
Ihre Stimme klang verzweifelt. »Wir müssen sofort verschwinden!« Es passte ganz und gar nicht zu Linda, dass sie in Panik geriet.
»Das können wir nicht«, sagte Juan zu Ferreira, aber seine Antwort war für Linda bestimmt.
Sie schluchzte jetzt. »Uns bleibt keine Zeit mehr!«
Dann, durch den Rumpf der Jacht, hörte Juan zu seinem Schrecken den Explosionsknall einer der Mini-Bomben.