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»Dieser Hubschrauber muss die Drohne bemerkt haben«, sagte Tate, der auf seinem Kommandosessel im Operationszentrum der Portland saß. Der qualmende MD 520N, der auf dem Gletscher lag, war mit dem Hubschrauber der Portland identisch. »Er muss von der Oregon gekommen sein.«
»Was hatte er dort zu suchen?«, fragte Ballard.
»Keine Ahnung. Vielleicht steht Juan mit der Deepwater in Verbindung und hat jemanden hingeschickt, um die Besatzung zu evakuieren.« Das NUMA -Schiff lag regungslos in der Bucht, in der es sich versteckte.
»Dazu wird es nicht mehr kommen«, sagte Farouk. »Der Helikopter ist ein Wrack.«
»Jetzt ist er es. Aber der Pilot hat es vielleicht noch geschafft, die Deepwater zu warnen, dass wir in der Nähe sind.«
»Wir kommen jedenfalls nicht in diese Bucht hinein«, stellte Li Quon fest. »Die Portland ist für die Kanäle zu groß.«
»Wie wäre es, sie mit einer Rakete zu versenken?«, fragte Tate.
Li schüttelte den Kopf. »Wir können sie von hier aus nicht mit der Visiereinrichtung auffassen.«
»Wollen wir keine Geiseln nehmen?«, fragte Ballard.
Tate nickte. »Ich habe mir gerade meine Optionen durch den Kopf gehen lassen. Was schlägst du vor?«
»Die Portland dürfte zu groß sein, um bis zu ihnen vorzudringen«, sagte Catherine Ballard, »aber ich kann unseren Helikopter benutzen.« Es hatte keinen Sinn, ihn nach der Oregon suchen zu lassen, wenn er abgeschossen werden konnte, ohne das Schiff überhaupt zu sehen.
»Ich könnte sie begleiten«, bot Li Quon an. »Ich müsste es eigentlich schaffen, die Deepwater aus der Bucht herauszulenken.«
»Falls sie seetüchtig ist«, sagte Tate. »Durchenkos Männer haben ihren Maschinenraum gründlich durchlöchert, bevor die Abtao sank.«
»Wenn das Schiff nicht von dort wegkommt, bleiben sie eben als Geiseln an Bord«, sagte Ballard. »Oder wir holen sie nach und nach hierher.«
Tate verzog das Gesicht. Die Mannschaft sollte aus mehr als fünfzig Leuten bestehen. Sie zu zweit oder zu dritt auf die Portland zu bringen, würde viel zu lange dauern.
»Zehn Leute höchstens«, sagte er. »Nur Offiziere. Den Rest erschießen.«
»Für alle Fälle nehme ich ein paar Sprengladungen mit«, sagte Li. »Damit können wir das Schiff versenken.«
»Wie lange wirst du brauchen, um dorthin zu kommen?«, fragte Tate.
Ballard zuckte die Achseln. »Zehn Minuten.«
Tate überlegte. Die Reichweite des Hubschraubers betrug dreihundert Meilen, daher bestand für die Portland keine Notwendigkeit, an Ort und Stelle zu bleiben und auf sie zu warten. Sollte Ballard sehen, dass die Deepwater zu fliehen versuchte, könnte Tate jederzeit kehrtmachen, um das Schiff abzufangen. Wenn nicht, könnte er mit der Portland die Suche nach der Oregon fortsetzen.
»Okay«, sagte er. »Stell ein Angriffsteam mit Li zusammen. Landet auf der Deepwater und bringt das Schiff und seine Mannschaft unter eure Kontrolle. Wir haben es dort mit einer Schar Wissenschaftler zu tun, daher glaube ich nicht, dass ihr mit großem Widerstand rechnen müsst, aber zögert nicht, jeden, der sich wehrt, zu eliminieren. Wir brauchen nicht alle für unsere Zwecke.«
»Verstanden«, sagte Ballard. »Wir werden landen, und dann lasse ich den Helikopter starten und uns Feuerschutz geben, während wir das Kommando auf der Brücke übernehmen.«
Auf dem Hauptbildschirm sah Tate den Landeteller des Hubschraubers aus dem hinteren Laderaum aufsteigen. Sein Pilot überprüfte die Bordwaffen. Anders als auf der Oregon mit ihrem Zivilhubschrauber hatte sich Tate für die militärische Version des M 530N entschieden. Sie war mit zwei 7,62 mm-Mini-Guns und zwei siebenschüssigen Raketenwerfern bestückt. Die Bewaffnung reichte zwar nicht aus, um ein Schiff von der Größe der Deepwater zu versenken, aber die Maschinenpistolen und die Raketen konnten jeden auf Deck ausschalten, der Schwierigkeiten machte.
Li verließ das Operationszentrum, und Ballard machte Anstalten, ihm zu folgen, als Tate ihren Arm ergriff und sie küsste.
»Was hat das denn zu bedeuten?«, fragte sie lächelnd.
»Mir war einfach danach«, sagte Tate. »Außerdem liebe ich es, wenn du ›Kommando übernehmen‹ sagst.«
Während sie sich von ihm losmachte, strich ihre Hand an seinem Arm entlang. Das Lächeln war noch immer in ihrem Gesicht, als sie durch die Tür hinausging.
Tate wandte sich um und ertappte Farouk dabei, wie er ihn angrinste. Die restlichen Mannschaftsmitglieder im Op-Zentrum bemühten sich, intensiv beschäftigt zu erscheinen.
»Was findest du so lustig?«, fragte Tate und funkelte Farouk mit glühenden Augen bösartig an, während er zu seinem Sessel zurückkehrte.
»Überhaupt nichts«, versicherte Farouk, konnte jedoch ein halb verschlucktes Kichern nicht unterdrücken.
Tate machte sich in Gedanken eine Notiz. Sobald die Oregon versenkt war und er die Pläne für den Sonar-Disruptor zu einem hohen Preis verkauft hatte, hätte er für den ägyptischen Ingenieur keine Verwendung mehr.
Wenn Ballard von ihrer Mission zurückkehrte, würde ihr und Tate sicherlich ein ganz besonderes Szenario einfallen, wie man ihn töten könnte.